Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[41.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 August 23

2

[41.] Sitzung des Kurfürstenrats


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Münster 1646 August 23

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Kurmainz K FrA Fasz. 9 II nr. 23/24 = Druckvorlage; damit größtenteils identisch Kur-
5
mainz
Rs FrA Fasz. 14, Kurmainz Rs Extrakt FrA Fasz. 14 ( nur Proposition und Con-
6
clusum
). Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p. 906–918 ); Kurköln
7
zA I fol. 241’–245 ( damit identisch Kurköln spA II fol. 526’–536’ und Kurköln zA Ex-
8
trakt
fol. 22’–23’ ); Kurbayern K III fol. 367–375; Kursachsen Rs I fol. 89–92’.

9
Überlassung der Festung Philippsburg an Frankreich. Kurtriers Sondervereinbarung über Philipps-
10
burg und das Suffraganbistum Speyer mit Frankreich. Günstige Konditionen der Übergabe: kur-
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trierischer Jurisdiktions- und Besitzvorbehalt. Form der Landsatisfaktion an die auswärtigen
12
Mächte: iure feudi oder iure allodii. Erledigung der übrigen Friedenspunkte mit Frankreich.
13
Ablehnung neuer Forderungen. Frankreich soll positiven Einfluß auf Schweden nehmen.

14
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
15
bayern , Kursachsen, Kurbrandenburg.

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Kurmainz

36
635, 16 –636, 22 proponebat – eröffnen] Kurmainz Rs, Rs Extrakt im Text der Pro-
37
position
etwas abweichend und weder mit dem ursprünglichen noch dem verbesserten Text in
38
Kurmainz K völlig identisch.
proponebat.

17
Eß hette bey ihnen sich gestern abend im nahmen der sambentlichen herrn
18
Kayßerlichen plenipotentiarien dero mitabgesander herr Volmar angemeld
19
und zu erkennen geben, welchergestalt die königlich Frantzösische gesan-
20
den zu reassumption der friedenstractaten ainige nochmahlige veranlaßung
21
gethan; dahero sie herrn Kayßerliche bewogen worden, mit den herrn
22
mediatorn hierauß vertrewlich zu communiciren, mit dem begeren, sie
23
wolten sich ihrer mediation noch ferner gebrauchen und die befurderungh
24
zuthun, damit die noch ubrige difficultäten verglichen und dieß hailsambe
25
friedenswerck dermahlen zu end gepracht werden mögte. Worauff sich
26
zwarn die herrn mediatorn willigh erklärt, dabey aber zu erkennen geben,
27
daß ehe und zuvorn Ihre Kayßerliche Mayestät in die begehrte uberlaßung
28
der vestung

39
28 Philipsburg] Zusätzlich in Kurmainz Rs: sowie in die von Frankreich verlangte
40
erbprotection über Philippsburg.
Philipsburg willigen werden, alle fernere tractaten unfrucht-
29
bahr sein würden,

41
635, 29 –636, 14 mit – alß] Fehlt in Kurmainz Rs Extrakt.

42
29 mit – ersuchen] Zusätzlich in Kurmainz Rs: Dieses ging vor allem vom Venezianer
43
aus.
mit dem ersuchen, daß Ihre Kayßerliche Mayestät sich
30
hierin lenger nit aufhalten, sondern, da es ihe anderst nit sein und die cron
31
Franckreich nit weichen wolte, sie in Philipsburg willigen wolten, zumahln
32
Ihre Churfürstliche Gnaden zu Tryr mit dießem der cron Franckreich
33
begehren auch albereit zufrieden seyen, solchem nach ihnen fernere hand-
34
lung zu pflegen nit zuwider sein würde. Ob nun wohl hochwohlgedachte
35
Kayßerliche herrn gesanden den herrn mediatorn hinwider angezeigt, daß

[p. 636] [scan. 760]


1
solches von Kayßerlicher Mayestät allein nit dependire und sie solches
2

29
2/3 dhombcapituls] Zusätzlich in Kurmainz Rs: zue Speyer.
begehren ohne vorwißen und belieben der reichsständ und des dhomb-
3
capituls nit willigen könden, auch zu solchem end ihre wahlcapitulation
4
angezogen

36
Einer Abtretung Philippsburgs standen entgegen Art. 8 der Wahlkapitulation von 1636, wonach
37
der König verpflichtet war, jedem Reichsstand wieder zu dem zu verhelfen, was ihm abgenommen
38
worden war, Art. 9, daß der König ohne Konsens der Kurfürsten nichts dem Reich Gehörendes
39
veräußern dürfe, Art. 3, der den König darauf festlegte, die Reichsstände in ihrem Stand, ihrem
40
Recht und ihrer Macht zu erhalten ( Ziegler S. 128f., 126). Auch Art. 10, dem Reich
41
gehörende Güter wieder dem Reich zuzustellen ( Ziegler S. 129), konnte angezogen werden. Vgl.
42
Stein S. 321f. über Philippsburg als Festung.
, so habe doch solches alles bey offtbesagten herrn mediatorn
5
nichts verfangen wollen, sondern hätten dieselbe bedeut, daß ohne einwilli-
6
gung der vestung Philipsburg von Franckreich nichts zu hoffen. Wann
7
dann mehrhochwohlermelte Kayßerliche herrn plenipotentiarien angestan-
8
den , wie sie sich in dießen zugemuetheten friedensconditionen zu verhalten,
9
dann ihnen einestheils der bekande betrübte zustand des heyligen reichs,
10

30
10–12 anderntheils – gangen] Fehlt in Kurmainz Rs, Rs Extrakt.
anderntheils aber die durch uberlaßung Philipsburg dem Römischen reich,
11
absonderlich den benachparten chur-, fürsten und ständen zuwachßende
12
schwere inconvenientien zu gemüt gangen, sie auch die verantworttung,
13
welche ihnen, da etwan wider alle zuversicht der Allerhöchste uber die
14
Kayßerliche haubtarmada anietzo ein unglück verhengen solte, alß wann
15
sie mit zurückhaltung der vestung Philipsburg den frieden verzögert,
16
beygemeßen werden dörffte, nit gern uff sich laden wolten, alß wolten mit
17
den churfürstlichen herrn gesanden hierüber zuvorhero communiciren und
18
ihre meinung vernehmmen,

31
18–20 ob – stecken] Fehlt in Kurmainz Rs Extrakt; in Kurmainz Rs ist die Frage
32
ohne jede Wertung formuliert. Die Überlieferungen der übrigen Provenienzen stimmen im
33
Sinn ausnahmslos mit der Vorlage und nicht mit den Zusätzen und Weglassungen der kurmain-
34
zischen Reinschriften überein.
ob nit beßer in die uberlaßung Philipsburg,
19
zum fall ihe die Frantzosen anderergestalt keinen frieden machen wolten,
20
zu willigen, alß lenger im krieg zu stecken. Stelten dießem nach zu der herrn
21
gesanden belieben, hierüber ihre beygehende gedancken und, waß den
22
Kayßerlichen herrn gesanden hinwider zu antwortten, zu eröffnen.

23
Kurtrier . Sie hetten nach und nach wegen der vestung Philipsburg und
24
stifft Speyer von Ihrem Gnedigsten Herrn dießen

35
24 bericht] Laut Kurtrier zA, spA vom 24. und 30. Juli 1646.
bericht erlangt, daß, nach-
25
dem Seine Churfürstliche Gnaden gesehen, daß die cron Franckreich die
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vestung auß dem puncto satisfactionis nit kommen laßen wolte, sondern
27
dieselbe nit allein, waß die besatzung anlangt, sondern auch die proprietät
28
wie Elsaß begehren thue, alß hetten sie sich mit Franckreich vergleichen

[p. 637] [scan. 761]


1
müßen

34
Vor seiner Freilassung hatte sich Kf. Philipp Christoph durch Vertrag vom 12. April 1645 u. a.
35
verpflichtet, für die Rückgewinnung Philippsburgs zu wirken ( Knipschaar S. 41–43, Nég.
36
secr. I S. 343f., Koch II S. 49f., Theatr. Europ. V S. 723–728 ). Er überließ jedoch im
37
Sondervertrag mit Frankreich vom 19. Juni 1646 den französischen Truppen das Besatzungsrecht
38
in Philippsburg salva libertate imperii et immunitate ecclesiae; alle nicht auf die Besatzung
39
bezüglichen Souveränitätsrechte, „Grund, Boden, Jurisdiktion, Untertanen, Rechte und Huldi-
40
gung
“ verblieben dem Kurfürsten. Im Gegenzug garantierte der König von Frankreich die kur-
41
trierischen
Diözesanrechte in Metz, Toul und Verdun, den Anspruch Kurtriers auf Ehrenbreit-
42
stein
sowie den Schutz der Person und der Güter des Kurfürsten ( Knipschaar S. 52–54, 45,
43
Stramberg 2, 1 S. 423, Barthold II S. 544, 493–495, 227, Meiern I S. 392, Dick-
44
mann
S. 286ff., 292f. ). Zur Haltung der ksl. Gesandten vgl. Meiern III S. 24 , 28–30, 41,
45
45f., 570–572, 715, 725.
, daß nemblich der stifft Speyer künfftig in Frantzösischer protection
2
verpleiben und Franckreich daß ius praesidii in der vestung Philipsburg
3
behalten, die

23
3 proprietät] Fehlt in Kurköln zA I, spA II, Kurbayern K III, Kursachsen Rs I;
24
in Kurtrier zA, spA zusätzlich: und souverainität.
proprietät aber und

25
3 ander – jurisdiction] Deutlicher in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II:
26
hohe und niedere Jurisdiktion.
ander landsfürstliche jurisdiction unver-
4
ruckt beym stifft Speyer gelaßen werden solle. Wehren also höchstgedachte
5
Ihre Churfürstliche Gnaden der meinung geweßen, es wehre dießer accord
6
beßer, alß Philipsburg mit umbliegenden orthen erblich zu uberlaßen. Sie
7
hetten zwar solchen accord nit gesehen,

27
7–8 zweivelten – werde] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II,
28
Kurbayern K III.
zweivelten aber nit, Ihr Gnedigster
8
Herr ihnen solchen demnechsten abschrifftlich uberschicken werde. Sie
9
wehren auch nit bevelcht, hiervon zu votiren; sie halten aber davor, daß
10
Ihre Churfürstliche Gnaden von dießem accord nit weichen

29
10 werden] Kurtrier äußert laut Kurtrier zA, spA, sinngemäß auch Kurköln zA I,
30
spA II, Kursachsen Rs I die Erwartung, daß sothaniger verglich observirt undt
31
zum wenigsten remissive dem tractat einverleibt werde.
werden.

11

32
11 Kurköln ] Laut Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II ist Wartenberg nicht
33
anwesend.
Kurköln ( von der Recke ). Weiln dießes eine schwehre sach seye, so
12
mögte er wünschen, daß seine herrn collegen zur stell wehren und sie sich
13
also gesambter hand vernehmmen laßen könden. Es scheine aber hiebey
14
periculum morae und wehre dahin zu sehen, damit niemanden die schuld
15
der verzögerung beygemeßen werden könde. Er hette sich in Ihrer Chur-
16
fürstlichen Durchlaucht zue Cölln bevelchen und instructionen ersehen
17
und befunden, daß, nachdemahln die Frantzosen so offt vorgeben, wann
18
ihnen Preisach bewilliget würde, sie alsopalden ohne fernern verzueg den
19
frieden schließen wolten, hochstgedachte Seine Churfürstliche Durchlaucht
20
der hoffnung gelebt, es würden sich dieselbe auch, alß ihnen solches endli-
21
chen eingewilliget worden, accommodirt und weiter nichts begehrt haben;
22
dahero sie auch mehrers nit, sondern bevelcht worden, den Frantzosen zue-

[p. 638] [scan. 762]


1
zusprechen , sich mit solchen offerten zu contentiren. Es hetten aber die
2
Frantzosen sich hinwider entschuldiget, daß sie ihre parola so weit

33
2 nit] Eingesetzt aus Kurmainz Rs.
nit
3
engagirt, daß sie nichts mehr begehren solten, mit dem bedeuten, daß sie
4
sich der vestung Philipsburg halber albereit mit Ihrer Churfürstlichen
5
Gnaden zu Tryr verglichen und nichts alß daß praesidium ohne allen unco-
6
sten des stiffts oder dhombcapituls zue Speyer suchen

34
6 theten] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II, Kurbayern K III:
35
Hat zu diesem bereits dem Kurfürsten mitgeteilten Punkt noch keinen befelch, weiß aber,
36
daß zur Weggabe von Reichsland dessen Zustimmung schwerlich zu erhalten ist.
theten. Er wolte yedoch
7
darfürhalten, es würden die Kayßerlichen herrn gesanden die umbstend
8
der tractaten und, welchem ahm meisten zu trawen, auch ob es nit wie mit
9
Preisach hergehen mögte, consideriren. Und vermeinte, weiln Ihre Chur-
10
fürstliche Gnaden zu Tryr als bischoffzue Speyer sich albereit soweit erclärt,
11
wann auch zuvorhero andere nebentractaten, als mit Heßen Cassel, uber-
12
wunden sein, auch der punctus militiae vorsichtig erörtert

37
12–14 und – würde] Fehlt in Kursachsen Rs I; dort und in den anderen Überlieferungen
38
aber noch zusätzlich die Notwendigkeit der Zustimmung des Speyrer Domkapitels erwähnt,
39
von der der Votant laut Kurköln zA I, spA II hofft, daß sie bereits erfolgt ist.
und also von den
13
Kayßerlichen gesanden die uberlaßung des iuris praesedii der vestung
14
Philipsburg vor daß letzte extremum gehalten würde, Ihre Churfürstliche
15
Durchlaucht zue Cölln, […] wie ungern sie auch die uberlaßung sehen,
16
sich von den maioribus nit separiren

40
16 werden] Zusätzlich in Kurköln zA I, spA II: wobey fur nöttig hielte, die herrn
41
Kayserliche zu erinneren, daß durch der herrn mediatorn vermittelung die Schweden
42
gleichfals ad aequitatem et pacis conclusionem von den Franzosischen plenipoten-
43
tiariis möchten disponirt werden.
werden.

17
Kurbayern . Ihre Churfürstliche Durchlaucht in Bayern […] begehrten
18
keinem stand zu praeiudiciren, noch ihr land und leuth abzuvotiren, sondern
19
allein daßienige verrichten zu helffen, waß dem heyligen Römischen reich
20
ersprießlich seye. Weiln sie aber von Tryr vernehmmen, daß Ihre Churfürst-
21
liche Gnaden, nachdeme die Frantzosen alles durch die waffen eingenohm-
22
men und daß eigenthumb ahn Speyer praetendirten, bewogen worden, mit
23
Franckreich sich in tractaten einzulaßen, und ahnstatt deßen die protection
24
angenohmmen und daß praesidium erlaubt, der hoffnung, es werde solches
25
dem stifft und reich dienlicher sein, und also res nit mehr integra, sondern
26
eine abgehandlete sach zwischen Franckreich und Ihrer Churfürstlichen
27
Gnaden zue Tryr seye, die Kayßerliche sie auch dahin inclinirt finden,
28
daß amore pacis endlichen solches zu uberlaßen, so wolten sich gern mit
29
Churtryr, -cöllen und andern vorstimmenden hierin conformiren. Doch
30
wehren die herrn Kayßerlichen dabey zu ersuchen, dieße resolution
31
Franckreich ehender nit zu eröffnen, man seye dann zuvorhero versichert,
32
daß sie ahn die ständ und stätt im Elsaß noch einige lineam communicationis

[p. 639] [scan. 763]


1
weiter nit praetendiren, sondern alles sincken laßen wolten,

35
1–5 auch – redintegriren] Zusatz von J. Adolf Krebs in Kurbayern K III: Zu
36
diesem Zweck ist auf eine Konferenz zwischen den ksl. und den französischen Gesandten coram
37
mediatoribus zu dringen.
auch alle neben-
2
puncten , welche in dennen zwischen den herrn Kayßerlichen und Frantzö-
3
sischen plenipotentiarien gewechßelten schrifften gedacht worden, voll-
4
komenlich verglichen, und also daß gantze werck in statum perfectum
5
redintegriren und, wann alles richtig, daß alsdann hochwohlgedachte
6
Kayßerliche herrn gesanden die Frantzosen ersuchen wolten, ihre partes
7
bey der cron Schweden zu interponiren, damit auß dem werck ein gantzes
8
gemacht werde.

9
Kursachsen .

38
9–34 Ihre – mögte] Laut Kursachsen Rs I wird die kurmainzische Pro-
39
position
zu Beginn des Votums umständlich wiederholt; das Votum selbst in Kurtrier
40
zA, spA, Kurbayern K III, auch Kurköln zA I, spA II ( wenn auch hier einige
41
stärkere Abweichungen ) mit der Vorlage weitgehend gleichlautend.
Ihre Churfürstliche Durchlaucht […] mögten einem yeden
10
stand von hertzen gern gönnen, daß er sein land und leuth behalten und
11
doch gleichwohl der liebe, wehrte frieden erlangt werden könde. Dieweil
12
man aber verspüren und mercken müße, daß es laider dahin kommen, daß
13
im heyligen reich kein fried zu hoffen, es seye dann, daß etliche provinzien
14
von demselben weggegeben werden, so vermeinten Ihre Churfürstliche
15
Durchlaucht, man hette sich dahin zu bemüehen, daß man so wenig, als
16
es immer sein könde, von demselben den außwertigen cronen verwillige,
17
und zwar nit iure allodii, sondern iure feudi. Dardurch dann die außwertige
18
cronen solchergestalt zu vinculiren, daß sie ihren gepürenden respect gegen
19
Ihre Kayßerliche Mayestät und daß reich yederzeit tragen, auch die onera
20
contributionum abstatten müßen, damit nit andern ständen des reichs
21
dieselbe zuwachßen.

22
Kursachsen sähe es lieber, wenn man der neuen französischen Forderung enthoben wäre.
23
Wann aber der frieden uf keine andere maß zu schließen alß durch con-
24
cession dießer forderung und die herrn Frantzösische plenipotentiarii sich
25
dahin vernehmmen laßen, daß dießes ihr ultimum postulatum sein solte
26
und daß sie nichts quoad proprietatem, item quoad iura superioritatis und
27
waß deme anhengig, von dießem bischthumb und vestung begehren wolten,
28
so würden Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Sachßen sich von dem
29
maioribus hierinnen nit separiren, sondern, daß man die bewilligung thete,
30
consentiren. Es würden aber auch die herrn Frantzösische plenipotentiarii,
31
inmaßen von Churbayern gedacht worden, dahin zu erinnern sein, daß
32
sie die befürderung thun helffen mögten, damit auch mit der cron Schweden
33
richtigkeid getroffen und also der völlige frieden dem heyligen reich er-
34
worben werden mögte.

[p. 640] [scan. 764]


1
Kurbrandenburg . Sie hetten zwar dießer Sachen halber keinen special-
2
bevelch , daß Philipsburg den Frantzoßen zu uberlaßen, sondern allein
3
dießes, daß sie alles verrichten helffen solten, waß zu befürderung des
4
friedens dienlich und von den herrn vorstimmenden nutzlich erachtet
5
werden solte, uf welchen fall sie sich zu conformiren und davon nit zu
6
separiren. Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg […] mögten
7
auch wünschen, daß keinem stand wegen seiner landen ichtwas praeiudi-
8
cirt , sondern vielmehr daß reich in seinem wohlstand und flor erhalten
9
werden mögte. Es hette aber die erfahrung geben, daß die cronen ohne
10
satisfaction sich zum frieden nit bewegen laßen werden; und wehren under-
11
schiedliche provintzien in vorschlag kommen, auch von Kayßerlicher Maye-
12
stät albereit einige offerten den cronen beschehen, maßen dann Ihr Gne-
13
digster Herr dabey auch schmertzlich vernohmmen, daß den Schweden
14
Pommern offerirt worden. Dieweiln aber Seine Churfürstliche Durchlaucht
15
der meinung, es werden die ständ nit gemeint sein, einigen stand, sonderlich
16
ihro, hierdurch etwas abzuvotiren, alß hetten sie diesselbe ersuchen laßen,
17
sich bey Schweden zu interponiren, maßen sie dann darumb hiemit nach-
18
mahls pitten theten. Solten nun einige provinzien müßen gegeben werden,
19
so seyen höchstgedachte Ihre Churfürstliche Durchlaucht der meinung, mit
20
den cronen so genaw alß müglich zu handlen.

21
Daß nun Franckreich ohne zurücklaßung Philipsburg keinen frieden zu
22
schließen gedencke, da wehren zwar underschiedliche rationes dagegen
23
anzuführen, warumb solches nit zu willigen; sonderlich würden dardurch,
24
wie Maintz angeführt, die benachparte ständ incommodirt werden. Wehre
25
auch zu besorgen, wenngleich der fried mit Franckreich geschloßen werden
26
solte, daß doch hiernechst solcher orth wider zu newen motibus ursach
27
geben dörffte. Dieweiln gleichwohl ohne uberlaßung Philipsburg kein fried
28
zu hoffen, so werde zu consideriren sein, ob nit beßer seye, solchen orth zu
29
uberlaßen alß dardurch die gantze friedenstractaten zu zerschlagen. Solte
30
nun dießes daß extremum sein, so werde Ihr Gnedigster Herr es auch
31
dahin stellen, daß es beßer sein werde, solchen orth, bevorab wann es mit
32
vorbehalt der landsfürstlichen obrigkeid beschehen könne, zu uberlaßen.
33
Hiebey werde auch zu bedencken sein, ob nit auch daß dhombcapitul zu
34
Speyer darin zu consentiren; so hette man auch den cronen allein alles iure
35
feudi zu uberlaßen, dardurch die cronen verursacht würden, einen respect
36
gegen Ihre Kayßerliche Mayestät zu tragen,

42
36–38 zumahln – genehmzuhalten] Statt dessen in Kursachesn Rs I und sinngemäß in
43
Kurtrier zA, spA: Denn dann müssen die cronen pro statibus imperii gehalten
44
werden.
zumahln aber einige gefährliche
37
consilia nit zu führen und also alles, waß im reich verglichen würde, auch
38
ihrestheils genehmzuhalten.

39
Hielten also schließlichen davor, wann die herrn gesanden solche uber-
40
laßung dem reich zuträglich zu sein erachten würden, Ihr Gnedigster Herr
41
sich davon nit separiren werde. Und verglichen sich im ubrigen mit den

[p. 641] [scan. 765]


1
herrn vorstimmenden, daß die cron Franckreich, wann die tractaten mit
2
derselben geschloßen, zu ersuchen,

39
2–3/4 Schweden – ermahnen] Laut Kurtrier zA, spA, Kurbayern K III ist dabei
40
speziell Pommern zu nennen.
Schweden von ihren excessiven forde-
3
rungen ab- und, daß sie sich zu pilligen mitteln lencken wolten, zu er-
4
mahnen . Versehen sich, chur-, fürsten und ständ solches anderst nit, alß
5
wie es dem reich zum besten gemeint, verstehen werden.

6
Kurmainz . Sie hetten auß der herrn Churtryrischen voto vernohmmen,
7
daß über Speyer und Philippsburg zwischen dem Kurfürsten von Trier und Frank-
8
reich
bereits verhandelt und es von kurtrierischer Seite aus allschon ein abge-
9
handlete und richtige sach wehre. Sie könden auch auß der herrn Chur-
10
cölln- , -bayr-, -sachß- und -brandenburgischen abgelegten votis anderst
11
nichts abnehmmen, alß daß dieselbe sambt und sonders uber die in der
12
proposition gestelte frag der meinung, wann die cron Franckreich von
13
dießer ihrer praetension des iuris praesidii nit zu weichen, sondern ehender
14
die tractaten zerschlagen und den krieg vortzustellen gedächte, daß uf
15
solchen fall viel räthlicher sein werde, in solche begehrte protection und
16
ius praesidii zu willigen alß lenger im krieg zu stecken. Da es nun mit der
17
herrn vorstimmenden ietzteröffneten votis dieße und keine andere mei-
18
nung habe, so mache sich daß conclusum per

41
18 maiora] Danach zusätzlich in Kurmainz Rs Extrakt: oder vielmehr per unanimia.
maiora von selbsten, daß
19
nemblich den Kayßerlichen gesanden einzurathen, dieß der cron Franck-
20
reich weitaußsehendes suchen soviel mensch- und müglich zu decliniren,
21
da aber ohne deßen verwilligung zum frieden nit zu gelangen, daß alßdann
22
in dem nahmen Gottes beßer sein werde, weil ohnedaß res nit mehr integra,
23
neben anderm auch dieß postulatum, yedoch uf gewiße maß, nachzusehen,
24
alß lenger im bluetigen, alles verzehrenden krieg steckenzupleiben.

42
24–28 Solte – omnes] Fehlt außer in Kurköln zA I, spA II, wo auch nur die Frage des
43
Direktoriums kurz bezeugt ist, in den anderen Überlieferungen.
Solte es
25
aber mit der herrn vorstimmenden geführten votis ein andere meinung
26
haben, so werde a parte directorii gepetten, ehe den herrn Kayßerlichen
27
gesanden daß conclusum eröffnet werde, solches ietzo zu erleutern.

28
NB tacuerunt et adprobarunt conclusum omnes.

29
Dießem nechst und soviel Ihre Churfürstliche Gnaden zu Maintz belangen
30
thete, alß welche bey dießem werck der nachparschafft halber fast ahm
31
meisten interessirt, da befinden sie sich noch zur zeit hierüber nit instruirt,
32
dahero sich auch in nichts haubtsachliches vernehmmen laßen könden.
33
Gelebten gleichwohl der tröstlichen hoffnung, dafern ohne zurücklaßung
34
der vestung Philipsburg, soviel die protection betrifft, kein frieden im
35
heyligen Römischen reich zu erhalten, daß höchstgedachte Ihre Churfürst-
36
liche Gnaden sich hierinnen von dero herrn mitchurfürsten, wie schwehr
37
es ihro auch fallen dörffte, nit separiren, sondern auch ihresorths in die
38
begehrte protection und ius praesidii, gleichwohl mit vorbehalt der lands-

[p. 642] [scan. 766]


1
fürstlichen superiorität, willigen würden. Wobey gleichwohl sie in alle weg
2
nöthig zu sein erachten theten, daß hierüber ein hochwürdiges dhomb-
3
capitul des stiffts Speyer zu hören und entweder vermittelst der Kayßer-
4
lichen herrn plenipotentiarien oder durch sonsten yemanden deßen consens
5
einzuholen; wie dann wenigers nit dahin sorgfaltiglichen zu sehen sein
6
mögte, daß dieße Kayßerliche und des reichs einwilligung daß extremum
7

36
7–8 und – gesucht] Fehlt in den anderen Überlieferungen.
und uber solches a parte Franckreich weder vor sich noch die Heßen Cas-
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selische fraw wittib noch auch die militia ichtwas ferner gesucht, sondern
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bey dießer einwilligung ein vor allemahl sein bestendiges verpleiben haben,
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die friedenstractaten darauf geschloßen, und von den herrn königlich Frant-
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zösischen plenipotentiariis bey der cron Schweden alle guete officia ein-
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gewendet und auch daselbst und also durchgehend der fried im heyligen
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Römischen reich erhebt werden möge. Zwar wehre der herrn vorstim-
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menden meinung nach höchlich zu wünschen, daß ein yeder stand bey dem
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seinigen, absonderlich Ihre Kayßerliche Mayestät bey dero Elsaßischen
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erblanden, Churbrandenburg bey dero hertzogthumb Pommern und andere
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von aller satisfaction befreyhet pleiben und also daß Römische reich unzer-
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gliedert beysammen erhalten werden könde. Dieweiln aber anderergestalt
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der fried nit zu erhalten und man durchgehend der meinung, daß beßer seye,
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etwaß zurückzulaßen alß lenger im krieg steckenzupleiben, so werde man die
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sach Gott bevehlen und dahin sehen müßen, damit mit den cronen so
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genaw alß immer müglich gehandlet werde. Und könden auch ihrestheils
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dahingestelt sein laßen, daß die Kayßerliche herrn gesanden erinnert werden,
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alles dahin zu richten, damit die zuerücklaßende stück von Ihrer Kayßer-
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lichen Mayestät und dem Römischen reich iure feudi recognoscirt und der
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respect allerseits erhalten werde. Und weiln man nunmehr allerdings einig,
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27–30 so – halten] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA II noch:
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Das Conclusum ist am Nachmittag zu übergeben, um Geheimhaltung haben auch die ksl.
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Gesandten sehr gebeten.
so werde die notturfft erfordern, den herrn Kayßerlichen per ordinarios
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deputatos dießes conclusum zu hinderpringen, wobey sie dann die herrn
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gesanden samt und sonders erinnert haben wolten, hierin gepührendes
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silentium zu halten, damit den Frantzosen solches nit vor der zeit und ehe
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zwischen den Kayßerlichen und ihnen hierüber tractirt würde, offenbahr
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und also andere puncten hernacher desto schwehrer gemacht werden.

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642, 33 –643, 17 Nach – möge] Fehlt in den anderen Überlieferungen.
Nach abgefastem concluso ist vor rathsamb angesehen worden, den Kay-
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ßerlichen herrn gesanden volgende erinnerungen zu thun, so auch in dem
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Maintzischen voto mit wenigem angeführt worden

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Den ksl. Gesandten wurde offenbar nicht nur das Conclusum, sondern auch eine kurmainzische
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Reinschrift des Protokolls der Sitzung übergeben; sie findet sich jedenfalls in den Beilagen zum
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DVolmar ( RK FrA 92/X fol. 189–197) und ist mit Kurmainz Rs FrA Fasz. 14 iden-
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tisch .
,

[p. 643] [scan. 767]


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1º daß alles, waß beyden außwertigen cronen pro satisfactione eingeraumbt
2
wird, da sie anders darzu zu bewegen, von Ihrer Kayßerlichen Mayestät
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und dem reich iure feudi recognoscirt werde,

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2º daß zu verhüten, damit uber die eingewilligte Philipsburgische pro-
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tection der Heßen Cassellischen fraw wittiben einige satisfaction absonder-
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lich von den geistlichen chur- und fürstenthumber nit gewilliget werde, so
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auch auff die militia zu verstehen,

8
3º daß alle ubrige zu befürderung des friedens dienende puncta ehistens
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adiustirt und also in allem richtigkeid getroffen werde,

10
4º daß die uber Philipsburg eingewilligte protection und ius praesidii zu
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keiner gefährlicher nachvolg und sonderlich auf den ertzstifft Tryr, Prim,
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Weißenburg, Maximin

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Die päpstliche Übertragung der Reichsabtei St. Maximin in Trier an den Kurfürsten von Trier
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1624 war vom Kaiser nicht bestätigt worden; während der Besetzung des Erzstifts durch die
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Franzosen 1632 nahmen selbst diese, wie vorher die spanischen Truppen, die Abtei gegen Philipp
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Christoph in Schutz ( Knipschaar S. 8f., 33).
und andere dergleichen geist- oder weltliche fürsten-
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thumb und landen nit gezogen, sondern dießfals guete vorsehung gethan,
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einige bawcosten von der statt oder ertzstifft Tryr nit gefordert, die Frant-
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zösische völcker daselbsten und sonsten allerorthen abgeführt und alles in
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dem stand, wie es vor anfang dießes unsehligen kriegs geweßen, gesteh und
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gelaßen werden möge.

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