Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
83. 66. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Oktober 8 8 Uhr
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Osnabrück 1646 Oktober 8 8 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 199’–200’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
267’–270; Ulm A 1560 o. F.
Schreiben der Reichsstände an den Kaiser und die Mitglieder des Reichskammergerichts zu Sicherheit
und Unterhalt des Gerichts. Lage der Stadt Speyer.
Anwesend: Straßburg auf der Rheinischen, Nürnberg auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director verlieset die von Münster herüber geschikte und durch das
Churmainzische directorium gestriges tags zur collegial deliberation com-
municirte beede schreiben an die Römische Kayserliche Majestät und die
herren camerales zu Speyer, derselben securitet und unterhalt betreffend
Schreiben an das Reichskammergericht vom 24. September 1646 st. v. ( Meiern III S. 666 –669),
Schreiben an den Kaiser vom 3./13. Oktober 1646 ( ebd. S. 669–670).
stellt darauff zu des Nürnbergischen herrn abgesanden (welcher allein zur
stelle gewest) belieben, ob er sich darüber vernehmen laßen und, was ihme
dabey erinnerlich beygehen möchte, unbeschwärt andeuten wolte?
Nürnberg. Sagt, er befinde die beyde schreiben an die Kayserliche Majestät
und die herren camerales nach inhalt deren jüngst auch in dem stättrath auß
gefallener votorum eingerichtet. Es hetten zwar etliche auß den herrn stätti
schen auf die Juden capitation inclinirt, der größere theil aber wegen der Un-
gleichheit , so solch vorgeschlagen mittel nach sich ziehe, in deme etlicher
wenig stände unterthanen den last der andern allen allein über sich nehmen
müßen und dahero ihrer herrschafft umb soviel weniger contribuiren könn
ten , solches nicht approbiren wollen. Nachdem aber im hochlöblichen
fürstenrath solche capitation der Juden per majora geschloßen, würden die
stätte darwieder allein nicht können auslangen und möge es also dahin gestellt
verbleiben, zumahln nicht zu zweifeln, die Juden von sich selbsten, wie vor
mehrmals am Kayserlichen hof und bey Churmainz geschehen, dieses werkh
durch gewöhnliche und von ihnen mehrmals practicirte wege, art und weiß
abzugraben wißen werden. Und hette auch seines dafürhaltens der dem
schreiben an die herren camerales zu end beygelegte pass, daß die unvermög
liche ständte verschonet und allein die einbringung der quoten bey den
vermöglichen beharret werden sollte, darumb wol außbleiben können, weil
der langwürige verderbliche krieg alle und iede ex aequo im heiligen Römi
schen reich auff den eußersten grad ruinirt, es gebe nur ungelegenheit und
diesen leuthen anlaß, daß sie in die stätte (welche, ob sie wol vor anderen am
meisten unglükhs über sich gehen laßen müßen, iedoch noch immer für mehr
conservirt und von beßerem vermögen als andere höhere stände gehalten
werden wollen) desto mehr und eifriger sezen und hetten dieselbe ohne daß
eine zeitlang das objectum, gegen welche sie die herren camerales und fast
allein in schuldsachen ihre autoritet und officium exercirt sein müßen, da hin-
gegen wieder die höheren stände den unbillich bedrängten nimmermehr
assistirt, noch die gebettene mandata und process erkannt werden wollen, es
seye aber billich zu bejammern, daß das heilige reich in gegenwärtigen übeln
und dergestalt erschöpften zustand gerathen, daß solches auch so wenig noch
übrigen assessoribus, deren zahl von 38 auf neun redigirt worden, in facie
frembder außwärtiger cronen und anderen nationen, zu unaußlöschlichem
hohn und spott der Teutschen nation ihren gebührenden unterhalt nicht
mehr verschaffen könne. Welches dann auch bey jüngster deputation an die
herrn Französische plenipotentiarios, da selbigen die auffrichtung des neu-
begehrten dicasterii so eiferig recommendirt worden, der herzog von Lon-
gueville ex ore catholicorum den deputatis evangelicis exprobrirt. Im übrigen
seye, ratione securitatis, eben noch wenig trost für die herrn camerales für
handen , dann obgleich die Franzosen die guarnison in Speyer in etwas zu
erleichtern sich erklärt, so könne doch ihnen mit bestand anderst nicht als
durch völlige abführung der ganzen militiae und erhaltung der ehedeßen
erwehnten neutralitet sowol mit den Kayserlichen, Französischen als Spani-
schen partheyen geholffen werden. Er laße aber seines theils geschehen, daß
die beede schreiben, neben dem postscripto, auffgesezter maßen außgeferti
get werden mögen.
Herr Director sagt, er habe beeder schreiben inhalt mit demjenigen, was
hiebevor in diesem löblichen stättcollegio, wegen der materi, geschloßen
und beliebet worden, fast allerdings conform gefunden, außgenommen daß
in dem einen an Ihre Kayserliche Majestät das cammergericht, damit demsel-
ben die securitet gedeyen und wiederfahren möchte, allein recommendirt,
löbliche statt Speyer aber dabey ganz vergessen worden. Nun laße sich aber
in hoc puncto securitatis die statt von dem cammergericht nicht separiren,
theils wegen der connexitet, so zwischen beeden theilen seye, theils wegen
ieztmaliger dürfftigkeit und armuth der bürgerschafft, darein sie durch be-
harrung der starken guarnison und exemption der besten immobilien gera-
then . Darumb seye nöthig, daß der statt verschonung nicht weniger als des
cammergerichts urgirt werde. 2. Was den punctum des unterhalts belange,
habe er wargenommen, daß man die Juden capitation simpliciter beharren
wolle, welche doch an seiten der erbaren stätte iederzeit dissuadirt, leztlich
aber auff allen fall, weiln es ie stättischen theils allein nicht zu ändern, dafür
gehalten worden, daß man berührte Juden capitation gegen diejenigen
stände allein, welche Juden hinter sich, ihre quotas aber noch nicht abge-
tragen haben, gebrauchen und dagegen derjenigen, die das ihrige entrichtet,
damit verschonen möge. Werde also nöthig sein, daß man bey vormahligem
stättischen theils gefaßtem concluso, sonderlich umb der interessirten stätte
willen, noch zur zeit verbleibe, und daneben bitte, weiln in der gleichen
fällen styli, daß, wenn schon chur- und fürsten untereinander einig,
der stätte dissens dem schluß miteingeruket werde, daß daselbe auch an die-
sem orth geschehe und was der erbaren stätte bey vorgeschlagener Juden
capitation vor diesem geführte und annoch beharrende, aigentliche meinung
seye, zum wenigsten per parenthesin vermöge herkommens im concept
gedacht werde. Und weiln Churmainz iederweilen, weßen man sich im stätt
rath verglichen, fordern laße, als hette er in eventum das conclusum unvor-
greiflich zu papier gebracht, welches, da es dem Nürnbergischen herrn abge-
sanden beliebte, mit übrigen abwesenden herrn stättischen gesanden, zu
ihrer nachricht und verbeßerung von hauß zu hauß ebenmäßig communicirt
und auff derselben approbation Churmainz alsdann außgefolget werden
könnte. Und ist daßelbe nachfolgenden inhalts gewesen:
Conclusum. Demnach in dem anderwertigen intercessionschreiben an die
Römische Kayserliche Majestät unsern allergnädigsten herren bey recommen-
dation der herrn cameralium der statt und bürgerschafft zu Speyer nicht, wie
im vorgehenden intercessionschreiben vom 7./17. Junii geschehen , simul-
tanee gedacht worden und aber die sichere wahrheit ist, wann die einquar-
tierung der guarnison, nach dem die bürgerschafft nunmehr gänzlich außge
sogen und verderbt, noch ferners daselbst continuiren sollte, daß, der herren
cameralium zu verschonen, unmöglich fallen würde, maßen die herren came-
rales in ihrem schreiben vom 2./12. Mai selbsten angeführt
Vgl. [ S. 254 Anm. 1 ] .
daß daßelbe in der petition angeregten schreibens denuo geschehe, stätti
schen theils zum fleißigsten gebetten und sich im übrigen, soviel den punc-
tum securitatis anlangt, mit überschikten concepten gänzlich conformirt, in
puncto des unterhalts aber und in specie der vorgeschlagenen Juden capi-
tation vorgehende der stätte conclusa wiederholet und derenselben eigent-
liche meinung zum wenigsten per parenthesin dem stylo imperii gemäß, in
dem concept mit zu gedenken, umb soviel mehr gebetten haben, weiln, ob
und was den wenigen herrn assessorn an ihrem bestimbten salario abgehen
und rükständig sein möchte, vor einlangung des von dem hochlöblichen
cammergericht oder deßelben pfennigmeistern erforderten berichts ohne das
ungewiß und zweiffelhafftig ist.
Dieweiln nun der Nürnbergische herr abgesande auff an- und abhörung
deßelben nichts dabey zu erinnern gewust, sondern ihme den auffsaz wie
auch, daß übrigen herrn collegis communication davon absonderlich ge-
schehe , wol belieben laßen, als ist derselbe dem herrn Lübekhischen, Bremi-
schen , Regenspurgischen, Ulmischen und Lindauischen nach hauß gebracht,
von denselben sambt und sonders gleicher gestalt ohne einzige erinnerung
approbirt und durch den Lübekhischen und Regenspurgischen, daß in dem
fürstenrath das conclusum fast auff gleich weiß gefallen seye, angedeutet
worden.