Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
89. 72. Sitzung des Städterats Osnabrück 1647 Februar 2 10 Uhr
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Osnabrück 1647 Februar 2 10 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 297–300’ = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.
Bericht der Deputierten zu den kaiserlichen und schwedischen Gesandten über die in der 71. Sitzung
beratenen Punkte.
Anwesenheit nicht eindeutig ersichtlich.
Herr Director referirt. Nachdeme bekandt, daß der vorgestrigen tages
vorkommenen 4 puncten halber die militarische licenten, Millendonckische
arresta, Leipzische consignation der Augspurgischen güther und die came-
ralische process in puncto des underhalts betreffend auß mittel der
stätt dreyerley deputationes 1. an den herrn graven von Trauttmansdorff, 2.
an den herrn Comte d’Avaux und 3. die herren Schwedische geschloßen und
dise zusammenkunfft zu abhörung derer deputirten relationum angestellet
worden, alß habe er neben dem herrn Regenspurgischen sich noch selbigen
tag bey herrn graven von Trauttmansdorff umb audienz anmelden laßen,
darzu aber erst gestern umb 9 uhren gelangen können. Zu welcher zeit bey
Ihrer Excellenz sie sich eingefunden und nach abgelegten gewohnlichen
curialien obangedeutte 4 puncten vor- und angebracht, die rationes, warumb
man sich bey einem und anderen zu beschwären, angeführt und umb schleu-
nige remedirung solcher attentaten und dahero je mehr und mehr entsprin-
gender inconvenientien instendig gebetten haben.
Auff welches herr grav von Trauttmansdorffs excellenz sich in gegenwarth
der übrigen 3 herren Kayserlichen plenipotentiarien über einen und anderen
puncten volgender gestalt erclärt: Die introductio der militarischen licenten
seye geschehen in retorsionem der Heßischen und Cölnischen neutralitet
Hessisch-stadtkölnischer Neutralitätsvertrag vom 11. Juni 1646, der trotz des Verbots der Neu
tralität im Reichstagsabschied von 1641 und gegen den Willen des Kaisers zur Sicherung des Han-
dels gegen Übergriffe hessischer Truppen abgeschlossen worden war (Vertrag in Köln KuR 259
Mappe Juli fol. 15–16’, ebd. Mappe August fol. 2–3’; Köln BA IV fol. 359’–361; RK FrA , RK )
91 IX b fol. 421–422).
Sie wollen aber nicht underlaßen, an herrn veldtmarschallen Melandern ,
wiewohl derselbe sich itzundt nicht im landt, sondern droben bey der armee
befinde, begehrter maßen zu schreiben.
Der Millendonckischen arrest halben hetten sie fürs ander auff privat anspre-
chen des Cölnischen secretarii das werck bereits an Ihre Kayserliche Maje
stät , dahin die statt Cöln auch selbst geschrieben, gelangen laßen. Werde das
rescriptum bald zu Speyer sein. An die cammer deßwegen zu schreiben, seye
eine sach von keinem effect, dann weiln sie von Ihrer Majestät selbsten
keinen bevelch annemmen wolle, werde sie selbigen viel weniger von ihnen,
Kayserlichen gesandten, admittiren. Worüber herr Vollmar den vorschlag
gethan, man möchte die sach vor die 3 reichsräth bringen und darüber
consultiren laßen. Demnach aber darauff geantworttet worden, es dörffte,
weiln der herr cammerpraesident bey Churmainz, wie man eüserlich ver-
neme , zimlich favorisiret sein solle, desto langsamer damit hergehen, das
schreiben aber ohne nachtruck nicht verbleiben, wann darinnen, das ge-
sambte stätt sich darob beschwärt und umb der consequenz willen alle ständ
dabey interessirt seyen, gedacht würdte. Hetten sie sich endlich darzu erbot-
ten und gesagt, das Kayserliche schreiben werde doch wohl ehender daselb-
sten sein. Mit dem Comte d’Avaux darauß zu reden, hielten sie deßwegen für
bedencklich, weiln die herren Frantzosen es also auffnemmen und verstehen
dörfften, ob wolte man ihnen causae cognitionem a parte Caesaris dadurch
einraumen. Und ob man wohl dagegen eingewendt, gleichwie der Speyeri-
sche commendant den arrest absque causae cognitione angelegt, also köndte
er ihn auch absque causae cognitione relaxiren, besonders wann er vernemen
werde, daß ohnschuldige dadurch beschwärt seyen und andere sich darwider
hefftig setzen, so sey doch nicht zu verspüren geweßt, daß das ansprechen bey
demselben geschehen werde.
Wegen der zu Leipzig angehaltenen Augspurgischen güther hetten sie drit-
tens mit denen herren Schwedischen bereits geredt, welche auch dise proce-
dur für ohnbillich gehalten und gesagt, daß sie deßwegen schon geschriben
hetten. Nachdem ihnen aber remonstrirt worden, daß das schreiben nur an
den commendanten zu Leipzig abgangen seye und derselbe ohne des herrn
veldtmarschall Wrangels ordre den arrest besorglich nicht relaxiren werde,
haben sie herrn Vollmars excellenz, deßen bey damals bevorgestandener
conferenz gegen den herren Schwedischen zu gedencken, erinnert. Doch
aber auch so viel zu verstehen gegeben, daß Wrangel hiesiges zuschreiben
für nichts achten und also geringer effect dannenhero zu gewartten sein
werde.
Wann man 4. mit verschonung der cameralischen process in puncto des
underhalts auffgezogen kommen wolte, würde dis geschäfft den Millendonk-
kischen arrest 〈extremus〉 machen. Weiln es der herren assessorum alimenta
betreffe, die dafür halten, daß die stätt noch am besten mit abtragung ihrer
schuldigkeiten auffzukommen wißen, und steige man jederzeit über den
zaun, wo er am nidrigsten seye. Ob man nun wohl ex parte der deputirten
über die ohngleichheit geklagt und es dahin zu richten gebetten, daß eine
moderation und aequalitet gebraucht und die executiones eingestellt werden
möchten, bevorab, weiln die stätt das meiste bißher bezahlt und am wenig-
sten in restanten bliben, die anzahl auch der herren assessorum nicht so
groß, so seindt doch die herren Kayserlichen auff ihrer meinung bestanden,
daß es nemblich beßer seye, dises geschäffts zu geschweigen, alß das andere
schwär dadurch zu machen.
Schließlichen hetten sie denen herren Kayserlichen insgesambt nächst ge
bührender dancksagung für die willfährige resolution incidenter auch der
erbaren stätt angelegenheiten in puncto gravaminum, insonderheit aber die
evangelische bürgerschafft zu Augspurg und die reichspfandschafften bestes
vleises recommendiret. Worauff herr grav von Trauttmansdorff sich zwar zu
aller willfährigkeit und müglichster befürderung erbietig gemacht, dabene-
ben aber, daß nicht eben die stätt, sondern das gantze corpus evangelicorum
den bogen in puncto gravaminum gar zu hoch spannete, angedeuttet.
Weiln nun der herr Regenspurgische über bereits referirtes weitter nichts zu
addiren gewußt, alß haben der Lübeckische und Nürnbergische herren abge-
sandte von demjenigen, was ihre expedition bey denen herren Schwedischen
gewesen seye, ebenmäßige relation erstattet. Jener aber vorhero nächst
freundtlicher danksagung für die von dem herrn Straßburgischen und
Regenspurgischen abgelegte relationes zum nachdenken außgestelt, nach
dem er sich von dem Hamburgischen informiren laßen, daß die cammer
nicht gar ohnschuldig seye, sondern sich der Millendonckischen sachen auch
theilhafftig gemacht habe, in deme sie mandata ergehen laßen, cognoscirt
und geurthelt habe, ob nicht thunlich, daß neben dem allhiesigen schreiben
auch die interessirte stätt an dieselbe schreiben thäten? Weiln aber, das man
des von denen herren Kayserlichen vertrösteten schreibens erwartten und
das werck sodann erst in die 3 reichscollegia kommen laßen solle, für besser
befunden worden; alß hett er es auch an seinem orth dabey bewenden und
sein abgelegte relation volgenden inhalts ad acta liffern laßen.
Demnach zufolge dem 31. Januarii gemachten conclusi der Lübeckische und
Nürnbergische abgesandte sich fort selben mittags bey der königlichen
Schwedischen legation angemeldet und dieselbe darauff zu angesetzter zeit
nachmittags umb 3 uhren dahin kommen, haben sie, praemissa condolentia
et gratulatione pro restitutione, Ihrer Exellenz herrn graven Oxenstirn (alß
welche sie und zwar im bette niderligend
J. Oxenstierna hatte sich am Fuß verletzt ( Meiern IV S. 34 ; J. Oxenstierna an Kgin. Christine
vom 8./18. Februar 1647 APW [ II C 3 nr. 133 S. 257f ] .).
dahero nicht vorgefunden, daß er umb selbe zeit sich bey denen herren
Kayserlichen bescheiden) sowohl die relaxationem der evangelischen bür
gerschafft zu Augspurg in Leipzig arrestirten güther als auch der erbaren
frey- und reichsstätte besonderen anligen in puncto gravaminum nebenst
überreichung dahin kürtzlich abgefaßten, wie nichts weniger, daß in der
statt Augsburg eine aequalitet in politicis auß dazu eingeführten besonderen
motiven befördert werden möchte, bester maßen recommendiret. Ad quae de
adversa valetudine et aliis nonnullis praemissis Seine Excellenz hauptsäch
lich geantworttet: Sie hetten auff des herrn Frankforttischen und Lindaui-
schen abgesandten ansuchen, vor disem albereits an den herrn general-
major Axel Lillo naher Leipzig geschriben, von dannen sie noch
antwortt erwartteten mit erbithen, deßhalben ferner alle müglichkeit vorzu-
wenden . Daneben berichtende, daß die herren Kayserlichen ihnen selbiges
negotium, denen sie aber die statt Augspurg darauff hingegen ebenmäßig
recommendirt mit vorzeigung von den herren Kayserlichen ihnen einge-
reichten , von Dr. Leuxelring dahin auffgesetztem memorialis.
Ad 2. Der erbaren frey- reichsstätte gravamina betreffend were Seiner Excel-
lenz besonders libe, daß selbe dergestalt in compendium gefaßet, daß sie
sich desto beßer darein finden köndten. Er würdte zwar schwachheit halben
selbst nicht dabey sein können, wolte aber mit herrn Salvio darauß reden
und derselbe, das seinige dabey zu thun, nicht underlaßen. Die desiderirende
aequalitet betreffend nahmen sie zwar das fundamentum eandem desiderandi
anfangs so eben nicht, nachgehents aber zu aller gnüge dahin ein und
funden raisonnabel und billich, daß auß dazu vorbrachten rationibus diser
statt darunter extraordinarie geholffen werde, wozu sie omnem operam
conferiren würden. Schließlich fragete er, ob des Brandenburgischen recom-
pens halben, ratione Magdeburg und Halberstatt, in dem reichsstättischen
collegio ichtwas vorkommen, worauff wir mit nein geantworttet. Tum ille,
es were wohl nicht ohne, daß Caesarei in modo procedendi verstoßen, in
dem irrequisitis statibus die oblatio geschehen were. Ubi nos, weil es diß
orths bißhero überall etwas irregulariter daher gangen, were kein wunder,
daß in diesem passu auch so verfahren. Ille, sie hetten zwar anfänglich cum
Caesareanis auch also tractiret, so ihnen aber kein ernst gewesen, sondern,
was offeriret, cum consensu haben wollen. Et ita cum iterata recommenda-
tione discessum.
Frankfurt: Bedanckt sich gegen denen bey den herren Kayserlichen und
Schwedischen gewesten herren deputirten für umbständlich abgelegte rela-
tiones zum höchsten, mit vermelden, daß er neben dem herrn Lindauischen
die auffgetragene commission bey dem Monsieur le Comte d’Avaux wegen
noch nicht verstatteter audienz nicht werckstellig machen können, seye
ihnen aber auff heuttigen nachmittag umb 2 uhr die stundt ernennt, die sie
beobachten und von der expedition gebührende relation ebenermaßen er-
statten wolten.
Herr Director berichtete ferner: Demnach von dem herrn Lübeckischen
letztlich erinnert worden, daß es guth were, wann die stättische differentien
auff die mas und weis eingerichtet würdten, wie von denen herren fürstli
chen geschehen, damit herr Salvius selbige desto beßer assequiren und bey der
conferenz mit rationibus gefaßt sein köndte, alß seye daselbe auff verbeße
rung geschehen, dahinstellend, ob man es ietzt oder zu anderer zeit abhören
und was zu oder von zuthun anzeigen wolte? Weiln aber die zeit verfloßen
gewesen, alß ist die abhörung auff nächste session verspart und, das concept
indeßen zur dictatur zu geben, für guth angesehen worden.