Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
25. 8. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Februar 4 15 Uhr
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Osnabrück 1646 Februar 4 15 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 19–21’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 25–29;
Ulm A 1560 o. F.; Isny Büschel 868 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 30’–34’;
Lübeck Senatsakten Reichsfriedensschlüsse 24 o. F.; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m.
Relation aus dem Fürstenrat: Beratung der französischen Replik sowie Postverkehr. Schwedische
Replik: Gravamina politica, jura statuum, Justiz- und Handelsfragen.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Bremen auf der Rheinischen, Eßlingen und Lindau auf der Schwä
bischen Bank.
Das Straßburgische Directorium proponirt: Man seye zusammen kom-
men , in den deliberationibus über die Schwedische replic fortzuschreitten
und primae classis membrum secundum wie auch tertium et quartum vorzu-
nehmen , zuvorderist aber könnte, was diesen morgen in dem fürstenraht ist
vorgefallen, zu mehrerer nachricht vernommen werden
Vgl. FR Osnabrück vom 4. Februar 1646 in Meiern II S. 348 –354.
Lübeck referirt, daß man in demselben die Französische replic ordine zu
durchgehen fortgefahren und principaliter von zween puncten, als nemlich
1. einschließung des herzogen von Lothringen und für denselben begehrten
salvis conductibus und 2. dem armistitio, incidenter aber auch davon geredt
habe, ob nicht zu beförderung der communicationen mit Münster dienlich
were, daß alle tag posten dahin bestellet und zu dem ende collecten bey denen
sämbtlichen collegiis gemacht würden?
Bey dem ersten seye davor gehalten worden, daß man sich damit nicht aufzu-
halten , weiln dem reich dardurch nichts abgehe. Hingegen aber den gesamb-
ten tractaten hinderung zu befahren seye, wie mit Spanien auch geschloßen
worden. Ingleichen seye das armistitium nicht rahtsam ermeßen, sondern
vielmehr für ein pacistitium angesehen worden. Wegen der posten habe man
Österreichisches directorium ersucht, sich mit dem postmeister zu unter-
reden und allein auf ein monath zu tractiren und alsdann eine
machen .
Straßburgisches Directorium bedankt sich der relation deßen, so im für
stenraht vorgangen. Den ersten puncten belangend, hette man zwar dafür
gehalten, daß man sich des herzogen von Lothringen wegen der marggraff-
schafft , so er vom reich zu lehen trägt, anzunehmen; dieweil er aber die evan-
gelische ständ selbsten bekriegen helffen, seye wegen seiner nicht das gantze
wesen auffzuhalten.
Das armistitium seye schon bey dem prooemio mißrahten worden, gehöre
zu der militia, an diesem ort habe man das absehen allein auf einen frieden
zu stellen, zu deßen beförderung nicht wenig dienen werde, daß täglich
posten zwischen hier und Münster bestellet und nicht allein auf die commu-
nicationes mit Münster, sondern auch auf alle die schreiben, so aus dem reich
kommen und zu Münster etliche tag erliegen bleiben, gerichtet werden.
Eßlingen. Dankt pro communicatione. Erinnert nichts, sondern
was wegen Lothringischer salvorum conductuum und der armistitii gut be-
funden worden, auch belieben. Das postwesen sollte billich geändert und
etwas geld zu unterhalt der pferd vorgeschoßen, der brieffporto aber alhier
bezahlet werden; weiln aber dergleichen incident quaestiones in dem für
stenraht vorkommen, so seye zu fragen, wer sie formire oder warumb sie
den stätten nicht auch vorgetragen werden?
Lübeck bericht, solches komme daher, daß man in dem fürstenraht anfäng
lich zwar die Schwedische replic tractirt, nun aber auch die Französische zu
durchgehen vorgenommen habe, auß welcher obige quaestiones wegen
Lothringen und des armistitii entsprungen. Wegen des postwesens seye al-
lein incidenter erinnerung geschehen, und insgesambt für gut angesehen
worden. Das Mainzische directorium solle zwar allzeit ansagen, dieweil aber
sie und Brandenburg von den churfürstlichen allein allhier und also kein
collegium machen
und dahero iemaln dergleichen quaestiones vorkommen.
Bremen. Bedankt sich der communication, habe dabey nichts zu erinnern,
weiln in dem fürstenraht bey allen 3en puncten eine guthe meinung geführt
worden.
Lindau. Bedankt sich und acquiescirt im übrigen ebenmäßig. Das vorhaben
wegen bestellung der posten seye gut, sonderlich wann man die brieff franco
haben könnte.
Directorium. Schreitet zu dem hauptwerkh. Seye dem auffsaz bey dem ersten
membro classis primae „ein gleichförmiger verstand“ eingerukt worden, was
im nahmen der statt Lindau lezthin von wegen der denen evangelischen
ständen aufgedrungenen catholischen ordensleuthen und durch
geordnete kirchen, schulen und andern gebeuden, auch eingeführte proces-
sionen , creuzgängen und andern dergleichen neuerungen, seye begehrt
worden.
Conclusum. Habe dabey sein verbleiben.
Idem Directorium. Der auffsaz über secundum membrum classis primae seye
heut dictirt worden; begehrt, die herren wollten sich darüber vernehmen
laßen.
Lübeck. Habe es zwar wegen anderen geschäfften noch nicht gelesen,
zweiffele aber nicht, es werde gut sein, laße es seines orts dabey bewenden.
Eßlingen similiter.
Conclusum. Solle, biß sich die herren sämbtlich darinnen ersehen, differirt
werden.
Straßburgisches Directorium. Schreitet darauf ad primae classis mem-
brum tertium und weiln darinnen von abstellung der reichsgravaminum
vornehmlich gehandelt wird, so wurden die bey außgehändigtem concept
übergangene und zurükgelaßene gravamina politica nacheinander ordent-
lich abgelesen.
Ad primum gravamen
selbsten genugsam außgeführet, gelaßen. Ad secundum
in alleweg dahin zu trachten, daß die in den reichsanlagen allzuviel
beschwerte stände erleichtert, und also zwischen den gesambten ständen eine
aequalitet angestellt werde, dahin sonderlich in diesem gravamine ist gezielet
worden.
Lübeck. Halte hierbey für nohtwendig zu erinnern, dieweil an diesem ort
allein ein stättisches bedenken zu verfaßen und sich weiter zu extendiren
nicht rahtsam seye, daß darinnen des stiffts Magdeburg und viel weniger
deßelben memorials expresse nicht zu gedenken, damit es nicht das ansehen
eines compacti gewinne.
Eßlingen und Bremen conformiren sich mit dem Lübekischen.
Lindau. Ebenmäßig. Bittet, dieweil auch diese statt sich allzu hoch angelegt
befindet, daß auch ihrer ausdrukliche meldung möge gethan werden.
Conclusum. Der auffsaz solle also gefaßt werden, daß man sich darinnen
über aller oder doch der meisten stätt allzuhohe anlag beschwere und umb
gleichheit bitte. Tertium gravamen ist den ecclesiasticis angehenkt und be-
reits übergeben.
Ad quartum gravamen, die eingriff belangend, welche von dem churfürst
lichen collegio denen übrigen beeden reichsrähten eine zeit hero beschehen,
sagt
Lübeck. Dieses seye allezeit lapis offensionis bey denen herrn churfürst
lichen gewesen, und deßwegen für gut gehalten worden, daß res ipsa zwar
also gelaßen, die wort aber so viel möglich temperirt und des
toris direction heimbgestellt werden.
Das von denen herrn churfürstlichen praetendirten praedicati excellentiae
habe man sich zwar nicht anzumaßen, hingegen aber dahin zu trachten, wie
eine beständige capitulation aufgerichtet und dardurch jura statuum conser-
virt und erhalten werden könnten. Davon gestern mit mehrerem geredt
worden, stellet zu der übrigen herren gutdunken, ob solches alß ein particu-
lar gravamen zu übergeben, oder aber zu vermeidung fernerer offension
anderstwo commodius einzutragen seye?
Eßlingen. Laße ihm alles wohl belieben, sonderlich daß gegen dem chur
fürstlichen collegio moderation gebraucht werde, weiln ohne das Branden-
burg albereit etwas unwillen hat verspüren laßen, sezt in zweifel, ob wegen
der angerührten capitulation etwas werde zu erhalten oder auch wider das
churfürstliche collegium ein specialgravamen zu formiren seyn?
Bremen. Es würde die herren churfürstlichen sehr schmerzen, wann wegen
ihrer geklagten eingriff ein special gravamen übergeben werden sollte, laufe
alles unter jura statuum und könne daselbsten füglicher eingegeben werden.
Weiln Ihre Kayserliche Majestät zufrieden, daß jura statuum zu redressiren,
so könne man, was in lezten zeiten darwider gehandelt worden, daselbsten
mit guter gelegenheit anden und abstellung begehren; wann eine gewisse
capitulation zu erlangen, so were es sehr gut und vielleicht den herren chur
fürstlichen selbsten nicht zuwider; auff denselben fall werde keiner erinne-
rung vonnöhten sein, dann die capitulation müste gefast werden secundum
constitutiones et leges imperii fundamentales; stellet doch alles dahin. Belan-
gend aber dasjenige membrum, so die reichsstätte in specie und die denensel-
ben beschehene eingriff betrifft, seye unnöhtig, ein neu gravamen civitatense
zu machen, sondern könne anderer orten mit beßerem glimpf gedacht wer-
den .
Lindau. Wann hoffnung were, eine capitulation zu erlangen, so were man
dieser special gravaminum nicht bedörfftig. Dieweil aber die herren chur
fürstlichen sich schwerlich darzu verstehen werden, so müste man es doch
versuchen und, occasione dieser klagen, eine capitulation begehren.
Straßburgisches Directorium. In deme seye man einig, daß dieses grava-
men nicht übergangen, aber unentschloßen, ob es absonderlich vorgebracht
oder anderstwo eingeflickt werden solle. Laße es sich ad jura statuum brin-
gen , bedörffe es keines neuen auffsazes. Zu wünschen were, daß auch die her-
ren churfürstlichen sich wie Ihre Kayserliche Majestät erkläret und die
stände inskünfftig bey ihren rechten unbeunruhiget zu laßen, die ernstliche
meinung hetten. Dieweil aber daran nicht weniger, als auch an dem zu zwei-
feln , ob eine beständige und richtige capitulation werde zu erhalten sein, so
habe man sich auf andere weiß in acht zu nehmen.
Was die stätt ihres theils zu klagen oder zu suchen, deßen seye inter jura
statuum entweder schon gedacht, oder doch annoch gelegentlich daselbst zu
gedenken. Die wenig übrige gravamina müsen gefaßt und gleich wol mit so
gelinden und glimpfflichen wortten vorgetragen werden, daß sich dabey nie-
mand , als ob ihme were zuviel geschehen, mit fug beschweren könne.
Conclusum. Die stättische beschwerden sollen inter jura statuum vermen-
get , das übrige aber absonderlich und mit moderation und unvorgreiflichen
worten vorgetragen werden. Quintum gravamen de voto civitatum deci-
sivo , ist, wie obgemelt, inter jura statuum begriffen.
Sextum et septimum seind mit denen ecclesiasticis außgeliefert. Ward darauff
von dem löblichen directorio, was wegen puncti justitiae, item bey dem 4 ten
membro ratione commerciorum
gut gehalten worden, verlesen.
Lübeck. Bedankt sich der übernommenen mühe, soviel das erste belanget,
seye solches in dem fürstenraht diesen morgen auch fürkommen, laße ihme
den auffsaz wol belieben, jedoch könnte hinzugesezt werden, daß das privi-
legium appellationis zum wenigsten auf die helffte zu erhöhen seye.
Der andere auffsaz, die commercia betreffend, seye mit dem vorigen aller-
dings einig und sich allein in dem gestoßen worden, daß die Spanische im-
posten nicht unlängsten, sondern vor langen zeiten gesteigert und dardurch
die handlung beschweret worden, so mit einem wort zu ändern, wie auch
alßbald geschehen.
Eßlingen. Ist mit beeden concepten wol zufrieden. Bey dem ersten were
gut, wann man summarum appelabilium erhöhung erlangen könnte. Bey
dem andern seye billich, daß die reichstätte, unangesehen sie bey diesen com-
mercien in frembden königreichen nicht alle interessirt, dannoch aus stätti
schem vertrauen sich einander dergestalt angenommen, und das concept
nomine omnium übergeben werde.
Bremen. Seye wohl gethan, daß zuvorderist die tranquillitet, alß dann die
commercia restabilirt und dardurch reichthumb widerumb in die stätt ge-
pflanzt werde. Habe nichts zu erinnern.
Lindau. Conformirt sich wegen der concepten; stellet dahin, ob man nicht
auch der Schweizer gedenken und durantibus tractatibus intercessionales an
sie außbringen wolte, ihre zu hochgespannte imposten den commercien zu
guet abzustellen.
Conclusum. Ist bey den abgelesenen concepten allerdings gelaßen worden.
Lindau. Ubergibt ein memorial wegen derjenigen stände, welche dem hauß
Österreich (in specie Tyrol) nahe geseßen und bißhero gegen demselben
rechtloß gelegen sein. Bittet, dieser beschwerde in puncto justitiae mit zu
gedenken
Die Beschwerden Lindaus auf dem Kongreß richteten sich gegen eine drohende Dauerbesetzung durch
österreichische Truppen, falls Breisach an Frankreich abgetreten werden sollte, gegen die nach 1628
versuchte Rekatholisierung mit all ihren Nebenerscheinungen sowie gegen die während des Krieges
entzogene Reichspfandschaft. Hierbei handelte es sich um die Dörfer Schönau, Hermesreutin,
Hoyren und Rickenbach. Diese Dörfer hatte Lindau seit Ks. Sigismund inne; 1430 erfolgte die
Zuweisung der Pfandschaft der Reichsvogtei über die vier Kellenhöfe des Stifts (Schönau, Aeschach,
Reitnau und Rickenbach); ihr Besitz ging zwischen 1497 und 1580 sowie 1628 an den Gf. von
Montfort verloren–sowohl Dörfer als Kellenhöfe ( Bayer. Städtebuch II S. 347; H. Loewe ;
Memorialien Lindaus in Strassburg AA 1140 fol. 28–56’). Der Streit mit dem Stift um
die vier Dörfer zog sich bis zum Reichsdeputationshauptschluß bin.
gleichförmiges begehrt worden.
Conclusum. Soll in acht genommen werden.