Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen Gesandten und der Deputierten des Kurkollegs Osnabrück 1645 Mai 26
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Osnabrück 1645 Mai 26
Kurmainz Rs FrA Fasz. 7 [ 4 ] nr. 60 = Druckvorlage; damit identisch Kurmainz K
( Krebs ) FrA Fasz. 11. Vgl. ferner DLöben I fol. 40–41’, Krane Rs RK FrA 92/V
fol. 70–73’ ( Druck Meiern I p. 409–411, Gärtner V nr. 36 p. 173–179 ).
Möglichkeiten freien Geleits für die Mediatstände. Zustimmung der Betroffenen, insbesondere von
Kurmainz und Kurbrandenburg. Form der Meinungsäußerung der fürstlichen und städtischen
Gesandten zu dieser Frage: votum der Fürsten und Städte. Kurfürstliche Friedensvermittlung
oder kurfürstliche Assistenz in Osnabrück.
Im Quartier des Grafen Lamberg. Vertreten: kaiserliche Gesandte (Lamberg, Krane), Kur-
mainz (Cratz, Brömser, J. Adam Krebs), Kurbrandenburg (Löben).
Die herrn Keyserliche proponirten.
1º. Weylln wir die allhier zue Oßnabrugg anwesende churfürstliche gesand-
ten ihnen Keyserlichen herrn abgesandten in puncto deren ex parte Sueco-
rum pro statibus mediatis praetendirender vergleitung, zum theyl defectu
mandati, anderntheils, das wir anderer churfürstlicher gesandten beygehende
gedancken hieruber zuvorderist vernehmen müsten, mit unnserm gut-
achten dato nicht ahn die handt gehen können, so hette er, herr Dr. Crane,
sich am negstverwichenen montag nacher Münster erhoben
Krane reiste am 22. Mai 1645 nach Münster und am 24. Mai von dort über Lengerich wieder
nach Osnabrück zurück ( APW [ II C 1 nr. 337 S. 608 ] ).
sowohln mit seinen collegen, den Keyserlichen herrn abgesandten, allß
auch den Churcölln- unnd -bayerischen (zumahln die Churbrandenburgische
damahln nicht derohrts, sondern auserhalb der stadt gewesen) auß dießer
sache communication
worden, weylln der Frantzösische legatus Servient sich vernehmen laßen,
daß sich die Schwedische proposition biß dato allein wegen verweigerter
vergleittung der stadt Straalsundt gesteckt,
aber inn dieselbe numehr, iedoch salvo iure superioritatis, verwilliget,
daß man dahero ihnen königlich Schwedischen solchen salvum conductum
gegen eröffnung ihrer proposition unnd, daß beedes pari passu unndt zue-
gleich außgewechßelt werde, mit diesen bedingnußen jedoch, daß Chur-
brandenburgs Durchlaucht das ius superioritatis vorbehalten unnd von
denen vergleiteten nichts wieder ihren landtsfürsten oder des heyligen
reichs constitutiones bey den tractatibus pacis gesuecht werden solte unnd
solchen nicht ex vi praeliminaris conclusi, sondern amore pacis wohl ein-
willigen könte. Unnd weylln pro
97, 22 –98, 5 2º – theten], ferner 98, 23–26 gleichwie – wolten] Nicht erwähnt in Krane Rs.
Laut DLöben verlangt Krane die interposition nicht grundsätzlich unter Hinweis
auf die Insuffizienz der bestehenden, sondern nur in dieser Sache: Kurmainz und Kur-
brandenburg sollen Schweden um Herausgabe ihrer Proposition bitten; bis man dann Instruk-
tion über diese erlangt haben wird, kann über die vergleittungk weiter gesprochen werden,
es würden auch nach der handt mehr stände einlangen, welche darüber vernomen
werden könten, undt würden chur-, fürsten undt stände, deren interesse einigk
undt alleine hieruntter concurrire, endtlich in die vergleitungk der mediatstände
willigen, so könten sie es hernach statt Keyserlicher Mayestedt auch whol geschehen
lassen.
S. Johannem, ohnerachtet derselbe sonsten ein wohlqualificirter mann,
allein auß mangell genugsamen respects bey denn Schweden, zue dießen
schwerwichtigen sachen insufficient, so seye rathsamb erachtet worden,
daß die churfürstlich Maintz- unnd Brandenburgische gesandten sich zwi-
schen ihnen den Keyserlichen unnd königlich Schwedischen der mediation
undernehmen theten.
3º. Würdte unnß churfürstlichen gesandten bekant sein, waßmaßen sie
Keyserliche abgesanthen mit denen fürstlichen alhier auß vorgedachtem
puncto der mediatstendt vergleitung, jedoch dergestalt communication
gepflogen hetten, daß sie jede fürstliche gesandtschafft absonderlich be-
schickt unnd von deroselben ihro parere begehrt, sie fürstliche gesandten
aber bedenckzeit genommen. Nun seye darauff erfolgt, daß gleich nach
sein herrn Dr. Kranens zuruckunfft von Münster sich der fürstlich Braun-
schweig Luneburgische abgesandter neben einem stättischen abgeordneten
bey ihnen, umb in nahmen samptlicher anwesenden fürstlichen unnd stätti-
schen gesandten unnd deputirten uber vorbedeuten puncten sich zu resol-
viren , angeben. Wie nun die Keyserlichen herrn gesandten daß auß solcher
anzeig coniecturirte fürstliche unnd stättische collegialconclusum allso
schlechterdingen anzuhören bedenckens getragen, allso hetten sie auch
gedachten Lünenburg- unnd stättischen mit der begehrten audientz auff
ein par tag zue gedult gewiesen. Wolten demnach sie Keyserliche herrn
abgesandten unnß die churfürstliche umb unnsere beygehende gedancken
uber oberzehlte puncten ersucht haben. Seyen sonsten, soviell den letzten
betrifft, der meinung, daß gleichwie sie den fürstlichen gesandten einem
jeden in particulari von mehrgedachtem puncto der mediatständt verglei-
tung communication gethan, allso auch eines jeden meinung absonderlich
hören wolten, bevorab da auch die herrn Churcölln- unnd -bayerische zue
Münster mit ihnen herrn Keyserlichen inn deme allerdings einig seyen,
daß man den fürstlichen unnd stättischen einiges votum nicht verstatten,
sondern sich auff die reichsdeputation bewerffen
29 solte] Die Stände, so führt Krane laut DLöben weiter aus, dürfen laut Reichsabschied
von 1641 zwar hiero erscheinen, aber nicht anders, dan daß sie sich bey den Keyser-
lichen undt churfürstlichen abgesanthen angeben undt ihr anligen eröffnen dörffen,
da ihnen dan in ihren desideriis getraulich eingerhatten undt ihre nhotturfft bey den
handelungen beobachtedt werden solle.
tische belangte, hetten sie denselben von diesem strittigen puncto der ver-
gleitung keine communication gethan, wüsten dahero nicht, wie sich die-
selbe in dieses werck immisciren wolten.
Hierauff haben wir die Churmaintzische mit dem herrn Churbrandenbur-
gischen underredung gepflogen,
2–25 welcher – mögten] In Krane Rs ist die kurbrandenburgische Meinung nur im
Rahmen der kurfürstlichen Gesamtantwort und in zwei Einwürfen wiedergegeben, die Löben
direkt an die Kaiserlichen richtet. DLöben enthält an dieser Stelle nur den Hinweis auf die
unnachgiebige Haltung Schwedens und den Ausdruck kurbrandenburgischer Vermittlungs-
bereitschaft hinsichtlich der schwedischen Forderung nach freiem Geleit; weitere Äußerung
zu Punkt 1 in DLöben in Form eines Protests des kurbrandenburgischen Vertreters, daß der
Kurfürst von Brandenburg an dieser mora wegen Stralsundt gantz nicht schuldigk sein,
weniger der darauß erfolgenden schweren veranttwortungk teilhafftigk sein will.
(negst deme, daß er sich 1º außtrücklich bedingt, inn die vergleitung Straal-
sundt ex parte Churbrandenburg niemahln gehelet zu haben
sie Churbrandenburgische die stadt Straalsundt von solcher vergleitung
bey den königlich Schwedischen eximirt unnd dabey die reservation
unnd vorsehung gethan hetten, daß wan ihe derselbe ohrt vergleitet werden
müste, solcheß nit allein salvo iure superioritatis, sondern auch ohne praeiu-
ditz ubriger chur-, fursten unnd stendte beschehen solte, wie dann jeder
gesandtschafft billig oblege, daß sie bey ihren gnedigsten unnd gnedigen
herrn principaln dern glimpf erhielte unnd denselben soviell möglich
salvirte unnd sich versicherte, 2º bestendig dafürhielte, daß sich die könig-
lich Schwedischen nit mit vergleitung der Stadt Straalsundt vergnügen
laßen würdten, sondern solche vergleitung auff alle mediatos unnd pri-
vatos coronae Sueciae adhaerentes praetendiren theten) sich dahien ver-
nehmen ließe, daß, obwohln sie Churbrandenburgische wegen mehrge-
dachter vergleitung der stadt Straalsundt biß annoch nit instruirt seyen,
auch nachmahls nicht darfürhalten könten, daß die königlich Schwedischen
sich damit begnügen laßen würdten, so könte er jedoch mit vorgedachter
herrn Churcölln- unnd -bayerischen meinung sich dießfalls wohl confor-
miren . So wehre auch pro 2 do nit unrathsamb, daß wir die Churmaintz-
unnd -brandenburgische gesandten unnß vorbedeuter mediation under-
nehmen theten,
unnd stättische mit ihrem voto angehört werden, nit aber durch die ab-
weißung desperata concilia zu ergreiffen ursach nehmen mögten.
Allß nun ihme herrn von Löben wir unnsere gedancken uber die 3 puncten
propositionis hienwiederumb auff den schlag, wie in nachfolgendem zue
sehen, eröffnet unnd er sich darauff mit unnß conformirt, haben wir die
Churmaintzische volgents inn unnserm beederseits nahmen gegen die
herrn Keyserliche dahin vernehmen laßen.
in nahmen Churbrandenburgs Durchlaucht mit den herrn Churcölln- unnd
-bayerischen sich zu vergleichen kein bedenckens, er befündte aber die
sach allso bewandt, daß, ohnerachtet er mit unnd beneben herrn graven
von Wittgenstein auff ihr, der Keyserlichen herrn abgesandten begehren,
dem königlich Schwedischen legato Ochßenstirn alle gehabte rationes unndt
fundamenta auff das beweglichste zue gemüeth geführet unnd die gesuchte
vergleitung schwinden zue laßen ersucht, darnach ein mehrers nicht erhal-
ten hetten, allß daß er Oxenstirn mit seinem collega Salvio darauß communi-
cation zue pflegen sich erpietig gemacht. Unnd besorgte er nach wie vor,
daß die königlich Schwedische mit vergleitung der stadt Stralsundt nicht
zuefrieden sein, sondern in genere auff der vergleitung aller unnd jeder
ihrer adhaerirenden mediatorum bestehen würdten. Zuedeme so wüste er
herr von Löben sich nicht zu erinnern, daß sie Churbrandenburgische inn
die vergleitung Straalsundt iemahls condescendirt, sondern sie hetten viell-
mehr gedachte Straalsundt von der vergleitung bey den königlich Schwe-
dischen eximirt unnd dabey daß werck dahien dirigirt, daß, wann sothane
stadt ihe vergleitet werden müste, solcheß alßdan ohne praeiuditz ubriger
chur-, fürsten unndt stendte beschehen mögte. Uberdaß so hetten wir beeder-
seits wahrgenommen, daß dieße vergleitung anfänglich auff die status
mediatos, volgents allein auff Straalsundt, ex post facto auff Straalsundt
unnd Erffurt, darnach allein auff Erffurt, weiters auff Straalsundt, Erffurt
unnd Leipzig, hernachmahls auff alle status mediatos et privatos, item ad
quosvis coronae Sueciae adhaerentes, endtlich wiederumb allein auff
Straalsundt begehrt, durch solche variation aber sowohl wir die dienere
allß auch unnßere gnedigste herrn principaln dergestalt irr gemacht worden
seyen, daß weder wir mit bestendigem underthenigsten bericht seithero
auffkommen, noch höchstgedachte unnßere gnedigste herrn principaln
unnß mit gnedigstem befelch biß annoch recht versehen können. Könten
derowegen ihnen Keyserlichen herrn abgesandten, wie gehrn wir auch
sonst wolten, mit unserm parere noch zur zeit, biß wir mit weiterer instruc-
tion versehen, ex defectu mandati nicht ahn die handt gehen.
Churfürsten unnd Herrn, nomine electoralis collegii, bey ihnen Keyser-
lichen herrn abgesandten die assistentz zu vertretten oblege, so würdte
unnß nicht geziemen, ehe unndt zuvorn von Ihren Churfürstlichen Gnaden
unnd Durchlaucht wir hierüber gnedigsten befelch erlangt, unnß dießer
mediation, allß welche mit gedachter assistentz gleichsamb incompatibel
erschiene, zu underziehen.
Ad 3 um ratione anhörung der fürstlichen unnd stättischen deputirten, da
4–5 seyen – einig], außerdem 99 ,28 mit – conformirt]. Abweichend DLöben : Kur-
brandenburg und Kurmainz sind in dieser Frage discrepantes, beider Meinungen werden den
Keyserlichen zugleich von D. Kerbissen vorgetragen. Während laut Kurmainz
Rs, K und Krane Rs Löben darauf verzichtet, seinen Standpunkt zur Frage 3 grundsätzlich
zur Geltung zu bringen, ist der weitere Verlauf der Sitzung in DLöben so geschildert, daß
die ksl. Gesandten der kurmainzischen Auffassung betreffs Heranziehung der Stände gegen
den Einspruch Löbens folgen und Löben sich vorbehält, nach Rücksprache mit seinen Kollegen
und Einsicht in seine Instruktion sich nochmhals kegen die herrn Keyserliche ferner
dieses passus wegen vernhemen zu lassen.
herrn abgesandten wir inn deme einig, daß mann sich billig ahn dasjenige
zue halten habe, waß bey der reichsdeputation zue Franckfurt in hoc puncto
(daß nemblich allein die churfürstlichen abgesandten, sambt denen reichs-
deputationsräthen , ad consilium et assistentiam bey gegenwertigen trac-
tatibus zu admittiren) concludirt unnd geschlossen worden. Wan jedoch
inn dieser sachen behutsamblich allso zu verfahren, damit fürsten unnd
ständte bey gutem willen erhalten unnd nicht zue wiederigen consiliis
bewegt werden mögten, so hielten wir das zueträglichste zue sein, daß
sie herrn Keyserliche den fürstlich Lünenburgischen gesandten beschicken
unnd ihme zue gemüeth führen theten, waßmaßen sie herrn Keyserliche
simpliciter unnd insoweit ahn die reichsdeputation verwießen, daß ehe unnd
zuvorn von ihrer Keyserlichen Mayestätt sie andern befelch erlangten,
sie allß ministri einige andere collegialversamblung nicht approbiren
könten, seyen aber erpietig, allerhöchstgedachter Ihrer Keyserlichen
Mayestätt hiervon fürderlichsten bericht zu erstatten unnd dero allergne-
digsten willen zu vernehmen. Verhofften allso, es würdten sie fürstliche
abgesandten dießes ihr der herrn Keyserlichen hierbey habendes wichtige
bedencken auch ahn ihrem ohrt raisonable befinden unnd wohl vermercken.
Sie die Keyserliche herrn abgesandten seyen gleichwohl jedes fürsten unnd
standts abgeordtneten uber dasjenige, waß ihme bey vielbesagter von den
königlich Schwedischen suchenden vergleitung pro mediatis unnd priva-
tis wegen seiner gnedigen unnd respective gebietenden herrn principaln
dabey versirenden interesse zue gemüeth gehen mögte, in particulari anzu-
hören willig unnd berait.
Allß nun hierauff sie Keyserliche herrn abgesandten bey dieser unnser
erclerung
fürstliche nur vor dießmahl, umb dießes der mediatstendte vergleitung
continuirendes obstaculum auß dem wegh raumen unnd die Schwedische
proposition befürdern zue helffen, unnß bey denen königlich Schwedischen
interponiren wolten, haben wir unnß darzue ihnen Keyserlichen herrn
abgesandten zue gefälligen ehren erpietig gemacht.