Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
31. 14. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Februar 23

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14. Sitzung des Städterats


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Osnabrück 1646 Februar 23

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Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 29’–32 = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
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41–42’; Ulm A 1560 o. F.; Isn : Büschel 868 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol.
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50–53; Stockholm Salv. Slg. E 5274 vol. XXIV nr. 77 fol. 5’–7’; vgl. ferner Bremen 2 – X.
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8. m.

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Präzedenzstreit mit den Reichsrittern. Deputation zum Städterat nach Münster: Abstimmung der
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städtischen Haltung in Handelsfragen und der ersten Klasse der schwedischen Replik sowie im
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Präzedenzstreit mit den Reichsrittern.

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Anwesend: Straßburg, Bremen, Herford auf der Rheinischen, Eßlingen und Lindau auf der Schwä
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bischen Bank.

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Straßburgisches Directorium. Seye zwar von dem Churmainzischen
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directorio den stättischen vor dißmal nicht angekündet, sondern diese
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zusammenkunfft von ihme für nöhtig gehalten worden, weiln er in dem von
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den evangelischen fürstlichen in puncto amnistiae gefaßten bedenken war-
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genommen , daß diesem löblichen collegio die freye reichsritterschafft seye
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vorgesezt und also ratione des bekannten praecedenzstreits ein großes prae-
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judiz zugezogen worden

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Gutachten der ev. Fürsten in Meiern II S. 312–317, insbes. S. 314 ; Gärtner VIII S.
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199–211, insbes. S. 203. Memorial der Reichsstädte zur Präzedenz vom 23. Februar in Köln
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Köln und das Reich 259 Mappe Februar. Zu den Auseinandersetzungen zwischen Reichsrittern
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und Reichsstädten um die Präzedenz vgl. G. Pfeiffer , Reichsritterschaft; G. Buchstab
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S. 98–108.
. Der Lübekhische herr abgesande, welcher vor-
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gestern bey dessen ablesung gewesen, habe zwar vermeinet, daß es allein auf
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die mediatstätt angesehen und die reichsstätte unter vorhergehenden worten
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„reichsstände“ begriffen seyn. Es gebe aber der klare buchstaben des con-
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cepts in unterschiedenen päßen soviel zu vernehmen, daß die immediatstätt
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ebensowol als die mediatstätt der reichsritterschafft nachgesezt und also
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nohtwendig dabey zu vigiliren seye, zwar umb soviel mehr, weiln auch der
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ritterständische scribent bey der fürstlichen dictatur sich eingefliket und
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admittirt worden. Deßwegen er dem Weymarischen herrn abgesanden, Dr.
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Heher

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Dr. Georg Achaz Heber Heher ( 1601–1667 ), nürnbergischer Konsulent und sachsen-gothaischer Rat,
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Gesandter von Sachsen-Weimar (J. L. Walter S. 59–61; Bildnisse II S. 2; ADB XI
S. 291; APK 11058–11061; J. Soeffering u. a., Leichenpredigt. Rudolstadt 1667 ).
, weiln er sich in der statt Nürnberg pflichten befinde, zugesprochen,
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aber gar schlechte satisfaction bekommen habe. Werde demnach davon zu
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reden sein, was bey diesen neuerungen zu thun, er seines theils seye von
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seinen herrn principalen in specie instruirt, denen ritterständischen nichts
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nachzugeben, das zu praejudiz auch der geringsten statt gereichen möchte.
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Sehe nicht, wie die fürstliche hierzukommen, besonders da 1. nicht allein die
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confoederirten cronen Frankreich und Schweden in ihren propositionen,
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sondern auch die Kayserlichen in ihren responsionen denen stätten ihre
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gebührende praecedenz geben, sie der

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24–26 ritterschafft – die] Fehlt in Stockholm .
ritterschafft vorgesezet und also die
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stände, bey derselben ordnung zu verbleiben, noch mehrere ursach haben.
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2. Seye die ritterschafft kein status imperii, wie sie dann denen reichsstätten
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als undisputirlichen ständen des reichs vorgezogen werden können. Deren
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stattregimenter 3. etlicher orten,

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28 wie – Straßburg] Fehlt in Ulm , Esslingen , Isny .
wie insonderheit zu Straßburg, mit vor-
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nehmen adelichen geschlechtern vermenget, und also die stätte duplici
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respectu vordringen. Dahero auch 4. die stätt, und weiln sie in ihren terri-
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toriis jura principum haben, gold und silber münzen dörfften und andere
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praerogativen vor der ritterschafft haben, vom kayser Sigismundo nobilia et
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sancta imperii membra genennt worden. Deßwegen sie auch 5. der ritter-
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schafft einige praecedenz weder in anno 1619 zu Nürnberg noch in anno

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1634 zu Frankfurth laßen wollen

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Vgl. dazu J. Müller , Reichsstädtische Politik S. 641–648; M. Ritter III S. 69ff., 583ff.; G.
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Pfeiffer , Reichsritterschaft S. 216–219; J. Kretschmar II S. 298–301, 385–388.
, sondern sich 6. in notoria et ultra hominis
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memoriam ascendente possessione vel quasi bester form manitenirt haben.

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In dem religion und Prager frieden seyn zwar die nobiles denen stätten
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vorgesezt, daneben aber auch bekannt, daß der auffsaz nicht in allem zu der
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ständ belieben, sondern nach königlicher majestät willen seyn verfaßet, zu
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dem Prager frieden aber weder stätt noch stättfreund gezogen worden.
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Zudeme, so seye nicht exemplis, sondern legibus zu judiciren oder, da man ie
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auf exempel wolle gehen, solle man sich des jüngsten, darinnen die stätte wie
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obgemeld vorgesezt, gebrauchen.

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Fürs ander, seye zwar dieses ein conventus extraordinarius, es habe sich aber
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deßwegen noch niemand seines rechtens begeben oder ihme an praecedenz
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und praedicaten den geringsten eintrag thun laßen; welches dann auch die
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stätte nicht zu thun schuldig. Zu dem so werden alle handlungen nach dem
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reichsherkommen eingerichtet und die deliberationes collegialiter gepflogen,
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dabay die ritterschafft nichts zu thun, ob sie gleich, weiln sie von denen con-
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foederirten cronen und Ihrer Kayserlichen Majestät beschrieben worden, ein
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mehreres recht als auf ordinari reichstägen zu haben vermeinen. Dann die
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beschreibung kein jus praecedentiae tribuire, sondern salvo jure tertii ver-
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standen werde. Die ritterschafft möge denen tractaten wol beywohnen,
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müste aber ihre negocia a part tractiren, wie in dem reich herkommen und
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sie anno 1555 selbsten begehret. Halte demnach davor, 1. daß dieses löbliche
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collegium eine deputation machen und das Magdeburgische directorium
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inständig ersuchen solle, in betrachtung oberzehlter rationum die neuerung
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abzustellen, welche sich sowol wegen deß ad dictaturam gelaßenen scri-
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benten als auch in dem concept zu der reichsstätte höchstem praejudiz
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begeben. Und dieweiln zu besorgen, daß es Magdeburg nicht simpliciter
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übernehmen, sondern dem fürstenraht hinterbringen, daselbsten aber diffi
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cultäten geben möchte, so müste man 2. an allen

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28 fürstlichen] Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny dienlichen.
fürstlichen orten unter-
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bauen . Und 3. mit denen stättischen zu Münster fürderlich davon commu-
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niciren und conjunctis viribus sich bey dem alten herkommen suchen hand-
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zuhaben . Sollte aber dieses mittel nichts verfangen, were 4. bey Kayser- und
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königlichen gesanden hülff zu suchen und pro extremo 5. wider alle böse
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sequelen solenniter zu protestiren. So doch alles zu der übrigen herren gut-
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befinden gestellet seye.

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Eßlingen. Habe hiebevor gegen dem Würtembergischen geandet, daß der
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ritterständische scribent in die reichsdictatur gelaßen werde, der habe ver-
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meint , daß es das directorium ceteris insciis und für sich selbsten gethan
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habe. Demnach aber nunmehr

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38 das] Ulm , Esslingen , Isny das andre.
das praejudiz aus dem concept darzukommen,
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seye in alle weg hochnöhtig, daß solches unterbrochen und nach vorschlag

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des herrn directoris dem Magdeburgischen directorio vorgehalten und umb
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änderung gebetten, mit denen Münsterischen auffs förderlichst communicirt
3
und auch sonsten aller orten dergestalt unterbauet werde, damit die stätt, so
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jederzeit für flügel des adlers seyn gehalten worden, damit er sich in die höhe
5
geschwungen, denen ritterständischen, welche doch kein status imperii sein,
6
nicht nachgesezet werden.

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Bremen. Der Lübekhische abgesande habe bey verlesung des concepts also-
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bald widersprochen, der Altenburgische aber auf vorziehung des ritterstands
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gedrungen und sich endlich auf die constitutiones imperii beruffen. Res ipsa
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seye praejudicirlich und deßwegen darinnen nichts nachzugeben, cum status
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imperii praecedant reliquos und die stätte vom kayser Sigismundo pro
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12 pro nobilibus] Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny nobilius.
nobilibus seyen gehalten worden. Conformirt sich derowegen mit denen
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vorgehenden votis und vermeint, daß auch mit Churmainz solte geredt
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werden.

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Lindau. Alhier seye, gleich wie lezthin zu Regenspurg, schlechte inclination
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gegen die stätte zu verspüren, müste sich aber nicht irren, noch der ritter-
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schafft einen vorzug laßen. Etliche der stätt haben selbst tapffere edelleuth im
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raht, wie zu Nürnberg an den brüdern von Heroldsberg, welche senatores zu
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Nürnberg und gleichwol unter der Fränkischen ritterschafft begriffen sein

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Gemeint ist das ratsfähige Geschlecht Geuder mit seinem Landsitz Heroldsberg bei Nürnberg, das
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zu dieser Zeit allerdings nicht im Rat vertreten war. Johann Philipp Geuder (1597–1650) fand
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Aufnahme in die fränkische Reichsritterschaft und gab sein Nürnberger Bürgerrecht auf. Sein
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Bruder Johann Andreas Geuder (1598–1654) stand als Offizier in ksl. Diensten, 1671 wurde
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sein Sohn Johann Adam in den Rat gewählt (frdl. Auskunft des Stadtarchivdirektors von Nürn
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berg , Herrn Dr. Hirschmann; vgl. auch H. H. Hofmann S. 110, 197).
,
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zu sehen. Zu Lindau seyen hiebevor auch etliche vornehme adelige ge-
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schlechter verburgert gewesen, wie deductio Lindaviensis pag. 82 in medio
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außweißt

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Konnte nicht ermittelt werden.
. Die vorschläge des herrn directoris seyen nicht zu verbeßern und
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die communication an die stättischen zu Münster nit zu differiren.

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Herford. Seye alles wol überlegt, laße es seines theils dabey bewenden.

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Conclusum. Solle zu dem Magdeburgischen directorio deputirt und umb
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abstellung dieser neuerung angesucht, mit denen stättischen zu Münster aufs
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fürderlichst communicirt und auch sonsten aller orten nohtwendige unter-
28
bauung gethan werden, damit denen ritterständischen nichts zu der reichs
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stätte praejudiz werde eingeraumt; Lübekh und Eßlingen deputirt, sich zu
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Magdeburg zu verfügen.

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31 Directorium ] Fehlt in Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny .
Directorium. Bey beschluß ward erinnert, daß man zwar alhier mit einem
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concluso über die erste classem Schwedischer replic schon längst gefaßet,

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1
auch selbiges denen stättischen zu Münster

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1 auf ihr begehren] Fehlt in Ulm , Esslingen , Isny .
auf ihr begehren zukommen
2
laßen, damit man sich utrinque einer meinung vergleichen und also votum
3
conjunctim

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3 conjunctum] Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny curiatum.
conjunctum Text
zuwegen bringen möchte. Es seye aber die schrifftliche commu-
4
nication an sich selbsten verzüglich, besonders, weil man warneme, daß die
5
stättische zu Münster sich mit dißeitiger meinung in puncto commerciorum
6
nicht allerdings vergleichen und also neue moras verursachen dörfften

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Zur Sitzung vom 26. Februar 1646 vgl. Nürnberg 18 fol. 48–51’; ferner Bremen 2 – X. 7.
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e.; Köln Köln und das Reich 259 Mappe Februar fol. 46. Monita der münsterischen Städte vom
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17./27. Februar ( Anschreiben und Gutachten ) in Strassburg AA 1143 fol. 25–28’.
.
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Dahero nicht unthunlich, eine deputation dahin zu machen und ermelde
8
catholische zur acceptation des hiesigen aufsazes alles fleißes zu disponiren,
9
welches vielmehr als langes schrifftwechseln verfangen würde, sonderlich,
10
da man sich befürdern und, ehe sie einen aufsaz machen, hinüber kommen
11

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11–14 möchte – und] Strassburg , Ulm , Esslingen , Isny umb in puncto commercio-
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rum et super prima classe wie auch wegen dieses neuerlichen praecedenzstreittes
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conferenz zu pflegen.

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Conclusum: Ist deputatio nach Münster umb erst angeregter uhrsachen willen beliebet
28
und.
möchte.

12
Conclusum. Ist deputatio nach Münster beliebet, umb in puncto commer-
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ciorum et super prima classe, wie auch wegen dieses neuerlichen praecedenz-
14
streits conferenz zu pflegen, und darzu Lübekh und Lindau ernennt worden,
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mit dem beding, daß die zu Münster hiernächst mehrere deputiren sollen

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Kreditiv (Konzept) für Dr. Gloxin und Dr. Heider vom 25. Februar 1646 für ihre Reise nach
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Münster in Strassburg AA 1143 fol. 29–29’. Dr. Valentin Heider (1605–1664), Sohn des
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Juristen und Syndikus der Reichsstadt Lindau Dr. Daniel Heider (1572–1647), Studien in
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Straßburg, Tübingen, Altdorf, Reisen durch Frankreich und nach Wien, 1634 Konsulent in Lin-
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dau , vertrat seine Vaterstadt bei zahlreichen Anlässen, seit 1645 am Kongreß (J. L. Walther
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S. 86; Meiern AE I, Beilage zum Vorbericht S. 55f.; H. Loewe S. 74–77; ADB XI
S. 304f. ).
.

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