Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 April 1
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Münster 1645 April 1
DKurbayern K I p. 154–165 = Druckvorlage; damit identisch DKurbayern spA I
p. 240–254. Vgl. ferner DWartenberg II fol. 63–66 ( unvollständig ), DVolmar fol. 377–377’
( Druck Cortrejus p. 148 ).
Bericht Volmars über die zwischen den Mediatoren und den französischen Gesandten angesproche-
nen strittigen Punkte: Frankreichs Forderung nach mündlichem statt schriftlichem Verhandlungs-
modus . Form der Admission der Reichsstände und der Repräsentation des Reichs am Kongreß.
Entlassung des Kurfürsten von Trier und seine Mitsprache bei den Traktaten. Spezifizierung der
Verbündeten Frankreichs. Kaiserliche Vollmacht für Verhandlungen mit Hessen-Kassel. asse-
curation des Friedens.
Schuld Frankreichs an Verzögerung auch der schwedischen Proposition und am Untergang der
katholischen religion. Gerüchte um Abberufung des franzö sischen Gesandten Avaux und um
Neuformierung der französischen Gesandtschaft. Frankreich will dem Reichskammergericht Er-
leichterung verschaffen. Gesandter des Herzogtums Württemberg bei Nassau.
Im Quartier des Grafen Nassau [Domberrenkurie]. Vertreten: kaiserliche Gesandte (Nassau,
Volmar), Kurköln, Kurbayern.
Volmar proponiert, daß innen Kheiserlichen commissarien gestern die herrn
mediatores vorgebracht,
30–31 waßmassen – gewesen] Aus DWartenberg geht hervor, daß die Vermittler am
Dienstag, dem 28. März, die französischen Gesandten aufsuchten, sie am folgenden Tag bei
sich empfingen und am Freitag, dem 31. März, wieder im französischen Quartier konferierten.
Außerdem haben die Mediatoren am Vortag den ksl. Gesandten noch mitgeteilt, daß ihre ver-
richtung bey den Franzosischen, uneracht sie sich bey denselben etlich stundt lang
eingefunden, gar gering.
plenipotentiarii bei innen gewesen, dazumahl sy denselbigen starckh zuge-
sprochen umb edirung deren proposition. Uf welches ihnen der conte
d’Avaux geanntworttet, erstlich solte mann grosse weitleuffige schrifftwex-
lung abstellen, dann dardurch nicht allein die tractatus retardirt, sonndern
auch durch ein oder andere harte wortt die gemüether nur verbittert werden.
Sodann zweytenß werde zwahr ex parte Caesaris allegirt, eß seye allen
fürssten und stennden deß reichs disen gegenwertigen convent zu besuechen
verwilliget, sy begeren aber zu vernemmen, waß dise permission vor einen
verstandt und ob eß seye cum iure suffragii gemeindt.
Inngleichen unnd zum dritten würdt die dimission deß churfürsten von
Tryer instendig begertt, damit selbiger gleich anderen churfürssten frey
eintweder erscheinen oder schickhen möge unnd also daß collegium electo-
rale widerumb ergenzt seye. Dann gleichwie in der praeliminarconvention
stipulirt worden der salvus conductus vor die churfürssten, also extendire
sich dieses auch uf deß churfürssten von Tryer persohn
Nach dem Hamburger Präliminarakkord vom 25. Dezember 1641 war freies Geleit zu den
Friedensverhandlungen nur für die kurtrierischen Gesandten vorgesehen; dies war insofern bedeut-
sam , als sich Kf. Philipp Christoph mit dem Domkapitel, das während seiner Abwesenheit die
Regierung führte, in permanentem Konflikt befand ( Sverges traktater V 2 S. 503, Gärt-
ner I nr. 2 S. 7, Londorp V S. 760).
Zum viertten khönnden sy ihre confoederirte in Teutschlanndt noch nicht
nahmhafft machen, dieweilln die eventus bellorum noch ungewiß
alliirte ubel bestehn würdten, da sye solten vor der zeit nahmhafft gemacht
unnd mann ihrer durch die Kheyserlichen waffen meister werden. Wann
mann aber zur haubtsach khommen würdt, wollen sy schonn dieselbigen
benennen und deren interesse in obacht nehmen.
Wie nicht weniger und fünfftens begehren sy zu wissen, ob die Kheyser-
lichen gesannden wegen der tractaten mit der lanndgräffin zu Hessen-
Cassell ein particularplenipotenz haben oder ob sy ihrer generalvollmacht
sich gebrauchen wollen
In den ksl. Instruktionen bis zu diesem Zeitpunkt waren, anders als in der Geheiminstruktion für
Trauttmansdorff vom 16. Oktober 1645 ( APW I 1 nr. 29 [6] S. 443), Sonderverhandlungen
mit Hessen-Kassel nicht vorgesehen, vielmehr sollte Hessen-Kassel das Ergebnis der Verhandlun-
gen abwarten und allenfalls auf die früheren Vereinbarungen mit Kurmainz verwiesen werden.
Vgl. Hauptinstruktion für Münster 1643 VII 15 ( APW I 1 nr. 26 [16] S. 403), Fernere
Geheime Instruktion 1643 IX 23 ( APW I 1 nr. 28 [21, 22] S. 422f.).
Weiters unnd zum sechsten werde zum beschluß des friedens die assecura-
tion von dem khönig geschehen; unnd hetten die stänndt in Frannckhreich
darmit nichts zu thun, dieweill ein anderer und status monarchicus in
Franckhreich
Als das Parlement von Paris 1644 dem englischen Parlament vergleichbare Rechte forderte,
soll Mazarin geantwortet haben: Celui-ci est pour conserver l’Etat, et l’autre contre
( Dethan S. 356f. ). Vgl. auch Avenel , Richelieu I S. 113, 40ff., 50, 104ff.; auch die
Befugnisse der états généraux waren nicht fest geregelt, sondern ergaben sich pragmatisch aus
der historischen Situation; mit denen des Reichstags waren ihre Befugnisse schon wegen der seltenen
Einberufung kaum vergleichbar ( ebd. I S. 126ff., Soule passim ).
differiren.
Enndlich aber haben sy mit ihrer proposition oder haubtpostulatis an daß
Römische reich sowol vor sich alß ihre alliirte gar nicht heraußgewolt.
Uf welche proposita die mediatores denn Frannzösichen gesannden geannt-
worttet , erstlich daß sy in substantia unnd, so zu den haubttractaten dienn-
lich , nichts hetten vorgebracht. Unnd wehren die Kheyserlichen commis-
sarii mit ihnen hierinnen einig, daß kheine grosse schrifften gegeneinander
solten gewexlet, sonnder die puncten beiderseiths mit wenigen dienlichen
wortten allerseiths ubergeben
gleich den mediatoribus dahin khönnen angezeiget werden, damit sy beeden
theillen desto besßere information in einem und anderem geben khönnden.
Uf den zweyten puncten, vermeinndten die mediatores, eß hetten die
Kheyserliche genueg und wohl geanntworttet. Der Regensburger Reichsab-
schied von 1641 seye ein offenbahre sach, unnd hetten die Frannzösische
gesannden disß werckh offt movirt, aber sich zugleich resolvirt, daß, wann
die status imperii lenger außbleiben, sy mit den haubttractaten vortfahren
wolten. Erwartte mann dahero von innen cathegoricam responsionem,
ob sye proponiren wollen oder nicht; warauf die legati Franciae gannz
stillgeschwigen.
Bey dem dritten puncto seye daß petitum gannz unbillich, dann von libera-
tion deß churfürsten von Tryer in denn praeliminaribus gannz nicht ver-
glichen seye. Habe auch disß begehren gannz kheine raison, deß Kheysers
authoritet seye hiebey ebensovil und mehr alß deß khönigs in Frannckhreich
zu achten; unnd hetten sy bei disen puncto vermärkht, daß, wann die
Frannzosen nur hoffnung haben khönnen zu desßen dimission durante
tractatus, sy darmit zufrieden sein würden.
Im viertten puncten seye vonnöthen, wann sye restitutionem confoedera-
torum desideriren, daß sie eröffnen, wehr ihr alliirte seyndt und was sy
vor selbige praetendiren.
Uf den fünfften puncten, derffen sye nit zweifflen von der Kheyserlichen
gesannden plenipotenz; dann selbige nicht allein uf die landtgrefin zu
Hessen-Casßel, sonndern auch uf alle ubrigen genuegsamb und uber-
flüsßig instruirt.
Zum sechsten khönne der punctus assecurationis, wann die tractatus pacis
zum beschluß gelanngen, zur richtigkheit gebracht werden.
Auf diesen ausführlichen Bericht der Mediatoren hin haben die ksl. Gesandten zu-
nächst bedauert, daß in der haubtsachen so gar nichts proponirt worden.
Wolten dises alles mit den churfürstlichen gesannden communiciren und
verners daruber deliberiren. Und hetten ihrestheilß uf ahngezogene puncten
per discursum dahin geantworttet, daß sie erstlich wegen der schrifftwex-
lung mit den Franzosen einig. Khönnde alles khurz und per capita gesche-
hen ; wollen deß anfangs und methodi von den Frannzösischen plenipoten-
tiariis erwartten unnd selbigem gar gehrn volgen.
Betreffend 2. den Reichsabschied von 1641, versire dessen schluß in notorietate,
werde auch villeicht die ganze deputation zu Frannckhfurt alhero transferirt
werden, und zwar cum iure suffragii. Werde alßdann der im Römischen
reich hergebrachte modus et stylus observirt werden, daß nemblich die
Kheyserliche gesannden die propositiones thuen, die chur- undt fürsten in
ihren separirten collegiis hernacher solche zur berathschlagung ziehen, in
den sachen sich deß schluß vergleichen, hernacher die relation Kheiser-
licher Meyestet beschehe und deren endliche determination erwarttet werde.
Bei Frankreich liege es nun zu erklären, ob unnd wan sye die proposition thuen
wollen. Mann wolle auch nicht verhoffen, daß Frannckhreich praesentiam
aller statuum desideriren werde, weillen durch die deputation, so auß allen
craisen, alle hoche, mitlere und nidere stendt deß reichs repraesentiret
werden: zum exempl seye es mit diser deputation, wie eß in Frannckhreich
wehre, wann in nahmen aller stenndt etwaß zu deliberiren wehre, die pro-
vinzien aber gewise deputatos eligirten, die wegen aller stendt solchem
convent beiwohnnen solten; welche deputati oder außschus ebenso crefftig
handlen unnd tractiren würden, alß wann alle stendt in individuo versamblet
wehren.
Im dritten puncten hetten die Frannzosen vom Kheiser salvum conductum
stipulirt vor deß churfürsten von Tryer deputirte; dahingegen wehre von
Franckhreich sicher geleut begertt worden vor die ubrige churfürssten oder
deren gesannden. Anderß seye, sano sensu, auß der praeliminarvergleichung
nichts zu erzwingen: sodann wehre dem cardinal Bichi
cirt worden, was den Frannzösischen legatis alhier committirt: Sie sollten,
auch wenn liberation oder translation des Kurfürsten von Trier nicht erfolge, die
Proposition eröffnen. So würde auch selbigen khein stanndt gern in seinen
gewalt ufnemmen, uber dises khönne er einmahl vor erlanngeten frieden
in kheinerley weg uf freyen fueß gestelt werden. Haben auf das Beispiel der
Passauer Verhandlungen von 1552 verwiesen, wo auch Lgf. Philipp von Hessen erst
aus der Gefangenschaft entlassen worden war, nachdem vor allen dingen einem
yeden standt daß seinig widerumb eingeraumbt und alle andere conditiones
erfielt worden.
Lgf. Philipp der Großmütige von Hessen (1504–1567) wurde am 19. Juni 1547 in Halle vom
Kaiser gefangengenommen und erst fünf Jahre später im September 1552 nach dem Passauer Tag
freigelassen. Karl V. forderte als Bedingung für die Entlassung des Landgrafen, die er erst 14
Tage nach Auflösung der Kriegstruppen des Fürstenbunds gestatten wollte, die Erneuerung der
Kapitulation von Halle 1547, das Versprechen, am Kaiser nicht Rache zu nehmen, die erneute
Verpflichtung der in Halle vom Landgrafen gestellten Bürgen sowie die Einigung über die Reichs-
und Religionsbeschwerden ( Skalweit S. 383–389, Bonwetsch S. 173, Kühns S. 30f., 55,
72ff., 90–93, Rommel I S. 533–552, II S. 515–568, III S. 248–253).
Uf den viertten und fünfften puncten erclerten sye sich, daß sye generalis-
sime instruirt, sowohl mit Hessen alß anderen mit den frembden cronen
confoederirten immediate oder durch vermitlung der mediatoren mit den
exteris zu tractiren; und bedarffen sie hierzu kheiner specialvollmacht […].
Sy die Kheiserische seyen berathen, uber alle sachen zu handlen, die Frann-
zosen aber suchen mit der praesenz der stendt anderst nichts, alß neue
socios et foederatos sich zu adiungiren.
Im sechsten puncten seyen sy mit Franckhreich einig und khünden eint-
weder die Frannzosen selbsten media assecurationis vorschlagen oder disen
punctum biß zu beschliesßung eines fridens differiren.
Enndlich khönnen sich die Kheyserische nicht genuegsamb verwundern,
daß die legati Franciae sich nicht ercleren, ob selbige cron etwaß am reich
und waß sy praetendire. Es hetten zwar die Frannzösische dem ansehen
nach etwaß wollen proponiren, seyen aber lautere nugae gewesen. Und
hetten zwahr die mediatores die sachen wollen prothocolliren, weillen sie
aber vermerckht, daß in effectu et substantia ganz nichts erclert worden,
haben sye daß papier daryber zerrissen: Eß erbitten sich die Kheyserlichen
gesannden, wann Franckhreich nichts zu proponiren gemeindt, daß sie
selbst wollen anfangen, ein proposition zu thun; stehe also die sach zu
vernerem bedacht und consultation zu ziehen.
Über disß alles haben sie vermeldet, daß Frannckhreich ein uberaus schwere
verantworttung gegen Gott incumbire, indem die cron die grosse progres-
sus der adversariorum zum unndergang aller catholischer ersicht. Falß auch
zwischen Denemarckht und Schweden der fridt ervolget
halt , würde religio catholica in der ganzen christenheit ob tantam haeretico-
rum potentiam nicht wenig periclitiren. Es hetten die mediatores sowohl
Bepstlicher Heiligkheit alß der khönigin in Franckhreich
gebühr zuegeschriben.
Sie hetten auch die nachrichtung von ihren collegis in Osnabrück, daß die
Schweden erbittig wehren, auch nach der schlacht in Böhmen ihre propo-
sition heraußzugeben, welches aber die Franzosen ainzig und allein ver-
hindern . Und hetten auch die Schwedischen gesanden den Frannzö-
sischen plenipotentiariis selbsten zuegesprochen, sy solten nicht also an sich
halten, sondern mit der proposition kheckhlich heraußgehen. Inngleichem
hette ein Schwedischer secretarius, auch ein predicant zu Osßnabrügg,
offentlich und ohne scheuch sich verlauthen lassen
die catholische religion im Teutschlandt vollendts extirpirt werden unnd
khönnden einmahl die catholische solcher grosser der protestirenden macht,
welche Gott mit grossen sigen ie lenger, ie mehr segnet, nicht mehr resi-
stiren .
Im ubrigen wolle verlauthen, daß der conte d’Avaux solle zuruckh in
Franckhreich gefordert werden, dahingegen Servient alhier verbleiben,
aber beede noch alhier verharren, biß ein dritter, villeicht duc de Longue-
ville
Henri II. d’Orléans duc de Longueville et d’Estouteville, prince de Neuchâtel (1595–1663),
1619 Gouverneur der Normandie, seit 1639 im Elsaß und in Burgund und seit 1642 in Italien
Feldherr bei den französischen Armeen, 1644 zum Prinzipalgesandten für Münster ernannt,
1650 wegen Verstrickung in die Fronde gefangengesetzt, 1651 wieder freigelassen (über ihn
Rott S. 950, Chéruel I S. 940, Flassan III S. 117f., Stramberg 2, 10 S. 31–34,
Steck S. 90–93, Walther S. 13). Longueville zog am 30. Juli 1645 in Münster ein ( Meiern
I S. 382 , 495 , Nég. secr. I S. 374f.).
Frannzösische plenipotenz abermahlen mangelhafft sein, dieweill selbige uf
sye beede eingerichtet.
Eß haben auch die mediatores den Französischen gesanden intimirt, ob sye
wolten in favorem deß Kheyserlichen cammergerichts zu Speyer an khönig-
lichen hof zu Pariß schreiben, damit eintweder die camerales von den
khriegsbeschwerden befreyt oder die statt tanquam locus iustitiae gar vor
neutral erclert werden; darzue sie sich gar willig und affectionirt erzeiget.
Hiebei hat der Kheyserliche gesande graf von Nasßau vermeldet, eß wehre
der Württenbergische deputirte bei ime und sein vortrag dahin gestelt
gewesen
Vgl. Relation der Gesandten Münster an Ferdinand III., 1645 IV 7 (Konzept in RK FrA
92/IV nr. 622 fol. 584’–585). Hier wird berichtet, daß die schwäbischen und fränkischen Kreis-
gesandten (Varnbühler, Göbel, Ölhafen) bei ihrem Besuch per generalia die Assistenz im
Falle der Verlegung der Reichsdeputation angeboten hätten, allerdings den Verhandlungen auf eine
gemeinsam zu ermittelnde Weise beiwohnen wollten.
diget , hernacher sana pacis consilia et media ahngewendet und dann drittens
die stenndt ad ius suffragii solten admittirt werden.
nothwendige consultation daryber zu halten.