Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[51.] Sitzung des Kurfürstenrats mit Re- und Correlation Münster 1647 Januar 21
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Münster 1647 Januar 21
Kurtrier zA = Druckvorlage; damit gleichlautend Kurbrandenburg Rk II fol. 1–8’.
Vgl. ferner Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 I nr. 34 ( unvollständig); Kurköln zA I fol. 264’–
271 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 598–610’ und Kurköln zA Extrakt fol. 29–30);
Kurbayern K III fol. 419–427.
Pfalz-Neuburgs Ansprüche in der pfälzischen Frage.
Exemtion der Reichsstadt Basel von der Reichsgerichtsbarkeit anläßlich des Prozesses Wachter
contra Basel vor dem Reichskammergericht. Reichsrechtliche Problematik der Exemtion: frühere
Privilegierungen Basels ohne Ständekonsens, Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft, bedingtes ius de
non evocando. Unterstützung Basels durch Frankreich und die Eidgenossen. Mangelnde Unter-
richtung des Kurkollegs über die Sache selbst sowie über den anhängigen Prozeß.
Eintreten des Kurkollegs bei Spanien und den Niederlanden für Tecklenburgs Anspruch auf die
Herrschaft Lingen und für Kurkölns Anspruch auf das zum Bistum Münster gehörige Amt
Bevergern.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
brandenburg; Kurbayern kommt später hinzu.
wogen haben, waß Ihrer Fürstlichen Durchlaucht Pfaltz Newburg abge-
sandten wegen der Pfältzischer successionsachen den gesambten reichß-
ständten in trück einliefferen laßen
waßmaßen sie sich seithero zu verscheidenen mahlen bey dem reichßdirec-
torio angemeldet undt auß befelch Ihres Gnedigsten Herrn begert, daßelbe
wolte ein solches nicht allein dem churfürstlichen collegio, sonderen auch
den ubrigen reichßräthen proponiren undt dahien vermittlen, damit die
sache nothwendiglich erwogen undt daruber ein gewißer reichßschlüß
möge abgefast werden.
Nuhn haben sie nach wichtigkeit der sachen darmit zurückgehalten undt
vor allen dingen nöttig ermeßen, ehe Ihrer Fürstlichen Durchlaucht in
diesem petito gewilfahrt werde, mit den herren churfürstlichen gesandten
vertrewlich auß der sachen zu communiciren undt zu solchem endt diese
praeparatori underredung anzustellen, ob 1º nach gestalt der Chursächßi-
schen abweßenheit die sache undt daruber verfaste schriefft daßmahll in
deliberation zu ziehen undt 2º ob Ihrer Fürstlichen Durchlaucht begeren
nach solche den ubrigen reichßräthen zu communiciren undt also pari passu
vorzunehmen. […]
Kurtrier . […]
Daß erste belangendt, nachdemahlen diese sache allezeit in pleno collegio,
außgenohmben Churbayeren propter interesse, tractirt worden, nuhnmehr
aber daßelbe durch abweßen der herren Chursächßischen endtgentzt, so
hielten sie ahn ihrem orth darfür, sie köndte bieß zu deren wiederkunfft
woll außgestelt verpleiben. Wahn aber alßdan selbige in deliberation ge-
stelt solte werden, wollen sie sich der gebuhr nach vernehmen laßen.
Die andere fragh antreffendt, aldieweillen sie sich nit erinderen können,
daß diese sach yemahlen in den ubrigen reichßräthen geweßen, gleichwoll
die chur undt landen betriefft, so ihrer art nach vor die Römische Kayßer-
liche Mayestät undt daß churfürstliche collegium gehört, alß meineten sie,
dieselbe wehre noch zur zeit nicht in die ubrige räthe zu bringen,
wahn zu hoffen, daß sie durch den generalfrieden solte erledigt werden, so
werden die sambtliche standte, welche nothwendig uber daß friedenswerck
gehört werden müßen, noch solche bey gutter zeit vernehmen. Doch
wollen sie die nachstimbende hieruber auch gern anhören.
Kurköln . Ad 1 m wie Kurtrier.
Insimili quoad 2. ist notorium, daß diese sache ye undt alleweg vor Kayßer-
licher Mayestät undt dem hochlöblichsten collegio ventilirt worden, undt
zwar auff interposition der cron Dennenmarck. Hielten derowegen darfür,
daß man in solchen terminis zu verpleiben, wie sie auch nicht anders in-
struirt; undt wan der friedt daßmahll, wie von Gott zu hoffen, erfolgt,
kahn daß werck durch Ihre Kayßerliche Mayestät undt daß electorale col-
legium, wiedrigens aber auff den angefangenen fueß außgetragen undt ver-
glichen werden. Conformiren sich derowegen mit Churtrier, daß es noch
zu frühezeithig.
Kurbrandenburg . Erinderen sich, wie daß vor einiger zeit von Pfaltz
Newburgh eine gewiße schriefft denen anweßenden gesandten distribuirt
worden, damahlen ihnen auch eine protestation zu handen komben; […]
haben sie sich billig pro 1º mit vorstimbenden zu conformiren, nachdem
die sache sehr wichtig, daß sie in pleno vorzunehmen, undt weillen die
herren Sächßische sich nit lang zu Osnabrüg auffhalten werden, darmit bieß
zu deren rugkunfft einzustehen; undt wirdet sie diesen anstandt umb so
beßer leyden konnen, aldieweillen sie schon so langh verschoben worden.
In dem zweitten puncto wirdet ihnen umb desto schwärer fallen, sich zu
resolviren, weillen ihnen die leztere schriefft nicht zukomben. Haben etwas
zwar in genere darvon in ihrer instruction, wollen die schriefft ehist aber
ersehen undt ihr votum bieß dahien außgestelt haben.
Kurmainz . Sie vernehmen auß den abgelegten votis, daß die herren abge-
sandten pro 1º unanimiter darfürhalten, nachdemahlen die sache von hoch-
wichtiger importantz, daß darmit anzustehen, bieß die herren Sächßische
wieder zur stelle komben, darmit sie sich gar woll conformiren konnen,
weillen, maßen von Churbrandeburg erwehnet, die sache solange ange-
standen, noch diesen geringen verzüg woll wirdt leiden können.
Beym anderen undt 2 ten punct, sinthemahlen sie vernehmen, daß Brande-
burg noch kein exemplar von dem Newburgischen trück erlangt undt
dannenhero ihr votum suspendirt, so ist billig undt werdens die ubrige
herren gesandten auch gern sehen, daß die sache noch so lang außgestelt
werde. Alßdan wollen sie sich auch aller notturfft nach vernehmen laßen,
undt würde darauff den herren Churbrandeburgischen ein exemplar von
dem directorio zugestelt.
Bei Ankunft des kurbayerischen Gesandten von Haslang proponiert Kurmainz die
am 2. des Monats von Volmar dem Reichsdirektorium übermittelte und bereits
diktierte Schrift über die totalexemption Basels vom reich
dieser schriefft die statt Baßell sich bey den herren Kayßerlichen hoch
beschweren thutt, daß sie von dem Kayßerlichen camergericht wieder ihre
privilegia, auch sonsten dero freyen staat gravirt, auch noch in newligkeit
ein schieff mit Baßelischen wahren undt gütteren, so naher Franckfurth ge-
solt, zu Speyr angehalten, arrestirt undt die wahren, gütter undt kauff-
manschafft außgeladen worden
Eine Weinfuhre, die der Weinhändler Florian Wachter Baseler Fuhrleuten zur Beförderung von
Schlettstadt nach Basel überlassen hatte, wurde 1640 bei Rappoltsweiler von französischen Reitern
überfallen; den Fuhrleuten wurden die Pferde geraubt. Diese forderten daraufhin Schadenersatz
von Wachter und ließen seinen Wein in Basel arretieren. Zwar sprach das Baseler Stadtgericht
Wachter in der Sache und von den Gerichtskosten frei, Wachter verlangte aber mehr, nämlich
Schadenersatz für seine Prozeßverluste, und appellierte, nachdem ihn die Baseler Appellations-
instanz abgewiesen hatte, ans Reichskammergericht. Basel folgte der Zitation dorthin nicht und
berief sich auf seine Exemtionsprivilegien ( Gallati S. 141ff., Rott S. 161f.).
weillen sie die nachricht erlangt, daß aldergleichen beschwerlichkeiten bey
gegenwertigem convent abgeholffen solle werden, sich dabey gebührlich
anzumelden undt zu begeren, daß solche inconvenientia durch die herren
Kayßerlichen ein- vor allemahll abgeschafft undt sie bey ihrer souverainität
manutenirt undt gelaßen werden mögen. Nuhn stelleten sie die Chur-
mayntzische es dahien, waß die herren Kayßerlichen magh bewogen haben,
diese sache ahn chür-, fürsten undt ständte umb ertheillung dero guttach-
tens bringen zu laßen. Ihrestheils hetten sie wünschen mögen, damit uber
dieß petitum eine gegeninformation der interessirten parthey undt des
camergerichts wehre einbracht worden undt also die ständte eine völlige
wiessenschafft haben mögen, wie es mit der sachen eygentlich bewandt;
dan obschon ihnen eine camergerichtliche schriefft zukommen, so haben
sie doch bedenckens, weillen sie darauff nit instruirt undt dieselbe eintzig
ahns directorium gerichtet, solche den gesambten ständten zu eröffnen;
wollen sie gleichwoll dem collegio communiciren. Undt geben die histo-
rien, daß Baßell allezeit wie noch eine reichßstatt geweßen, unangesehen
die statt ex matricula de anno 1577, zu Franckfurth uffgericht, zu probirn
understehet ihre exemption undt daß sie iura, privilegia undt regalia von
Kayßerlicher Mayestät habe; beruffet sich auff ein von keyßer Sigismundo
ertheiltes privilegium, so von keyßer Friederichen confirmirt sein solle
Das Baseler Privileg von 1433 wurde 1452 von Friedrich III. bestätigt ( Gallati S. 176,
Gauss, Wettstein S. XXVI). Archivalische Nachweise der Privilegien bei Gauss, Mission
S. 179f. Den „Widerstreit säkularer Rechtsprinzipien“ spiegelnd ( ebd. S. 178ff.), konnte
die Exemtion der Eidgenossenschaft entweder von ihren Privilegien oder von ihrer Souveränität her
begründet werden. Die für das Reich akzeptablere Argumentation vom Privilegium her war noch
in Wettsteins Instruktion bestimmend; sie scheint auch theoretisch dem schweizerischen Staats-
denken, das Autonomie und Legitimität eher lehnsrechtlich als „modern“ rechtfertigte, näher-
gelegen zu haben ( Mommsen S. 229ff., 263–271).
darin findet sich aber nit, daß die standte deß reichß davon wießenschafft
gehabt. Schon deswegen ist dieses Privileg von
auch nicht die Exemtion vom Reichskammergericht, weil es lange vor dessen Auf-
richtung im Jahr 1495 erwirkt worden ist. Zudeme, wahn man daß privilegium
durchgehet, findet sich darin clausula reservatoria, daß es in causis dene-
gatae iustitiae nicht platz haben solle, undt also die vermeinte exemption
nicht absolut. Die statt hat sich zwar in anno 1501 understanden, sich vom
reich zu endtziehen undt ahn die Eydtgenoßschafft zu hangen
unerachtet, hatt daß reich seine iura exercirt undt die statt zu den reichß-
tägen beschrieben, welche die außschreiben auch acceptirt undt den botten
gewiße pfenningen geben. Immo anno 1572 haben Kayßerliche Mayestät,
auch chur-, fürsten undt ständte contra refractarios, in specie die statt
Baßell, proces erkendt wegen beytragung ihrer quota
exempel mehr vorhanden. Ob nuhn der parthey, so umb 300 fouder wein
laedirt, undt deß camergerichts, ahn welches Ihre Kayßerliche Mayestät
inhibendo umb bericht geschrieben, ungehört eine enderung vorzunehmen,
wollen sie von den herren abgesandten yetzundt vernehmen undt sich mit
denselben gern vergleichen.
Kurtrier . Auf Wunsch der Kaiserlichen ist in der Frage der Exemtion Basels
ein Reichsgutachten zu erstellen.
Nuhn ist ihnen uber die communication nichst bestendiges vorkomben,
undt befinden sie darauß, daß etliche stuck ermanglen, undt haben sie daß
angezogene privilegium nicht gesehen. Befinden auch ab der proposition,
daß die statt Baßell ein decretum vom kayßer Carl dem V. zwar allegirt,
aber nicht beygefügt. Uber daß befinden sie wenigers nit, waßmaßen Ihre
Kayßerliche Mayestät bereiths handt angelegt, umb bericht ahns camer-
gericht geschrieben undt demselben fernere handlung inhibirt, daß sie also
nit sehen, wie dem abgesandten hauptsächlich könne geanthwortet werden,
bieß der bericht des camergerichts von Kayßerlicher Mayestät vor die
ständte gebracht undt die ermanglende stück, sonderlich decretum Caroli V.
undt privilegium Sigismundi et Friderici beygelegt. Solche zu geben, stehet
nit allein bey einem Römischen Kayßer, sondern alß in anno 1548 Bur-
gundt die exemption erhalten, ist solche von Caesare et omnibus imperii
statibus applacidirt undt in den reichßabschiedt gebracht worden
Trotz Exemtion genossen die Burgundischen Erblande nach dem Burgundischen Vertrag vom
26. Juni 1548 ( Augsburg) schutz, schirmb, verteidigung und hilf des Reiches, besaßen Sitz
und Stimme am Reichstag und leisteten Reichskontributionen in Höhe von zwei bzw. drei kur-
fürstlichen Anschlägen ( UuA Burgund. Kreis I S. 439–447, 442, Arumaeus cap. 4 nr. 90
S. 171f., König pars 1 cap. 14 S. 259, Fitte, siehe oben S. [646 Anm. 1] ).
mit Baßell dergleichen beschehen, ist ihnen unwißig. Einmahl ex origine
ists eine reichßstatt, undt stellen es dahien, ob sie sich also davon separiren
könne.
Eußerlich haben sie vernohmben, wie daß besagte statt von einem reichß-
underthanen von Schledtstatt Wechter genant ex capite denegatae ius-
titiae convenirt worden, deme sie nicht allein den wein abgenohmben,
sonderen ihnen auch zwey jahr lang incarcerirt; alß er sich aber mit prac-
ticken heraußgemacht, hatt er die klag ahn Kayßerliches camergericht
instituirt undt ist dieser casus von kayßer Friederichen außgenohmben.
2. Ists rechtens, daß in eiusmodi occurrentia contra quoscumque exemptos
et extraneos die repraesalien platz haben, damit pro 3. umb so mehr zu ver-
fahren, weillen es ein reichßunderthan ist, deme man zu helffen schuldig;
4. giebt daß privilegium, daß man keinen burger evociren solle, nicht aber
die gantze statt, sonderlich, wahn die iustitia kündtlich versagt wirdt. […]
Wehre es auch sach, daß durch die Baßelischen gesandten dahien gehandlet
werden köndte, damit der beschuldigten parthey der erlittene schadt ge-
kehrt würde, so mögte der punctus exemptionis auff seith gesetzt werden
können. Wirdet sonsten ohne difficultät nicht abgehen, weillen Franckreich
sich der sachen annehmet. Wahn es aber dahien köndte gerichtet werden,
daß die parthey befriedigt würde, möchte es woll das beste sein, undt haben
sie umb desto mehr darzu reden, weillen Ihre Churfürstliche Gnaden alß
camerrichter interessirt .
Kurköln . Ihnen ist gleichmeßig die communication wiederfahren, undt alß
duc de Longueville sie dieser tagen besucht, hatt er von dieser sachen auch
anregung gethan undt die exemption bestens recommendirt, weillen daß
privilegium von Caesare geben undt die statt in deßen possession. Darauff
sie, weillen ihnen von dem petito nichst wißig wahre, per generalia geanth-
wortet; habens Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht notificirt undt noch zur
zeit keine resolution bekommen, derowegen sie sich auch nit determinative
erklehren können, sonderlich weillen diese sache nit anhero, sonderen auff
einen reichßtagh gehorig. Sonsten die fundamenta pro et contra, wie vom
directorio vorgetragen, seindt vornehmblich privilegium Sigismundi et
Friderici, daß die statt societatem mit der Eydgenoßschafft hatt; decretum
Caroli V., daß sie per errorem zu reichßtägen beschrieben worden, ist
allein allegirt, aber nit beygelegt, es gehört mehr berichts darzu. Sie haben
die ursach deß angehaltenen schieffs nit gewüßt, alß waß im Trierischen
voto davon erwehnet worden; weillen nuhn die parthey nothwendig ge-
hört werden müß undt dan Caesar umb bericht ahns camergericht ge-
schrieben, so können sie sich noch zur zeit nit vernehmen laßen. Ohne ist
zwar nicht, daß Franckreich starck darauff dringet, sie müstens gleichwoll
auß mangell information suspendiren, allein ist die große consequentz woll
zu consideriren, weillen Costnitz undt Straßburg auch in verbündtnuß ,
darauß endlich mehrere dissolutio imperii endtstehen dörffte. Einmahll
giebt die erfarnuß, daß Baßelische burger indifferenter ahns cammergericht
citirt worden, die statt giebet aber vor, sie haben sich ohne ihr wißen
sistirt, so hernacher verbotten worden, undt könne ihro nicht praeiu-
diciren.
Kurbayern . Habe sich ex dictatis ersehen undt darauß befunden, daß
underschiedliche documenta ermangelen. Vermeint derowegen, daß solche
vor allen dingen zu erforderen undt der bericht vom camergericht zu er-
warten, alßdan wolle man sich ex parte Churbayeren eygentlich vernehmen
laßen. Sonsten discursive davon zu reden, scheinet, daß nit allein die
Schweitzer, sonderen auch Franckreich sich der sachen underfanget. Duc
de Longueville habe sie ihme auch recommendirt, haltet sich in particulari
wegen seiner herschafft Newcassel
geschrieben, undt wahn sich gantz wiedersetzen wolte, dörfften, ahnstatt daß
man einen krieg leget, verscheidene newe motus entstehen. Wirdet dem reich
schwar fallen, solche glieder abziehen zu laßen, weillen es kündig, daß
dieß ein reichßstatt geweßen undt sich dem camergericht underworffen.
Hingegen ist auch woll zu betrachten,
undt daß reich solche behaupten undt mainteniren wolte, daß Franckreich
undt die Schweitzer sich wiedersetzen möchten. Wahn es doch dahien zu
bringen, maßen von Churtrier woll erindert, daß ohne berührung deß
puncti principalis die parthey clagloß gestelt würde, vermeinte, daß dar-
durch daß arrest köndte relaxirt undt der punctus exemptionis auff einen
ordentlichen reichßtag verschoben werden.
Kurbrandenburg . Dem Baseler Memorial fehlen verschiedene, zur Beratung
notwendige stuck. Sie finden Basels rationes also bewandt, daß, wahn keine
contradiction obhanden, sie zu hören. Fundiren sich nit allein in petitorio,
sonderen auch in possessione ab immemoriali tempore, daß sie nimmehr
zu Kayßerlichem camergericht contribuirt.
Nuhn aber ist auß dem privilegio zu sehen, daß excepto casu denegatae
iustitiae die burgerschafft anderwerths nit convenable. Wehre also nottig,
solches zu examiniren, die statt köndte sich sonsten deßelben nit behelffen,
wahn sich allein auff die burgerschafft verstehet, welche ohnedem coram
magistratu besprochen werden müß, wahn es sich aber auff die statt er-
strecket, so hett es auch seinen wegh. Dabey ist dieses zu consideriren, daß
alß anno
erschienen, undt alß anno 1548 sie abereins wegen beyschaffung der mittell
zu underhaltung deß camergerichts beysambengeweßen, Baßell aber auß-
plieben, haben die ubrige deren quot auff sich genohmen .
Dahiengegen müß die andere parthey auch gehört undt weiters erwogen
werden, ob die statt Baßell durch die bündtnüß die exemption erhalten
können, undt wahn es nit geschehen, ob sie es noch zu thun vermöge,
weillen sie niehmahlen zum camergericht gestewrt, undt wahn dieses nit
genugsamb, ob sie nit von Franckreich undt den cantonen dabey gehandt-
habt mochte werden. Dieß seindt wichtige sachen, undt kombet noch
darzu, daß, waß durch die exemption dem reich abgehet, ubrigen ständten
zuwachßet. Sie ahn ihrem orth haben hieruber keine instruction, wollens
mit nechstem uberschreiben undt sich hernacher mit anderen vernehmen
laßen,
pleiben dabey, daß die sache zu suspendiren […].
Kurmainz . Vernehmen ex votis so viell, daß Churtrier absolute sich
dahien erclerth, daß der gegentheill undt deß Kayßerlichen camergerichts
bericht zu hören undt demnach in der sachen zu verfahren, mit dem vor-
schlag, daß parti laesae ante omnia zu helffen, die hauptsache aber auff
einen reichßtag zu verschieben, damit Cöln undt Bayeren, gestaltsamb auch
Brandeburg einschlagen, mit dem zusatz, daß sie nicht instruirt, discurs-
weiß aber laßen sie sich sothanigen vorschlag nit mißfallen.
mayntzische haben argumenta pro et contra angeregt, auch Reverendissimo
zugefertiget undt seindt bey morgender post bescheidts gewertig; Ihre
Churfürstliche Gnaden werden sich nit zuwieder sein laßen, waß insge-
samb vor rathsamb angesehen wirdt.
Die credentiales seindt deßendts dem directorio nit eingeliebert, daß sie
sollen dictirt werden, weillen sie nit ahn die ständt gerichtet; wahn es
ihnen doch beliebig, dictabuntur una cum privilegio. Kayßer Carls decret
ist ihnen nit zukomben, noch sonsten ichtwas, außerhalb waß herr Volmar,
alß sie mehreren bericht erfordert, mitgetheilt, so der lengde nach abge-
leßen wirdt.
fürstliche zu, daß von hie auß daß camergericht umb den bericht zu be-
langen, quod acceptatur ab electorali.
Kurmainz . Continuirte, der herr graffe von Tecklnburg ließe nachmahls
wegen der herschafft Lingen undt der 4 Tecklenburgischer dörffer umb
interposition bey der cron Spanien undt den Generalstaden von Holandt
vermittelst schreiben ahn dieselbe undt den printzen von Uranien ansu-
chen, wie anderen wiederfahren, auch vordem von underschiedlichen
Kayßeren ertheilt worden, uti constat.
Kurtrier . Dem gemeinen ruff nach ist der tractat mit Spanien undt Hol-
landt schon geschloßen, sonsten ist der herr grave ein graff deß reichß
undt die herschafft ein reichßgliedt. Hetten derowegen kein bedenckens
bey der suchenden intercession, undt obschon geschloßen, so wirdt doch
der accord sine praeiudicio tertii sein.
Kurköln . Das historische Schicksal Lingens und der 4 Ämter ist bekannt. Die
Tecklenburger haben in der Sache vom Kaiserhof verschiedene recommenda-
tiones erhalten. Stehen aber ahn, ob dergleichen wegen abweßenheit der
herren Sächßischen zu ertheillen, sonderlich weillen man noch nit weiß,
welchem theill diese stuck vermöge tractats verpleiben werden, expectan-
dum proinde videtur, bieß man sieht, wohien die sachen außlauffen. Under-
dem wehre auch zu vernehmen, mit waß conditionibus der herr grave
solche örther wieder ahn sich zu bringen gedencke, damit man sich seiner
desto bestendiger könne annehmen.
Wegen Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Cöln müßen sie unerindert
nit laßen, welchergestalt die cron Spanien auch uber etliche stuck von
diesem stiefft Münster disponirt, geben gleichwoll auß, wollen niemandten
damit praeiudicirt haben. Daß ambthauß Bevergerden
Schloß, Stadt und Amt Bevergern im Hochstift Münster (zwischen Rheine und Ibbenbüren
gelegen, heute Landkreis Tecklenburg), bis 1400 tecklenburgisch, wurde im IP endgültig dem
Hochstift Münster zugesprochen, aber nicht sogleich von den Niederlanden restituiert und 1652
von Bf. Christoph Bernhard von Galen für Münster gewonnen ( Hobbeling-Berswordt
S. 74ff., 228f., Cramer S. 16f., 57, Handbuch 3 S. 71f.).
welche sub Friderico imperatore vom graffen von Tecklenburgh cedirt
worden. Hoffen, wahn man sich pro Tecklenburg interponirt, man werde
sich wenigers nit Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht annehmen.
Kurbayern . Nachdemahlen der tractat mit Hollandt beschloßen undt darin
die herschafft Lingen auch begrieffen, so wirdt dieselbe schwerlich zu
endtziehen sein; wahn nuhn ohne gewürigen effect die intercessionales ab-
gehen solten, würdt es collegio schimpfflich sein. Vor etlichen monathen
hatt man wegen deß herrn graffen von Oldenburg ahn die Generalstaden
geschrieben, darauff noch zur zeit einige anthworth nit erfolgt; undt hatt
man seither die nachricht erlangt, daß solches schreiben ubell auffgenohm-
ben worden, da es doch nur nuda rei gestae narratio geweßen, undt möchte
dieses noch weniger früchten.
memoriale vor allem zu dictiren, undt kahn er seinestheils nomine Serenis-
simi zu den intercessionalen keineswegs verstehen.
Kurbrandenburg . Möchte wünschen, daß das memoriale dictirt würde.
Erinnert an früheres Eintreten von Kaiser und Reich bei Spanien und Oranien
zugunsten Tecklenburgs. Die sache meritirt woll, daß man sich derselben
annehme. Die Grafen von Tecklenburg haben sich wegen des Entzugs der Herr-
schaft , die unterdessen an Brabant und die Niederlande kam, so verteidigt, daß sie
vor unschuldig erkendt worden. Wahn sich nuhn diese beschaffenheit in
actis imperii befindet, wehre mit den begerten intercessionalen uff maß undt
weiß wie vordem dem herrn graffen zu gratificiren, weillen sonsten diese
stück vom reich abgingen, valeat quantum valere potest, undt ist man ein-
mahll schuldig, der sachen zu assistiren. Wahn man aber die assistentz biß
zum schlüß differiren wolte, mögte dieselbe vergeblich sein; undt fahls man
nun vor Tecklnburg interveniren wirdt, so wirdt vielmehr billig sein,
daß man deßgleichen Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Cöln wieder-
fahren laße.
Kurmainz . Ab dieser umfrag haben sie in acht genohmen, wie daß Chur-
trier, inmaßen auch Churbrandeburg, bey den gebettenen intercessionalien
kein bedenckens haben undt daß darmit zu maturiren, dum res adhuc est
integra. Hingegen halten Churcollen undt -bayeren darfur, daß noch so lang
darmit einzustehen, biß die Chursachßische wieder zur stelle undt man
sonsten auch alle nöttige information eingezogen, wie es mit dem tractaten
eygentlich bewandt. Auff den verwilligungsfahll begert Churcöln gleich-
meßige intervention, Bayeren aber kahn undt will ohne expreßen befelch
darzu nit verstehen.
Nuhn ist die sache so eyllfertig nit, daß sie per maiora determinirt werde;
undt weillen darfurgehalten wirdt, daß weitere information einzuholen undt
der herren Sachßischen zu erwarten, so wollen sie sich gern darmit ver-
gleichen undt endtzwischen daß Tecklenburgische memorial dictiren
laßen. Kahn alßdan weiters von der sachen geredt werden, undt wirdet die
intervention darumb allein gesucht, damit man sehe, daß sich daß reich der
sachen annehme undt die stück nit pro derelicto halte, solche auch nit ent-
ziehen laßen wolle.