Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
44. 27. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 März 31 15 Uhr
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Osnabrück 1646 März 31 15 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 64–66’ = Druckvorlage; Strassburg A A 1144 fol.
95’–99; Ulm A 1560 o. F.; Isny Büschel 868 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol.
122–125.
Schreiben und Memorial Regensburgs. Manila der katholischen Stände in Münster über erste Klasse
der schwedischen Replik. Einwände gegen Leuchselrings Vertretung der gemischt-konfessionellen
Städte Augsburg, Ravensburg, Dinkelsbühl und Biberach. Spezialgravamina Nürnbergs.
Anwesend: Straßburg, Lübeck auf der Rheinischen, Nürnberg, Ulm, Eßlingen und Lindau auf der
Schwäbischen Bank.
Directorium. Zeiget an, daß ihme herr Wolffius beneben einem schreiben
etliche exemplaria von der Regenspurgischen commissions sach geschikt
und gebetten habe, solche unter die herren collegas zu distribuiren, mit der
anzeig, daß er instehende wochen folgen und, solang die gravamina alhier
tractiert werden möchten, dem stätt collegio beywohnen wolle.
Habe zwar dieser tagen ein privat schreiben von Münster empfangen, wor-
innen gedacht, daß die wider Leuxelrings Augspurgische und andere vota
eingerukte parenthesis drüben für eine separation und trennung wolle
angesehen werden, daßelbe aber auff sich ersizen laßen, bis ihm gestern ein
schreiben vom collegio zu Münster, neben der catholicorum ferneren moni-
tis super prima classe zugestellet worden, welches auch verlesen, darinnen
dann sonderlich enthalten, daß sie sich umb erst angeregter ursachen willen
und daß es zu mehrerem mißverstand und weitleufftigkeit außschlagen
werde, zu berührter parenthesi nicht verstehen können, mit bitt, selbige auß
zulaßen oder doch alio convenienti loco zu sezen und hingegen die monita,
weilen sie keine substantialia berühren, dem concept beyzuruken, mit der
ferneren anzeig, daß sie ihre bereit aufgesezte meinungen super reliquis
tribus classibus durch eigene abordnung oder sonsten gebührend ehister
tagen einschiken wollen, damit alle vier classes zugleich, weiln es zu mehrer
befürderung des friedens dienen werde, außgeliefert werden möchten.
Demnach sein die monita auch abgelesen und ihnen fast in allem, wie es der
aufsaz mit sich bringet, außgenommen in dem gefolgt worden, daß sie 1.
begehrt, man solle pro „höchstansehliche“, „hochansehliche“ sezen, da
doch von der fürsten und stände deputirten der herr graf von Trautmans-
dorff iederzeit also titulirt worden und man der ehren nicht zuviel thun
könne, sonderlich an seiten der stätte, denen nicht gebühren wolle, weniger
zu thun als die fürstliche, da es doch nichts koste und man die churfürstliche
„höchstansehlich“ titulire, denen die kayserliche und königliche herren
plenipotentiarii billich vorzuziehen.
2. Daß sie begehrt, man solle die wort „gnädig und großgünstig“ im pro-
oemio außlaßen, da doch sowol denen cronen als Kayserlicher majestät
dankh gebühre, weiln man sie nicht hette zwingen können, ihre propositio-
nes auszustellen, wann sie nicht selbsten gewollt.
3. Daß sie begehrt, man solle anstatt des paragraphi anfangend: „Von dieser
der“, sezen: „Obwol dieser“.
Über der frag, ob die wider Leuxelring eingeführte parenthesis außen
bleiben solle, ist eine sondere umbfrag gehalten worden.
Lübeck. Halte dasjenige, was von Münster geschrieben, für eine feinte, man
solle die clausulam darinnen laßen, stehe denen catholischen frey, sich zu
separiren und dem Leuxelring gar weg zu gehen, seye ein falsus mandatarius,
Biberachische und andere gewalt liegen da, habe deßwegen an herrn Dr.
Ölhafen geschrieben, aber dato noch keine antwort erhalten; ob sie aber
eben an dem ort oder zu end des bedenkens zu sezen, stelle er dahin. Müße
im bedenken sein, sonsten würden es die cronen und fürstliche empfinden,
man könne sich gegen den Münsterischen entschuldigen, daß umb erheb-
licher ursachen willen ihnen in diesem
werden können. Die bedenken werden alle gedrukt, seye versichert, daß
Leuxelring wegen Augspurg nicht werde zugelaßen werden.
Nürnberg. Habe sich schon über diese frag vernehmen laßen, man habe sich
damit nicht aufzuhalten; verstehe, daß sich auch höhere des werkhs anneh-
men werden. Stellts, ob es absonderlich hinden, forne oder in der mitten,
weiterung und andere ungelegenheit zu verhüten, zu sezen seye, damit das
hauptwerkh dadurch nicht verhindert werde. Seye Augspurg als eine catho-
lische statt vocirt, des Leuxelrings person werde der sach nichts geben oder
nemen, werden die gute leuth ungelegenheit darob empfinden, weiln man
davor halten würd, daß es von ihnen herkomme. Wann die restitution auff
annum 1618 oder nur 27 gesezt werde, habe es mit der statt ohne dies keine
noht.
Ulm. Habe sich wol eingebildt, es werde labores geben, Cölln wolle die
hiesigen nur intimidiren, ob würde es zu einer separation außschlagen und
trennung geben. Und obwoln wegen der bürgerschafft zu Augspurg und
anderer orten, weiln man noch nicht wiße, ob diese tractaten glück- oder
unglücklich außlaufen werden, behutsam zu gehen, so seyn doch die rationes
in contrarium viel relevanter als diejenige, so sie vorgebracht. Die Augs-
purgische bürgerschafft habe allen stätten zugeschrieben und gebetten, ihnen
zu adsistiren. Wegen Biberach und Ravenspurg habe er in specie befehl,
könne also nicht sehen, wie denen Münsterischen in hoc puncto deferirt
werden könnte. Weiln nun allen daran gelegen und man nur spott davon
hette, wann ihnen willfahrt würde, habe es billich bey dieser contradiction
sein bewenden.
Eßlingen. Repetirt vorderst das vorgehende votum per omnia, sagt dem-
nach , daß in respect des Leuxelrings nichts nachzugeben und hingegen
soviel tausent seelen in gefahr zu sezen seyen. Er unterstehe alle zu registri-
ren , fürstliche werden nicht darein consentiren, wann schon wir anders thun
wollten, solle es stehen laßen, wie es gestanden und
schon zu weit damit kommen, laße sich nicht mehr heraußer thun. Wolle
dis sein votum auch in übriger seiner committenten nahmen repetirt haben,
werde denen selben aufs wenigst wolgefallen, wann sie sehen, daß man es
geandet habe. Wolle Leuxelring hinweggehen, stehen ihm die thor offen.
Lindau. Seye nach notturfft von der sachen geredet, wiße nichts zu addiren,
seye billich, daß sie nicht für catholische vota gehalten werden, weiln der
evangelische bürgerschafft daselbst mehr und theils darunter contradicirt
haben, geschehe das begehren allein in praejudicium der evangelischen
bürgerschafft; wann die contradictio heraußer gelaßen werden sollte, würde
es die evangelischen graviren.
Directorium. Es seyen der fragen zwo: 1. Ob man sich der evangelischen
bürgerschafft annehmen und dahin, daß sie in statum anni 1618 gesezt
werde, trachten, auch des Leuxelrings vier vota contradiciren wolle? 2. Ob
die clausula contradictoria in dem bedenken bleiben müse oder die protesta-
tio mit gleichem effect a part geschehen und übergeben werden könne?
Die erste seye vorlängsten außgemacht und dahin gehen auch angeführte
rationes. Bey der anderen aber förchte er, man dörffte wider einen scopulum
fahren und das publicum dadurch retardiren, im übrigen aber nichts auß
richten . Daß special befehl vorhanden, wider Leuxelring zu protestiren, seye
gut, sie gehören aber nicht in den hauptbedacht, sondern müsen beym
protocoll eingeliefert werden. Daß evangelische an etlichen orten mit im
raht sizen, seye kein zweifel, ob aber der catholischen nicht mehr seyen, stelle
er dahin. Der bürgerschafft stehe nicht zu, des magistrats gewalt zu dispu-
tiren , die obrigkeit habe die jura status und nicht die unterthanen, sonsten
würde der Papisten vorgeben approbirt, in dem sie sagen, die reichsstätte
haben keine jurisdiction, sondern seyen nur vorsteher und gubernatores der
bürgerschafften, welche im übrigen alle recht und gerechtigkeiten mit dem
raht gemein haben. Wann dem haubtgeschäfft eine remora hieraus zuwach-
sen sollte, würde es den höheren collegiis in die faust gespielt sein, welche
ohne das damit umbgehen, wie sie die stätte mit ihrem voto curiato zurukh-
sezen können. Wann sich die catholische umb dieser
den evangelischen separiren sollten, würde man den bedacht von uns allein
nicht annehmen wollen, sondern sagen, es seye nur ein einseitiges bedenken;
stellt zum nachdenken, was für consequenzen daraus erwachsen könnten,
wann man von der re- und correlation deßwegen abgehalten werden sollte.
Seyen noch andere media obhanden, die vota zu widersprechen, diejenigen,
so befehlt, können darwider protestiren und ihre contradictiones hier und zu
Münster übergeben, finde keine rationes, warumb es eben hierher gehörte,
wann der scopus erreicht werde, seye an dem modo wenig gelegen. Die
interessirte werden uns keinen dankh deßwegen wißen, sondern besorglich
nur desto härter leiden müsen. Wann ein ander expedienz obhanden, wolle
er gern darein condescendiren, halte, daß eine protestatio aufzusezen und
dem protocoll beyzulegen seye; werde vom größeren effect seyn. Der herren
Schwedischen intention gehe dahin, die evangelische bürgerschafft zu resti-
tuiren ; wir hettens auch bereits gesucht und wollens noch ferner thun. Daß
der stätt bedenken wegen dieser contradiction zurukhzuhalten, seye nicht
thunlich, man werde uns unter die naasen streichen, daß in dem memorial in
puncto commerciorum die statt Augspurg unter die catholische gesezt und
gerechnet worden. Bleibe also der meinung, daß es auff eine andere weiß
anzugreifen seye. Protestirt in eventum, da es übel ablaufen und in principali
einige hindernus daher entstehen sollte.
Worauf endlich das Conclusum und zwar unanimiter dahin gangen, daß die
contradictio zu end des catholischen bedenkhens in puncto amnistiae ange-
henkt werden solle.
Directorium. Erinnert ferner, das erste und andere membrum des schrei-
bens seye bereits erledigt, die übrige werden verhoffentlich ihre abfertigung
bald bekommen, als daß man der abordnung von Münster erwarten wolle;
wo sie nicht bald kommen, könnte man den aufsaz mit eigenem botten
hinüber schiken, weiln künfftigen freytag die re- et correlatio vorgehen
solle. Weren also zu bitten, daß sie sich befördern, sonsten, wann was ver-
absaumet werden sollte, wollte man dis orts entschuldiget sein.
Nota. Weiln nach vollender deliberation, daß Leuxelring in loco seye,
gedacht, ist davor gehalten worden, daß derselbe vorderst zu besprechen
und zu hören seye, ob er der übrigen drey classen halben commission oder in
deßen der Münsterischen bedenken empfangen habe. Welcher aber auf
beschehenes ansprechen diese antwort ertheilt, daß er weder commission
noch das bedenken empfangen, sondern diese nachricht habe, daß die herren
deputirten zu abhandlung
sich einfinden werden, worauf das schreiben unterblieben.
Nürnberg. Zeigte an, daß ihme seine herren und oberen geschrieben haben,
ihrer in puncto rerum judicatarum in specie wegen der ihnen ehe deßen am
Kayßerlichen reichshoffraht abgesprochenen St. Jacobskirchen und Elisa-
37–10 in specie – würde] Berichtigtes Votum in Nürnberg . Ursprünglicher Wortlaut in
Strassburg , Esslingen in specie zu gedencken, sagt, daß ihnen eine capell a
gemacht und process
Nürnberg nichts in der sachen beschlossen gehabt, seye aber doch davor angenommen
und die münchen immittirt worden b . Wolle demnach gebetten haben
specie zu gedencken, in hoffnung, es werde
a eine capell] Strassburg St. Jacobskirch und Elisabeth capell.
b und – worden] Strassburg und sie die vermeinte clagen reimmittirt worden.
bethscapellen zu gedenken
Hier ging es um eine jahrzehntelange Auseinandersetzung zwischen Nürnberg und dem Deutschen
Orden vor dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat über die Frage, ob der Orden in Nürn
berg , speziell in der St. Elisabethskapelle, dem Deutschordenshaus und in der Jakobskirche, katho-
lische Religionsausübung betreiben dürfe. Der Reichshofrat gab in dieser Auseinandersetzung dem
Orden recht und sprach ihm die beiden umstrittenen Kirchen zu. Aufgrund der schwedischen
Besetzung war diese Entscheidung zeitweise suspendiert. Auf dem Westfälischen Friedenskongreß
wurden die Streitereien schließlich auf eine Nürnberg günstige Art beigelegt ( Meiern IV
S. 901 , 927, 970; VI S. 185, 751; E. Franz S. 279, 287, 302, 330).
und dergestalt hergangen, daß, obwoln im klaglibell der Jacobskirchen nicht,
sondern allein der Elisabethscapellen gedacht, auch auf seiten der statt
Nürnberg nicht submittirt, der Schluß iedoch ex officio angenommen und
ihnen neben der Elisabethscapellen auch die St. Jacobskirchen abgesprochen
worden. Ob nun woln ratione der kirchen es zur execution nicht gelanget, so
hette man doch ursach, bey dieser occasion zu vigiliren, bete demnach, bey
diesem pass der statt wegen gedachter kirchen und capellen nahmentlich zu
gedenken und loco commodo einzuruken, verhoffte, solches niemanden zu
entgegen sein würde.
Lübeck. Habe jederweilen dafür gehalten, daß nichts außzulaßen seye, was
auch dem geringsten privato dienlich sein möge. Wann es aber unter der
gemeinen und generalregul verbliebe, were es beßer, dann fast keine reichs-
statt , die nicht in hoc puncto gravirt. Wann man einer gedenke, müße
necessario der andern auch gedacht werden, doch wann man meine, daß es
zur sachen diene und andere nichts praejudicire, laße er ihme gefallen, daß
der statt in specie gedacht werde.
Ulm. Sagt, man könne in deme, quod nemini nocet, et alteri prodest, wol
willfahren. Seine herren und oberen liegen eben auch in diesem spital krankh,
bitt, wann man Nürnberg in specie gedenkt, der statt Ulm auch nicht zu
vergeßen.
Eßlingen. Laßts geschehen, daß derselben gedacht; wann man aller geden-
ken wollte, würde es gar weit hinauslaufen und einen langen catalogum
abgeben. Memmingen habe eben den fall wie Nürnberg.
Lindau. Vergleicht sich mit vorgehenden votis.
Directorium. Es seye der statt bey dem auffsaz gedacht gewesen, herr Dr.
Ölhafen habe es durchstrichen und gesagt, werde nur ursach zu scrupuliren
geben, weiln fast ein ieder seinen adversarium in loco habe; wann man eine
statt einruken wolle, müße man aller gedenken.
Conclusum. Soll bey dem aufsaz aller gedacht werden.