Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
86. 69. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Dezember 16 8 Uhr
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Osnabrück 1646 Dezember 16 8 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 20 fol. 117’–121’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
276’–281; Ulm A 1560 o. F.; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m.
Städtischer Aufsatz zu Artikel 11 der Gravamina. Memorial der Stadt Magdeburg gegen den Erz-
bischof von Magdeburg.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Bremen, Herford auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg, Ulm,
Eßlingen [per Lindau], Memmingen und Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director. Demnach bey nächst gehaltener zusammenkunfft für gut
befunden worden, daß der stättische aufsaz nochmaln durchgangen und zu
verhütung verdrießlicher weitleufftigkeit soviel immer möglich contrahiret
werden solte, hette er, solchem zufolg, den aufsaz so kurz, als es pro re nata
geschehen können, eingerichtet, damit, wann es zur außlieferung ankommen
solte, man auch diß orts in omnem eventum gefaßt erscheinen könnte.
Stellte darauf zu der herren abgesanden guten belieben, ob es bey dictirtem
concept sein endliches verbleiben haben oder an einem und anderm orth
weitere verbeßerung vorgenommen werden solle.
Lübeck. Sagt, es seye nicht allein nöthig, daß man mit dem project ein-
komme , sondern trage auch gute satisfaction darob, weiln an diesem orth
den herrn fürstlichen, von dem die erbaren stätte concernirenden articul parte
zu geben, jüngsthin die resolution genommen worden. Seyen ihme zwar bey
vorhandenem aufsaz, ehe der leztere heraußkommen, verschiedene gedan-
ken beygegangen, habe aber hernach, als
selben für den besten gehalten. Bedanke sich gegen dem herrn directori für
die bey dem aufsaz so vielfältig gehabte bemühungen ganz dienstlich und
gleich wie er, daß dieser leztre umb etwas mehrers als voriger contrahirt
befunden, also habe er auch im übrigen nichts haubtsächliches dabey zu
desideriren; hielte allein davor, es were in demselben alles so explicate, ver
ständlich und klärlich zu sezen, als es immer möglich, damit niemanden
einige anlaß, hiernechst dabey zu scrupuliren, bekomme. Welches, was bey
etlichen worten und formulis loquendi erinnert worden, hat man alsobald
angemerkt und convenienti loco eingetragen.
Regensburg. Sagt, er habe verschiedene concept des stättischen auffsazes
gelesen,
gedanken, seinen herrn principalen zugeschiket und derenselben resolution
darüber eingeholet. Nun seye ihme zwar indeßen instruction von hauß zu-
kommen , daß es bey vorgehendem concept verbleiben könnte, so er auch an
seinem orth lieber sehen wolte, weiln er aber, daß zwischen dem vorigen
und dem leztern kein sonderlicher unterschied seye, wargenommen, als
könne er, daß es bey dem lezten aufsaz sein verbleibens habe, auch gesche-
hen laßen. Bitte allein, das wenige, so er bey demselben nothwendig noch zu
erinnern hette, in obacht zu nehmen (inmaßen auch geschehen). Sonsten
wolte er sich mit übrigen herrn abgesanden in allem gerne conformiren und
vergleichen.
Weiln nun übrige nachsizende herrn abgesanden bey diesem leztern concept
nichts haubtsächliches zu erinnern gehabt und insgesambt, daß es bey dem-
selben verbleiben solle, für gut angesehen worden, als ist daßelbe vom
herrn directore nochmaln abgelesen und die dabey noch gar wenig vorge-
fallene monita alsobalden inserirt und, dahero ad protocollum zu nehmen, für
unnöthig erachtet worden
Der betr. Städteartikel innerhalb der von den evangelischen Ständen zusammengetragenen unter-
schiedlichen Punkten zwischen der Endlichen Erklärung der Protestanten, dem Projekt Salvius’
und den ksl. Media (dict. 22. Dezember 1646) in Meiern III S. 8 –28, hier S. 23–25.
Herr Director proponirte ferner, es habe ihme der statt Magdeburg abge-
sander
Otto von Guericke (1602–1686), Studium der Rechte und der Mathematik, 1627 Ratsherr zu
Magdeburg, 1631–1636 Oberingenieur zu Erfurt in schwedischem Dienst, 1646 Bürgermeister
von Magdeburg, brandenburgischer Rat, legte 1681 sein Amt nieder (vgl. J. L. Walther
S. 97–101; ADB X S. 93 ; F. Dickmann S. 200f.). Guericke war im Oktober 1646 in
Osnabrück angekommen und focht hartnäckig, letztlich jedoch vergebens um die Reichsfreiheit
Magdeburgs (vgl. Kgin. Christine an J. Oxenstierna und Salvius vom 19./29. Dezember 1646
APW [ II C 3 nr. 89 S. 155ff ] .; sein Bericht über seine Sendung ed. v. J. O. Opel ; vgl. auch F.
Dickmann S. 393f.).
nicht allein zu der übrigen stättischen herrn abgesanden ersehung ad dicta-
turam , sondern auch bey nächstvorgehender derselben zusammenkunfft ad
consultationem kommen laßen wolte, bestens fleißes angehalten. Stehe also
zu der herrn abgesanden belieben und gefallen, ob sie sich darüber und was
dabey zu thun sein möchte, unbeschwert vernehmen laßen wolten.
Lübeck. Sagt, er habe, was der statt Magdeburg abgesander jüngsthin ein-
gegeben , wol gesehen und seye ihme bekannt, daß dieselbe vor der zeit der
reichsmatricul einverleibet und ein reichsstatt geweßen seye. Laße demnach
zur nachricht unverhalten, daß er bey den herren Kayserlichen und Schwedi-
schen dieser statt Magdeburg halben bereits ansuchung gethan habe, und in
specie bey herrn grafen von Trautmansdorff, welcher, als er occasione deß
wegen sämbtlicher hansestätte beschehen ansprechens auch von gedachter
statt mit demselben discursivi zu reden angefangen, sich dahin ungefährlich
vernehmen laßen, daß ob zwar wol das jenige, was die statt Magdeburg
suche, plane alienum ab hoc loco tractatuum were und principaliter an den
Kayserlichen hof gehörte, jedoch aber wolten sie, die herren Kayserliche,
wann die herren Schwedische diese sach in ihr instrumentum pacis künfftig
bringen werden, derselben nicht zuwieder sein. Als er aber nach der hand zu
denen herrn Schwedischen kommen und offtermelter statt Magdeburg unge-
fehr gedacht, habe er von denenselben ganz andere meinung, als die herren
Kayserliche von sich vermerken laßen, und sonderlich von herrn Salvio, daß
er dieser sachen nicht groß achte oder sich derselben viel anzunehmen be-
gehrte , wieder beßer verhoffen auß verschiedenen mit ihme, herrn Salvio,
deßwegen gehaltenen discursen und primario auß deme verspüren müßen,
daß er gesagt: Befinde sich die statt Magdeburg wieder den erzbischoff be-
schweret , möchten die stände bey Ihrer Kayserlichen Majestät für sie inter-
cediren , sie, die herrn Schwedische, könnten sich mit demselben, besonders,
in deme er der statt Magdeburg exemtion suche, nicht überwerfen. Er habe
darauf geantwortet, suum cuique tribuendum. Die statt Magdeburg habe die
vorstätte titulo oneroso an sich gebracht, der Kayser habe macht, tempore
necessitatis dergleichen nachzugeben. Der vorige bischoff seye mit und
dabey gewesen.
Wiewol er nun nicht allein von seinen herrn und oberen dahin, daß er sich
dieser bedrengten statt Magdeburg annehmen solte, instruction hette, son-
dern auch die christliche lieb, den glaubensgenoßen möglichste assistenz zu
leisten, von sich selbsten erforderte, nicht weniger der guten statt petita auf
lauter aequität beruheten und dahero sie desto größeres mitleyden meritirte,
so werde doch, daß sich die erbaren stätt in diese zwischen dem erzbischoff
und der statt Magdeburg obschwebende strittigkeiten legen und einflechten,
darumb keines wegs zu rathen stehen, weiln man nicht allein bey demselben,
sondern auch allen fürstlichen nichts dann haß und feindschafft dadurch ver-
dienen und diß orts auf sich laden würde, sondern hielte vielmehr dafür, es
were dieses negocium und angelegenheit der statt Magdeburg bloß und
allein an die herren Schwedischen zu remittiren, daßelbe auch, wann auf
seiten der erbaren stätte, ihr particularanliegen denenselben zu recommen-
diren , eine deputation dahin gemacht werden sollte, als ein connexum anzu-
henken und der vortrag unmaßgeblich dahin einzurichten. Obwoln den
erbaren stätten bedenklich gefallen seye, sich in solche sachen, die zwischen
Ihrer Kayserlichen Majestät, der hochlöblichen cron Schweden und dem
herrn erzbischoffen zu Magdeburg versiren, einzuflechten. Weiln sie jedoch
so inständig darumb ersucht worden seyen, hetten sie, in mitleidenlicher
anseh- und betrachtung ihres betrübten zustands, für solche statt gebühren
der maßen zu intercediren und ihre desideria aufs beste zu recommendiren,
sich nicht wol entbrechen können. Stellten im übrigen auser allen zweifel,
sie, die herren Schwedische, werden solche selbsten also, wie die mit gedach-
ter statt aufgerichtete compactata und vergleich außweißen, beobachten und
in gutem recommendat behalten. Vermeinte also, man hette stättischen theils
mit diesem vorschlag bey der sachen gethan, soviel man gekönnet und zu-
gleich der herren fürstlichen odia dadurch evitiret. Könnte es aber beßer
angestellet werden, ließe er solches zu der übrigen herren abgesanden be-
lieben und gutbefinden lediglich gestellet sein.
Regensburg. Sagt, er habe das per dictaturam communicirte memorial auch
gelesen und, was der statt petita seyen, zu genügen darob verstanden. Gleich
wie nun, wann der jammerstand, darein diese statt gerathen und zum theil
noch stehet, betrachtet werde, deroselben unter die arm zu greifen, man auß
christlichem mitleiden schuldig seye, also befinde er, was bey den herrn
Kayserlichen und Schwedischen von dem herrn Lübekischen wegen der
statt Magdeburg erinnerlich angebracht worden, sehr wolgethan. Stehe
sonsten in der beysorg, es dörffte die von den erbaren stätten desiderirende
und von Lübekh vorgeschlagene bloße mündliche recommendation bey den
herren Schwedischen nicht allein ohne effect sein, sondern auch derenselben
bey dem erzbischoffen und gefolgig den herrn fürstlichen, als welche ienem
fast alle anhangen, kein geringe offension und nachtheil gebähren. Hielte
also davor, man solte zwar diese sach an dienlichen orten suchen und ihnen
so gut möglich an die hand gehen, mit der deputation und mündlichen
recommendation aber bey den herren Schwedischen noch etwas zeit und
zwar so lang einhalten, bis die herren Kayserliche herüberkommen und man
sehen werde, wie es in puncto gravaminum ablaufen möchte. Werde ver-
hoffentlich nicht allein dardurch verabsaumet werden, sondern alsdann auch
alles mit beßerem nachdrukh geschehen können. Unterdeßen solte man der
statt Magdeburg abgeordneten biß dorthin zur gedult ermahnen und, daß
man stättischen theils seine desideria in möglichstem recommendat halten
wollte, gute vertröstungen widerfahren laßen.
Bremen. Were zwar wol zu gönnen, daß dieser armen statt wiederumb
geholffen und sie in vorigen wolstand redressirt werden könnte, bevorab,
weiln er sehe, daß ihre sache auf zimlicher billichkeit bestehe, habe aber ein
jeder auf die gegenwärtige zeiten und sein aigen interesse zu sehen und
würde, sonderlich wann die herren Schwedische auf die statt Magdeburg ein
aug geworfen haben sollten (welches darauß, daß die statt ex speciali inhi-
bitione der herren Schwedische dem erzbischoff keinen ayd leisten darff, fast
abzunehmen seye) derenselben sich stättischen theils starkh anzunehmen,
wol bedenklich fallen. Conformire sich also mit Regenspurg, daß man nem-
lich das ansprechen bey den herrn Schwedischen umb derer ins mittel
gebrachten ursachen willen noch etwas differiren und zu bequemerer zeit
diese sach omni favorabiliori modo recommendiren solte.
Nürnberg. Sagt, er habe nicht allein obangeregtes memorial durchgelesen,
sondern seye auch genugsam bekannt, was sie bey wehrendem diesem krieg
erlitten und außgestanden habe. Seye also in quaestione an, daß man ihr
quovis modo helffen solle, allerdings einig. In quaestione quando aber con-
formire er sich mit Regenspurg, daß man nemlich mit der deputation, damit
nicht etwa, wann man sich stättischer seiten der sachen zu frühzeitig anneh-
men thete, eines und das andere in steken gerathe und die fürstliche uns
traversiren, temporisiren und die rechte bequemlichkeit dabey in obacht
nehmen, hernach aber, wann punctus gravaminum außgemacht, manum cle-
mentiae darbieten und erweißen solle.
Herford. Habe nicht ursach, sich von den vorsizenden in dieser sachen zu
separiren, sondern laße es gerne geschehen, daß die von der statt Magdeburg
gesuchte deputation an die herren Schwedischen differirt werde und confor-
mire sich also mit denenselben in allem.
Ulm. Seye an deme, daß die statt Magdeburg, als die vor anderen grausame
kriegstrangsalen außgestanden und dahero von allen menschen großer com-
miseration und daß man hinc inde für sie intercedire, wol werth seye; was
aber petitum, daß sie zu ihrer vorigen reichsimmedietät, sessionem et votum
kommen möchte, anlange, könne man, daß das stättische collegium ver-
mehret werde, wol geschehen laßen und deßwegen auch dahin, daß sie
wiederumb in die reichsmatricul aufgenommen werden möchte, cooperiren.
Daß sie aber auch 30jährige immunität ab oneribus imperii begehre, werde
es schwer damit hergehen, weiln es andere, die in dergleichen labyrinthen
steken, hiernächst in consequentiam ziehen dörfften. Seye sonsten mit deme,
daß man dieser sachen bey den herren Kayserlichen, weiln sie der statt ohne
das wol geneigt, mit gelegenheit in bestem gedenken, im übrigen aber von
den herrn fürstlichen sich nicht separiren oder dieselben offendiren solle,
durchauß einig und zufrieden.
Eßlingen per Lindau. Seye von dieser materi nach nothdurfft bereits geredt
und der billichkeit gemäß, daß man stättischen theils sich dieser statt
annehme, weiln es aber auß bereits angeführten rationibus, daß es noch zu
früezeitig und so lang, biß materia gravaminum beygelegt sein würde, einzu-
stellen seye, verspüret habe, laße er es auch allerdings dahin gestellet verblei-
ben .
Memmingen. Habe sich ebenmäßig von denen wegen der statt Magdeburg
bereits ins mittel gebrachten vernünfftigen votis ganz nicht zu separiren,
sondern vielmehr, daß die gesuchte deputation darumb, quia in tempore
venire omnium primum est, differiret werden möchte, mit denenselben zu
conformiren.
Lindau. Wie zuvor .
Herr Director. Sagt, es seye von billichkeit dieses Magdeburgischen be-
gehren aniezo nicht zu reden, weiln vorhin bekannt, wie diese uralte statt
durch das vor etlichen jahren entstandene jämmerliche excidium zu grund
gerichtet worden seye. Dahero sie auch bey iedermänniglichen großes mit-
leiden hochmeritirte. Were ihro auch in deme, was sie quoad restaurationem
pristinae libertatis und sonsten suche (welches gegen dem großen verlust,
den sie erlitten, ganz gering), an seiten der erbaren stätte zwar billich an
die hand zu gehen, weiln aber 1. diese selbsten noch nicht durch den bach,
und in puncto gravaminum genugsamen wiederstand empfinden werden, 2.
der herrn fürstlichen assistenz gegen die catholischen nicht ab der hand zu
laßen, dieser statt
stätten allein erhalten werden können, sondern für gesambte stände des
reichs gehören, als halte er davor, daß man sich mit deme von Regenspurg
gethanen und bereits per majora placitirten vorschlag nicht vergehen, son-
dern wol daran thun werde, daß, was die statt Magdeburg ratione depu-
tationis an die herren Schwedischen diß orts suche, auf beßere und beque-
mere zeit versparet, vorderst, was es mit dem puncto gravaminum für einen
außgang gewinnen mögte, erwartet und alsdann, was möglich, für sie pro-
curirt werde. Dann es heiße diß orts: ordinata charitas incipit a se ipsa. Wann
der erbaren stätte angelegenheiten erhalten, so folge erst darauf: Diliges
proximum tuum, sicut te ipsum. Were also der statt Magdeburg abgeordne-
ter zur gedult zu weißen und demselben auf allen fall, da die herren Schwedi-
sche mit ihrem instrumento pacis heraußer gehen wolten, dieser unmaßgeb
liche einschlag zu geben, daß er seine desideria an das Churmainzische direc-
torium gelangen laßen wolte, mit angehengtem verspruch, daß man stätti
schen theils ihne aller möglichkeit nach secundiren wolte. Es solte die sach,
wann sie, nachdem sie ohne das allerseits bekannt, collegialiter berathschla-
get würde, viel einen größeren nachtrukh als per modum intercessionis
haben.
Conclusum. Man solle den Magdeburgischen herrn gesanden zur gedult
annoch disponiren und hiernächst, wann punctus gravaminum erlediget, der
statt desideria bey den herren Schwedischen der gebühr recommendiren.