Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[59.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 April 29
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Münster 1647 April 29
Kurmainz Rk FrA Fasz. 21 nr. 41 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rp FrA Fasz.
21; Kurtrier zA ( damit gleichlautend Kurbrandenburg Rk II fol. 65’–71’ ); Kurköln
zA I fol. 297’–300’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 676’–682 und Kurköln zA
Extrakt fol. 34 ).
Eingriff der Reichsstände in die Friedensverhandlungen zugunsten der Landgrafschaft Hessen-
Darmstadt. Frühere Übereinkünfte zwischen den streitenden Parteien Hessen-Kassel und Hessen-
Darmstadt in der Marburger Erbsache. Keine Reichsentschädigung für Hessen-Darmstadt.
Hessen-Kassels Ansprüche auf Stadt und Amt Limburg und Stadt Rbens.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz. Es würden die churfürstliche herrn gesanden per dictaturam
empfangen und verleßen haben, waß deß herrn landgraff Georgens zu
Heßen Darmstatt Fürstliche Gnaden in der mit Heßen Cassel wegen der
Marpurgischen succession habenden strittigkeid bey den stände vor- und
anpringen und dabey begehren laßen
Druck Meiern IV S. 431–438 , 430f.
ständ die königlich Frantzößische sowohl alß Schwedische gesanden per
deputatos ordinarios ersuchen wolten, dahin sich zu interponiren, damit
Heßen Cassel sich mit den gethanen offerten begnügen laße oder da sie da-
mit nit zufrieden, alßdann nechst hinansetzung alles gewalts, kriegs- und
23/24 außführe] Zusätzlich in Kurtrier zA, Kurbrandenburg Rk II und sinngemäß in
Kurmainz Rp: Hessen-Darmstadt glaubt nämlich, ahn rebus iudicatis, darauff erfol-
geten translationibus undt aydtschwür gutt recht zu haben, und wünscht deputation
nit allein ahn beyder cronen plenipotentiarios, sonderen auch ahn die Heßen Caße-
lische gesandten.
führe .
Wenigers nit seye den herrn gesanden communicirt worden, waß Heßen
Cassel dagegen eingewendet
Druck Meiern IV S. 436 –442. Ehe die Reichsstände am Kongreß mit den hessischen Streitig-
keiten befaßt wurden, waren bereits hartnäckige Verhandlungen zwischen den Gesandten beider
Hessen, des Kaisers, Frankreichs und Schwedens vorangegangen; Lg fin. Amalie Elisabeth hatte
Vorteile auf dem Kriegsschauplatz und die Unterstützung vor allem der französischen Gesandten.
Ein Hauptstreitpunkt war der Besitz von Stadt und Universität Marburg ( H. H. Weber ,
Hessenkrieg S. 135ff., 18ff.).
deliberiren, dem Lgf. Georg zu willfahren oder nicht.
Kurtrier.
vorhabenden tractaten mit beyden frembden cronen dieße Heßen Darmb-
stattische sach bestens zu beobachten und dahin zu sehen, damit dieselbe,
wo nit in der güete, doch durch ordentliche weg rechtens hingelegt werden
möge. Daß man aber auch
wegen zusprechen solte, dabey hetten sie bedenckens und sehen nit, waß
es fruchten würde, sondern vermeinten, solche handlung allein ahn die
Kayßerlichen und besagte der cronen plenipotentiarien zue gütlicher ver-
gleichung zu remittiren, wo aber die sach nit verglichen werden könde, daß
dieselbe alßdann uf die mittel gerichtet werde, wie Heßen Darmbstatt
selbsten vorgeschlagen. Heßen Darmbstatt begehrte zwar auch vom reich
eine refusion deßen, so dieselbe dem hauß Heßen Cassel zurücklaßen müste.
Nachdemahl aber daß reich hiebey nit interessirt noch dießer strittigkeiden
halber weder einigen nutzen noch schaden zu gewarten, so sehen sie nit,
wie daß reich hierzu obligirt noch einige gegenrecompens derentwegen
schuldig wehre. Hielten derowegen, solches den Kayßerlichen herrn gesan-
den gleichergestalt zu erkennen zu geben und sie zu abwendung deßen zu
ersuchen.
3 o werde auch in der Heßen Casselischen praetension under andern der statt
und ambts Limburg gedacht, so hiebevorn von dem ertzstifft Tryr ahn daß
hauß Heßen versetzt geweßen. Dieweil aber anno 1625 von Churtryr dem
hauß Heßen die auffkündigung gethan, darauff auch mit landgraffen Lud-
wigen in beysein der Heßen Cassellischen tractirt und Seiner Furstlichen
Gnaden der pfandschilling erlegt
Kurtrier besaß 1322–1332 die Lehnshoheit über die Stiftsvogtei der Herren von Limburg, kaufte
1344 die Hälfte der Herrschaft, wurde 1420 nach Aussterben der Herren Landesherr von Lim-
burg und verpfändete den Grafen von Katzenelnbogen und Landgrafen von Hessen 1436 die
Hälfte der Herrschaft; 1624 löste Kurtrier die hessische Hälfte von Limburg wieder ein ( De-
mandt S. 197, 409, 436–439, Struck S. 61–66, Schirmacher S. 10, Handbuch 4
S. 294, Städtebuch IV 1 S. 317, Fabricius V 2 S. 469, 480, 658).
sens darüber eingeholt worden, so sehen sie nit, wie Heßen Cassel sich deßen
anzunehmmen; da sie ahn den pfandschilling einige forderung hette, mögte
sie solches bey Heßen Darmbstatt suchen, deßen herr vatter landgraff Lud-
wig die gelder empfangen. Pitten also auch, den Kayßerlichen solches zu
remonstriren.
Kurköln ( Buschmann ). Hielten unnöthig, de meritis causae viel zu reden,
dann die ergangene urtheil und transactiones selbsten redeten. Könden wohl
geschehen laßen, daß den herrn Kayßerlichen gesanden und beyder cronen
plenipotentiarien zur güetlichen entscheidung recommendirt werde. Heßen
Cassel excipire wider alle die, so bey der satisfaction interessirt; nun seye
bekand, daß Churcöllen von denselben zu ergreiffung der waffen und defen-
sionsmittel und also zur feindschafft genöthiget worden, dahero sich dießes
votirens wohl enthalten können. Weiln gleichwohl daß publicum hierbey
mit versire, so hetten, sich deßen anzunehmmen, nit underlaßen können.
solte, darzu könden sie sich nit verstehen. Heßen Darmbstatt ziehe solches
vor eine partheysach ahn, dahero daß, so einer dem andern nachgebe, von
dem dritten nit praetendirt werden könde, sondern wehre den Kayßer-
lichen zu bedeuten, daß daß reich sich zu keiner obligation verbunden
halte.
So wehre auch under der Cassellischen praetension des stättleins Rheins
Munizipalstadt im oberen Teil des Erzstifts Köln, erhielt Ende des 14. Jahrhunderts Stadtrechte
und war von kurtrierischem Territorium umgeben. Rhens war von 1445–1629 an die Grafen von
Katzenelnbogen und an deren Erben, die Landgrafen von Hessen, verpfändet ( Heimatchronik
S. 32f., 34, Handbuch 5 S. 276f., Fabricius II S. 55, 72, 98), ging danach an die Grafen
von Bronkhorst und Croy (deren bekanntester Vertreter war damals Feldmarschall Johann
Jakob Gf. von Anholt, Frhr. von Bronkhorst, 1580–1630, in Kriegsdiensten der Liga 1619–1629,
über ihn BuA II 4 nr. 295 S. 373, II 5 nr. 72 S. 173, 209f., nr. 171 S. 737f., NDB 1 S. 296f. ,
Forst S. XIXf., Stramberg 2, 4 S. 413ff., Zedler 4 Sp. 1470).
gedacht, dasselbe wehre ein dem ertzstifft Cöllen zustehender eigenthumb-
licher orth, hiebevor ahn die graven von Catzenelnbogen versetzt, volgents
aber mit vorwißen und belieben landgraff Wilhelms wider eingelöst worden,
welches auch die graven von
besitz hetten ; pitten dahero, dießen puncten gantz zu verwerffen.
Kurbayern. Hette wünschen mögen, daß solche strittigkeiden in der güete
oder durch die erbverbrüderte hetten beygelegt werden können; weiln aber
solches nit annehmblich, so werde dahin zu gedencken sein, wie in dießem
werck zu befürderung des friedens zum vergleich zu kommen. Und weiln
bey dießen tractaten sich beyde cronen Heßen Cassel mit sonderbahrem
eyffer angenohmmen, hergegen die Kayßerliche zu manuteniren vermeint,
waß durch Kayßerliche urtheil erkend worden, und also endlichen beyde
theil einen güetlichen vergleich vorgenohmmen, so hielte, die Kayßerlichen
zu ersuchen, ihren vleiß zu continuiren und dahin zu sehen, damit womög-
lich dieße sach in guete beygelegt werde. Solte man nun, wie Churcöllen
vermeint, solches auch den cronen zu remonstriren vor guet ansehen, so
wolte sich nit separiren.
Hette auch ersehen, daß Heßen Darmbstatt daß, so sie nachließen, vom reich
wider praetendiren wolten, welches er keineswegs vor pillig erachtete,
sondern mit Churtryr und -cöllen sich conformirte, daß solches den Kayßer-
lichen schrifft- oder mündlich zu remonstriren.
Betreffend daß, so Churtryr wegen der statt unnd ambt Limburg und Chur-
cöllen wegen Reens erwehnet, weiln solche orth allein pfandschafften
geweßen und ordentlich wider uffgekünd, die gelder auch gegen gepürende
quittungen erlegt worden, so könde iha nit sehen, mit waß fuegen die
restitution solcher orth praetendirt werden könde; welches dann auch bey
den herrn Kayßerlichen zu gedencken wehre.
Kurbrandenburg.
hielten die güetliche vergleichung vor das beste, dann da ein oder ander
theil die extremitäten suchen solte, würde der frieden nur dardurch ver-
hindert . Sie vernehmmen, daß die sache zwischen den herrn Kayßerlichen
und beyder cronen gesanden albereit weit kommen seye.
etwas vorkommen, werde die sach nur schwehrer gemacht, hielten also, die
sach in handen der Kayßerlichen und beyder cronen zu laßen, wie sie albereit
verfangen. Solte man vor guet ansehen, die Kayßerliche, königlich
Frantzösische und Schwedische gesanden zu ersuchen, die sach zu beschleu-
nigen , wolten sich, wann dardurch keinem theil praeiudicirt werde, demsel-
ben gern conformiren.
Betreffend daß Heßen Darmstattische begehren, daß nemblichen daßienige,
so Seiner Fürstlichen Gnaden nachgeben, von dem reich wider restituirt
werden solte, gleichwie dießes eine partheysach seye, dabey daß publicum
nit interessirt wehre, sondern daßienige, so Darmstatt nachgebe, den ver-
stand haben werde, daß es der frieden und der sachen zustand selbsten
erfordere, also sehen sie auch nit, wie dagegen einige recompens zu erstat-
ten , und könde dießes den Kayßerlichen auch also bedeut werden.
Zu Kurtriers und Kurkölns Ausführungen über die Pfandschaften können sie sich
ohne Instruktion nicht äußern.
Kurmainz.
daß die Kayßerliche und königlich Frantzößische und Schwedische gesan-
den zu ersuchen, dieße Marpurgische successionsstrittigkeid ab aequitate
iustitiae und soweit es dem frieden nit hinderlich, in der güete zu ver-
gleichen . Gleichwie sie nun von Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Maintz
gnedigst bevelcht, des herrn landgraff Georgens Fürstlicher Gnaden ange-
legenheiten bestens zu secundiren, also theten sich auch hierinnen mit den
herrn vorstimmenden conformiren und dahin schließen, daß solche sach
vorgeschlagenermaßen hochwohlgedachten Kayßerlichen wie auch beyder
cronen plenipotentiarien bestens zu recommendiren.
Betreffend die gesuchte refusion, weiln dießes eine partheysach seye, dabey
daß publicum nit interessirt, so sehen sie auch nit, wie dieselbe mit fuegen
von dem reich begehrt werden könde, sondern hielten, daß solches unpil-
liges begehren den herrn Kayßerlichen zugleich auch zu demonstriren,
dieselbe wenigers nit zu ersuchen, Churtryr und -cöllen wegen der angezo-
genen pfandschafften der statt und ambt Limburg wie auch des stättleins
Reens den Heßen Cassellischen denselben zu praeiudiz nichts einzuwilligen.