Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[54.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1647 März 11
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Münster 1647 März 11
Kurtrier zA = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rp FrA Fasz. 21; Kurköln zA I
fol. 277–278’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 623’–627’ und Kurköln zA Extrakt
fol. 31–31’ ).
Bestätigung der sächsisch-brandenburgisch-hessischen Erbverbrüderung auf dem Friedenskongreß.
Katholische Bedenken, das Thema in den Reichsräten zu proponieren: endgültiger Verlust katholi-
scher Stifte und Güter, Gefährdung der Lehnshoheit des Kaisers und der Autonomie des Reichs.
Genaue Kenntnis des Sonderbündnisses zwischen den erbverbrüderten Häusern ist erforderlich.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern .
Kurmainz . Das in Osnabrück Kurmainz übergebene Memorial
Datiert Osnabrück 1647 II 17/27 (Druck Meiern IV S. 303 f.), mit Vortrag der Deputation
von Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen-Weimar, Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel vor
den kurmainzischen und ksl. Gesandten in Osnabrück am 8. März 1647 (vgl. ebd. S. 295ff.). –
In dem Memorial wurde auf die Naumburger Erbverbrüderung der Häuser Brandenburg,
Sachsen und Hessen vom 9. April 1614 Bezug genommen, die die wechselseitig vorzunehmende
Sukzession bei Aussterben eines der drei Häuser regelte (Druck Moerner nr. 27 S. 61–64, vgl.
MEA CorrA 24 [1]). In der Erbverbrüderung war vereinbart, bei dem jeweiligen Lehnsherrn, bei
dem Kaiser und bei den geistlichen Kurfürsten um Bestätigung zu bitten; eine Bestätigung erfolgte
im Prager Frieden ( Friedenspacten S. 193).
fürstlichen Häuser Sachsen, Brandenburg, Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt
werden die Gesandten gelesen haben. Nachdeme dan sie von ihren collegis zu
Osnabrug belanget worden, ihnen ahn handt zu geben, waß hierunder vor-
zunehmen , ob nemblich gedachten chur- undt fürstlichen heußeren in ihren
petitis zu deferiren, vornemblich aber, ob gedachtes memoriale ad dicta-
turam undt folgendts in alle reichßräthe komben zu laßen, undt sie dan in
ersehungh deßen allerhandt nachdencken undt gefehrligkeit gefunden, alß
21–24 außerhalb – notificiren] Fehlt in Kurbayern K III. Statt Hinweises auf die Re-
und Correlation in Kurköln zA I, spA II zusätzlich: Bey dieser consultation pro-
poniert Kurmainz Kurköln und Kurbayern die Beschwerde Kurtriers, daß der Kommandant
von Ehrenbreitstein, obrist Lucas , übermäßige Kontributionsforderungen von monatlich
5000 Reichstalern und 100 Maltern Korn im Erzstift Trier erhebe und trotz der geringen,
200 soldaten umfassenden Besatzung einen ganzen Regimentsstab Offiziere auf der Festung
unterhalte, des weiteren die Forderung der kurtrierischen Gesandten, namens der katholischen
Kurfürsten 1. Verpflichtung des Kommandanten zugleich auf den Kurfürsten und das Dom-
kapitel von Trier, 2. Vereinbarung des Kommandanten mit dem Kurfürsten von Trier über
die Höhe der Kontribution auf der Grundlage eines kurtrierischen Angebots von monatlich
2000 Reichstalern beim Kaiser zu erwirken. Die Kurtrierer begründen dies unter anderm
mit der vertraulichen Nachricht, daß ihr Kurfürst sich sonst mit Frankreich in Übergabe-
verhandlungen für die Stadt Koblenz einlassen und dadurch vor allem Kurköln wegen
sperrung des Moselstroombs in Mitleidenschaft gezogen werde.
Kurköln und Kurbayern beschließen ad partem vorbehaltlich der Ratifikation ihrer Kur-
fürsten , weil der Kommandant Lucas auch in kurtrierischen pflichten doch das interesse
von Kaiser und Reich mehrers zu beobachten wissen würde, die Forderung der kurtrie-
rischen den ksl. Gesandten schriftlich zu empfehlen, zumal nomine Churcolln und -bayern
in Sachen Ehrenbreitstein an den Kaiser schon mehrmahlen geschrieben. Kurmainz ist
einverstanden.
trawen gemeß, ehe daß memorial zur dictatur gegeben werde, hierauß mit
den herren catholischen churfürstlichen gesandten zu communiciren, undt
von denselben zu vernehmen, ob dem begeren stattzuthun.
Ahn ihrem orth haben sie daß memoriale ersehen undt finden vors erste,
daß solches petitum gantz newe undt im reich dabevorn nicht herkommen,
zumahlen waß verdräg undt verbrüderung angehet, die regalia undt conse-
quenter Ihre Kayßerliche Mayestät betreffen thutt; alß bedüncket ihnen
gefehrlich zu sein, daß ein solches yetzo gestattet undt dem instrumento
pacis solle eingerückt werden.
Pro 2 do haben sie in acht genohmen, daß dieß suchen Ihrer Kayßerlichen
Mayestät nit wenig disreputirlich, indeme sie auff seith gesetzt undt der
recurs ad status imperii genohmben wirdt.
Pro 3. will es auch nit wenig gefehrlich sein, sinthemahlen hierunder nichst
anders intendirt wirdt, alß daß die geystliche ertz-, stiefft undt clöster, welche
yetzund den protestirenden, sonderlich aber Churbrandeburg, alß dha seindt
Magdeburg, Halberstatt undt, wie außgeben wirdt, Minden uberlaßen wer-
den , nach absterben dieser lini auff Sachßen undt endtlich auff Heßen fallen
undt ihnen also in perpetuum verpleiben sollen. Nuhn aber ist dem catho-
lischen standt hoch undt viell darahn gelegen, daß diejenige ertz-, stiefft
undt geystliche gütter, so daßmahll amore pacis abgetreten werden, den
gegentheill nit gar in die handt gespielt werden.
4. Dha ein solches yetzo solte verwilliget werden, dörffte es in eine böße
consequentz von anderen häußeren gezogen werden, nemblich Mecklnburg,
Branschweich, Lüneburg, Dennemarck wegen Hollstein, daß in ewigkeit
kein catholischer sich einige gedancken mehr auff solche ertz- undt stieffter
machen dörffte.
Auß diesen undt anderen dergleichen ursachen mehr haben sie nit vor
undienlich erachtet, der herren abgesandten bedencken hieruber zu ver-
nehmen , undt ob nit, ehr undt zuvorn man einige resolution faße, zu
begern, daß die erbverbrüderung heraußgegeben werde, damit die gesambte
reichßständte oder auffs wenigst die herren churfürsten solche erwegen,
examiniren undt sich darauff resolviren mögen.
Sie werden in ihrer meinung wegen der geystlicher gutter umb so mehr
bestärckt, weillen Vorderpomeren der cron Schweden pro satisfactione
ubergeben undt dardurch auß der erbverbrüderung gesetzt wirdt. Wie deme
doch allem, stehe den herren abgesandten heimb undt frey, ihre gedancken
hieruber zu eröffnen.
undt fürstlicher heußer gesandten zu Osnabrüg zwecks Bestätigung ihrer Erb-
verbrüderung durch Kaiser und Reich ubergeben […].
Soviell nuhn daß memoriale betriefft, können sie sich auß mangell instruc-
tion hauptsächlich nit vernehmen laßen, sonderlich auch weillen die deli-
beration nuhr praeparatoria ist. Gleichwoll ist es eine schware sache, darüber
die herren principales nothwendig müßen vernohmben werden.
Discursweiß aber hiervon zu reden, ist ihnen der inhalt sothanigen erbver-
brüderung nit bekandt. Daß memoriale beziehet sich zwar auff die güldene
bull, reichßconstitutiones undt Kayßerliche capitulation, denen sie es aber
im nachschlagen nit gemeß befinden, außer deme, daß chur-, fürsten undt
ständten zuleßig, pro defensione uniones zu machen, aber nit pro successione
in feudis, zumahlen kündig, daß alle diese chur- undt fürstliche heußer feuda
masculina vom reich tragen, darin eins dem anderen nit succediren kahn, wel-
che aber auff obigen fahll niehmahlen eröffnet würden; undt hette auch crimen
feloniae kein platz, dardurch aber zu allen gefehrlichen machinationibus
thuhr undt thor geöffnet würde.
daß die pacta nit allein auff alte lehn undt andere possessiones, sonderen
auch uffs künfftige gerichtet sein, warzu dan auch die geystliche gütter, wahn
sie secularizirt werden, gehoren würden, wiewoll ihnen annoch unbekandt,
waßgestalt Magdeburg undt Halberstatt Churbrandeburg uberlaßen wor-
den , ob nemblich eo modo wie den protestirenden ihre geystliche gütter
oder in perpetuum undt erblich
Die endgültige Friedensregelung ( IPO) sah vor, daß Kurbrandenburg entschädigungsweise die
Hochstifter Halberstadt und Minden, die Grafschaft Hohnstein, Stift Cammin und die Expek-
tanz auf das Erzstift Magdeburg abzüglich der vier kursächsischen Ämter Querfurt, Jüterbog,
Dahme und Burg erhielt ( Moerner S. 148).
maßen nachtheillig undt dannenhero nit einzugehen. Zudem ist hieruber in
der Kayßerlichen capitulation nichst, sonderen allein dieses versehen, daß
die herren churfürsten zu erhaltung landt undt leuth verbrüderung machen,
solche aber nit ad successiones extendiren mögen .
Uber dieses befinden sich chur-, fürsten undt ständte bey der succession
interessirt, undt wehre derowegen vor allen dingen communication pac-
torum zu begeren, dan ohne deren ersehung keine confirmation ertheilt
werden kan. So wehre auch mit den herren Kayßerlichen hierauß zu reden,
weillen daß memoriale darvon meldung thutt. Befinden neben obigem
allem gar nit dienlich zu sein, daß die pacta durch den allgemeinen frieden-
schluß ratificirt, sonderen ad proxima comitia remittirt werden; dan wahn
dardurch die außwertige cronen interessabel gemacht werden, dörfften
sie hernechst, wahn einiger streith darauß erwaßen solte, sich deßen annehm-
ben , darauß leichtsamb newe motus endtstehen kondten. Wehren dannen-
hero zum beschlüß die chur- undt fürstliche heußer mit diesem ihrem petito
auff einen reichßtag zu verweißen; undt ist gantz unnöttig, diese materi
ante communicationem pactorum habitam in die ubrige reichßräthe zu
bringen. Ihrestheills müßen sie alles hinderbringen undt gnedigsten befelchs
gewertig verpleiben.
alß in vorstehenden Churtrierischen voto beschehen, sich auch darauff wie
auch den Churmayntzischen vordrag beziehendt, weillen auch nit instruirt
und ohnedem allein ist.
Sonsten erfordert die billigkeit selbsten, daß copia pactorum beybracht
werde, darauß in specie erscheinen wirdt, waß sie begeren undt ob auch
die Vorpomeren uberlaßende stieffter in perpetuum sollen eingeschloßen
werden, so der geystlichen banck unwiederbringlich praeiudicirte, desto
mehr hatt man zu sehen undt sich nit zu praecipitiren. Wirdt under anderen
auch angeregt, wahn im reich einige dergleichen pacta auffgericht worden,
das der consens von Kayßerlicher Mayestät hatt müßen begert werden, so
wehre deßgleichen auch in hoc casu nit außer acht zu laßen undt mit den
herrn Kayßerlichen auß der sachen zu reden, damit man deren rechten
bericht erlangen möge.
Hierzu kommen noch viell andere considerationes, sonderlich daß es andere
in consequentz nehmben mögten, die yetzo Minden undt Osnabrüg prae-
tendiren
sonderen alles reifflich undt woll zu examiniren.
Kurbayern ( Haslang ) . Teilt die von Kurmainz und Kurtrier über einige Punkte
des Memorials geäußerten Bedencken. Absonderlich aber ist ihme zu gemüth
gangen, daß die confirmation pactorum ohne zweiffel dahien gesehen, nit
allein beyde ertz- undt stieffter Magdeburg undt Halberstatt, sondern auch
andere stieffter undt geystliche gütter, so daßmahll bieß auff eine christ-
liche vergleichung den protestirenden uberlaßen werden, einzumengen,
dardurch aber von dem centenario termino abgewichen undt den protesti-
renden die geystliche gütter auff ein ewiges uberlaßen würden.
Zum anderen ist auch zu bedencken, daß dergestalt Ihrer Kayßerlichen
Mayestät hohe authorität in habenden reichßregalien durchgehendt auffge-
hoben würde, dan bey solcher bewandtnuß kein reichßlehen Seiner Maye-
stät heimfellig sein würde, in erwegung, nach undt nach alle fürstliche
heußer sich verbrüderen undt dardurch Kayßerliche Mayestät antreiben
wolten, dergleichen pacta zu confirmiren, welches uber die maßen schwär
undt gefehrlich; undt weillen er hieruber gleich vorstimbenden im gering-
sten nit instruirt, so kan sich auch nit heraußlaßen.
Anlangendt aber die puncta praeparatoria, ob communication zu begeren,
ist gantz billig, ehe die confirmation gegeben werde; undt wahn dieselbe
erfolgt, wehre dahien zu sehen, nach inhalt deß Churtrierischen voti, daß
die sachen nit bey gegenwertigem convent vorgenohmben, sonderen auff
einem ordinari reichßtag remittirt werde. Ob aber daß memoriale ad dicta-
turam zu geben undt in allen reichßräthen zu deliberiren, findet nit, daß
solches begert werde. Meinte demnach, es wehre darmit einzustehen undt
zuvor die communication zu begeren.
Kurmainz . Nach Meinung der Vorstimmenden ist die Sache so wichtig, daß erst
Instruktion erbeten werden muß, darmit sie sich gar woll conformiren können,
undt achten vor hochnottig, daß es von denselben undt alhie reifflich
erwogen werde. Befinden auch die im Churtrierischen voto angeführte
bedencken sehr woll begründet, absonderlich daß dieses eine sache, welche
nit vor die cronen, sonderen Ihre Kayßerliche Mayestät undt das reich
gehörig, folglich schließlich auff künfftigen reichßtag zu remittiren, weillen
die cronen hierauß leichtlich einige praetextus formiren können, newe motus
im reich anzuspinnen. Dannenhero sie ahn ihrem orth uber die abgelegte
proposition undt waß in den vorgehenden votis movirt undt erindert
worden, Ihrer Churfürstlichen Gnaden underthenigste relation erstatten
undt gnedigsten verhaltungsbefelch einnehmen wollen. Sind bereit, den
Meinungsaustausch mit den Kaiserlichen durch die Mayntzische räthe zu Osna-
brüg werckstellig zu machen, wie auch die communicationem pactorum
bey den herren Sächßischen, Brandeburgischen undt Heßischen legatis
sollicitiren zu laßen; daruber man hernechst abereins zusamenkomben undt
daß werck deliberiren kahn. Underdem langen die instructiones auch aller-
seiths ein, mit der dictatur wehre aber einzuhalten undt volglich der vor-
trag in den reichßräthen außzusetzen. Stehen ihrestheils sehr ahn, ob ermelte
heren gesandten die vor gutt angesehene communication der erbverbrüde-
rung thun werden.