Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
24. 7. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Februar 3 15 Uhr
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Osnabrück 1646 Februar 3 15 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 15–18’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
20’–24; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 26–30; Lübeck Senats-
akten Reichsfriedensschlüsse 24 o. F.; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m.
Relation aus dem Fürstenrat. Rechte und Privilegien der Stände.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Bremen auf der Rheinischen, Eßlingen, Lindau auf der Schwäbischen
Bank.
Eodem vormittag hatt der Dortmundische her abgesande dem Straßburgi
schen directorio ein memorial übergeben, mit bitt, daßelbe den actis beyzu-
legen , so vornehmlich die res judicatas betrifft, wie beyliegend sub lit. A
Beilage in Nürnberg 19 fol. 17’–18’. Dortmund beklagt sich über das Wirken der Dekane des
Kölner Stifts „Ad gradus Mariae“ (Mariengraden), die seit 1628 unter Berufung auf ihr Patro-
natsrecht über die Dortmunder Kirchen in Wort und Werk, selbst durch Einschaltung des Reichs-
hofrates , die Ausübung der lutherischen Konfession in Dortmund zu beeinträchtigen suchten.
Dekan war von 1622–1638 der Domkanoniker Otto Gereon, Eb. von Kyrene, von 1639–1675
Johann Horn gt. Goldschmidt (vgl. AEK Slg. Roth, Maria ad gradus I; Anna-Dorothee von
den Brincken ; Das Stift St. Mariengraden zu Köln [Urkunden und Akten 1059–1817].
2 Bde. [Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 58]. Köln 1969).
Der dortmundische Ge-
sandte Georg Kumpsthoff legt in seinem Bedenken den Rechtsstandpunkt seiner Stadt dar und pocht
darauf, daß sich schon lange vor dem Religionsfrieden die lutherische Konfession in ihr durchgesetzt
habe. Georg Kumpsthoff († 1649) war secretarius der Stadt Dortmund, 1643 Gesandter auf
dem Niederrheinisch-Westfälischen Kreistag zu Köln (frdl. Auskunft von Dr. Reimann,
Dortmund).
sehen.
Lübeck referirt: Nach deme nächst verschienenen sontag der evangelischen
fürsten abgesande bey denen Magdeburgischen zusammenkommen, seye von
diesem ein schreiben, welches der fürstlich Culmbachische und Würtenber
gische beneben der catholicorum gravaminum an fürsten und ständ hieher ge-
schickt , abgelesen
Schreiben in Meiern II S. 538 f; katholische Gegenbeschwerden ebd. S. 539–565, Gärtner
VII S. 238–313; vgl. auch Konferenz der lutherischen Fürsten Osnabrück vom 1. Februar 1646
in Meiern II S. 258.
alsobalden per dictaturam communicirt würden, damit man sich darinnen er-
sehen , ein jeder seine gedancken zu ein und andern puncten annotiren und
auff den fall gefaßt sein könne.
2. Daß eine deputation an herrn grafen von Trautmansdorf Excellenzen
gemacht, ihro, daß sie die gravamina zur handt gebracht, gedankt und ferner
gebührend ersucht
tractirt werden sollen, die zu Münster dahin zu disponiren, daß sie ihre depu-
tatos hieher schicken. Unterdeßen aber solle ein jeder seine gute gedanken
zusammentragen, damit Ihrer Excellenz privatim gute information in einem
und anderen gegeben werden möge.
Item, seye heut im fürstenraht
Vgl. FR Osnabrück von 3. Februar 1646 in Meiern II S. 338 –347.
hen , ob deßelben bey diesen tractaten zu gedenken oder nicht? Und die
majora in negativam außgefallen, wiewol Österreich pro affirmativa einge
führet , es seye deßselben nicht zu vergeßen, weil er 1. ratione Burgund ein
stand des reichs, 2. Kayserlicher Majestät adhaerent seye, 3. wieder den Tür
ken jederweiln große hülff gethan habe und wiederigen falls 4. zum feind
gemacht würde. Deme aber replicirt, man habe keine frembde händel in
diese tractaten einzumischen, diß seye ein reichsconvent, darzu die stände
deßelben und nicht frembde gehöreten. Könne bald darzu kommen, daß
beede cronen wider freund miteinander werden. Doch wann der friede er-
langt und die stände alßdann etwas dabey werden thun können, seyen sie
erbietig darzu.
Morgen werde man reden, was wegen des armistitii und herzogen von Loth-
ringen inclusion zuthun sein möchte. Stellts, wer zu bevorseyender deputa-
tion zu ernennen.
Directorium. Ob man sich in puncto deputationis erklären wolle?
Lübeck. Schlegt vor Straßburg und Eßlingen.
Eßlingen. Lübekh und Lindau, doch gelte es ihme gleich, wolle sich gern
deputiren laßen.
Bremen. Straßburg und Eßlingen.
Lindau folgts.
Straßburgisches Directorium. Bedankt sich abgelegter relation, halt für
nöhtig, daß man der catholischen gravamina förderlich dictire, nach und
nach durchgehe und höre, was einer oder der ander dabey zu erinnern habe.
Habe den anfang davon durchgangen, befinde, daß alles dahin angesehen,
wie das werkh in stoken zu bringen. Seye wohl zu bedenken, wie die rationes
gegen dem herrn grafen von Trautmansdorff occasionaliter zu diluiren.
Des königs in Spanien inclusion betreffend komme ihme befrembdlich vor,
daß Österreich iezo andere rationes führe, als neulich referirt worden, daß
nehmlich unangesehen der nahen freundschafft mit Österreich, derselben
cron nicht solle gedacht werden; werde sich gelegenheit erzeigen, davon zu
reden, stelle er noch zur zeit an seinen ort.
Lübeck. Seye heut diß sonderlich urgirt worden, weiln er, wie angeregt,
ratione Burgund ein stand des reichs und zum hauß Österreich gehöre, auch
zum frieden beförderlich seye.
Das Directorium verlase hierauff den auffsaz in puncto jurium et privile-
giorum statuum, doch nicht zu dem end, daß man sich alsbalden darauf
erklären, sondern demselben zu hauß beßer nachdenken solle. Stellts, ob
man davon reden wolle, wie die zurukh gebliebene gravamina politica nach-
zubringen sein möchten.
Lübeck bedanckt sich der mühewaltung in auffsezung des concepts, seye der
intention gemeß.
Gravamina belangend ist für gut angesehen worden, daß solche in ein con-
cept gebracht und mit übergeben würden. Das vornehmste seye die Kayser-
liche wahlcapitulation, daß denen churfürsten die hände dabey umb etwas
gebunden werden.
Daß die erzherzogin Claudia nirgends als vor ihr recht geben wolle, seye zu
anden, stellts, wanns dahin komt, was bey diesem paß zu thun seyn werde.
Sagt ferner, herr Richtersperger habe heut in senatu referirt, daß drüben vor
die Regenspurgische amnistiam
Vgl. dazu K. Bierther S. 145–184. Die auf dem Reichstag zu Regensburg 1640/1 beschlossene
Generalamnestie mit den Stichjahren 1627 für die geistlichen und 1630 für die weltlichen Güter
wurde bis zur Aussöhnung des Kaisers mit allen Reichsständen suspendiert. Diese Suspension, nicht
aber die übrigen Beschränkungen, wurde durch ksl. Dekret am 10. Oktober 1645 aufgehoben
(Druck Meiern II S. 4 –6).
worden, daß den majoribus in hoc passu wiedersprochen werden müse, von
Österreich ein bedencken abzufaßen, die rationes dabey zu annectiren und
nacher Münster zu communiciren; man könne nicht auf majora gehen, seyen
blose vorschläg und media pacis, daran die cronen nicht gebunden. Andere
aber haben vermeint, es werde sich nicht wohl anderst, als wie die majora
mit sich führen, hinderbringen laßen.
Der re- et correlation halben, weiln man miteinander differire, seye im
fürstenraht geschloßen worden, daß ein jedes collegium sein bedenken auff-
sezen , die discrepantiam votorum inseriren und den cronen anheimstellen
solle, was sie approbiren werden. Seye bey anno 1618 zu verharren, die zu
Münster werden sich vielleicht noch mit uns conformiren. Brandenburg
hette die fürstlichen ersuchen laßen, weiln es scheinte, daß das Churbranden-
burgische votum zurükhgesezt und nicht attendirt werden wolle, ihnen zu
assistiren, wollten ihr votum lieber mit den fürstlichen jungiren.
Eßlingen. Bedankt sich sowol gegen dem directorio wegen des auffsazes als
auch gegen Lübekh der abgelegten relation halben und sagt, es seye gut, daß
die concept allemahl zuvor ad dictaturam gebracht werden, damit man sich
darinen ersehen und seine gedancken desto beßer eröffnen könne.
Bey demolition der vestungen könne man Petersburg , Philipsburg und
andere individua wohl außen laßen, wann nur die regula erhalten werde. Das
übrige stelle er an seinen ort, werde ein jeder suo loco seine meinung alsdann
eröffnen.
Bremen. Sagt zuvorderist dankh dem herrn directori wegen des concepts
und Lübekh wegen erstatteter relation deßen, was dieser tagen im fürsten
raht passirt.
Laße ihme das concept wohl gefallen, placitirt, daß solches per dictaturam
communicirt werde, damit man sich darin ersehen und seine gedanken als-
dann desto beßer eröffnen könne. Conformirt sich mit bauung und demo-
lition der vestungen mit vorsizenden.
Dem Österreichischen auffsaz in puncto amnistiae seye wohl nachzudenken.
Sonsten finde er in dem heutigen
restituendos eine differenz; hielt vor beßer, daß alles, wie es vorhin gestan-
den , gelaßen würde; sehe nicht, warumb es außzulaßen seye: 1. Weil es eine
sach von großer importanz, daran ein großes momentum stehe ad reducen-
dam tranquillitatem publicam, hetten die stätte ebensowohl als höhere
stände darzu zu reden. 2. Weils aus dem, was vorhin de plena, pura et
illimitata amnistia gesezt, selbsten folge, were inconvenient, wann man in
genere solches zu exprimiren kein bedenkens getragen, iezo erst, da man das
consectarium machen will, anstehen wollte. 3. Weils ein causa religionis, pie-
tatis et aequitatis, seye billich, daß ein jeder das beste darzu rede. 4. Weils ein
selzames ansehen gewinnen würde, daß, was einmal gesezt, iezo umbgangen
und sich auff höhere bezogen würde. 5. Weiln man auch der höheren ständ
conclusum noch nicht wisse. Im churfürstenraht seyen noch keine congres-
sus gehalten, weniger was geschlossen, auch sowohl in chur- als fürstenraht
die majora der catholischen und also amnistia auff annum 1618 schwerlich
schlagen dörffte. 6. Weiln es nicht mehr odii als anders nach sich ziehen und
zu ehender vollkommener ruhe, auch Ihrer Kayserlichen Majestät zu gröse
rem respect, geraichen würde. Halte also, daß auß erzehlten ursachen die
stätte es bey dem jenigen laßen solten, wie es bereits gesezt gewesen.
Lindau bedankt sich gegen beeden herren abgesanden, sowohl wegen auf-
saz des concepts als erstatteter relation; repetirt das Eßlingische votum, daß
zu beßerer nachricht das concept zuvor ad dictaturam gebracht werde. Sagt,
seyen exempla vorhanden, daß die stätte underschiedlichmahl die majora
gemacht, welches nicht geschehen were, wann dieselbe nur ein votum con-
sultativum und nicht decisivum hetten.
Der erzherzogin Claudia seye, daß sie nirgend zu recht stehen wolle, billich
zu gedenken, dann es den benachbarten sehr schädlich. Beym Kayserlichen
hof wende sie incompetentiam fori ein, seine herren haben in einer sachen
restitutionem erlangt, sie aber habe per cuniculos andere decreta außge
bracht , parire keiner urtheil. Bedankt sich, daß der pfandschafften im auff-
saz gedacht, bitt, der creuzgäng und anderer neuerungen ebenmäßig zu ge-
dencken , sonsten die Jesuiten und andere münche davor halten möchten, sie
seyen nicht gemeint; haben zu Lindau unterschiedliche güter an sich erkauft,
und pro libitu hernachher gebauet. Man möchte ihnen durch solchen zusaz
beykommen können. Stelts, ob nicht der Regenspurgischen amnisti halben,
darauff bey 40 vota zu Münster gefallen, bey den cronen underbauung zu
thun sein möchte? Und gleich wie die stättische der reichspfandschafften
meldung gethan, also köndte auch bey den fürstlichen, derselben in specie zu
gedenken, gesucht werden. Geraiche seinen herren und anderen evangeli-
schen zum besten, und werden bey ihnen allein etlich 100 seelen dadurch
errettet.
Straßburg. Den auffsaz betreffendt, seye derselbe zu dem end verlesen wor-
den , damit ein jeder sich darinen ersehen und, was er desiderirt, anzeigen
könne.
Was wegen demolition der vestungen angeregt, wann die specialia zu erhal-
ten , were es wohl gut, habe aber offension verursacht, daß man derselben
gedacht. Was man in specie nicht erhalten könne, müse in genere gesucht
werden. 2. Pro voto decisivo der stätt seyen noch viel rationes vorhanden, man
habe aber allein der vornehmsten gedenken wollen, weitleufftigkeit zu ver
hüten . 3. Was die änderung in puncto amnistiae betrifft, haben zwar die von
Bremen angeführte rationes ihre importanz, gehn aber allein auff die materialia,
darinnen nichts geändert worden, daß mans eben uff die weiß wie die fürst
liche proponiren müße, seye man nicht gehalten, wann sie nur in materia
concordiren, weiln es bey den cronen schon unterbauet und der sachen an
sich selbsten nichts dardurch benommen. Daß die churfürstliche noch nichts
dabey gethan, könne man nichts dafür. Herr graf von Trautmansdorff solle
gesagt haben, wie Ihro Majestät dazu kommen, daß man ihro vorschreiben
wolle, da es doch kein graf geschehen laße? Stehe dahin, ob sich die fürst
lichen damitt sonderlich beladen werden. Was 4. die deputation an das fürst
liche collegium anlange, damit daselbsten der pfandschafften auch gedacht
werde, wolle er sich gern conformiren. Lübekh könne es bey Magdeburg an-
bringen , deßgleichen bey Würtemberg, weil selbige auch dabey interessirt.
Worbey es auch verblieben.
Eßlingen meldet incidenter, man köndte sich sowohl quoad materiam als
formam mit den fürstlichen, soviel die restituendos anlange, vergleichen;
man müse sagen, was nöhtig, es werdens die häußer, so es angehe, künfftig
rühmen, ob schon nichts erhalten würde, geschehe allein per modum preca-
tionis . Die cronen fundiren sich darauff, daß es bey der Regenspurgischen
amnisti nicht verbleiben könne. Er an seinem ort seye in specie befelcht,
sich aller restituendorum anzunehmen. Wann der Kayser die oberhand
behalte, werde es die ständt nichts nuzen, daß sie nicht ad specialia gegan-
gen , doch laße ers dahin gestellt sein.