Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[63.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1647 Juni 17
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Münster 1647 Juni 17
Kurmainz Rk FrA Fasz. 21 nr. 45 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurtrier zA ( unvoll-
ständig ); Kurköln zA I fol. 317’–318’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 714–716 und
Kurköln zA Extrakt fol. 35–35’ ); Kurbayern Rp in K III fol. 535’–537; Kursachsen
Rs II fol. 100–101; Kurbrandenburg Rk II fol. 94–96’.
Sessionsansprüche Schwedens im Fürstenrat beeinträchtigen Kurbayern.
Briefe an den Kaiser und das Reichskammergericht, um den angemessenen Unterhalt des Gerichts
zu gewährleisten. Empfehlung der Judencapitation und dreier neuer Kammerzieler. Zusicherung
von Waisengeld.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen, Kurbrandenburg.
Kurmainz. Zeigte ahn, waßmaßen der herr Churbayrischer gesander ahn
sie begehrt, sinthemahlen er im nahmen Seines Gnedigsten Herrn im chur-
fürstlichen collegio etwas geringes vorzutragen hette, sie wolten die chur-
und furstliche herrn gesanden, umb solches ahnzuhoren, zusammenerfor-
dern . Stünde dießem nach dahien, ob sie Churbayrische solch ihr anpringen
thun wolten.
803, 7 –804, 11 Kurbayern –laßen] Laut Kurtrier zA, Kursachsen Rs II, Kurbranden-
burg Rk II bittet der kurbayerische Votant Haslang das Direktorium, seinen Vortrag
dem Protokoll einzuverleiben, aufgenommen ist es aber nur in Kurtrier zA volgenden
inhalts: Schwedens Anspruch auf Vorsitz im Fürstenrat schmälert die Verdienste des
Kurfürsten von Bayern um das Reich; er verstößt gegen alles Recht und gegen die Verein-
barung über die schwedische Satisfaction, wonach Schweden für Vorpommern die übliche
Session dieses Herzogtums, für Bremen und Verden den Platz hinter den Markgrafen von
Brandenburg einzunehmen hat. Schwedens Forderung birgt zudem Gefahr für die mit kur-
fürstlichen Häusern verwandten Fürsten, für die gesambte churhausser propter com-
mune interesse, weil sie dem betroffenen Kurbayern nachsitzen, für die geistlichen Kur-
fürsten und das gesamte Kurkolleg, das durch die Kurvereine, an die Kurbayern appelliert, zur
Hilfeleistung für seine einzelnen Glieder verpflichtet ist. Die Krone Schweden kann nicht als
solche den Vorsitz beanspruchen, denn nach den Reichssatzungen bemessen sich die reichs-
sessiones nicht nach den standt undt dignität der persohnen, welche sie extra
imperium repraesentiren, sonderen nach der qualität und beschaffenheit der reichs-
lehen , ein Beispiel dafür ist die Session Dänemarks für Holstein. Kurbayern erwartet Hilfe
von seiten eines yeden getrewen undt verstendigen patrioten, welchen des gemeinen
vatterlandts lieb undt der freyen Teutschen libertät, seins auch eigenen standts
conservation schuldigermassen ahngelegen, es verwahrt sich gegen die pflichtvergessenen
Gesandten, die Schweden ein solches Verhalten ohne Wissen ihrer Kommittenten suggeriren.
Wie Kurbayern bereit ist, andere Reichsstände in ihren Rechten und Würden zu unterstützen,
so erwartet es dies auch seitens der anderen Stände. Seit der Teilung des Herzogtums Bayern
in Ober- und Niederbayern
Durch den Teilungsvertrag von 1392 wurden die niederbayerische Landshuter und die oberbayerische
Münchener Herzogslinie gegründet, Oberbayern selbst aber wieder aufgeteilt. Weibliches Erbrecht
war nicht vorgesehen; beim Ausbleiben männlicher Nachkommen sollte die eine Linie in die
Rechte der anderen eintreten ( Riezler III S. 165f., 572f.).
werden; dies ist mit Dokumenten aus dem kurbayerischen Archiv bis über 1494 hinaus
belegbar. Nach dem Tode Georgs des Letzten
Hg. Georg der Reiche von Bayern-Landshut (1455–1503), regierend seit 1479. Durch Testament
von 1496 machte er seine Tochter Elisabeth zur Erbin, verheiratete sie 1499 mit Pgf. Ruprecht
und überging so die Münchener Herzöge; dies führte nach seinem Tod zum Landshuter Erbfolge-
krieg ( NDB 6 S. 199f. , Häusser I S. 464ff., Riezler III S. 570–582, anschaulich Ersch-
Gruber III 20 S. 191ff.).
sich Bayern noch auf den Reichstagen von Worms 1521 und von Regensburg 1613 und 1640
die mehrere stelle und stimben vorbehalten und lediglich aus freyen willen mit einer
Session sich begnügt; Bayern ist gewillt, Sitz- und Stimmrecht für beide Teilherzogtümer nun
wieder aufleben zu lassen. Es widerstreitet nicht dem Reichsherkommen, das ainige chur-
fursten zwo oder mehr sessiones undt vota in zweyen underschiedtlichen collegiis
oder in einem haben, denn auch Kf. Friedrich IV. von der Pfalz hat für Pfaltz
Simmeren undt Lauteren Sitz und Stimme im Fürstenrat gehabt.
welche kürtzlich auff deme bestunden, daß die königlich Schwedische herrn
plenipotentiarii sich eine zeit hero dahin vernehmmen laßen, nit allein Ihrer
Churfürstlichen Durchlaucht alß hertzogen in Bayern von etlichen seculis
herprachte praerogativ und vorsitz im fürstlichen collegio uf der weltlichen
banck dergestalt anzufechten, daß, wo dieselbe nit gar vom fürstlichen
collegio außgeschloßen, dannoch wenigstens ihrer herprachten ersten ses-
sion und voti degradirt und der cron Schweden zugeeignet werden solle ,
allermaßen bey den actis weitleufftig zu ersehen; pate dießem nach, man
wolte sich dießes wercks mit vleiß annehmen und dahin sehen, damit
höchstgedachte Seine Churfürstliche Durchlaucht dabey manutenirt werden
mögten, zumahln sie nit gemeint, ihro und ihrem hauß solchen schimpf
anthun und sich hiervon priviren zu laßen.
Kurmainz. Erpotte sich, den churfürstlichen gesanden von solcher ver-
leßenen schrifft communication zu thun und daß darin angeführtes begehren
demnechsten in beyden chur- und fürstenräthen zur deliberation zu pringen;
15–17 verlaße – cammergericht] Laut Kursachsen Rs II betrifft der Brief an den Kaiser
die concession der Judencapitation, der Brief an das Kammergericht machet die ver-
tröstung auff die Judencapitation undt auff 3 ziehle, deßgleichen die concession
zur internen Verteilung der neglecten. Zusätzlich in Kurbrandenburg Rk II: In
Münster und Osnabrück sind dieser sachen wegen underschiedtliche conclusa auß-
gefallen , da einige gingen auf sechs, andere auf drey gemeine ziele, andere aber auf
gar nichts, undt wehren auch nicht weinig, so allerhandt conditiones annectiret,
daß also unmöglich, solche differente meinungen zu conciliiren; sie hetten auß
allen conclusis die schreiben zusammengetragen.
haltung verfaste concepten ahn die Römisch Kayßerliche Mayestät
Reichsstände an Ks. Ferdinand III., Münster 1647 VII 8 (Druck Meiern V S. 334 f.).
ermeltes cammergericht
Reichsstände an Reichskammergericht, Münster 1647 VII 8 (Druck Meiern V S. 332 –334).
dabey zu erinnern, sich mit wenigem vernehmmen laßen wolten.
Kurtrier. Ihre Churfürstliche Gnaden zu Tryr hetten zwar hiebevorn bey
der im concept angezogenen Judencapitation bedencken gehabt.
aber aus den vorgelesenen Konzepten entnommen haben, daß die Judencapitation den
Beiträgen der sie entrichtenden Reichsstände abgezogen werden soll, haben doch kein
bedencken, sondern wolten sich den maioribus conformirt haben und er-
warten , waß Ihre Kayßerliche Mayestät sich darauff erclären werden;
sonsten hetten sie bey den concepten kein bedencken.
Kurköln. Wegen der Judencapitation beziehen sich uf ihre vorige vota
consentirend; Ihre Churfürstliche Durchlaucht theten sich nachmahls wegen
beytragung ihrer underhaltungsziehler wegen der kriegsbeschwerden ent-
schuldigen , wolten gleichwohl die verordnung thun, daß gegen künfftige
herbstmeß ihrer ertz- und stiffter wegen die 3 ziehler erlegt werden, und
6 probirten – concepten] Laut Kurbrandenburg Rk II, sinngemäß Kurbayern
Rp, Kursachsen Rs II: abgesehen von einigen Kleinigkeiten; sonderlich aber wehre bey
der Judencapitation zu sezen, daß sie citra omnem consequentiam seyn solle, damit
sie sich am Kayserlichen hoff nicht ferners opponiren. Kurköln zA I, spA II im
kurkölnischen Votum wesentlich knapper.
Kurbayern. Hette zwar keinen bevelch, dieweiln gleichwohl Ihre Chur-
fürstliche Durchlaucht ihnen dabevorn uff die Judencapitation instruirt, so
zweivelte nit, dieselbe sich zu dem ietzt verleßenen concept umb soviel
ehender verstehen, auch sonsten gegen künfftige Franckfurther herbstmeß
zu beytragung der ziehler daß ihrigh [trewlich] thun werden; hetten sonsten
[nichst] zu endern.
Kursachsen. Hetten bey den verleßenen concepten nichts zu erinnern.
Wegen der drey ziehler hetten zwar noch keinen bevelch, zweivelten
gleichwohl nit, Ihre Churfürstliche Durchlaucht sich hierin, wie auch daß
die herrn cameraln die neglecta bis zu fernerer verordnung under sich
theilen mögten, conformiren werden.
Kurbrandenburg. Wegen der Judencapitation wolten sich nit separiren,
wünschten allein, daß dieselbe ad praxim kommen mögte. Wegen der
dreyer ziehler hetten noch keine resolution, zweivelten gleichwohl nit, Ihre
Churfürstliche Durchlaucht sich den maioribus accomodiren werden.
deren außtheilung auch der serviten, wittiben und weißen eingedenck sein
wolten.
Kurmainz. Waß Brandenburg erinnert, solte im concept beobachtet wer-
den ; und obzwar Churbayern, -sachßen und -brandenburg dem bedeuten
nach sich wegen beytragung der underhaltungsziehler bis noch nit erclärt,
so zweivelten gleichwohl nit, dieselbe die noth und wieviel dem reich ahn
conservation des cammergerichts gelegen, erwegen und mit erlegung der
ziehler beyhalten werden.