Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
71. 54. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juli 15 16 Uhr
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Osnabrück 1646 Juli 15 16 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 145–148’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 209–
212’; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 244–248’; Stockholm
Beilage in DG, A I 1, Legat ,. [ 5 ] fol. 1104–1104’, 1099–1100’; vgl. ferner Bremen 2. – X. 8. m.
Zusammenstoß zwischen Fürsten und Städten im Corpus Evangelicorum: Gewicht der städtischen
Voten.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Frankfurt, Bremen, Herford auf der Rheinischen, Regensburg,
Nürnberg, Ulm, Eßlingen und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Directorium proponirt: Demnach heutigen morgen bey den fürstlichen der
anfang mit den deliberationibus in puncto gravaminum gemacht und aber
dabey ein und anders vorgeloffen, so von consideration und nachdenken, in
deme man 1. den numerum votorum, quoad objectum tractationis, ungleich
aufnehmen und den majoribus zuwieder gehen, 2. das conclusum in puncto
amnistiae gar nicht außsprechen, sondern der stätt vota pro voto curiato
ansehen und 3. die vollmachten von denselben begehren wollen, als hette er
diese extraordinari zusammenkunfft an- und zu der übrigen herrn belieben
stellen wollen, ob man vorderist davon reden und was bey einem und dem
andern in acht zu nehmen sein möchte, resolviren möchte .
Lübeck. Halte dafür, daß sepositis aliis vorderist von heutigem incident-
puncten zu reden und selbige pro materia deliberationis zu achten sein wer-
den . Könnte man also, wann morgen das conclusum anderst, als es ausge-
fallen , abgelesen werden sollte, communi omnium nomine anzeigen. Man
erinnere sich noch gar wol, wohin die majora außgefallen und daß nicht
allein die stätt, sondern auch etliche von den fürstlichen der meinung gewe-
sen seyen, daß die politica von denen ecclesiasticis nicht zu separiren seyen.
Solle man nun in einem collegio beysammen sein, müßen auch die majora
gebührlich attendirt und gezehlt werden, inmaßen man sich hiebevor des-
sen gegen Österreich, daß derselbe das conclusum in puncto amnistiae,
anderst als die majora gefallen, ausgesprochen, beschwärt habe. Wann man
sich also hier eines gewiesen vorher verglichen und bey den fürstlichen auß
einem mund reden werde, werde es von beßerem nachdrukh als etwa son-
sten sein; die conciliatio, so herr Lampadius vorgeschlagen, tauge nichts.
Was der vollmachten halben gedacht worden, halte er, daß es publice zu
anden und zu sagen seye, daß man sich, wie herkommens, bey dem reichs-
directorio legitimirt habe und allhier nichts zu unterstehen begehre, so nicht
in commissione were. Die fürstliche haben vermeint, die stätt damit zu
fangen, weiln sie ihnen sonst nicht beykommen können. Diß seye ein solcher
eingang, daß er, wann die fürstlichen dabey verharren wollten, nicht wüßte,
wie damit zu verfahren sein werde.
Regensburg. Er habe mit verwunderung wargenommen, wie die fürstlichen
mit den votis umbgegangen; da es an die stätt zu votiren kommen, haben sie
die köpff darüber zusammengestoßen und geschüttelt, halte, daß hierauß mit
den fürstlichen zu communiciren und ihnen anzudeuten seye, man habe
waarnehmen müßen, daß die vota ungleich gezehlet und aufgenommen
worden. Pommern seye zwar nicht gar der stätt meinung gewest, habe aber
doch sich nicht allerdings separirt. Wann die majora nicht gelten oder der
stätt vota nicht attendirt werden solten, wären wir nichts nuz dabey. Stellt
zum nachdenken, ob man sich nicht eines voti curiati vergleichen wolte?
Man habe sich der Magdeburgischen gewaltig angenommen, iezo wollen sie
denen stätten disputat erweken. Halte dafür, daß solches in primo voto zu
berühren, übrige zu secundiren, vorhero aber die fürstlichen zu informiren
seyen. Die Churmainzische begehren, wann ein gesander sich bey ihnen
anmelde, daß er Kayserliche litteras vocatorias vorweise. Wann die fürst
lichen den stätten remoras machen und unglimpff zuziehen können, werden
sie solches gewiß nicht sparen.
Im fürstenrath seye hiebevor publice geandet worden, daß Österreich die
vota nicht recht gezehlet und annotirt gehabt. Es votire ein jeder nach seiner
instruction, falle hernacher das conclusum anderst, seye er entschuldigt.
Frankfurt. Können nicht finden, daß die majora seyen attendiret worden.
Die catholische haben sich niemaln separirt, man habe jederzeit, wann von
der amnistia geredt worden, selbige cum effectu restitutionis angesehen. Die
fürstliche haben diesen punctum anfangs in ihrem concept gehabt, iezo
wollen sie ihn heraußlaßen, man könne ihn ja hineinsezen, cum abundans
clausula non noceat. Das conclusum seye zu Münster also nicht außgefallen,
wie es heut reassumirt worden; dann sie drüben der catholischen vorschläge
nachgehen, halten, daß es mit guter moderation und privatim gegen herrn
Lampadio
es stehe über alle maßen übel, daß gleich anfangs so verfahren werde. Sie
haben die vota, welche viritim abgelegt, pro curiato aufgenommen, wollen
singula nicht unter die majora zehlen. Man könne sich nicht, sonderlich in
denen puncten, welche die stätt in specie angehen, also coarctiren laßen,
sondern müße der oberen und committenten nothdurfft beobachten.
Ad secundum: Was der vollmachten halber gedacht, seye beschwärlich, daß
sie die stättische abgesanden einer falsitet, als wann sie absque mandato
negociirten, bezichtigen wollen. Sie seyen ja zu diesem convent beschrieben
und werde ihnen zur reichsdictatur angesagt. Weiln nun Mainz zufrieden,
könne auch Magdeburg damit acquiesciren, doch müsse man mehr das
publicum als privatas offensiones ansehen. Schließen also, daß zu erhaltung
glimpffs und weil man allerseits zu einem ziel zweke, auch in den haubttrac-
taten fortzueilen begehre, die andung privatim geschehen solle.
Nürnberg. Er habe bey heutiger session und proposition wargenommen, daß
der director gesagt, man solle nicht viel votiren, sondern nur erinnern. Nach-
dem er aber gesehen, daß es auf die sprüng, wie er gern gesehen, nicht kom-
men wolle, habe er die vota so gezehlet, als wann die fürstliche ganz einer
meinung weren, da doch Heßen Darmstatt, Sachsen Lauenburg, Pommern
und Würtemberg andere vota ratione amnistiae geführet. Halte dafür, weil
man der stätt jura disputirlich machen und ex parte der herrn Kayserlichen
vorgeben wolle, als wann die stätte wegen des 8. churfürsten nichts darzu zu
reden hetten, daß zeitlich zu vigiliren seye. Ob es aber publice oder privatim
geandet werden solle, halte er ebenmäßig dafür, daß, zu erhaltung glimpfs,
es anfänglich bey Lampadio erinnert und ihme angezeigt werden könte, daß
man sich über diesem process sehr scandalisire, daß die vota ungleich gezeh-
let werden. Falle diese neuerung den stätten sehr beschwärlich, mit bitt, bey
den fürstlichen dergestalt zu unterbauen, daß es hinfüro nicht mehr ge-
schehe .
Die vollmachten betreffend habe er sich drüben zu Münster nicht nur wegen
Nürnberg, sondern auch wegen anderer stätt, so auch herr Ölhafen in ver-
trettung habe, legitimirt, sonderlich wegen Weißenburg am Nordgau, da
doch der herr Eßlingische auch commission davon habe; seye nicht schul-
dig , sich bey Magdeburg noch ferners zu legitimiren. Man habe sie zur
session gebracht, und sie wollen sich aniezo solcher sachen unterfangen. Im
concluso seye man erstlich nicht auff die majora gangen und leztlich gar
keines gemacht. Seye dahin angesehen, daß
votiren, die übrige aber, sonderlich die stätte, das placet darzu sagen sollen.
Stellt zum nachdenken, ob es nicht gleich anfangs zu widersprechen. Ratione
materiae stehe er an, was zu thun, die occasion seye von den herrn Kayser-
lichen und catholischen selbsten gegeben, laufen viel gravamina in punctum
amnistiae mit ein. Die stätte können zwar wol leiden, daß der amnistiae loco
8–13 anfangs – wollen] In Druckvorlage verbessert, ursprünglicher Wortlaut in übriger Über
lieferung im anfang meldung geschehen, so könne es woll bleiben, wie die stätt gesezt;
komme es zum andern mahl, so schade es nicht, sonderlich weiln catholici die stätt
under der amnisti nicht haben, sondern auf den Prager frieden weisen wollen. Er habe
sonsten auch observirt, daß den stätten auf verschiedenen reichstagen eben derglei-
chen mehr begegnet seye.
fangs in der catholischen aufsaz meldung geschehen, so gedencke man der
s achen wider billich uff art, wie die stätt gesezt, wann gleich zum andernmal
davon gehandelt werde, so schade es nicht, sonderlich weiln catholici die
stätt unter der amnisti nicht haben, sondern auff den Prager frieden weisen
wollen.
Bremen. Was den punctum correctionis majorum anlange, were sehr prae-
judicirlich , wann es solcher gestalt contra morem collegiorum, wie heut
geschehen, auffkommen solte. Das directorium habe zwey collegia darauß
und zwey vota curiata machen wollen. Weiln es nun eine sach von impor-
tanz , seye dahin zu sehen, daß es nicht mehr geschehe. Den modum aber, wie
es zu anden, betreffend, halte er dafür, wie Frankfurth, daß mit herrn Lam-
padio privatim daraus geredt und er gebetten werde, es dahin zu richten, daß
es nicht mehr geschehe, sonsten man es in publico anden müste. Zweifele
nicht, es werde bey ihme guten verfang haben.
Was die vollmachten anlangt, seye er zwar noch auf keinem reichstag gewe-
sen , habe aber doch soviel gesehen, daß es nicht brauchlich seye, ad singulos
actus sich zu legitimiren. Er habe sich hier und zu Münster legitimiret, seye
angenommen und von der zeit an keine nachfrage mehr geschehen.
Ulm. Unangesehen die majora dahingangen, daß man der catholischen vor
schläg vornehmen und der evangelischen dagegen conferiren solle, so seyen
doch der stätt vota, so in 34 bestanden, nur vor 16 gehalten und die majora
nicht attendirt worden.
Seye 2. beschwärlich, daß man die legitimationes diß orts begehre, da sich
doch ein ieder ad totum actum legitimirt habe, auch die stätt freye ständ
seyen und ein freyes votum haben. Werde inskünfftig können geandet
werden.
Daß sie 3. der stätt rationes in puncto amnistiae nicht attendiren wollen,
stelle er dahin, ob man es dergestalt, wie Frankfurth votirt, anden oder er-
warten wolle, wie sie morgen herauß gehen und das conclusum in puncto
amnistiae formiren werden. Was aber materiam anlange, halte er dafür, daß
man es bey heutigen und denen rationibus, so vor diesem vorkommen,
bewenden zu laßen hette, daß man der restitution hier gedenken und selbige
von dem puncto gravaminum nicht separiren solle.
Herford. Sagt, er habe ebenmäßig wargenommen, nachdem eine discre-
panz in vorschlägen vorgefallen und man stättischen theils der fürstlichen
nicht approbiren wollen, daß sie die köpff zusammengestoßen und hernacher
die vota, weiln sie ihrer intention zuwieder gewesen, anderst aufgenommen
haben, welcher eingang sehr beschwärlich, halte dafür, daß mit der andung
solang, bis man sehe, was sie vor ein conclusum bey dem 1. articul gemacht
haben, zurukh zu halten und wann es anderst, als die majora gefallen, lauten
solte, von Straßburg gleich im ersten voto zu anden und zu begehren seye,
daß man es also, wie es gestern verlesen worden, darzu man dißeits mehr ur-
sach als sie habe, einrichten wolle.
Eßlingen. Was der legitimation halber gesucht, were publice zu anden und
dabey zu gedenken, daß man sich gegen Mainz legitimirt habe. Der Magde-
burgische habe sich in dem, daß er 17 fürstliche vota und hingegen nur 16
stättische gezehlt, praecipitirt und nicht gewust, daß die stätt soviel in
vertrettung haben, daß man sich also gegen ihme noch zur zeit nicht zu
beschwären, sonderlich weiln in dem lezten das conclusum von ihme nicht
außgesprochen worden. Were also allein mit herrn Lampadio zu reden, und
darnach erst mit moderation von dem herrn directore in voto zu berühren.
Der amnisti halben habe er diese nachricht, daß die herren fürstliche mitein-
ander different seyen, wann sie an diesem orth verbleiben könte, were es gut.
Sie sagen aber, ienes weren 90 jährige gravamina, diese aber rühren von anno
1618 her, und dörffte ein punct den andern desto schwärer machen. Haben
also disput miteinander gehabt und die gravamina auf solche weis distin-
guirt . Welches er zur nachricht andeuten wollen; sonsten seyen sie mit denen
stätten ganz einig, allein daß sie förchten, daß der eine punct den andern, wie
gesagt, schwer machen dörffte.
Memmingen. Seye beschwärlich, daß das conclusum nicht nach den majori-
bus formirt worden, daß sie die gewalt in zweifel ziehen und dieselbe wegen
des puncti gravaminum in specie begehren, seye wider das herkommen.
Seine herrn haben wol gewust, daß die gravamina hier werden tractirt wer-
den , haben ihme aber deßwegen keinen absonderlichen gewalt ertheilet. Wiße
nicht, was die fürstliche damit suchen, daß sie der Kayserlichen und catholi-
schen vorschläge nicht nachgehen wollen. Sie werden diesen puncten auff-
ziehen , so lang es möglich, bevorab, weiln die herrn Schwedische begehrt,
daß man sich, wegen des termini a quo, eines endlichen erklären solle, man
werde ja mit den lezten einmal heraußer müßen.
Directorium. Daß die inconvenientien, so heut vorgeloffen, zu anden, seye
man durchgehend einig, in dem modo aber sofern different, daß etliche
wollen, man solle es privatim alleine, etliche publice allein, etliche auf
beederley weg, doch publice alsdann erst thun, wann man werde vernom-
men haben, wie das conclusum in puncto amnistiae laute. Diese leztere halte
er vor die beste meinung, weil sie zur erhaltung glimpfs am meisten diene
und noch niemand wiße, wie das conclusum abgefaßt werden möchte, deß
wegen keine exacerbation vorhero zu erweken, der auffsaz dörffte also
beschaffen sein, daß man keine ursach hette, sich darüber zu beschwären,
sondern vielmehr damit zufrieden sein. Indeßen aber könnte man privatim
mit einem und dem andern auß den herrn fürstlichen als mit den Braun-
schweigischen , Mekelnburgischen, Pommerischen, Würtembergischen und
Darmstättischen reden, wann sie der stätte vota pro curiato allein halten
wolten, daß man es nothwendig wiedersprechen müste. Was begehrte voll-
machten anlange, könte man es glimpfs halben bey deme, was heut dem
Magdeburgischen secretario im hinweggehen gesagt worden, bewenden
laßen, nemlich daß man vor unnöthig und dem herkommen zuwieder halte,
sich bey privat conventen de novo zu legitimiren. Wann aber die herrn
Magdeburgischen zweifel trügen, ob einer oder der ander soviel vota hette,
möchten sie bey dem reichsdirectorio, allwo die legitimationes schon über
geben , nachfrag haben. Solte ers nicht hinterbracht haben, könte mans
alsdann auch publice anden. Das begehren seye allein dahin angesehen, einen
und den andern scheu zu machen, so man aber nicht zu achten habe. Sonsten
es dahin kommen dörffte, daß, wann ein votum ihnen nicht gefällig, sie
legitimationem deßwegen begehren würden.
Ist also das Conclusum dahin außgefallen, man solle, was vorgangen, anden,
privatim bey einem und dem andern aus mittel der herrn Fürstlichen, pu-
blice , wann der auffsaz den votis zuwiederfallen sollte.