Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
103. 85. Sitzung des Städterats Osnabrück 1647 April 26 9 Uhr
103
Osnabrück 1647 April 26 9 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 350’–355’ = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.
Votum decisivum der Reichsstädte: Handhabung der Re- und Correlationen auf Reichs- und Depu-
tationstagen ; schwedischer Vorschlag zur Regelung des Artikels über den Handel.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Frankfurt, Dortmund auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Eßlingen [per Lindau], Rothenburg [per Nürnberg] und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director referirt: Er habe sich dem am verwichenen freytag dißorths
genommenen verlaß gemäs mit Herrn Salvii Excellenz wegen der erbaren
stätt voti decisivi auß den auffgesetzten rationibus der nothdurfft nach be-
sprechet , das werck bester maßen recommendirt und, daß sie ihro beyge-
brachte rationes wohl belieben laßen, vermercket. Maßen sie auch communi-
cation davon begehret hetten. Und weiln er, daß der herr Lübeckische etwas
anzubringen habe, verstanden, alß seye diese zusammenkunfft fürnemblich
darumb angestellet worden, werde also, sich vernemen zu laßen, zu seinem
belieben stehen.
Lübeck berichtet, daß, nachdem er diser tagen bey herrn grav Oxenstirns
und herrn Salvii Excellenzen wegen einiger geschäfft audienz gehabt, jener
ihme angezeigt, daß der punctus commerciorum in eventum verglichen seye,
gestalten auch das concept, so herr grav Oxenstirn ihme vorgelesen, auß
weise . Dieweiln er nun zu wißen begehrt, was der erbaren stätt gedancken
dabey sein möchten, ob sie damit einig oder einige differentien sich dabey er-
zeigeten , alß habe er sich darüber alß einer sach, welche das gantze stätt
collegium betreffe, außzulaßen bedencken getragen, sondern es ad referen-
dum angenommen. Werde also die frag darauff bestehen: 1. Ob die wortt,
welche de juribus civitatum reden, nicht beßer an den orth, allwo de juribus
statuum ohne das gehandelt werde, alß ad punctum commerciorum zu trans-
feriren ? 2. Ob nicht das concept in puncto commerciorum kürtzer zu faßen
und dasjenige, was etwa scrupulos abgeben dörffte, außzulaßen, oder bey
den Schwedischen etwas correctionen zu gebrauchen? Bey dem ersten
könne er, daß die de juribus statuum redende wortt bey dem puncto com-
merciorum außgelaßen und ad passum de juribus statuum transferirt wer-
den , wohl geschehen laßen. Wegen des andern verlaße er zwey von ihme
auffgesetzte formularia und stelte zum nachdencken, ob dieselben denen
herren Schwedischen einzulieffern oder was dabey zu erinnern sein möchte?
Hielte an seinem orth dafür, weiln die herren fürstlichen allezeit contradic-
tiones dabey movirt und also ohnmöglich fallen werde, die wegen der com-
mercien eingerißene inconvenientien bey denenselben abzuschaffen, man
solte alle § os , die bey denen herren fürstlichen ohnglimpff erwecken dörfften,
außlaßen und bey dem §º de juribus statuum auff die moderna jura und itzige
possession sich fundiren, in puncto commerciorum aber in generalite ver-
pleiben . Und weiln periculum in mora stelle er zu der übrigen herren abge-
sandten belieben, was sie dabey erinnern wolten. Er hielte den letzteren,
weiln ihn herr Salvius schon approbirt, für den besten. Wolle, was ihme
committirt worden, denen herren Schwedischen fideliter hinderbringen. Es
würdte aber vielleicht nicht ohndienlich sein, wann man an die herren Kay-
serliche und Schwedische plenipotentiarios eine deputation machen und
auch noch übrige bey dem instrumento pacis sich befindende differente
puncten zugleich recommendiren wolte. Sonderlich, was die abführung der
geschütz anlange, treffe nicht allein viel millionen goldts an, sondern es
dörfften auch die herren Kayserliche, wann die herren Schwedische darauff
bestehen wolten, dergleichen thun, hingegen aber die stätt ihrer defension-
mittel gantz und gar beraubet werden. Die herren Kayserlichen wollen zwar
in disem pass weitter nichts, alß so fern die Schwedische in einem oder
anderem orth etwas von
feinde gewesen, zu denen sie kommen. Die herren Schwedischen aber haben
es in bedencken genommen.
Regensburg sagt: Was vorderist die wegen der erbaren stätt voti decisivi
gethane relation betreffe, halte er dafür, man werde dabey darumb weitter
nichts zu moviren haben, weiln die herren Kayserlichen und Churmaintzi-
schen , wie er von ihnen verstanden, keine fernere contradiction zu machen
begehren, köndte es also bey dem concept verbleiben und das übrige biß zu
öffentlicher contradiction verschoben werden. 2. Lauffe wegen der deputa
tiontäg ein error mit under; und köndte dahero, weiln den stätten auff depu-
tationtagen nie kein controversia gemacht, wohl außgelaßen werden .
Was 3. den § um de juribus civitatum, darzu er anlaß gegeben, betreffe, habe
zwar der herr Straßburgische auff sein begehren etwas auffgesetzt und denen
herren Schwedischen übergeben, weiln er aber finde, daß der Lübeckische
auffsatz solche ebenmäßig in sich halte, alß conformire er sich mit denselben
allerdings, und daß dieser § us initialis ad statuum gesetzet werde.
Punctum commerciorum 4. betreffend wolte er nicht verhalten, daß man
sonderlich bey den höheren ständen viel daran desiderire, zumahlen die
sachen dahin kommen, daß verschiedene stätte, wann sie sich mit einem
höheren standt in streit eingelaßen, baldt hernach umb ihre possession ge-
sprungen . Wann es bey dem Schwedischen auffsatz verbleiben solte, müßte
selbiger, wie bey dem 16. art. in puncto gravaminum geschehen, erleuttert
werden. Wolle man aber in generalibus verpleiben, könne er sich auch dar-
mit gar wohl vergleichen.
Consumptibilia anreichend, treffen selbige die stätt, welche guarnisonen
haben, an. Hielte am besten zu sein, wann die verleßene puncten, so fern
anderst so viel zeit übrig, vorher, ehe man sich bey den herren Schwedischen
anmelde, ad dictaturam gegeben würdten. Wegen der deputation wolte er
sich 5. mit den majoribus, daß solche vorgehen und, wer zu deputiren, her-
nach davon geredt werden solle, ebenermaßen gerne conformiren.
Frankfurt sagt dem herrn directori danck für abgelegte relation und con-
formirt sich 1. wegen des voti decisivi mit des herrn Regenspurgischen ver
nünfftig angeführten erinnerungen, in deme, daß man keinen schlaffenden
hundt wecken, noch weitter was moviren, sondern es zu offentlicher contra-
diction ankommen laßen solle; bevorab weiln man gesehen, daß, wann die
erbaren stätt etwas moviret, die höheren die sach allererst zweiffelhafftig
gemacht haben; so seyen auch verschiedene praejudicia pro civitatibus vor-
handen und haben sich die herren fürstliche, die stätt bey ihrem voto deci-
sivo zu mainteniren, zum öffteren erbotten.
Was 2. der bey deputationtägen bißher observirten ordnung halber angeregt
worden, halte er auch dafür, es werde solches zu moviren darumb vergebens
sein, weiln nicht allein die fürstliche ihr interesse dabey haben, sondern auch
die churfürsten es nicht geschehen laßen werden, daß man in re- et correla-
tionibus simultanee zusammen drette, were wohl von nöthen und also die
wortt auff dise weise, „quod in actibus re- et correlationum civitates simul,
cum principibus vocentur“, zu setzen. Dann obwohln die erbaren stätt jeder-
zeit auch darzu erfordert werden, geschehe es doch nicht simultanee, son-
dern alß dann erst, wann die chur- und fürstliche sich miteinander unter-
redet und einer meinung verglichen haben.
Punctum commerciorum 3. betreffend seye er auch der meinung, man solle
nicht ad particularia gehen, weiln sie nicht allein mehr schädlich alß vorträg
lich , sondern auch die fäll gar ohngleich seyen. Und in dem man einer statt
zu helffen vermeine, der anderen hingegen leichtlich praejudiciren könne.
Laße im übrigen dahin gestelt sein und conformire sich mit Lübeck, ob der
§ us de portubus [!] außzulaßen oder die clausula salvo jure cujusvis zu
addiren sein wolle. Was den § m de vectigalibus anlange, stehe dahin, ob die
erbaren stätt eben solches erheben werden und ob man nicht mehr zu besor-
gen habe, daß das commune negotium pacis dadurch gehindert werden und
man dißorths mit den churfürstlichen nur in disputat gerathen dörffte.
Der passus de consumptibilibus were auch außzulaßen, weiln die stätt, deren
viel in großem schuldenlast stecken, wann ihnen diese consumptionsmittel
genommen werden solten, nimmermehr darauß kommen köndten. Seye son-
sten ein guther theil in der Kayserlichen capitulation begriffen und könne
man zwar in generalitate verbleiben. Stelte aber zum nachdencken, ob nicht
des abusus bullae Brabantinae zu gedencken nöthig sein werde. Dann er
nicht bergen wolle, daß die kauffmansgüther zu Speyer noch nicht relaxirt
worden seyen; dahero expresse zu caviren stünde, daß alle Millendonckische
arresta, itzige und künfftige cassirt werden möchten. Wegen der dictatur
wolle er sich auch, wann es so lang verzug leide, gern conformiren.
Nürnberg. Danckte dem herrn directori sowohl für die wegen des bey herrn
Salvio gethanen ansprechens übernommene mühewaltung alß erstattete
relation; und vereinigte sich mit vorgehenden vernünfftigen votis so weitt,
daß man wegen des voti decisivi noch zur zeit ultro nichts moviren solle, in
ansehung derselbe pass in dem instrumento pacis jederzeit stehen bliben
und die herren Kayserlichen selbsten ihn auch darinnen gelaßen haben.
Was 2. die conjunctionem collegiorum in actibus re- et correlationum auff
deputation- und anderen tägen anlange, seye es res magni momenti und der
mühe wohl werth zu bedencken. Sonsten werde vis voti decisivi enervirt.
Stelle aber dahin, ob man es einrücken wolte? 3. Das interesse civitatum
betreffend seye er auch einig, daß man daßelbe ad locum istum, ubi de
juribus statuum alias agitur, bringe. 4. Mit dem Schwedischen auffsatz in
darinnen, nicht vereinigen, sondern vielmehr damit, daß die particularia
außgelaßen werden sollen. Wolle sich aber auff allen fall in seiner instruction
ersehen. Im übrigen und 5. vergleiche er sich ratione deputationis an die
herren Schwedische, und daß man denenselben das werck bester maßen
recommendiren solle, mit vorgehenden votis.
Dortmund sagt dem herr directori wegen abgelegter relation
hohen danck und halt dafür, man habe gar behutsam bey disem, das stätti
sche votum decisivum concernirenden werck zu gehen und daßelbe nicht
selbsten dubios zu machen, weiln underschiedliche praejudicia vorhanden,
daß die erbaren stätt bißweilen die majora gemacht
differentien auffgehoben haben. In übrigen sachen conformire er sich mit
denen majoribus.
Eßlingen per Lindau sagt: Er habe
nicht gehört, weiln er aber auß vorstimmenden votis so viel verstehe, daß es
umb das votum decisivum der erbaren stätt zu thun seye und für rathsam
befunden werde, deßwegen noch zur zeit innen zu halten und nicht zu movi-
ren , wolle er sich gerne damit conformiren.
Was 2. den punctum commerciorum anlange, seye underdeßen, daß die
herren fürstliche die stätt contracarriren, schwär zu vernehmen und dahero
nöthig, bey den herren Schwedischen deßwegen nothdürfftige underbauung
zu thun; sonsten aber, damit man mit den herren fürstlichen sich nicht
weitter vertieffe und ohnverworren bleibe, bey der generalitet zu bestehen.
Den § um de vectigalibus betreffend köndte derselbe zwar verpleiben, weiln
aber die wortt „quae belli occasione irrepserunt“ gar ambigua seyen, hette
man seines ohnvorgreifflichen ermeßens die herren Schwedische, daß sie bey
erst berürtem §º diese distinction, welche under denjenigen zöllen, die
ohne consens und zuthun Ihrer Kayserlichen Majestät und der churfürsten
und welche mit derenselben guthem wißen und belieben angerichtet oder
erhöhet worden seindt
bitten. Im übrigen conformire er sich mit vorgehenden vernünfftig abgeleg-
ten votis.
Rothenburg per Nürnberg. Praemissa gratiarum actione so wohl für des
herrn directoris alß des herrn Lübeckischen erstattete relationes desjenigen,
was sie bey den königlichen Schwedischen herren plenipotentiariis verrich-
tet haben; halt 1., soviel das votum decisivum betreffe, dafür, man solle sich
deßwegen noch zur zeit in kein disputat einlaßen, sondern die bereits einge-
willigte wortt, quod scilicet ipsis absque controversia competat votum deci-
sivum , behalten.
Was 2. die re- et correlationes anlange, gehöre die frag, ob man deßwegen
bey den herrn Schwedischen oder Kayserlichen etwas gedencken wolle,
nicht hieher, sondern werde dahin zu sehen sein, daß die herren churfürst
lichen sich hinfüro mit denen fürstlichen nicht allezeit vorher vergleichen,
sondern auch die stätt darzu ziehen. Deswegen derselbe paß etwa also einzu-
richten were; adeoque re- et correlationes trium collegiorum unico actu
simultanee expediantur. Und köndte man, daß dißorths quoad votum decisi-
vum verschiedene praejudicia alß in puncto amnistiae und anderen vorhan-
den seyen, remonstriren. 3. Die beede project in puncto commerciorum be-
treffend seye er ratione formae indifferent, ob man die jura civitatum ad
gravamina politica oder ad punctum commerciorum bringen wolle, scheine
doch, daß sie am besten bey
daß die in disem krieg neu auffkommene ohnerschwingliche zöll abgeschafft
werden müßen, wann anderst die commercien in ihr esse und auffnemen
widerumb gebracht werden sollen. Im übrigen ratione consumptibilium und
anderer päß, könne es bey der generalitet, wann ein mehrers nicht zu erhal-
ten stehe, verpleiben.
Memmingen sagt: Weiln die consultation sich verweilt und die nothdurfft
bey disem werck bereits angebracht und erinnert worden seye, alß habe er
außer freundlichster dancksagung für abgelegte relationes weitter nichts
zu addiren, ohne allein daß, soviel das votum decisivum betreffe, man
daßelbe nicht so schlecht halten, sondern dem instrumento pacis also ein-
verleiben solle, daß man deßelben gewiß und versichert sein könne. Im
übrigen conformire er sich mit denen majoribus.
Herr Director. Nachdeme die zeit vorbey und ohne das posttag seye, er
auch der herren abgesandten meinung dahin, daß beede project ad dictatu-
ram gebracht und alß dann die gedancken darüber noch ferner zusammen
getragen werden sollen, eingenommen, alß stelle er zu derenselben belieben,
ob man morgen umb 9 uhren widerumb zusammen dretten und indeßen
dem werck seiner wichtigkeit nach reifflicher nachdencken wolle.
Was aber 1., mit wenigem zu berühren, das votum decisivum antreffe und daß
man kein disputat deßwegen machen solle, were die underbauung bey herrn
Salvio in allweg underbliben, wann nicht, daß von denen herren churfürst
lichen so wohl alß etlichen auß denen herren Kayserlichen einige difficulte-
ten deßwegen movirt werden wollen, vorhero erinnerung geschehen were,
habe man also ein
den conferenzen denen stätten kein praejudiz deßwegen zugezogen werde.
2. Wegen der re- et correlationen habe man zwar allezeit für gut angesehen
und, es dahin zu bringen, sich bemühet, daß selbige in praesentia deputato-
rum auß allen 3 reichscollegiis zugleich angestellet würdten, es seye aber nie-
mahlen observirt und in acht genommen worden. Ob man es nun dißorths
widerumb gedencken wolle, stelle er dahin, man werde aber genugsame
contradictiones finden.
Ob 3. der § us de juribus civitatum ad punctum commerciorum oder ad punc-
tum de juribus statuum gebracht werden solle, stehe er darumb an, weiln
dabey, daß etliche stätt in ihren juribus mercklich gravirt worden, wohl zu
consideriren, deßwegen, daß sie vor allen dingen in integrum restituirt wer-
den , an dem orth zu suchen, da propria sedes restitutionis seye. Sonsten es
das ansehen gewinnen dörffte, ob weren die stätt deterioris conditionis alß
die höhere stände, deren longo ordine einander nach specifice gedacht wor-
den . Hielte demnach für beßer, daß, weiln viel daran gelegen, daß die
turbirte restituirt und bey
civitatum concernirende pass ad punctum restitutionis gebracht werde, zu-
mahl auch darumb, weiln die restitutio auff die mediatas et anseaticas civita-
tes zugleich mit gehe, deren aber bey der reichsstätt voto decisivo keine mel-
dung geschehen könne.
Was 4. die abführung des geschützes betreffe, halte er dafür, daß die stätt,
weiln sie der herren Schwedischen hülff und adsistenz noch in vilen stucken
und occasionen vonnöthen haben werden, deretwegen nichts gegen den-
selben zu anden, sondern bey den herrn Kayserlichen nothdürfftige erinne-
rung thun und zugleich erwartten solten, was die interessirte chur- und
fürstliche dabey vornemen werden.
Conclusum. Es sollen beede auffsätz ad dictaturam gegeben und morgen
weitter davon geredet werden.