Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
82. 65. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 September 17 8 Uhr
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Osnabrück 1646 September 17 8 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 195–199 = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 263’–
267’; Ulm A 1560 o. F.
Unterhalt und Sicherheit des Reichskammergerichts, Judencapitation, pünktliche Zahlung der Kam-
merzieler , Neutralität Speyers: Unmut darüber, daß zu diesem Komplex bisher keine Re- und
Correlation stattgefunden hat.
Anwesend: Straßburg, Frankfurt, Kolmar, Herford auf der Rheinischen, Nürnberg, Ulm und
Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director proponirt: Es habe das Churmainzische directorium durch
einen secretarium gestrigen tags andeuten laßen, daß man im werkh begrif-
fen seye, an heut in beeden collegiis zusammenzukommen und der herrn
cameralen erwiedertes begehren, vom 21./31. Augusti jüngsthin
Druck Meiern III S. 663–665 .
in substantia dahin gehe: Es wolten chur-, fürsten und stände die verfügung
thun, daß öffters begehrte sicherheit und unterhalt noch vor annahendem
winter zu würklichem effect gebracht werde oder, da ie ihnen damit nicht
verholffen werden könnte oder wolte, unverzügliche anstalten machen, daß
der verdiente außstand ihnen ehist erlegt und sie ihrer functionen erlaßen
werden, damit ein jeder sein und der seinigen heil und wohlfahrt anderswo
zu suchen ungehindert seye) in consultation zu ziehen. Weiln nun außer
allem zweifel walte, es werden die herren collegae das schreiben durch-
gangen und bereits bey sich erwogen haben, als stelle er dahin, ob sie sich
darüber vernehmen laßen und denen prioribus conclusis (so er ebenmäßig
abgelesen) inhaeriren oder etwas neues anhand geben wolten? Zeigte ferner
dabey an, er hette euserlich vernommen, ob were bereits drüben zu Münster
davon geredt und ein schluß (welcher gleicher gestalt verlesen) gemacht
worden
Vgl. [ 43. ] Sitzung des KfR (APW [ III A 1, 1 S. 656–661 ] ), FR Münster ( Köln KuR 256 p.
619–641; Druck des Conclusums Meiern III S. 666 ), SR Münster ( Nürnberg 20 fol.
36–39’ ), Re- und Correlation (APW [ III A 1, 1 S. 665–667 ] ), alle vom 22. September 1646 st. n.
allen
sonsten, fals sie nicht bald erleichterung erlangen solte, nach geschloßenem
frieden deßelben süße früchte nicht würde geniesen können. Es müße der
statt, umb der connexität willen, pari passu geholffen werden, wann anderst
dem cammergericht die desiderirte securität und erleichterung gedeyen
solle; wie dann schon vor diesem davon geredt worden.
Frankfurt. Sagt, er halte davor, man habe auff den modum procedendi acht
zu geben, seye schon zweymal von dieser sache geredt, aber, unangesehen
die stätte mit den fürstlichen in hoc puncto different gewesen, nie keine re-
und correlation, sondern der stätte votum insuper gehalten und das schrei-
ben zu dem ende allein hierher geschikt worden, daß man weiter nichts dazu
sagen solle. Man habe sich darob gegen dem reichsdirectorio billich zu
beschwären und zu bitten, daß man wieder des reichsherkommen nichts vor-
gehen laßen wolte. Die sach an sich selbsten betreffend, halte er davor, daß
man sich mit deren Münsterischen meinung wol vergleichen könne, daß
nemlich die herren Kayserlichen per deputatos ersucht werden solten, das
werkh dahin zu dirigiren, daß die statt Speyer in neutralstand gesezt oder zum
wenigsten die guarnison erleichtert werde. Habe auß vorgehenden conferen-
zen so viel verspüren können, daß man auch der statt Worms zu helffen
geneigt gewesen, so lang aber Frankenthal in iezigem stand verbleibe
werde es schwärlich bey einer und der anderen geschehen können. Die
unterhaltung betreffend, halte er unnöthig zu recapituliren, was vor diesem
der Juden capitation halben für rationes vorgebracht, würde ungleich her-
gehen , wann selbige vorgenommen und practicirt werden solte, weiln die-
jenigen , so Juden hinter sich haben und ihre quotas bereits entrichtet, mit
doppelter ruthen geschlagen würden. Bittet, bey damals gefaßter opinion zu
beharren und, im fall die fürstliche der stätte votum nicht attendiren wolten,
dißeitiges conclusum zu papier zu bringen, damit man es auf den fall der
noth gar an Kayserlichen hoff schiken könne. Im übrigen wolle er sich mit
den fürstlichen conjungiren
Der FR Osnabrück tagte zur gleichen Stunde ( Meiern III S. 670–676 ).
Nürnberg. Die formalia betreffend, nachdem in modo procedendi verstoßen
und der stätte vota übergangen worden, habe man sich, damit keine gewohn-
heit darauß gemacht werde, billich darob gegen dem Churmainzischen direc-
torio zu beschwären und zu bitten, daß man bey dem stylo imperii verbleibe,
zumaln, weiln die stätte hierinnen am meisten interessirt.
Materialia belangend, seye billich dahin zu trachten, daß das cammergericht
erhalten werde, weiln vom Kayserlichen hof auß den ständen wenig hülffe
gedeye, zumaln nicht allein ein großer schimpff dabey were, wann man dieses
summum tribunal zergehen liese, sondern sich auch die außwertigen hefftig
darob scandalisiren und davor halten würden, es müße alles über einen
haufen gehen. Worauff dann nothwendig eine anarchia folgen und der
stärkste den schwächsten in den sakh steken würde. Und soviel die securität
betreffe, sehe er nicht, wie der zu Münster gethane vorschlag zu verbeßern.
Dann weiln das schreiben bey Ihrer Kayserlichen Majestät noch nichts effec-
tuirt , so seyen die herren Kayßerliche zu ersuchen, daß sie beeder cronen
Spanien und Frankreich anwesende plenipotentiarios entweder mediate per
mediatores oder immediate dahin besprechen wolten, daß sie ihnen belieben
laßen, der statt Speyer die neutralitet zu erwerben; werde verhoffentlich ohne
effect nicht abgehen. Erinnert dabey obiter, daß die herrn camerales an
andern nicht beherzigen wollen, was sie vom zusehen allein wahrgenommen
und exaggerirt haben, in deme sie, ungeachtet der extraordinari pressuren,
damit ein und anderer stand bißher belegt gewesen, wieder dieselben process
erkannt. Solten billich, was ihnen beschwärlich, auch an andern considerirt
und mehr ex aequitate als de jure stricto bey diesen zeiten gesprochen haben.–
Den unterhalt betreffend, wann man auf der Juden capitation bestehen wolte,
müßten die jenigen inskünfftig von der cammer anlag excipirt werden,
welche Juden hinter sich,
für sie bezalt, da
würden sie ihrem magistrat umb soviel weniger contribuiren können. Daher
er davor halte, daß man vorigem concluso in hoc passu inhaeriren, die restan-
ten mahnen und, wann sie nicht pariren wollen, die jenigen mittel wieder sie
gebrauchen könnte, so gegen andere bißher geübet worden, obschon chur-
und fürsten, ratione dignitatis, vorgehen. Laße ihme also lezteres der stätte
conclusum wohl gefallen und were allein dahin zu sehen, daß es effectuirt und
vollzogen würde.
Was den extraordinari termin anlange, welcher zu Regenspurg in vorschlag
kommen, seye die Münsterische erläuterung sehr gut, daß nehmlich derselbe
auff die, so ihre quotas erlegt haben, nicht, sondern andere, die nicht bezahlt,
gemeint gewesen seye.
Was die neglecta betreffe, weiln man jüngst davor gehalten, daß des cammer-
gerichts pfennigmeister deßwegen eine rechnung überschiken solle, könne es
dabey verbleiben. Wann man selbige habe, werde man sehen, was denen
nachlebenden außstehe. Halte, daß die praesentes, weiln ihr über neun nicht
sein sollen, ihre salaria wol werden bekommen haben. Repetirt diß sein
votum auch nomine der statt Regenspurg.
Kolmar. Er finde, daß in forma dupliciter gefählet seye: 1. in communi-
catione , 2. in consultatione, in deme selbige zu unterschiedlichen zeiten
geschehen. Seye zu verwundern, daß pro more keine re- und correlation vor-
gangen noch der stätte dissensus in vormals abgelaßenem schreiben berühret
worden.
Betreffend materiam an sich selbsten, seye nicht nur die justitia bey conser-
vation des cammergerichts merklich interessirt, sondern würde auch bey den
außwärtigen cronen disreputirlich stehen, wann man daßelbe zergehen
laßen wolte. Hingegen geschehe dem Kayserlichen reichshoffrath ein sonder-
bahres gefallen daran und würde demselben hierdurch alle sachen in die
hände gespielet. Halte ebenmäßig davor, daß der statt Speyer mit dem neutral-
stand am besten geholffen und selber nicht nur bey Frankreich und Spanien,
sondern auch bey den Kayserlichen, die es hoffentlich, zumal bey jenen, nicht
schwär machen werden, wann sich die stände derselben annehmen und mit
caution versicherung thun werden. Könne mans aber andertwertlich erhal-
ten , seye es desto beßer. Were sonsten wol zu wünschen gewest, wie Nürn
berg erwehnet, daß die herrn camerales, unter was extraordinari pressuren
die stände bißhero gestanden, considerirt und beobachtet hetten.
Die Juden capitation belangend, trage er die beysorg, wann selbige einmal
eingeführet, es dörffte hernach alwegen auf extraordinari subsidia außlaufen.
Wolle sich hierinnen und übrigen puncten mit dem Nürnbergischen voto
allerdings verglichen haben.
Ulm. So viel die formalia betrifft, repetire er vorgehende vota, daß es bey
dem Mainzischen directorio geandet und, daß man es bey dem alten stylo
laße, erinnert werde.
Materialia belangend, werde bey der posteritet löblich und rühmlich fallen,
wann dieses gericht aufrecht erhalten und den herrn cameralibus ihr unter-
halt und securität verschafft werde, sonsten werden alle sachen nacher hof
gehen. Was aber für mittel zu ergreiffen, dadurch der sachen remedirt wer-
den könne, davon seye schon verschiedenlich consultirt und davor gehalten
worden, wann die höhern stände sowol als die stätte mit processen angestren-
get würden, daß die herrn camerales ihre salaria, sonderlich weiln die anzahl
für dißmal sehr gering, wol erhalten könnten. Hingegen haben die fürstliche
die Juden capitation vorgeschlagen, wann selbige ohne der stände praejudiz
geschehen könnte, möchte man sie gleichwol gestatten, weiln die stätt bereits
ziemlich mitgenommen und billich, daß derselben, die nichts schuldig, hier-
innen verschonet werde. Doch stelle er dahin, ob man dabey verbleiben
wolle oder nicht. Seye auch in alleweg billich, daß den hinterbliebenen wit-
tiben und waysen das ihrige geliefert werde. Laße ihme also den Münsteri
schen schluß nicht entgegen sein, sondern stelle alles ad majora.
Herford. Conformire sich, ratione formae, mit den majoribus, ratione mate-
riae aber mit Nürnberg; doch der capitation halben seye er indifferent mit
Ulm, ob man dem vorigen concluso inhaeriren oder die Juden capitation
zulaßen solle. Halte gleichwol jenes für beßer und seye in alle wege dahin zu
sehen, daß dieses summum tribunal conservirt werde. Wann die höhern
sowol als die geringere ihre quotas abtrügen, würden die camerales ihre sala-
rirung , weilen ihre zahl für dißmal gering, wol haben können, seine herren
haben alles richtig bezahlet. Berichtet dabey, daß den herrn cameralen die
licenten auf der Weser, weil selbige zu Höxter abgeschafft, zu begehren, an
hand gegeben worden seye. Weiln sie aber derselben nicht gedenken, habe
man auch diß orts nicht ursach, ihnen solch mittel vorzuschlagen und an
hand zu geben.
Lindau. Formalia betreffend habe man stättischen theils hohe ursach, sich
darob zu beschwären, laße ihme vorgehende vota, daß mans bey Mainz
anden solle, wol gefallen.
Materialia belangend habe man sich der herren cameralen billich anzuneh-
men . Ob die neutralität zu erhalten, stelle er dahin, möge ihnen selbige wol
gönnen. Die sustentation aber betreffend, wann es ohne praejudiz der stände
geschehen könte, liese er ihme die Juden capitation auch belieben. Wann
aber die höheren stände sowohl als die geringere das ihrige beytrügen,
würden die herrn camerales ihre salaria auch ohne jenes mittel haben kön
nen . Deßwegen dann vorige conclusa zu wiederholen weren. Im übrigen
quoad neglecta conformire er sich mit Nürnberg.
Directorium. Er habe alsobalden, als er vernommen, daß man anheut in
beeden collegiis wegen des cammergerichts securität und unterhalt deliberi-
ren solle, davor gehalten, daß es, nicht so sehr in favorem der herrn camera-
lium als difficultäten wegen des neuen dicasterii zu erweken, angesehen
seye, sonderlich weiln duc de Longueville bey jüngstem ansprechen selbsten
gesagt, es komme den herrn Kayserlichen befrembdlich vor, daß man noch
mehrer neue dicasteria aufrichten wolle, da doch die alten nicht erhalten wer-
den können. Deme aber wie ihm wolle, so seye der modus procedendi nicht
zu approbiren, sondern billich mit gelegenheit zu anden, sonsten dörfften die
churfürstliche meinen, daß man stillschweigend
habe. Da man sich doch in gravaminibus politicis ob der churfürstlichen ein-
und übergriff auch allerhand praejudicirlichen neuerungen außtrüklich be
schwäret , dahin auch diese actus gehören, in dem sie drüben erstlich consul-
tirt , darnach ihr conclusum in dem schreiben an Ihre Majestät ohne vor-
gehende re- und correlation hieher geschikt, nur das ja darzu zu sagen,
worab man sich billich zu beschwären, doch die stätte nicht so sehr als die
fürstliche. Dieweiln es nun eine sach, die nicht wol in das conclusum einzu-
bringen , hielte er davor, man hette zu erwarten, was die fürstliche hierinnen
thun wolten, sonsten werden die churfürstliche der stätte andung nicht groß
achten. Er habe deßwegen vorhero mit dem herrn Weimarischen geredt und
gefragt, ob sie es also unberührt hingehen laßen wolten? Der dann gesagt,
daß es billich zu anden stehe. Hette man also ihrer resolution vorhero zu
erwarten und alsdann zu secundiren.
Das haubtwerkh belangend habe er auß den votis soviel verstanden, daß man
sich mit der Münsterischen meinung durchgehend conformire, biß auff vor-
geschlagene Juden capitation, welche nochmaln expresse zu contradiciren.
Soviel die von Nürnberg beschehene andung anlange, könnte man der-
selben , data occasione, mündlich beßer gedenken, als selbige in das conclu-
sum einbringen, weiln sich übel schiken würde, wann man den herrn came-
ralibus anstatt begehrten unterhalts reprochen geben wolte.
Conclusum. Daß der Kayßerlichen cammergerichts dissolution und tren-
nung omnibus modis zu verhüten. Und demnach, so viel deßelben sicherheit
betrifft, die Kayserliche herrn plenipotentiarii per deputatos inständigst zu
ersuchen seyen, daß sie mit den Französischen und Spanischen herren pleni-
potentiariis sive mediate, sive immediate, dahin fürderlichst tractiren wol-
ten , daß mehrgemeldes cammergericht durch gänzliche und unschädliche ab
führung der zu Speyer liegenden guarnison, einwilligung der neutralität für
berührte statt und künfftige verschonung mit der contribution in höchst
nöthige sicherheit unverweilet gestellt werde. Was aber der herrn camerali-
um öffters gesuchten unterhalt belanget, laße man es bey dem den 17./27. Junii
nächsthin stättischen theils gemachten schluß nochmaln und dergestalt be-
wenden , daß die säumige ständ, ihre angebührnusen und hinderstände fürder
lichst abzutragen, durch Kayserliche monitoriales eiferigst erinnert und zum
fall dieselben nicht verfänglich, wider die restanten alsdann auf gleiche weiß,
wie gegen anderen ständen bißher geschehen, procedirt und verfahren. So
dann von demjenigen, was bey so schwacher und geringer anzahl der herrn
camerialium bißhero an terminen und neglectis mortuorum eingangen, durch
des Kayserlichen cammergerichts pfennigmeistern eine förmbliche und
vollkommene rechnung eingeschikt. Vorgeschlagene Juden capitation aber
umb damahln angeführter fundamenten willen entweder gar nicht oder
wieder diejenigen allein practicirt werde, welche zwar Juden unter sich, mit
entrichtung verfallener zielgelder aber bisher an sich gehalten haben, damit
nicht gehorsame stände, welche an ihren quotis nichts restiren, der säumigen
last zugleich tragen und also doppelte beschwärden leiden müßen.