Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
67. 50. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juni 23 10 Uhr
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Osnabrück 1646 Juni 23 10 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 127–130’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
189’–193; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 225–229.
Bericht über Deputation zum schwedischen Gesandten Oxenstierna: Präzedenz der Reichsritter,
Erklärung der Städte zu den Gravamina.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Frankfurt, Herford auf der Rheinischen, Nürnberg, Memmingen,
Ulm, Eßlingen und Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Directorium referirt: Nachdem in neulichkeit für gut angesehen worden,
daß denen herrn Schwedischen zwey geschäfft hinterbracht und bester form
recommendirt werden sollen, seye daßselbe nächstverwichenen sambstags zu
9 uhren geschehen und das erste anbringen darinnen bestanden, daß man
herrn graf Oxenstirn nächst gebührender danksagung für beschehene com-
munication und ablegung anderer curialien der erbaren frey und reichsstätte
antwort und bericht auf der ritterschafft abgeordneten hinterrukhlich ein-
geschobenes memorial zu handen gestellt und dahin recommendirt habe,
daß die königlichen herrn plenipotentiarii bey abfaßung ihres instrumenti
pacis, deme in ihrer proposition zweifelsfrey mit sonderbarem bedacht und
auf vorher eingeholte des herrn reichscanzlers approbation gebrauchten
stylo inhaeriren und sich einige wiedrige vorbildung davon destoweniger
abwendig machen laßen wollten, ie höher die judicia, welche sowohl der
glorwürdigste könig Gustavus Adolphus als vorgedachte herrn reichscanz-
lers excellenzen von den erbaren frey und reichsstätten vor der ritterschafft
iederzeit gehabt, zu achten und zu halten und es über das an dem seye, daß
die stätt nicht von plebejis und gemeinen leuthen allein bestünden, sondern
auch grafen, freyherrn, edelleuth und andere rittermäßige geschlechter in
ihren rähten hetten, inmaßen deßen genugsame exempla, wo nöhtig, beyzu-
bringen weren
Vgl. J. Oxenstierna und Salvius an Kgin. Christine vom 22. Juni/2. August 1646 (APW [ II C 2 nr. 138 S. 346–350 ] ), wo das Anbringen der Reichsstädte nur beiläufig erwähnt wird ( [ S. 349 ] ).
Das andere geschäfft seye in überraichung der ferneren declaration in puncto
gravaminum beneben dieser ferneren anzaig bestanden, weiln die stätt hie-
bevor mit anderwertiger einrichtung derselben wegen kürze der zeit nicht
aufkommen können, wollten sie krafft damals und vorhero beschehener
contradiction, protestation und reservation selbige aniezo in solcher form
und ordnung übergeben, wie es subjectae materiae ratio erheische, von
anfang der ordo observirt gewesen und citra praejudicium der erbaren frey
und reichsstätte geschehen könnte. Mit bitt, denselben ordinem hiernechst
in puncto gravaminum ebenmäßig zu beobachten und denen stätten von
demjenigen, was bey der ersten übergab der praeposteration halber sich ver-
loffen , schein und urkunth mitzutheilen, der ritterschafft aber in dem instru-
mento pacis nicht als eines stands, wie derselben abgeordneter begehrt, viel
weniger vor denen stätten zu gedenken, sonsten es bey künfftiger subscrip-
tion sich
Hierauff hette nun hochermeldter herr graf sich ad primum vernehmen
laßen, er wollte nicht allein den auffsaz lesen
Vgl. Beilage K des in Anm. 1 erwähnten Schreibens (Druck Meiern III S. 580 –583).
communiciren und alsdann mit der stätte deputirten weiter unterred darüber
pflegen, sondern auch bey
allein gebrauchtem stylo bleiben. Es werde aber das meiste bey denen herrn
Kayserlichen, ob sie es dabey laßen wollen, stehen, weiln sie, die herren
Schwedische, keine richter diß orts entstandener zweyung seyn. Die vor-
nehmste argumenta, darauff sich die ritterschafft fundire, bestehen darinnen,
daß sie ein stand des reichs und mitglied des fürstenrahts gewesen, in vielen
reichsabschieden auch denen stätten vorgezogen worden seye, nicht zwei-
flend , es werde denenselben in überraichter schrifft zu genügen geantwortet
und begegnet sein. Ad secundum aber gesagt, er verstünde von andern
soviel, man seye nicht allein quoad ordinem, sondern auch materiam et
substantiam und sonderlich, was den terminum a quo et ad quem in puncto
amnistiae et gravaminum concernire, mit den herrn fürstlichen different,
were also gut, wann man darinnen noch fernere erläuterung haben könnte.
Wonach die deputirte sich der verstatteten audienz und gethanem anerbieten
zum fleißigsten bedankt und ferner angezeigt, daß angeregte vermeinte
fundamenta in überreichter antwort und bericht dergestalt enervirt und
abgefertiget seyen, daß verhoffentlich aller zweifel ratione praecedentiae
damit fallen und verschwinden werde. Mit fernerer vermeldung, es wollen
die herrn fürstliche selbsten nicht geständig sein, daß die ritterschafft von
200 jahren hero einigen stand und stimm im fürstenraht gehabt habe, da
dann auf eines außlaufe, ob sie nie kein stand des reichs gewesen oder nicht
geblieben seye. Deßwegen auch der augenschein bißhero gegeben habe, daß
sie des juris sessurae et suffragii nicht theilhafftig gewesen, noch in ermange-
lung nohtwendiger requisiten für einen standt des reichs gehalten worden
seye. Bey dem herrn grafen von Trautmansdorff werde sich verhoffentlich
das werkh nächst beybringung und erinnerung der stättischen information
auf andern fuß undt zwar desto leichter stellen laßen, weiln Ferdinandus I.
anno 1555 dafür gehalten, wann mit der ritterschafft wie mit reichsständen
tractirt werden sollte, daß solches nicht allein zu schmälerung Ihrer Kayser-
lichen Mayestät habenden hoch- und obrigkeiten, deren die ritterschafft
allein unterworffen, sondern auch zu abkürzung der ritterschafft selbst
aigener freyheiten und alten herkommens gelangen würde
Die Reichsritter waren zwar reichsunmittelbar, aber nicht reichsständisch. Dies bedeutete u. a.,
daß sie zu keinen Reichsanlagen herangezogen wurden, sondern den Kaiser fallweise mit einem
subsidium charitativum unterstützten. Cum grano salis gilt, daß die Reichsritterschaft im
Reich fast die gleichen Rechte wie jeder Reichsstand hatte, aber keine Pflichten ihm gegenüber (zur
reichsrechtlichen Lage der Reichsritter G. Pfeiffer ; H. H. Hofmann S. 95–106 mit
weiterführender Literatur; V. Press ).
lischen fürstenraht seye bereits ein exemplar übergeben und solle derglei-
chen gegen dem Churmainzischen directorio zu Münster auch geschehen.
Gegen der ritterschafft abgeordnetem aber seye es darumb keiner commu-
nication vonnöhten, weiln derselbe den stätten auch nichts communicirt,
sondern seine memorialia hin und wieder per cuniculos allein insinuirt und
denen stättischen abgesanden bedenklich fallen wolle, mit demselben in
fernere schrifftliche contestation zu tretten, weiln weder die sach hujus loci
noch er von gesambten rittersgliedern gevollmächtiget, sondern wißend
seye, daß die catholische, so die majora machen, ihme keinen gewalt gegeben
und unter den evangelischen über 3 oder 4 nicht belieben ob diesem compe-
tenzstreit tragen. Wann aber die ritterschafft ie nit ruhen könnte oder wolte,
werde derselbigen an gehörigem orth deßwegen red und antwort zu geben,
dem erbaren stättcollegio ganz nicht zugegen sein.
Das andere geschäfft betreffend seye begehrte erleuterung dahin gangen, es
begehrten die stätt weder einen terminum intermedium quoad restitutionem
noch in puncto gravaminum einige temporalitatem, so lang das jahr 1618
und die perpetuitet bey denen herrn Kayser- und catholischen zu erhalten,
sondern auf den eußersten fall allein, da man ex adverso lieber alles zu
scheitern gehen laßen, als in diesen beeden puncten etwas weichen und den
evangelischen nachgeben wollte. Womit er zwar zufrieden gewesen, in
discursu aber angedeutet, daß sie von hof auß, bey dem jahr 1618 zu beste-
hen , expresse instruirt seyen und das nicht allein wegen der Pfälzischen sach,
sondern auch der Kayserlichen erbländer und aller denen, so bey dem Manß
feldischen , Baden Durlachischen und Braunschweigischen wesen interessirt
gewesen
und auffgezeichnet seyen, zu seiner zeit auch wol empfinden werden,
warumb man Kayserlichen theils auff dem jahr 1627 bißher so hart bestanden
seye. Habe darauff von dem, weßen sowohl der herr graf von Trautmans-
dorff vor seiner abreiß in einem und dem andern puncten gegen ihnen sich
vernehmen laßen, als die herrn Chursächsischen
Johann Ernst Pistoris auf Seußlitz, kursächsischer Rat und Appellationsrat, vertrat seit April
1646 gemeinsam mit Dr. Johann Leuber Kursachsen in Osnabrück (H. J. Schreckenbach
passim; J. Gauss , Wettstein S. 299; APK 19749–19751; APW [ II C 2 S. 313 Anm. 2 ] ).
apertur dahin gethan, daß jenes meistentheils auf dem inhalt der beylag nº. 1,
dieses aber auff den contentis der beylag nº. 2, so bereits per dictaturam
communicirt, bestanden. Außer denselben hette er zu verstehen gegeben,
daß ihnen loco satisfactionis noch nichts gegeben seye, weiln die herren
Kayserliche ihr erbieten auff das, so zu vergeben in ihren mächten stünde,
gestellet hetten, da sie doch kein recht daran haben. In der Pfälzischen sach
möchte vielleicht ein medium dahin getroffen werden, daß die dignitas
electoralis bey Bayern (welchen die herrn Chursächsische pro administratore
mehr als electore erkennen wollten) ad dies vitae bliebe, nach der hand aber
auff Pfalz per alternationem käme, und also fürters damit gehalten würde.
Was aber das territorium belange, müßte solches, wie es anno 1618 gewesen,
restituirt werden. Herr graf von Trautmansdorff aber bestehe noch bey
beeden in dem Kayserlichen instrumento pacis vorgeschlagenen mitteln.
Wegen des termini a quo habe erst hochermelter herr graf zu dreyen ver-
schiedenen mahlen an seine brust schlagend hoch betheuret, daß
der Kayserlichen erbländer ad annum 1618 nicht zu bringen seye. Es halten
auch die herrn Chursächsische dafür, daß es zu des verstorbenen Kaysers
höchsten disreputation geraichen würde, wann man alle deroselben seit anno
1618 vorgangene actiones zumal über einen hauffen werffen und umbstoßen
wollte. Worauf sie, die herren Schwedische, geantwortet, sie möchten wün
schen , daß selbige actiones also beschaffen weren, daß sie keiner reformation
von nöhten hetten. Die denen ständen zustehende jura wollten die herren
Kayserliche begehrter maßen einrichten und, daß in puncto commerciorum
alles in vorigen stand gestellet werde, geschehen laßen. Die politica grava-
mina aber, sambt dem justitienwesen, müsten ad comitia proxime futura
verschoben und eingestellet verbleiben. Ratione termini ad quem hetten sie,
die herrn Schwedische, begehret, es dahin zu richten, daß nach ablaufung
der 100 jahr die actiones und gerichtliche process in mangel des gesezes und
unpartheyischen gerichts unterlaßen und alles auf amicabilem compositio-
nem gerichtet werden möchte. Der herr graf von Trautmansdorff aber habe
sich entschuldiget, daß ers ohne vorgehende communication mit denen
catholischen nicht einwilligen und zugeben könnte. Über die Chursächsische
hetten sich die fürstliche beschwäret, daß sie sich einer direction oder inter-
position in puncto gravaminum irrequisitis, insciis et invitis reliquis statibus
evangelicis anmaßeten, da doch die cron Schweden darumb ersucht worden
seye. Der herr graf von Trautmansdorff seye mit denselben vorschlägen
anderst nicht hinübergeraißet, als wann sie von gesambten evangelischen
ständen herrühren theten und dieselbe damit zufrieden weren. Die Chur
sächsische aber haben es damit entschuldiget, daß sie es für ihre persohn
allein, ohne churfürstlichen befehl und citra praejudicium reliquorum evan-
gelicorum gethan haben.
Als nun sie, die deputirte, hac occasione data, angezeigt, wie es die herren
fürstliche bißher mit denen stättischen gemacht, wann von fürsten und
ständen deputationes seyen erfordert worden, hette sich der herr graf ultro
dahin erbotten, dem stättischen directori dergleichen begehren hiernechst
ebenmäßig andeuten und denen erbaren stätten das instrumentum pacis, so
bald sie von der Französischen conferenz wiederumb zurukh gelangt sein
werden, zukommen zu laßen.
Diß seye das vornehmbste, was bey diesem ansprechen sich verloffen habe,
dafern ihme aber etwas auß der gedächtnus gegangen were, werden es die
übrige herren mitdeputirte zu ersezen wißen.
Nürnberg: Dankt für umbständlich abgelegte relation, sagt, wiße weiter
nichts zu addirn, als daß er wargenommen, daß herr Oxenstirn vermeint,
daß dasjenige, so ihnen von den herrn fürstlichen bißher hinterbracht
worden, nomine der fürsten und stände geschehen seye. Und daß die herrn
Schwedische mit den herrn Chursächsischen nicht allerdings zufrieden,
sondern davor halten, ob theten sie mehr verderben als gut machen, dadurch
die catholische hartnäkiger werden.
Lübeck. Wiße weiter nichts zu addiren, seye alles mit umbständen referirt
worden, ihme aber das werkh also vorkommen, als wann 1. die herrn
Schwedische ein disgousto wieder die Chursächsischen wegen deßen, so sie
gethan, gefaßt hetten, 2. daß sie nicht gut heißen oder rühmen wollen, daß
die stätt von dem termino de anno 1618 uff allen fall zu weichen, gemeint
weren und dann 3., daß sie die deputation von denen herrn fürstlichen, wie
bißher, also auch noch fürters continuirt sehen möchten. Zu was end aber
sie, die herrn Chursächsischen, nicht wol leiden mögen, wolle er anderer
judiciis überlaßen.
Memmingen. Wiße weiter nichts darzu zu sagen, alß daß der herr graf
Oxenstirn bey dem puncto restitutionis gesagt, es müsen alle stände, sonder-
lich aber Pfalz, quoad bona, wieder in den stand, darinnen sie anno 1618
gewesen, restituirt werden. Item, daß er, als er sich über die Chursächsische
beschwärt, das wort turbant gebraucht und gesagt, sie werden nur
unter den ständen machen.
Frankfurt. Danken vorderist dem herrn directori und übrigen herrn
deputatis für übernommene mühe und abgelegte stattliche relation, sagen, es
werde verhoffentlich aniezo die differenz mit der ritterschafft auf beßern fuß
als vorhero stehen. Zeigen dabey an, sie hetten soviel nachricht, daß die
ritterschafft in puncto assecurationis vor-, in andern orten aber nachstehe,
werde verhoffentlich keine noht damit haben, sondern der stätt interesse in
integro verbleiben. Die Sächsische actiones seyen iederweilen schlecht
genug gewesen. Man habe niemalen sagen wollen, daß die stätt in puncto
amnistiae mitbegriffen seyen, sonderlich aber Augspurg
Den Protestanten in Augsburg blieben nach dem Restitutionsvertrag von 1548, der 1582 bestätigt
wurde, nur wenige Kirchen in der Stadt; nach der Eroberung 1635 durch ksl. und bayerische
Truppen hatte sich der Druck auf die evangelische Bürgerschaft noch verstärkt (F. Roth III
S. 485, 537f; P. v. Stetten II S. 792ff.; W. Zorn S. 189ff, 216ff).
nicht, wer restituirt werden solle. Hiernechst werden sie sagen, dieses oder
jenes gehöre unter die res judicatas oder seye im Prager frieden außgemacht.
Das verbum amnistiae, sagen die herrn Kayserlichen, seye verbum bellicum;
was die stätt nicht in puncto gravaminum erlangen, seye verlohren. Haben
noch etliche particulargedanken, begehren sie aber dißmal nicht zu eröffnen.
Ulm. Dankt gleicher gestalt den herrn deputatis für übernommene bemü
hung und abgelegte relation, wiße nichts dabey zu erinnern. Habe ungern
vermerkt, daß die herrn Schwedische gesagt, daß sie es, ratione praeceden-
tiae , ungefehr so gesezt haben; wolte hoffen, sie werden auff diesen bericht
andere gedanken faßen. Bey dem 2. puncten seye er erschroken, daß sie auff
den extremis ratione termini a quo zu bestehen begehren. Habe selbsten von
herrn graf Oxenstirn gehört, daß in omnem eventum auf ein tempus inter-
medium zu gedenken were; daß sie nun von hof aus aniezo anderst befelcht
sein sollen, höre er sehr ungern, halte, daß leuth hier sein, die das werkh also
treiben, das instrumentum pacis werde viel erläutern.
Herford. Sagt, praevia gratiarum actione erga dominos deputatos, wiße
nichts zu erinnern, were nicht nöhtig, daß die herrn Kayser- und Schwe-
dische auf denen extremis bestünden.
Eßlingen. Quoque, müse dahin gestellt sein laßen, daß die herrn Schwe-
dische ihre resolution geändert und andern befehl von hof außbekommen
haben. Wiße sonst nichts zu erinnern.
Lindau. Dankt ebenmäßig denen herrn deputirten, sagt, seye nachdenklich,
daß die herrn Chursächsische insciis reliquis evangelicis, dieses gethan und
Trautmansdorff daßselbe, als wann es der gesambten evangelicorum vor
schläge weren, mit hinüber genommen habe. Halte, daß es zu anden were,
ob mans aber stättischen theils allein thun solle, wiße er nicht, wann man bey
Magdeburg zusammenkomme, könne man davon reden.