Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
105. 87. Sitzung des Städterats Osnabrück 1647 April 30 8 Uhr
105
Osnabrück 1647 April 30 8 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 361’–365 = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.; vgl. ferner Bremen
2 – X. 8. m.; MEA FrA , RK ) Fasc. 17 o. F. ( Conclusum ).
Verhalten der Reichsstädte bei Beratung mit Kurfürsten und Fürsten über die jura statuum.
Neutralität der Stadt Dortmund sowie Befreiung von Einquartierungen. Oldenburgischer Weserzoll.
Anwesend: Straßburg, Frankfurt, Dortmund, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Eßlingen [per Lindau] und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director referirt: Es habe das Churmaintzische directorium gestriges
tags andeutten laßen, daß man heutt in beeden reichscollegiis zusammen
dretten und von denen neulicher zeit per dictaturam communicirten, die jura
statuum betreffenden puncten reden werde. Weiln nun zu Münster bereits
darüber deliberirt
KfR vom 6. Mai 1647 st. n. (APW [ III A 1, 1 S. 772–790 ] ).
berichtet worden, der stände dißfalls beywohnende gedancken ehist zu ver-
nehmen , großes verlangen tragen, alß werde dahin stehen, ob man das werck
materialiter angreiffen und sich darüber resolviren wolle?
Frankfurt sagt: Er hette bey ersehung der ad dictaturam gebrachten punc-
ten so viel befunden, daß selbige meistentheils in die jura electorum et prin-
cipum einlauffen, und demnach dafür gehalten, es werden die herren fürst
lichen heut schwärlich durchkommen
FR Osnabrück vom 30. April 1647 ( Meiern IV S. 504–514 ).
fallen, sich außzulaßen, ehe die herren fürstlichen sich materialiter entschlo
ßen haben. Und weiln man gesehen, daß es bereits vor diesem picquen und
anfechtung, sonderlich wegen des voti decisivi, abgegeben, alß habe man
nicht ursach, mehrere zu erwecken oder sich mit denen chur- und fürstlichen
weitters abzuwerffen. Zumahlen bekandt, das die chur- und fürstlichen deß
wegen nicht einig seyen und jene, wann sie regem Romanorum eligirt oder
capitulationes zwischen dem Römischen kayser und ihnen auffgerichtet, mit
übrigen ständen niemahlen communicirt haben
herren churfürstlichen allein nicht widersetzen, sondern müße der delibera-
tion solang, biß der herren fürstlichen gedancken bey diesem werck vernom-
men worden seyen, suspendirt und
Regensburg sagt: Es were zwar beßer, daß man von der herren fürstlichen
meinung dißorths etwas nachricht haben köndte, besonders weil sachen,
welche die stätt nicht concerniren und dardurch sie nur crabrones irritiren
würdten, darunter begriffen seyen; weiln man aber zu Münster deßwegen
schon in allen 3 reichscollegiis deliberirt, alß were er der ohnvorgreifflichen
meinung, man köndte wenigst von denen puncten, welche die stätt in specie
berühren, under deßen reden und
ken erwartten.
Dortmund sagt: Weiln er auß vorigen votis, was die materia deliberandi
seye, und daß selbige meistens die höhere collegia concernire, wie man sich
auch stättischen theils dabey zu verhalten, wohl verstanden, alß wolle er sich
auch mit denenselben gerne conformiren.
Nürnberg sagt: Es seye ihme von demjenigen, was bey gegenwertiger deli-
beration vorgenommen werden solle, nichts wißlich gewesen, und komme
ihme der modus procedendi darumb etwas frembd vor, weiln die evangeli-
schen den schluß in neulichkeit dahin gemacht, daß man sich, ehe die herren
Schwedischen mit denen herren Kayserlichen weitter progredirt, materia-
liter nicht außlaßen wolte, und hette man die annoch discrepante puncten
vorhero ordentlich communiciren sollen. Nachdem man aber keine nach-
richt davon erlangt, die herren Schwedischen auch von diser deliberation
nichts wißen, zu deme die vornembste puncten das collegium electorale
antreffen und also stachelechte sachen und heiß anzugreiffen seyen, alß werde
man sich nicht zu praecipitiren oder doch auff allen fall allein dasjenige, was
die stätt in specie angehe, zu tractiren, sonsten aber, weiln es der evangeli-
schen schluß zuwider, sich in materialibus nicht außzulaßen, sondern wie
weit die herren Kayserliche und Schwedische in den tractaten mit einander
kommen, zu erwartten haben.
Bremen sagt: Er habe seines theils von der materia deliberandi auch nichts
gewußt, were guth, wann das Churmaintzische directorium bey der ansag
auch das thema deliberationis jederzeit andeutten ließe, damit man sich
darzu, bevorab in solchen wichtigen geschäfften, vorhero gefaßt machen
köndte.
Formam agendi betreffend repetire er das Nürnbergische votum. Rem ipsam
aber anlangend, seye schon vor längsten in allen 3 reichscollegiis darüber
consultirt und in denen reichsbedencken eine gewiße meinung über alle
dise puncten enthalten. Seyen sachen, welche alle ordines ab infimo ad
summum concerniren, ob auch gleich facultas eligendi imperatorem denen
churfürsten allein zustehe, so haben sie doch keine macht, wider die consti-
tutiones imperii etwas dabey zu thun und vorzunemen, sondern es haben
auch die stätt ihr starckes interesse dabey und dahero, wann es umb der-
gleichen puncten zu thun, selbige zu consultiren, eben so wohl ursach.
Eßlingen per Lindau. Wie Franckfort und Nürnberg.
Memmingen
Herr Director sagt: Er hette zwar auch nicht gewußt, warumb es bey diser
zusammenkunfft zu thun sein würdte, wann er nicht hette fragen laßen. Seye
auch dises geschäfft nicht übereilet, weiln man schon vor 8 tagen davon
deliberiren sollen und längst dictirt gewesen. Wolle ihme zwar, daß mit der
deliberation noch umb etwas eingehalten und, wie sich die fürstlichen
bey dem werck guberniren möchten, erwarttet werde, nicht zuwider sein
laßen, vorab da so widerwerttige relationes einkommen und man nicht
wißen könne, woran es bey einem und dem anderen theil noch haffte, über
das auch die herren Kayserlichen und Schwedischen, restirende differentien
beyzulegen, in vollem werck begriffen und die stättischen viel geschwinder
alß die fürstlichen durchkommen können. Wüßte aber nicht, warum man
sich über dise puncten, an denen doch dem erbaren stättcollegio, wie der
herr Bremische vernünfftig angeführt, eben sowohl alß den höheren gelegen,
gar nicht vernehmen laßen wolte, und nicht viel mehr, alle dem stättischen
voto decisivo auß dergleichen absonderungen leichtlich entstehende prae-
judicia zu verhütten, trachten solte? Zu Münster habe man es nicht allein
bereits gethan, sondern es seyen der stätt gedancken in derselben voto curiato
über alle dise differente puncten längst eröffnet. Und beschwären sich die
herren Kayserlichen zum hefftigsten darob, daß die evangelischen under sich
selbsten einen solchen schluß, wie von Nürnberg gedacht, gemacht haben,
da es doch causa communis seye und denen catholischen darinnen nichts
praejudiciret werden könne; zum fall nun dem stättischen collegio an seinem
jure suffragii einig praejudiz hierdurch zuwaxen solte, wolte er an seinem
orth entschuldiget sein.
Conclusum. Solle die consultatio in etwas differirt und, was die herren fürst
lichen dabey thun wollen, vorderst erwarttet werden.
39–40 Conclusum – werden] Die offizielle, Kurmainz übermittelte Lesart des städtischen
Conclusums lautet dagegen ( MEA FrA , RK ) Fasz. 17). Demnach die stättische herren abge-
sandten sich in völliger anzahl heutt dato nicht beysamen gefunden, haben anwesende
die proponirte, der stände jura concernirende schwärwichtige puncta materialiter
anzugreiffen bedencken getragen, wollen aber, daßelbige zu thun, so bald das colle-
gium ergäntzt sein wirdt, nicht underlaßen.
Dortmund proponirt: Weiln löbliche statt Dortmundt ein solcher orth,
daran nicht viel gelegen, alß habe sie deßwegen vor disem bey Ihrer
Kayserlichen Majestät, dem churfürstlichen collegio wie auch denen herren
Schwedischen und Heßischen umb die neutralitet und verschonung der ein-
quartirungen angehalten. Seye ihro auch selbige von Ihrer Majestät, inson-
derheit da die benachbarte orth in gleichen stand gerathen solten, einge-
williget , von dem churfürstlichen collegio beliebt und von ersthöchst
gedachter Ihrer Majestät dero generalveldtmarschall von Hatzfeldt die auß
führung der guarnison anbevohlen worden. Welcher aber, ohnerachtet man
zu verschiedenen mahlen bey ihme deßwegen angehalten, nicht parirt und
also die verwilligte evacuation biß dato underblieben seye. Nun habe zwar die
statt ihre hoffnung immerdar auff den lieben friden gestellet; nachdeme es sich
aber damit annoch verziehe und die benachbarte orth sich bereits neutral
gemacht, alß haben seine herren und oberen für rathsam befunden, ihre vor-
mahls gepflogene negotiation zu reassumiren und ihr desiderium dem löb
lichen stättcollegio gebührender maßen vortragen zu laßen. Die generalitet
seye sonsten zu abführung inhabender guarnison nicht ohngeneigt, beson-
ders weiln sie ohne das von disem orth nicht viel nutzen habe. Die Kayser-
lichen , bey denen er sich ebener maßen angemeldet, wolten ihro die
suchende verschonung und neutralitet auch gerne gönnen; beförchten
allein, der veldtmarschall werde einen anderen platz für dise völcker haben
wollen. Warauff er ihnen, daß sie mehr örther hetten, alß sie besetzen könd
ten , geantworttet, deßen aber ohngeachtet, wolten sich die herren Kayser-
lichen nicht darein mesliren. Im fall er aber etwas fruchtbarliches bey den
ständen oder stättischen zu erhalten getraute, möchten sie es ihme wohl
gönnen. Bite disem nach die herren abgesandten nomine seiner herren und
oberen, sie möchten denenselben mit einem intercessionschreiben an die
Kayserliche generalitet so wohl alß an Churcölln mit ehistem, weiln pericu-
lum in mora seye, behülfflich erscheinen. Wormit er sich, nächst über
reichung eines memorials, zu gebührendem danck anerbietig gemacht, und
damit einen abdritt genommen hatt
Memorialien Dortmunds o. D. an die Stände mit Bitte um Neutralität, an Kurmainz und an die
Reichsstädte Strassburg AA 1141 fol. 235–237, 239–239’, 241–242. Dortmund berief sich
auf Beschlüsse des Regensburger Kollegialtages von 1637 und den Reichstag von 1641 (vgl. die all-
gemeinen Bestimmungen des RTA § 19–28 RA III S. 556f).
Welchem nach der Herr Director gefragt, ob man diesem anbringen also-
baldt reden oder das eingeliefferte memorial vorhero ad dictaturam kommen
laßen wolle?
Frankfurt sagt: Es seye der statt Dortmundt itzmahliger zustandt ihme gar
wohl bekandt und verhalte es sich damit also, wie der
bracht , daß nemblich Ihre Kayserliche Majestät die wegen evacuation dersel-
ben statt an die generalitet ertheilte bevelch zum öffteren zwar renovirt und
solenissime confirmirt, selbige aber, theils wegen des veldtmarschall Hatz-
feldts abwesenheit, theils anderer ursachen halben, zum effect nicht kommen
können. Weiln sich nun ein novum emergens mit der Bayerischen und Cöllni
schen neutralitet erzeige, der orth auch nicht tenabel seye, noch eine starcke
guarnison zu underhalten vermöge, were die abführung derselben desto füg
licher zu urgiren, besorge allein, wann man gleich an Ihre Churfürstliche
Durchlaucht zu Cöln
Kf. Ferdinand von Wittelsbach (1577–1650) ( ADB VI S. 691–697 ; NDB V S. 90 ; E. Ennen :
Kurfürst Ferdinand von Köln [1577–1650]. Ein rheinischer Landetfürst zur Zeit des Dreißig
jährigen Krieges. In: AHVN 163 [1961] S. 5–40; J. Foerster ).
intercedire, ein schreiben abgehen laße, es werde bey derselben von keinem
effect sein, schreibe man dann an die Kayserliche generalitet selbsten, so
werde es auch ohne difficulteten nicht abgehen. Wolte ihnen gleichwohl
gerne willfahrt sehen, wie er dann auch sein votum dahin desto lieber gebe,
weiln nicht allein die narrata verissima und modus procedendi nicht ohn-
thunlich , sondern auch merae intercessionales seyen und man sich auff die in
eingerichtem memoriali begriffene contenta allein zu beziehen habe. Bate
also, der herr director wolle sich mit auffsetzung der intercessionalien ohnbe
schwärt beladen laßen. Valeant quantum valere possunt.
Regensburg. Er seye von diser sach nicht informirt, stelle aber dahin, ob
man das memorial ad dictaturam bringen und, davon zu reden, biß morgen
anstehen laßen oder der herr director, das schreiben eventualiter auffzusetzen,
belieben wolte. Vermeine sonsten, es were deßwegen eine deputation an die
herren Kayserlichen zu machen und denenselben der statt Dortmundt an-
liegen bester maßen zu repraesentiren. Dörffte vielleicht sonsten der stätt
intercession von geringem nachdruck sein.
Bremen sagt: Seye ihme ebenmäßig die beschaffenheit des orths und der
sachen selbsten nicht bekandt. Trage aber kein bedencken, der statt Dort-
mundt mit begehrten intercessionalien an Ihre Churfürstliche Durchlaucht
zu Cöln und die Kayserliche generalitet zu gratificiren.
Nürnberg. Es seye ihme gleicher gestalt außer deme, was Franckfort refe-
rirt , nichts davon wißendt. Weiln aber die benachbarte orth in neutralstandt
meistentheils gesetzet und periculum in mora seye, were der statt auch nicht
auß handen zu gehen.
Eßlingen per Lindau. Ob ihme zwar ratio status der statt Dortmundt eben-
sowenig kundt, were ihr gleichwohl die evacuation wohl zu gönnen und
wegen stättischer verwandtnuß dabey zu thun, was man könne.
Memmingen. Halte auch dafür, daß man der statt Dortmundt, weiln zumah-
len periculum in mora, mit gebettenen intercessionalien willfahren köndte.
Herr Director sagt: Er möchte zwar seines theils von hertzen wünschen,
daß ihnen mit denen intercessionalibus außträglich geholfen werden köndte,
wie schwär es aber damit hergehen werde, seye darauß leichtlich abzunemen,
daß, wann man gleich an Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Cöln schreibe,
die Kayserliche generalitet wegen vorgangener bekandter änderung nichts
darauff geben werde. Laße man aber an dise ein schreiben abgehen, werde sie
sich mit dem defectu Kayserlicher ordre entschuldigen. Möchte vielleicht das
werck mit größerem nachdruck geführet werden können, wann begehrte
evacuation von gesambten ständen getrieben würdte. Weiln aber der Dort-
mundische abgesandte vermeine, daß die stätt das meiste dabey zu thun ver
möchten , laße er es dahin gestelt sein. Man wiße gleichwohl, von was autho-
ritet die stätt bey der Kayserlichen generalitet seyen. Und stehe zu besorgen,
wann sich die stätt dißorths allein gebrauchen laßen wolten, daß einer oder
der anderen die einquartirungslast auff den halß geschoben werden dörffte.
Demnach aber, der statt zu gratificiren, per majora für guth angesehen wor-
den , begehre er sich davon nicht zu separiren.
Conclusum. Solle der statt Dortmundt mit gebettenen intercessionalien will-
fahret und selbige auffgesetzet werden .
Hierauff proponirte der Bremische herr abgesandte causam Oldenburgicam
und was itzo zu höchstem praejudiz civitatis Bremensis et interessentium
gesucht werde. Bate demselben müglichst mit fürbringen zu helffen, auch
dero behuff, die in dem diser tagen dominis Caesarianis et Suecis einge-
rucktem project bey dem passu de vectigalibus wohlmeinentlich, aber zu
großer gefahr propter cavillationem gedeuende clausul (executioni manden-
tur salvis, si qui sint, litispendentiis) zu änderen, sich angelegen sein zu
laßen. Übergabe daneben exemplaria des gedruckten.