Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 Februar 25

2

Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten


3
Münster 1645 Februar 25

4
DWartenberg I fol. 333–338 = Druckvorlage. Vgl. ferner DKurbayern K I p. 19–20
5
( damit identisch DKurbayern spA I p. 37–39); DVolmar fol. 349–349’ ( Druck Cortre-
6
jus
p. 137)

7
Frankreichs Bedingungen für Beginn der Friedensgespräche: Admission der Reichsstände, Resti-
8
tution und Zulassung Kurtriers zum Kongreß, satisfaction für Frankreichs Verbündete, italieni-
9
sche Frage, Friedenssicherung.

10
Friedensabsichten Frankreichs und des Kaisers. Ausreichende Vollmacht der kaiserlichen, Präsenz
11
der kurbayerischen Gesandten und der Deputierten des Kurkollegs. libertet der deutschen und der
12
französischen Stände. Päpstlicher Gewahrsam für den Kurfürsten von Trier? Investitur geistlicher
13
Reichsfürsten.

14
Im Quartier des Grafen Nassau [ Domherrenkurie]. Vertreten: kaiserliche Gesandte ( Nassau

22
Johann Ludwig Gf. von Nassau-Hadamar ( 1590–1653), ksl. Prinzipalgesandter, Mitglied
23
des Wetterauer Grafenvereins, 1650 in den Reichsfürstenstand erhoben ( über ihn Karl Wolf
24
S. 109–123, ADB 14 S. 258 , Gschliesser S. 233f., Walther S. 7f., Kohl S. 3f.,
25
Steck S. 81; wegen seiner Konversion zum Katholizismus 1629 kontrovers beurteilt bei Schliep-
26
hake
-Menzel VI S. 410, 473f. und bei Stramberg 2,2 S. 427–437, 480, 508, 516, 519,
27
536, 540f., abschließend dazu W. Michel, Konversion S. 71–101.

28
Dr. Isaak Volmar, Frhr. von Rieden (1582–1662), ksl. Sekundargesandter, ehemals Prof. der
29
Rhetorik in Freiburg/Br. und Kanzler des Abtes von St. Gallen (als solcher Kenner der schweize-
30
rischen Verhältnisse), oberösterreichischer Hofkammerpräsident, ksl. Geheimer Rat, 1650
,
15
Volmar

31
Hofkanzler der ober- und vorderösterreichischen Lande ( seine Fähigkeiten hervorgehoben bei
32
Gallati S. 11–13, Odhner S. 120f., Steck S. 83f.; über ihn auch Heydendorff I
33
S. 80–82, II S. 127f., 193f., Dickmann S. 195f., Wurzbach 51 S. 269f., Walther S. 9f.,
34
Urteile über seine diplomatische Tätigkeit und seine interne Stellung am Tiroler Hof zusammen-
35
fassend
Wandruszka, Tirolische Linie S. 445ff.).
), Kurköln ( Wartenberg

36
Franz Wilhelm Gf. von Wartenberg (1593–1661), 1625 Bischof von Osnabrück, 1629 ksl.
37
Restitutionskommissar in Norddeutschland, 1629 Bischof von Minden, 1630 von Verden,
38
1633 Administrator von Hildesheim, 1645 Apostolischer Vikar für das Erzbistum Bremen
39
(über ihn ADB 41 S. 185ff. , NDB 5 S. 365 , Goldschmidt und Knoch passim).
), Kurbayern ( Haslang

40
Georg Christoph Frhr. von Haslang ( † 1684), kurbayerischer Primargesandter, Hofrat und
41
Kämmerer, Reichstagsgesandter 1641 und 1642 ( über ihn Riezler V S. 592f., Gauss,
42
Wettstein S. 297, Bierther S. 57, passim).
, J. Adolf Krebs

43
Dr. Johann Adolf Krebs, kurbayerischer Sekundargesandter und Hofrat, zuvor in badischen
44
Diensten, von den französischen Gesandten geschätzt und 1661 von Mazarin im Elsaß dotiert
45
( Sitzmann II S. 72, Nég secr. IV S. 65, RK FrA 94/II S. 22ff.).
).

16
Von Graf Nassau wird eine Unterredung zwischen den kurkölnischen, kurbayeri-
17
schen
und den ksl. Gesandten über den jüngst von den Franzosen loco propositionis
18
übergebenen Schriftsatz

46
Seconde proposition Frankreichs vom 24. Februar 1645 ( Druck Meiern I S. 358–360,
47
Nég. secr. I S. 328–330).
angeregt. Nachdem Wartenberg mit ksl. Billigung die
19
funffte stund für das Treffen vorgeschlagen und auf Wunsch der ksl. Gesandten
20
Kurbayern benachrichtigt hat, eröffnet Volmar die Konferenz mit dem Vortrag
21
der französischen Schrift, die er in sieben Punkte gliedert, 1. daß die Franzosen

[p. 2] [scan. 126]


1
ihre gute intention zum frieden so hoch herfurstreichen, 2. ihre vorige
2
petita mit herbeykunfft der reichsstende und 3. mit Churtryer und zulaßung
3
seiner deputirten

23
Die Gefangennahme des Kf. Philipp Christoph von Trier durch spanische Truppen am 26. März
24
1635 war der formelle Grund für Frankreichs Eintritt in den Krieg gewesen ( Knipschaar
25
S. 37, 41–43, Baur I passim, Sturmberger S. 9ff., H. Weber, Frankreich S. 388ff.,
26
Stramberg 2, 1 S. 355–360; zur Zuverlässigkeit Strambergs vgl. Faber).
wiederholen, 4. vorgeben, daß die accommodation der
4
Teutschen sachen insonders schwer achten, 5. fur der cron Franckreich
5
confoederirten und adhaerenten in ihren gravaminibus satisfaction begeh-
6
ren, 6. wie das Italiaanische weßen zu accommodiren und 7. wegen asse-
7
curation des friedens. Sodann wünscht Volmar, Ihrer Hochfürstlichen Gna-
8
den und der herrn Churbayerischen mainung, was darauf zu andworten,
9
zu vernehmen, woruber sie sich bei genommenen abtritt undereinander
10
eines voti verglichen, welches durch Ihre Hochfürstliche Gnaden dahin
11
eroffnet und vorgetragen worden: Ihre Kayserliche Maiestät hetten dero
12
auffrichtige gute intention und naigung zur befurderung des lieben frie-
13
dens nit allein die vorige jahr hero offt und vielmalen zu yeder occasion
14
uberflußig dargethan und erwießen, sondern auch noch vor dreyen mona-
15
ten abermal mit so fertiger eröffnung ihrer proposition durch dero alhier
16
habende plenipotentiarios 4. Decembris

27
Druck Meiern I S. 317–318, Nég. secr. I S. 321–322.
, maßen man allerseiz mit den
17
mediatoribus

28
Fabio Chigi di Siena ( 1599–1667), päpstlicher Nuntius, Bischof von Nardo ( der spätere Papst
29
Alexander VII.) ( über ihn Bücker S. 23–29 und ff., Repgen, Instruktion S. 79ff., Reu-
30
mont
S. 2ff., Rott S. 910, Steck S. 73–76, Walther S. 3–5, Meiern IV S. 32, 861)
31
und der venezianische Gesandte Alvise Contarini di Tommaso ( 1597–1651), von 1624 bis 1641
32
nacheinander Gesandter Venedigs in Madrid, im Haag, in London, Paris, Rom und Konstanti-
33
nopel
( über ihn Kretschmayr III S. 303, 325f., Bücker S. 30f., Rott S. 914, 122, 139f.,
34
Walther S. 5f., Steck S. 77–79). – Über Vermittlung als völkerrechtliches Institut vgl.
35
Scheuner S. 230, über die päpstlichen Nuntien als „kirchliche Jurisdiktionsträger und diplo-
36
matische
Gesandte“ Walf S. 138, 125–142.
abgered und verglichen, der ganzen weit demonstrirt und
18
dadurch aller begierd und verlangen, auch mit der gegenparthey und ubel
19
intentionirter selbst confusion und verwunderung, satisfaction gegeben.
20
Und wurden nun auch dieselbe sonders gern vernehmen, daß die Franzo-
21
sische

37
Die französischen Gesandten waren Claude de Mesmes, comte d’Avaux ( 1595–1650), vorher
38
bereits mit verschiedenen Gesandtschaften nach Venedig, Rom, Dänemark, Schweden, Polen,
39
Deutschland und den Niederlanden betraut ( über ihn Biogr. univ. 2 S. 496, Nouv. Biogr.
40
gén. 3 Sp. 815f., Dict. Biogr. 4 Sp. 832–837, Bougeant I S. 364, Steck S. 94–98,
41
Walther S. 14) und Abel Servien, marquis de Sablé et de Chateauneuf, comte de la Roche des
42
Aubiers ( 1593–1659), 1616–1624 Generalprokurator im Parlement von Dauphiné, 1630
43
Präsident im Parlement von Bordeaux, 1629 Gesandter in Turin, 1631 in Piemont, 1643–44
44
im Haag, 1618 conseiller d’Etat, 1630, 1633–36 secrétaire d’Etat à la guerre, 1648 ministre
45
d’Etat, 1653 surintendent des finances ( über ihn Biogr. univ. 39 S. 149f., Nouv. Biogr.
46
gén. 43 Sp. 814–817, Bougeant II S. 299, Rott S. 983, Steck S. 98–102, Walther
47
S. 14f., über seine „moralité und capacité“ und seinen Streit mit d’Avaux Flassan II S. 398f.,
48
Kerviler S. 76ff. und passim, Bücker S. 35).
, nach so vieler zeit verfliesung und so offt und mannigsmal durch
22
die mediatores deßwegen beschehenen anmahnen und erinnern, ihres konigs

[p. 3] [scan. 127]


1
und cron bißherzu so hoch contestirt und geruhmbte friedensbegierde
2
dermalen ahm 24. huius mittels ubergebener schrifft zue bezeugen sich
3
understanden, dabey sich aber verwundern, wie es dan auch in warheit nit
4
wenig zu verwundern ist, daß […] die vorige ohne fundament gethane
5
petita wegen beruffung der stende und restitution Churtryer, welche zween
6
puncten ihnen doch von seitthen Ihrer Kayserlichen Maiestät mit gutem
7
bestand schon lengst abgelehnet und beandworttet, abermaln wiederholet
8
werden dörffen, bevorab da ihnen die beym ersten, nemblich convocation
9
der stende sich endhaltende difficulteten genugsamb vor augen gestelt,
10
auch wie vorhien einem yeden durch einen allgemeinen reichsschluß zu
11
erscheinen erlaubt sey

27
Die im Reichsabschied von 1641 § 11 vorgesehene Einzelabordnung der Fürsten war aber gerade
28
gegen deren korporative Vertretung gerichtet und in ihrem Wirkungsradius auf ksl. Assistenz
29
eingeschränkt ( Bierther S. 236–243, Becker S. 137, Sammlung III S. 554).
und man sich dannoch zu einer gewissen deputation
12
außm reich, ja da nöttig, zum beschluß der tractaten und deren ratification
13
und bestehtigung gar einen reichstag außzuschreiben, schon vorlengst an-
14
erpotten, nur damit den frieden zue befurdern. Es hat aber alles diß bey
15
der gegenseithen bißherzu wenig gehafftet, sondern man vielmehrers sol-
16
ches, wie es scheint, zu des wercks verlengerung sich gebrauchen thutt.
17
Eß haben Ihre Kayserliche Maiestät uberdiß dero hiesige gesandten, wie
18
begert, mit newer verglichner form der plenipotenz, unangesehen ahn
19
der vorigen zumal nichts zu desideriren gewest, zu der Franzosischen selbst
20
satisfaction versehen

30
In dem Vollmachtenstreit (von April bis November 1644) war es darum gegangen, ob die ksl.
31
Gesandten auch mit den Verbündeten Frankreichs, unter die die Reichsstände gezählt werden
32
konnten, sollten verhandeln müssen ( Dickmann S. 169, 208, APW [II A 1 S. 357ff.] ).
. Seyen auch von den deputatis collegii electoralis,
21
deßgleichen von Churbayern, plenipotentiarii alhier

33
Aufgrund Kollegialschlusses des Regensburger Kurfürstentags von 1636 waren Kurköln und
34
Kurbrandenburg zu den Verhandlungen mit Frankreich, Kurmainz und Kurbrandenburg zu den
35
Verhandlungen mit Schweden abgeordnet worden; am 25. Februar 1645 waren aber erst Kurköln
36
(seit 25. November 1644) und Kurbayern (seit 22. Februar 1645) in Münster anwesend.
; wurden auch diese
22
und ebenfalß die Churbrandenburgische schon lengst erschienen sein, wo
23
nit die bekandte difficultet wegen der herrn churfursten gesanden tracta-
24
ment ex parte Gallorum eingeworffen. Und obwolen die Französische auff
25
comparition mehrer stend und sonderlich deren, welche auf ihr gethanes
26
zuschreiben

37
Vgl. d’Avaux/Servien an den Frankfurter Deputationstag, Münster 1644 IV 6 ( Druck
38
Nég. secr. I S. 246, Gärtner II S. 631f., Bougeant II S. 597f., Londorp V S. 905f.,
39
Beilage 2 zu APW [II B 1 nr. 65] ), d’Avaux/Servien an Fürsten und Stände, Münster 1644 IV 6
40
( Druck Nég. secr. I S. 247–250, Gärtner II S. 632–638, Meiern I S. 219–222,
41
Londorp V S. 903–905, Beilage 1 zu APW II B 1 nr. 51), Ludwig XIV. an Fürsten und
42
Stände, Paris 1644 VIII 20 ( Druck Nég. secr. I S. 288f., Beilage 1 zu APW [II B 1]
43
[nr. 192] ), d’Avaux/Servien an Fürsten und Stände, Münster 1644 IX 4 ( Druck Meiern I
S. 269–272 , Bougeant II S. 600–605), Servien an den Frankfurter Deputationstag, Münster
45
1644 XII 18 ( Druck Meiern I S. 341f. , Gärtner III S. 756–758), d’Avaux/Servien an
46
Fürsten und Stände, Münster 1645 I 20 ( Druck Nég. secr. I S. 327); zur Beantwortung
47
UuA Friedrich Wilhelm I S. 859ff.
hinwieder geandworttet, das absehen annoch halten, so seye

[p. 4] [scan. 128]


1
doch underdesen 3. ganzer monat zeit verflossen, ohne daß ein einiger
2
herbeykommen, endzwischen aber noch immerhin mehrer christenblutt ver-
3
gossen. Frankreich spezifiziert auch nicht, wie lange und auf welche Anzahl von
4
Reichsständen es noch warten will, so daß es selbst der ganzen weit den berechtig-
5
sten
Anlaß zur Klage gibt, ja die stende durch diß ihr der Franzosen cuncti-
6
ren und daß nur ein außflucht uber die ander notori gesucht, die proposi-
7
tion ad pacem zu endfliehen und zu den sachen nit wurcklich gethan,
8
mehrers abgehalten werden, weilen sie alhier mit so großen unkosten
9
weder selbst oder durch die ihrige des ungewissen fortgangs der tractaten
10
nit werden konnen noch wollen abwarten.

11
Beharren die Franzosen auf ihrer unbefugten praetension, wurde auch ihnen
12
nitt mißfallen konnen, daß ex parte Caesaris et imperii dergleichen secu-
13
ritet futurae pacis durch das parlament und stende in Franckreich, welche
14
in dergleichen eben auch ihre libertet haben

31
Wartenberg übernahm damit ein Argument der französischen Monarchomachen Philippe Duples-
32
sis Mornay (1549–1623), Hubert Languet (1518–1581) und François Hotman (1524–1590)
33
( Klassiker der Politik 8 S. 122f., 318ff.), das auch das deutsche Reichsstaatsrecht Bodins
34
vorabsolutistischer Interpretation der französischen Verfassung entgegenhielt. Vgl. über die
35
Parlements ebd. Anhang S. 328, 336ff., allgemein Geyl S. 4, Fagniez I S. 420–425.
, auch pari passu anfangs
15
begert werde; worzu sie dan umb soviel da mehrer ursach, weilen sie mit
16
dem Mantuanischen vergleich, was in huiusmodi pactatis ein oder ander
17
minister, obwolen des konigs intention gutt sein mechte, vermöge

36
Nachdem 1627 zwei Prätendenten um die Nachfolge in Mantua-Montferrat aufgetreten waren
37
und ksl., französische und spanische Truppen dort interveniert hatten, erhielt im Frieden von
38
Regensburg vom 13. Oktober 1635 ( und endgültig von Cherasco vom 6. April 1635) Hg. Karl
39
von Gonzaga-Nevers, der von Richelieu gefördert wurde, das Herzogtum. Der Regensburger
40
Friede sah in Art. 1 die Verpflichtung des Kaisers und Frankreichs vor, die Feinde des andern
41
nicht zu unterstützen; er wurde deshalb von Richelieu unter Hinweis darauf, daß die
42
französischen Gesandten ihre Instruktion überschritten hätten, nicht gebilligt ( Albrecht S. 265,
43
284ff., 293, Lutz S. 895f., Flassan II S. 374, Ritter III S. 458f., Fagniez I S. 447ff.,
44
Zwiedineck-Südenhorst II S. 73ff., Daru III S. 274ff., Kretschmayr III S. 295–301,
45
619, B. Schneider). Vgl. zu Richelieu C. J. Burckhardt, Church S. 421ff.
, ge-
18
nugsamb erfahren.

19
Die restitution Churtryer anlangend, hab man sich disseits schon vorlengst
20
vernehmen laßen, daß solche zu anfang der handlung mit keinen fugen
21
praetendirt werden konne, sondern alß ein privat negotium und materia
22
tractatus sein muste, welches dan aller vernunfft gemeß und bey den paci-
23
ficationshandlungen also herkommen, auch solches die praeliminaria selbst
24
mit sich pringen, wie es mit seinen deputirten zu hallten; dan selbigen
25
durch die salvos conductus, welche von Ihrer Kayserlichen Maiestät die
26
Franzosen zu solchem ende absonderlich erhalten und angenommen, auch
27
dem churfursten zugestelt worden

46
Ausbedungen im Hamburger Präliminarvertrag vom 25. Dezember 1641 ( Gärtner I S. 7).
, erlaubt, ad loca tractatuum sich zue
28
begeben, vermög deren sie ebensowol alß andere stende genugsamb sicher
29
raisen und der handlung beywohnen, auch der curfurst, sein sach vorzu-
30
bringen, freiheit haben kondten.

[p. 5] [scan. 129]


1
Wan die difficulteten, welche die cron Franckreich mit Ihrer Kayserlichen
2
Maiestät und dem reich zu haben vermaint, also leichtlich, nach inhalt des
3
eingebenen scripti, zu superiren, wird solches unbillich so lang und dem
4
ansehen nach zum früling hinauß, biß die campagnia wieder angehet, ver-
5
schoben undt dadurch mit fleiß ein newes incendium und bluttbadt zwi-
6
schen den christen, und zwarn catholischen, angerichtet.

7
So wird auch der cron Franckreich confoederirten und adhaerenten bey
8
den tractaten alles zu proponiren und vorzupringen unverwehrt sein,
9
außer was vor die außwertige vermög der reichssatzungen nit gehorig ist,
10
zuemalen dergleichen under den stenden allein zu seiner zeit und orth,
11
wie solches die Teutsche libertet, die constitutiones und das übliche her-
12
kommen im reich mit sich pringet, schon werden konnen vorgenommen
13
und erörttert werden.

14
Auch die italienische Frage wird von ksl. Seite beigelegt werden können, wenn sie
15
nur ernstlich angegangen wird und Kaiser und Reich ihrer darin habender lehen
16
und iurium halber von solcher handlung nicht werden außgeschlossen.

17
Wegen dieser in nahmen Churcollen und -bayern durch Ihre Hochfürst-
18
liche Gnaden eröffneten mainung haben sich die Kayserliche bedanckt und,
19
nachdem uber ein und anders hinc inde discurrirt, vermeldet, daß die
20
mediatores ratione Churtryer vorgeschlagen, ob er nicht underdeßen ad
21
aliquem locum tertium remittirt werden möchte; worauf Ihre Hochfürst-
22
liche Gnaden, daß eben solches hiebevor bey ihro der Venetianische vor-
23
pracht, welches sie auch ahn beyde herrn churfursten zu Collen und Bayern
24
schon vorlengst gelangt; es seye aber darauf einige andtwort so wenig
25
von ein alß dem andern orth erfolget, also dero mainung nit wissen konten.
26
Deßgleichen, sagte Volmari, hetten sie Ihrer Maiestät uberschrieben, aber
27
ebenfalß keine resolution daruber bekommen; und in specie hetten die
28
mediatores darauff gedeuttet, daß er nacher Rom ad manus Pontificis

40
Innozenz X. ( Giovanni Battista Pamfili), Papst seit 15. September 1644 ( 1574–1655).
41
Vgl. Pastor 14, 1 S. 22ff., Gauchat IV S. 27.
con-
29
signirt werden möcht

42
Am 7. März 1637 erfolgte eine „formale“ Übergabe des Kurfürsten von Trier an die Kurie,
43
er blieb aber in ksl. Gewahrsam ( Sturmberger S. 18).
, welches bey dieser conferenz allerseiz bedencklich
30
gehalten, daß nemblich ein chur- oder furst des reichs dergestalt in frembde
31
landen außer reichs in custodiam solte geliffert werden. Und alß dabey der
32
Volmari angedeuttet, daß auch der Pabst wegen des churfurstenthumb und
33
regalien mit seiner person nichts zu thun, haben Ihre Hochfürstliche Gna-
34
den replicirt, daß dergleichen auch vor diesem vorpracht, seye aber von
35
den geistlichen chur- und fürsten weniger zue Rom yemaln gestanden oder
36
fundirt befunden worden, daß bey den geistlichen chur- und furstenthum-
37
ben die temporalitet von der geistlichkeit solte dergestallt separirt werden
38
konnen; dan under andern notori, daß der Kayser die regalia nach der
39
Pabstlichen confirmation eines geistlichen chur- oder fürstens vermög con-

[p. 6] [scan. 130]


1
cordatorum Germaniae

28
Das Wiener Konkordat vom 17. Februar 1448 (Druck Zeumer I S. 266–268, Moser, NTS
29
11 S. 34ff.) und die Fürstenkonkordate von 1447 (Druck Mercati S. 177ff.) stärkten die
30
Macht des Papstes über die Reichskirche und die Macht der Fürsten über die in ihren Territorien
31
gelegenen Kirchensprengel. Vgl. Feine, Besetzung S. 4–7, ders., Rechtsgeschichte S. 400–402,
32
Hinschius II S. 610f., 691ff., III S. 138f.
zu verleyhen schuldig und, ehe die confirmation
2
erfolget, solche nit ertheylen, weniger ante depositionem abnemmen
3
konne

33
Die ksl. Belehnung mit den Regalien setzte in der Regel die päpstliche Konfirmation voraus
34
(vgl. Feine, Besetzung S. 51, 92–102, 147–186, ders., Rechtsgeschichte S. 474f.), jedoch
35
hatte der Kaiser über seine Kommissare bei der Wahl sowie im Falle strittiger Konfirmation der
36
Bischöfe erhebliche Einflußmöglichkeiten ( Heckel S. 211f., Roberg S. 48ff., 73–77).
.

4
Warauff der Volmari, es seye nit ohn, daß diese sach ihr groß bedencken
5
habe, mit andeutten, daß die mediatores mit dem cardinal Cleselio, welcher
6
gar nacher Rom geliffert worden

37
Melchior Klesl ( 1552–1630), Sohn eines Bäckers, 1598 Bischof von Wien ( ohne Weihe), 1616
38
Kardinal, einflußreichster Berater unter Ks. Matthias, wurde am 20. Juli 1618 gestürzt, gefangen-
39
gesetzt
und 1622 nach Rom verbracht; er kehrte erst 1627 zurück ( Rainer S. 66ff., ADB 16
40
S. 167–178 , Kummerer S. 95ff., Kerschbaumer S. 298–327, 399, Haas S. 23f., 66–68,
41
78–82, Ritter II S. 95ff.).
, exemplificiren wollen. Weilen aber der-
7
selb ein cardinal und also mehrers dem Pabst zuegehörig, auch alß bischoff
8
zu Wien oder in andere weg kein furst des reichs, weniger ein churfurst
9
gewesen, so laße sichs davon nicht argumentiren.

10
Diesem nach ist diesen ganzen werck allerseitz, weilen es alberaiz 8 uhren
11
gewest, beßer nachzudencken ubernommen und zur wiederzusammen-
12
kunfft 1. Martii beliebet; und hat der Volmari sich erpotten, underdeßen
13
auß den hinc inde uber ein und andern punct vorgangenen discursu ein
14
unvorgreiffliches proiect zu verfertigen, welches alßdan examinirt werden
15
kondt.

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