Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
74. 57. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juli 22 15 Uhr
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Osnabrück 1646 Juli 22 15 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 158’–160’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
222–224’; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 261–263’; vgl. ferner
Bremen 2 – X. 8. m.
Der die Städte betreffende Artikel bei den Gegenerklärungen.
Anwesend: Straßburg, Frankfurt, Bremen, Herford auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Ulm, Eßlingen und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director proponirt: Demnach die herrn fürstliche heut abermalen
den stättischen die hand geöffnet, die articulos, welche die erbaren frey und
reichsstätte in specie concerniren, nach gutbefinden und belieben einzurich-
ten mit dem erbieten, ihnen solcher gestalt an hand zu
affection darauß zu verspüren haben werde, als habe er, dem gestrigen
verlaß gemäs, nicht nur, was er unvorgreifflich auffgesezet, sondern auch,
was heutiges tags von Münster einkommen, zur dictatur gelangen laßen,
nicht zweiffelnd, die übrigen herren werden alles durchlesen, erwogen und,
was hierauff denen herrn fürstlichen an hand zu geben seye, bedacht haben,
nunmehr auch daßelbe zu proferiren entschloßen sein.
Frankfurt. Sie hetten beyde auffsäze durchlesen, könte aber nicht scha-
den , daß sie in pleno noch einmal verlesen und hernacher discursweiß davon
geredt würde. Und nach deme daßelbe geschehen, haben sie ferner ange-
zeigt , sie finden den Münsterischen auffsaz zimlich lang, könnte man also bey
dem hiesigen als kürzerem wol verbleiben, wiewol sie in substantia conso-
nant . Doch halten sie die wort „Vor, bey und nach dem religionfrieden“
etwas zu weit extendirt, die catholische köntens für sich allegiren. Were
beßer, wann es indefinite gesezet und in allem, bey dem, wie es zur zeit
Paßauischen
Zum Passauer Vertrag von 1552 vgl. [ S. 151 Anm. 4 ] .
sten seye das petitum gar enorm. Es habe bey auffrichtung des religions-
friedens geheißen „uti possidetis, ita possideatis“; wann man darüber schrei-
ten wolte, würde alles fallen, könne demnach die phrasis als captios ausge
laßen werden.
Was die statt Augspurg anbelange, habe er, herr Dr. Stenglin, etwas zu
papier gebracht, so mit dem Münsterischen allerdings übereinkomme,
könne mit wenigem geändert und dabey gelaßen werden, so alsobalden auch
geschehen.
Regensburg. Sagt, er habe gestern erwehnt, daß er instruirt seye, bey dem
bereits auffgesezten 41. articul zu verbleiben, weiln er nicht nur der geist-
lichen güter, sondern auch der religion gedenke. Was bey Augspurg würk
lich geschehen, das habe man zu Regenspurg conando tentiret. Die statt
habe zwar keine geistlichen güter eingezogen, man habe sie aber nichts
destoweniger umb die religion miteinander bringen wollen, halte aber doch,
daß dasjenige, so Straßburg auffgesezt, weiln es kürzer als jenes, zu behalten
und der paß der religion wegen noch etwas mehrers zu erläutern seye. Wolle
sich mit den majoribus hierinnen gern vergleichen. Was er also hierinnen
monirt, ist alßobalden auff gutbefinden addirt worden.
Bremen. Laße ihme des herrn directoris auffsaz wol gefallen. Stellts zum
nachdenken, ob nicht auch des interims zu gedenken seye? An seinem ort
hielte ers nicht für unrathsam, weiln man den catholischen nichts so deutlich
sagen könne, es erfordere es die nothdurfft. Das interim seye in forma con-
stitutionis gemacht und von den oberen craißen angenommen worden. Wiße
aber nicht, wohin es eigentlich zu referiren were, weiln man sich auff keine
species gezogen. Bremen habe es nicht acceptirt, die catholische auch selbst
nicht approbirt, nichts destoweniger aber an verschiedenen orthen nach dem
religionfrieden exerciren und sich deßelben bedienen wollen. Ob es viel-
leicht an dem orth, da der commissionen gedacht, zu inseriren? Was den
auffsaz wegen Aach, Biberach etc. anlange, halte er, daß die wort nicht übel
gesezt „Vor, bey und nach dem religionfrieden“, weiln keiner statt, sie seye
vor oder nach demselben gravirt, dadurch praejudicirt; man habe keiner ihr
jus zu nehmen. Stellt dabey zum nachdenken, ob nicht anstatt der copulati-
vae „und“ die disjunctiva „oder“ zu sezen und zu behuff der evangelischen
emigranten eine clausul mit anzuhenken seye? So auch gleich im concept in
acht genommen worden.
Nürnberg. Sagt, er habe beede auffsaz mit fleiß durchlesen, der Münsteri
sche seye zimlich weitläufftig und particular, halte also, daß bey dem
kürzern zu verbleiben, doch aber auch in substantialibus nichts zu vergeßen
seye. Der Straßburgische seye also eingerichtet, daß nicht viel darzu zu
sagen. Hat dabey was weniges erinnert, so ebenmäßig attendirt worden.
Herford. Er finde auß dem verlesen, daß beede auffsäz in effectu fast einig
seyen. Halte aber doch davor, daß der hiesige zu behalten seye, wiße über
bereits geschehenes nichts zu erinnern.
Ulm. Er laße ihme den hiesigen auffsaz wol gefallen, weiln er nicht nur
kürzer, sondern auch mehre in sich begreife als jener. Wiße außer folgendem
nichts dabey zu erinnern, daß nehmlich und weiln auff nächst verlittenem
fronleichnamstag an die evangelische bürgerschaft zu Dünckelspühl sonder-
lich aber an die schüzen begehrt worden seye, mit ihren gewähren bey der
procession auffzuwarten und hernacher ein salve zu geben; weiln sie sich
aber, auff vorhergethane scharffe predigt ihres pfarrherrns, der ihnen gesagt,
daß sie solches salva et illaesa conscientia nicht thun können, nicht eingefun-
den , seyen sie in thurm gestekt, endlich, auff suppliciren und gegen erlag
4 goldtgulden straff vor jeden wiederumb erlaßen und sie für rebellische
leuth gehalten worden. Als stelle er zum nachdenken, ob nicht in specie dem
auffsaz einzurüken, daß die evangelische bürger nicht schuldig sein sollen,
sich bey dergleichen processionen einzustellen? Habe deßwegen, wie auch
der Dünkelspühler und Biberacher fernerer angelegenheiten halber, ein
model auffgesezt, wie deren zu gedenken. So verlesen und von ihme, es also
33– S. 342, 8 daß – sollen] Anderer Wortlaut in Ulm das es zu lang und in andern bereits
genugsamb begriffen, weiln er aber deßentwegen special instruction habe, hatt er
ferner begehrt, da man es ia abgelesener maßen nit inseriren wolte, zu seiner beßern
verwahrung ad protocollum zu nehmen, welches auch geschehen.
Bey den worten ‘plenarie restituirt’ erinnerte er, weiln viel stätte, warunder seine
herren und obern auch begriffen, zwar die iudicatur, aber die execution nit erstanden,
und dannenhero keiner restitution von nöthen, ob nit zu gedencken, daß die ienige, so
aus der possession nie kommen, füraus dabey ruhbig gelaßen werden solten, welches
von dem Memmingischen herrn abgesandten starckh urgirt, doch und aber in seinem
voto auch außgelaßen worden.
lang, sondern auch im anderen auffsaz schon vorhin genugsam begriffen
seye. Weiln er aber deßwegen specialbefehl gehabt, als hat er endlich be-
gehrt , daßelbe auff allen fall und seiner beßeren verwahrung ad protocollum
zu nehmen, welches auch geschehen. Bey den worten „plenarie restituirt“
erinnerte er, weiln viel stätt und darunter auch seine herrn die judicatur
zwar, nicht aber die execution erstanden und dannenhero keiner restitution
vonnöthen, ob nicht zu gedenken, daß die jenigen, so aus der possession nie
kommen, hinfüro auch dabey ruhig gelaßen werden sollen?
Eßlingen. Er könne sich mit dem hiesigen auffsaz und bereits beschehenen
erinnerungen gar wol conformiren. Allein stehe er an, ob es bey den worten
„für und für“ verbleiben solle. Were zwar gut, wann es also erhalten werden
möchte, ob es aber ratione derjenigen geistlichen güter, welche nach dem
Paßauischen vertrag eingezogen worden, erhältlich sein werde, stehe er an.
Auff allen fall aber seye dahin zu sehen, daß, was man vor dem Passauischen
vertrag innengehabt, nicht unter andere gezogen werde. Bitte im übrigen,
was Ulm wegen der evangelischen bürgerschafft zu Dünkelspühl erinnert,
soviel möglich in acht zu nehmen, damit demselben in etwas satisfaction
geschehe.
Memmingen. Laße ihme gefallen, daß man bey dem hiesigen auffsaz ver-
bleibe , weil jener weitleufftiger und doch nicht so viel als dieser in sich halte.
Was er sonsten wegen der auff dem land und in territoriis gelegenen kirchen,
wie auch wegen der intrudirten geistlichen orden erinnert, ist alßbald im con-
cept geendert, auff wiederholte erinnerung des herrn Ulmischen aber, wegen
deren, so in possessione der geistlichen güter iederzeit geblieben, daß selbige
überflüßig seye, weiln sie articul 9 in principio schon gesezt, dahin sich der
stättische auffsaz beziehet und was der destitutorum halben eingewilliget,
viel mehr bey denen plaz habe, welche des commodi possessionis continue
genoßen, dafür gehalten und vom herrn directore anstatt des conclusi ange-
zeigt worden, daß er den verbeßerten auffsaz wiederumb ad dictaturam kom-
men laßen wolle, damit man sich noch ferner darinnen ersehen könne. Mit
fernerem vermelden, daß des interims, in dem articul von denen mediatstiff-
tern , worauff sich der stättische articul referire, auch gedacht seye. Und wann
die res decisae auffgehoben werden, so falle zugleich auch das fundamentum
decisionis, welches auff der interimistischen vermeinten possession bestan-
den . Wobey es auch geblieben .