Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 Juli 29
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Münster 1645 Juli 29
DWartenberg III p. 2176–2185. Vgl. ferner DKurbayern K II p. 413–423 ( damit
identisch DKurbayern spA II p. 217–226 ).
Absicht der Franzosen, Kurmainz nach Münster hineinzugeleiten: Gefahr neuen Präzedenz-
streits der Kurfürstlichen mit Venedig. Nachrichten von den Kriegsschauplätzen: Hessische
Truppen im Erzstift Köln, kurbayerische Erfolge gegen Turenne.
In Wartenbergs Quartier. Vertreten: Kurköln ( Wartenberg, Merveldt ), Kurbayern ( J. Adolf
Krebs ), Kurbrandenburg ( Heiden ).
Morgens zeittlich laßen Ihre Hochfürstliche Gnaden bey den Churbayeri-
schen und -brandenburgischen sich befragen, ob ihnnen beliebig, daß man
zwischen 7 und 8 zuesahmenkohmmen und wegen der Frantzosischen ent-
gegenschickung , weylen sonderlich der Churmeintzische abgesandter Dr.
Krebs alhier, mitt dehme sie gester abend ein und anders communicirt, die
nottörfft abzuredden, welches sie ihnnen gefallen laßen. Und seind umb die
benänte stund wegen Churbayern der Dr. Krebs (weylen der von Haßlang
der saurbrunnenchur sich gebraucht) und wegen Churbrandenburg der
von Heyden erschiennen […].
Alß nun die herrn churfürstliche die session eingenohmmen, ist die propo-
sition durch den Münsterischen cantzlarn den von Merfeldt dahin geschehen,
die ursach, warumb Ihre Hochfürstliche Gnaden die herrn churfürstlichen
abgesandten anhero bemühen wollen, seye dieße, daß der St. Romain im
nahmen der drey Frantzosischer plenipotentiarien gestern zum andern mahl
bey ihro gewehßen und wegen der Frantzosischen vorhabenden entgegen-
schickung die andeuthung gethan […]. Wie nun Ihre Hochfürstliche Gna-
den , waß der herrn Churmeintzischen gedancken hiebey, nicht gewust,
hetten sie zue denselben den Churcolnischen gehaimen secretarium geschik-
kett und von allen umstendtliche relation thuen laßen und von denselben,
wie es ihnnen vorkohmme unnd sie dabey zu thuen guetbefinden, heimb-
gestellet . Wie sie nun auch underdeßen, weyln es zimblich spath worden,
die gutschen außspannen und die pferd absattelen laßen, seyen darauff der
Frantzösischen drey gutschen hinauß entgegen und von denselben dem
nach
11–13 seye – beclagtt] Laut DKurbayern K II, spA II hatte Avaux die Spanier
beschuldigt, welche biß dahero allerlei unordnung mit visit- unnd revisiten
gemacht, massen dan auch der conte de Pignaranda sich sogar im bett, alß wan er
der khönig in Spanien selbst wehre, von den Kayserlichen visitiren lassen. Auf die
Beteuerung von Avaux, sie erkenten die herrn churfürsten des reichs für der cronn
Franckhreich guete freundt und würden es sich nicht nehmen lassen, selbst dem incognito
einziehenden Gf. Cratz aufzupassen und ihn in ihre Kutsche aufzunehmen, hatte Warten-
berg an den Beschluß erinnert, nur collegialiter unnd nationaliter entgegenzuschickhen.
Avaux hatte aber auf seiner Anweisung bestanden, bei den Churtrier- undt Chursächsi-
schen müeste man alßdan auch ein mittel inventiren.
auch des de Longeville und Servients resentirt und, daß man die anerbot-
tene ehr nicht acceptiren wolle, sich beclagtt […].
Darauff nun seye gester abendt spath der Churmeintzische abgesandter Dr.
Krebs in der stille herein- und zue Ihrer Hochfürstlichen Gnaden kommen,
mitt vermelden, daß der graff Kratz neben ihme nicht wenig perplex,
waß bey dießem unverhofft sich begebenen incidenti zu thuen, bey dem
vorgeschlagenen mittell auch all incognito müesten sie etwaß anstehen,
damitt sie Ihrem Gnädigsten Herrn an seiner authoritet dadurch nichts
begeben; und weylen nun Ihre Hochfürstliche Gnaden hierauß mitt den
herrn Churbayer- und -brandenburgischen zu rehdden sich erbotten, so
möchten dero gedancken darüber gehrn anhören.
Kurbayern ( Krebs ) . Praevia gratiarum actione; Auch bei ihnen ist gestern
nachmittag St. Romain gewesen und hat gegen die Ankunft der kurmainzischen Ge-
sandtschaft all incognito heftig eingewendet, daß ihnnen dießer affront ex
artificio Hispanico angethan. Ihrestheilß hetten sie in der andtwortt sich bey
dem fundamento gehaltten, daß sie ein guetes mittel erachtet, die differentz
zwischen den herrn churfürsten und Venetianischen zu verhüeten, bey
dehme, waß iüngst guetbefunden unnd verglichen, zu verbleiben; die aner-
bottene ehr seye billich danckenswehrt und gehöriger ohrten zu rühmen
[…].
1–9 St. Romain – werden] Abweichend in DKurbayern K II ( wo J. Adolf Krebs
sein Votum zum größten Teil selbst nachgetragen hat ), spA II: Solten aber ie die Frant-
zösische mit gewalt schickhen, were dahien zue sehen, damit der Venetus nicht
endtgegenschickhe, dan uff solchen fall müesten gleichsamb die churfürstliche ihren
ortt nach den königlichen nehmen, weilen der Venetianische pottschaffter neulich
sich ohne schew vernehmen laßen, das er durch solchen platz die churfürstliche de
facto begehre zu praeiudiciren, würde sich auch vielleicht nicht geziemmen, das
vier churfürstliche gesandtschafften in einer kutschen fahren.
fürstliche einzubeglaiten, wie es alßdan zue machen, da der Venetianische
sich ahn die crohnen zu hencken verlauthen ließe, ad referendum genohm-
men . Jetzt vernehme er, waß mitt dem d’Avaux und sonsten weithers
vorgangen; seinestheilß vermeinte er, daß man den Frantzosen daß hinauß-
fahren nicht zu verwehren, sonderlich da nicht zu vermuthen, daß der
Venetianischer schicken werde, wiedrigenfalß müesten alle der übrigen
churfürstlichen gutschen von dannen verpleiben und es wie vor dießem
gehaltten werden.
Kurbrandenburg ( Heiden ).
mitt er mitt denselben, waß in hoc passu das beste sein mögtte, umbstendt-
lich abrehdden köntte. Wan die Frantzosen zum wegkbleiben zue dispo-
niren , wehre den sachen ahm ersten und negsten geholffen; daß man aber
wegen deß Venetianischen die churfürstlichen gutschen ablaßen soltte,
wehrde er sich zuenutz machen und zue seinen behelff zu gebrauchen
wißen, und man doch dardurch bey künfftigen fällen den besorgenden diffi-
culteten nicht entgangen. Weylen man dan der Churtrier- und -sachßischen
annoch erwahrttend, so wehrde man doch einmal hindurch sein müeßen;
und hieltte er seinestheilß, man hette sich in seiner ordnung gegen den Vene-
tianer zue manuteniren und zu haltten.
Kurköln ( Merveldt ) . Negst recapitulirung der vorstimmenden meinungen
befinden die sache auff dießen zweyen beruhen, nemblich 1º, wie die sachen
mitt den Frantzosischen zu vergleichen und 2º die unglegenheit wegen deß
Venetianischen zu verhüeten; durch daß erste werde zwarn daß churfürst-
liche collegium mehrers honorirt, gleich sie sich dan also instruirt zue sein
und davon nicht abzustehen vermelden, nur daß man umb künfftiger fälle
willen anzustehen. Also wehre ihre meinung dieße, daß weyln die entgegen-
schickung und die ehr dem herrn graff Kratzen gestert alberait geschehen,
man nachmahln, und zwarn entwedder von allen drey churfürstlichen oder
durch einen cavallier, den versuch zu thuen, ob sie sich bey dem gestrigen
begnugen und den herrn churfürstlichen die einbeglaithung allein laßen
woltten. Daß 2 te , nemblich den Venetum belangent, hetten Ihre Hochfürst-
liche Gnaden keine nachricht, ob er zue schicken gedächte oder nicht,
wolttens aber bey den herrn Kayserlichen, wohin sie diesemnegst also-
balden zu fahren veranlaßet, vernehmmen und durch dieselbe womöglich
zue hinderen sich understehen. Zum fall er nun schicken woltte, würde zue
consideriren sein, ob man in eine gutschen zu sitzen und wie mitt den übri-
gen die ordnung zu machen; sagtten demnegst danck, daß die herrn abge-
sandten anherozukommen sich bemühen wollen.
Der Churbayerische ließ es dabey, wie auch der Churbrandenburgische,
daß der versuch bey den Frantzosen durch einen cavalier zu thuen, nahmen
auch zue danck ahn, daß Ihrer Hochfürstlichen Gnaden die mühe bey den
herrn Kayserlichen zue übernehmmen beliebig. Er Churbayerischer wehre es
mitt dem Churbrandenburgischen darin eins, daß, die gutschen einen ande-
ren wegh umb deß Venetianischen willen zue nehmmen, praeiudicirlich;
daß man sich aber auch per forzza manuteniren und ex mediis ad extrema
kommen soltte, werde derozeitt auch bedencklich sein.
Ihre Hochfürstliche Gnaden: die ordnung würde man im hereinkohmmen
haltten alß vor dießem und wie in collegio brauchlich; und werde die Chur-
meintzische gutsche zueerst auff die Frantzosische, weiln andere nit schikhen
wurden, fahren. Wollten sich mitt den Churmaintzischen der stund ver-
gleichen und davon hinwiederumb wißen laßen.
Nach gehaltener consultation habenn Ihre Hochfurstliche Gnaden in dis-
cursu denn Churbayerischen unnd -brandenburgischen zu verstehen geben,
wasgestalt sie ebenn mit der post von Churcollens Durchlaucht schreiben
empfangen, unter annderen des inhalts, wie gahr unchristlich in dero ober
ertzstifft die Heßen unterm commando des obristen Rabenhaupt
Carl Frhr. von Rabenhaupt, Obrist in bessen-kasselschen, nach 1648 in niederländischen Diensten
(ADB 27 S. 85–87 , Zedler 30 Sp. 460f., Grossmann II S. 94, Theatr. Europ. V
S. 1073, 1099f. ).
5 dorffer in brandt gesteckt unnd tyrannischerweiß die arme unnderthanen
mit ketten ahneinander geschmiddet hinweggeschleifft. Warauff der Chur-
brandenburgische drost Heiden andtworttete, daß wurde eine revange sein
wegen letzt von denn Churbayerischen den Turreinischen zuegefuegten
schadens
Am 5. Mai 1645 siegte der bayerische Feldmarschall Mercy in der Schlacht von Mergentheim
über Turenne. Siehe oben S. [ 79 Anm. 2 ] .
schlechte unnd ungereimbte revange sein, solche hetten sie ahn ihren feindt
alß tapfere soldaten, dergestalt aber nit alß mordtbrenner zu bezeigen;
waruber er Heiden gantz rodt worden.