Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
173. 151. Sitzung des Städterats Osnabrück 1648 August 9 9 Uhr
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Osnabrück 1648 August 9 9 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 654’–657’ = Druckvorlage.
Unklarheiten der französischen Satisfaktion: Intervention der Stände für das Elsaß, Unnachgiebig-
keit Serviens. Spanisch-burgundische Frage, kaiserliche Assistenz für Spanien.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund auf der Rheinischen, Nürnberg auf der Schwä
bischen Bank.
Herr Director proponirt: Dieweiln die herren abgesandten, daß bey ge-
striges tages beschehenem ansprechen herrn graven Serviens nichts ver-
richtet worden, sondern alles in dubio verblieben seye, in pleno selbsten
angehört und auffgesetzte relation weiter mit sich bringen werde, alß seye
ohnnöthig, daßelbe zu widerhohlen, sondern allein, was bey so beschaffenen
sachen weiters vorzunemen, zu resolviren.
Lübeck. Er stehe in großer sorgfalt, man gerathe mit dieser sach, je länger je
mehr in labyrinthen und laße ihme zwar nicht zuwider sein, daß man, was
herr Salvius bey herrn Servien außgerichtet, verneme und neben deme noch
einmahl versuchen solle, wie weitt mit ihme fortzukommen sein möchte;
zum fall er aber bey seinen sowohl in puncto satisfactionis als anderen sachen
gethanen petitis bestehen solte, were ihme alßdann anzudeuten, ob man
wohl an seiten der stände, daß seinem begehren statt gegeben werden
köndte, gerne sehen möchte. Weiln sich aber das werckh in den haubt-
puncten stoße, und ohne der herren Kayserlichen assistenz alhier nicht fort-
zukommen seye, alß werde man sich gesambter hand nach Münster zu er-
heben und dabeneben auch herrn Salvium, daß er mitt hinüber gehe und
culari von der sach zu reden, bestehe selbige auff lauter contradictionen und
seyen zwar ratione assistentiae verschiedene vorschläge von herrn Salvio ge-
schehen , müßen aber allererst vermittelst der tractaten und in gegenwart der
herren Kayserlichen außgemachet werden. In puncto satisfactionis müße
herr Servien declarationes admittiren, zumahl, erst eine neue satisfaction zu
machen, gar zuviel zeitt darauff gehen würde.
Nürnberg. Er seye zwar anfangs der meinung gewesen, man werde aus den
Frantzösischen sachen mit bestandt nicht kommen können, nachdem sich
aber die particularisten, wie bekandt, so weit heraußgelaßen und selbige in
die reichsräth gebracht worden seyen, habe man es auch müßen geschehen
laßen. Seye sonsten mit Lübeckh der meinung, daß man alhier mehrers
zurückh alß für sich handle. Köndte zwar, was herrn Salvii verrichtung bey
herrn Servien gewesen sein möchte, erwarten, werde aber schlechten effect
haben, daß man herrn Servien nochmahlen zusprechen solle. Sehe er zwar
auch nicht, was es fruchten werde, stünde jedoch dahin, ob vielleicht dieses
der nächste weeg sein möchte, wann ihme glimpflich angedeutet würde. Die-
weiln er selbsten befinde und in abgewichenen 14 tagen, daß alhier nicht aus
der sach zu kommen,
der zeit kein ander mittel übrig sein, dann daß man gesambter hand nach
Münster gehe, sonderlich auch der ursachen halben, weiln 1. herr Servien
sich selbsten auff die herren Kayserlichen beruffen, ob hetten sie ihme in
puncto satisfactionis den consens der stände, welches aber zu Münster drü
ben geschehen müße, wiewohl die herren Kayserlichen sich eines anderen
gegen die interessenten vernemen laßen, versprochen; er sich auch 2. erclärt,
daß er vor erörterung des puncti assistentiae in übrigen sachen weder pro-
grediren wolle noch könne; welcher aber ohne zuziehung der herren Kay-
serlichen von den ständen allein nicht zu erledigen, sondern allererst tempe-
ramenta , die ohne handlung nicht geschehen können, dabey vorzuschlagen
seyen, und man also seinen begehren auch darum nicht allerdings deferiren
könne, weiln die stände ihr interesse eben sowohl als die herren Kayserliche
dabey, diesen aber gleichwohl hoc in puncto assistentiae, wegen Ihrer Maje
stät dabey starckh engagirten interesse, nichts vorzuschreiben haben. Und
halte schließlichen dafür, wann auch gleich die stände einen favorablen
schluß pro domo Austriaca alhier machen solten, es dörfften die herren
Kayserlichen denselben, weiln er nicht zu Münster gemacht worden, contra-
carriren und jene den vorgesetzten fridenszweckh dannoch nicht erreichen.
Kolmar. Er repetire hieher rationes praemissas und conformire sich mit
bereits eröffneten vorschlägen umb soviel deßto mehr, weiln er bey gestri-
gem particular ansprechen herrn Serviens verstanden, daß ihme der Spani-
schen neue entreprise bekandt, hingegen Monsieur Brunn zwar neue man-
data zu tractiren, von hof aber noch kein secretum mandatum von graven
Pigneranda erhalten hette, darauff er doch, weiln er minister ministri seye,
warten müße
Peñaranda war am 21. Juli 1648 vom Kongreß abgereist, offenbar, weil Spanien nicht mehr auf
einen Frieden mit Frankreich rechnete ( Meiern VI S. 288 ; Corr. Dipl. III S. 275ff). Der
zurückgebliebene spanische Gesandte Brun teilte dem kurmainzischen Direktorium am 4. August
mit, zu weiteren Verhandlungen Vollmacht zu haben; gleichzeitig wies er auf die gefährlichen
Konsequenzen hin, die bei einer Ausklammerung Spaniens aus dem Frieden drohten (Druck
Meiern VI S. 316 –318; Vollmacht vom 20. Juli 1648 RK FrA , RK ) 92 XVI fol. 200–201 ad
nr. 2158).
alßdann nacher Rom, daselbsten er ohne zweiffel neue krieg wider die
Schweden anzuspinnen suchen werde, zu gehen befelcht seye, und er, herr
Servien, bey solchen umbständen die beysorg trage, wann die stände in
puncto assistentiae sich nicht erclären, es dörffte ihme im übrigen auch feh-
len ; hingegen, wann ihme, in demselben sich zu versichern, mittel an die
hand gegeben würden, er mit seiner erclärung bey dem puncto satisfactionis
deßto ehender heraußgehen. Stelle aber dabey zum nachdenckhen, wann er
auff den widrigen fall defectum mandati praetendiren solte, ob nicht die
stände selbsten an den könig zu schreiben hetten?
Dortmund. Er könne sich mitt vorgehenden votis, zumahln des reichs
wohlfahrt anietzo in celerrima expeditione bestehe, gar wohl conformiren.
Und weiln er ex relatione vermeine, daß herr Servien sich bey dem werckh
opiniastrire, die stände aber ihr recht nicht verlaßen oder hindansetzen
können, alß müße man auff mittel, wie aus der sach zu kommen, bedacht und
seines wenigen ermeßens, noch zur zeitt etwas perfunctorie zu handlen, und
auff allen fall, wie Colmar erinnert, an den könig in Franckreich selbsten zu
schreiben sein.
Herr Director. Soviel proponirte fragen und dasjenige, was bey abge-
legter relation weiter vorzunemen, betreffe, müße er bekennen, wann man
sich dieser bey dem werckh anietzo hervorbrechender difficulteten versehen
hette, daß es beßer gewesen were, wann man alßbalden nacher Münster sich
erhoben hette. Nachdem aber selbige nicht vermuthet worden, noch die
stände herrn Servien gern für den kopff stoßen wollen, seye es underblieben.
Und diesem nach, weiln die stände den punctum assistentiae, ehe und bevor
sie bey der Frantzösischen satisfaction ihrer habenden jurium gesichert
seindt, zu resolviren nicht gemeint, herr Servien aber, daß er bey denen in
puncto satisfactionis mit den herren Kayserlichen verglichenen tractaten
stricte beharren müße, sich vernemen laßen, weiter nichts dabey zu thun,
sondern vorgehendem concluso beständig zu inhaeriren. Und was von ihme
in puncto satisfactionis pro expediente vorgeschlagen, weiln noch nichts
davon geredet worden, anietzo zu erwegen, habe zwar das ansehen, daß der
beste modus, sich zu schützen, in dem bestünde, wann denen ständen,
welche in der cron Franckhreich zur satisfaction überlaßenen landen sitzen,
an handt gegeben würde, daß sie auch wie das hauß Österreich recht nemen
müßten. Es seye aber das werckh dieses orths nicht außzumachen, weiln
Österreich nicht allein keinen lust darzu habe, sondern vielmehr in perpetua
simultate mit Franckhreich zu bleiben und occasion, das bewilligte über
nacht widerum abzunemen, erwarte. Weßen man sich also gegen Servien zu
erclären; werde seines erachtens nicht auff den stutz zu sagen sein, man
könne in puncto assistentiae nicht progrediren, sondern ein mehrers nicht,
als bereits geschehen, versprechen. Sonsten ließe man ihme seinen vorschlag,
daß er das Elsaß in feudum ab imperio recognosciren wolle, nicht mißfallen,
die annectirte 4 conditiones aber, ut scilicet 1. regno Galliae incorporetur, 2.
ea propter sessionem et votum habeat in imperii comitiis, 3. iisdem praeemi-
nentiis uti domus Austriaca possideant et 4. ut episcopatus Metz, Toul et
Verdun maneant in eo statu, quo nunc sunt, seyen schwärer als das werckh
selbsten eingerichtet und dahero der vorschlag nicht zu practiciren; dann
soviel die erste condition betreffe, würde das Elsaß solcher gestalt kein feu-
dum , sondern allodium sein
lischen parthey keinen vorthel bringen, sondern ihro dadurch mehr, als den
catholischen genommen werden. So müßten 3. die stände deßelben nach
Pariß ziehen und lauffe auch die 4. dem vor einem jahr deß wegen gemachtem
concluso gantz zuwider
Vgl. oben [ S. 549ff ] .
diesen vorschlägen nochmahln communiciren, werde es aber nichts helffen,
mit denen herren Kayserlichen darauß reden und sich nacher Münster er-
heben ; jedoch ihme, herrn Servien, nach vernommener herrn Salvii verrich-
tung und auff den fall dieselbe also nicht beschaffen, daß die in puncto
satisfactionis Gallicae interessirte stände ihrer freyheiten halber gesichert
sein können, vorhero anzudeuten, daß man alhier zum schluß, weder in
puncto assistentiae noch den anderen zu gelangen, auß allerhand mittein-
lauffenden considerationen nicht getraue, sondern nur mehrere zeit, wie
albereit geschehen, damit verliehren werde, und darauff auch glimpfflich
zuzusprechen, daß weiln alhier nichts außzurichten, er die handlung zu
Münster vornemen wolte. Obwohl nun etliche das werckh lieber befürdert
sehen und denen in puncto satisfactionis Gallicae interessirten ständen alles
vergeben wollten, so könne er doch nicht sehen, wie ein standt dem anderen
seine freyheit vergeben und ihn in sclaverey stürtzen köndte, und müßten
auff solchen fall die interessenten nacher Münster gehen und, wie sie da-
selbsten mit den herren Kayserlichen zu recht kommen köndten, sehen.
Conclusum. Soviel den punctum assistentiae belange, weiln man sich dar
über , ehe und bevor die bey der satisfactione Gallica interessirte stände ihrer
libertet und freyheit gesichert, nicht außlaßen kan, alß were vorigem con-
cluso zu inhaeriren, und pro secundo quoad satisfactionem Gallicam,
worauff herrn Salvii verrichtung bestehe, von ihme per deputatos zu ver-
nemen .
Bey nachfolgender, den 10. hujus gehaltener session ist wegen abermahls
eingefallener posttagsgeschäfften niemandt beym protocoll gewesen, das con-
clusum aber nichts deßto weniger hiehero getragen worden.