Acta Pacis Westphalicae III D 1 : Stadtmünsterische Akten und Vermischtes / Helmut Lahrkamp
EINLEITUNG
EINLEITUNG
Die im Stadtarchiv Münster vorhandenen Archivalien aus dem letzten Jahrzehnt
des Dreißigjährigen Krieges sind bisher für die Geschichte des Friedenskongresses
kaum herangezogen worden. In der für diese Veröffentlichung getroffenen Auswahl
möglichst charakteristischer Dokumente belegen sie anschaulich die Stellung der
Stadt zu der in ihren Mauern tagenden Diplomatenversammlung, die den Rat mehrere
Jahre lang vor nicht geringe Probleme stellte.
Schon bevor Kaiser Ferdinand III. am 1. September 1641 dem Magistrat Mitteilung
machte, daß Münster auf Ansuchen der Krone Schweden zum Kongreßort für die
Friedensverhandlungen mit Frankreich bestimmt sei, hatte ein kaiserlicher Sekretär
vertraulich seine Vaterstadt informiert, welch wichtige Rolle ihr bald zufallen werde,
wobei er nicht versäumte, auf die finanziellen Vorteile hinzuweisen, die ein derartiger
Fremdenzustrom bringen könnte. Nun hatte Münster, die Hauptstadt des gleich-
namigen Fürstbistums, zwar im Kriege wesentlich weniger gelitten als die übrigen
westfälischen Städte, weil seine starke Befestigung und die entschieden kaisertreue
Haltung der Bürgerschaft die durchziehenden Söldnerheere der schwedisch- protestan-
tischen Partei vor Belagerungen abschreckten
Ende Mai bis Mitte Juni 1634 war die Stadt durch eine Armee unter Herzog Georg von Braun-
schweig -Lüneburg (vereinigte Lüneburger, Schweden, Hessen, dazu holländische Hilfstruppen)
ernstlich gefährdet. Die Generalstaaten hatten damals mit dem schwedischen Kanzler Oxenstierna
vereinbart, bis zur Eroberung Münsters monatlich 20000 Taler Subsidien zu zahlen. Da sich
kaiserliche Streitkräfte unter Feldmarschall-Leutnant von Geleen nach Münster geworfen hatten,
fand eine wirkliche Belagerung nicht statt; vgl. Lahrkamp , Bönninghausen S. 299ff.
nicht minder ausgeplündert als die im Kriege verheerten übrigen deutschen Territorien.
Nicht ohne Grund befürchtete man daher im Rate der Stadt, den eintreffenden Ge-
sandtschaften kaum in ausreichendem Maße Unterhaltsmittel zur Verfügung stellen
zu können, so daß die erste Antwort der Stadt an die kaiserlichen Gesandten zu Köln
abwartend und zögernd klang . Auch der in Bonn residierende Landesherr, Kurfürst
Ferdinand von Köln, erwartete allerhandt beschwernußen, konnte aber seine Zu-
stimmung zu den kaiserlichen Wünschen nicht versagen.
Sehr langsam kam der Kongreß in Gang. Der Reichshofrat Johann Krane entband
die Stadt gemäß dem Hamburger Präliminarvertrag (25. Dezember 1641) von ihren
Verpflichtungen gegen Kaiser und Landesherrn und erklärte sie in feierlicher Zere-
monie auf der münsterschen Ratskammer am 27. Mai 1643 für die Dauer des Frie-
denskongresses als neutral. Der Rat hatte sich mit der Unterbringung der zahlreichen
Diplomaten zu beschäftigen. Direkte Quartiervermittlung schien ihm bedenklich,
er überließ die Vermietung der Wohnungen und Ställe den Besitzern und griff nur bei
Mietdifferenzen schlichtend ein, obgleich eine Wohnungskommission eingesetzt wurde,
die Vorschläge für die Quartierverteilung einreichte . Krane hatte die zu erwartende
Menge an fremden Gästen – sicher zu hoch – auf zehn- bis zwölftausend Köpfe
geschätzt. Nun zählte Münster innerhalb seines Mauerrings rund zehntausend Ein-
wohner ; wenn wirklich etwa die gleiche Anzahl an Gesandtschaftspersonal hätte
untergebracht werden müssen, würden wir mehr von Wohnungsnot und unerfreulichen
Streitigkeiten hören. Anscheinend hat die Vermietung der notwendigen Quartiere
keine nennenswerten Schwierigkeiten bereitet, zumal die Stadt Osnabrück neben der
schwedischen Hauptgesandtschaft die meisten protestantischen Reichsstände aufnahm.
Allerdings waren auch angeworbene Stadtsoldaten, vier Kompanien stark, mit Weib
und Kind in Bürgerhäusern untergebracht. Ihr Befehlshaber wurde der vormals kaiser-
liche Obrist Johann von Reumont, der für die Sicherheit des Kongresses die Verant-
wortung trug und sich seiner Aufgabe mit Geschick entledigte. Die Besoldung der
Garnison erfolgte aus Landesmitteln, die aber nur stockend eingingen.
Zu Beginn des Kongresses machte die Wahrung der Neutralität dem Rate zu schaffen.
Im Hochstift Münster befanden sich hessische und kurkölnische Besatzungen, die aus
dem Lande lebten und sich Übergriffe erlaubten; über die Streifzüge der hessischen
Einquartierung in Coesfeld wurde immer wieder geklagt. Am 20. Juni 1643 – also
nach der Neutralisierung Münsters – fielen hessische Söldner bei Nacht in das vor den
Stadtmauern gelegene Stift St. Mauritz ein und plünderten es aus – ein Vorfall, der
zur Beschwerde beim Reichshofrat Krane und zu ärgerlichem Schriftwechsel mit dem
hessischen Generalleutnant Graf Eberstein führte; sogar der dänische König pro-
testierte deshalb bei der Landgräfin Amalie
[ Nr. 30 S. 43 ] bzw. [ Nr. 36 S. 49 ] . Außerdem betreffen folgende bei Gärtner I gedruckte Schrift-
stücke die wegen der Neutralisierung Münsters mit den hessischen Besatzungstruppen entstandenen
Differenzen (namentlich wegen des Überfalls auf das Stift St. Mauritz): Nr. 133 S. 294f.,
Nr. 152–154 S. 335–350, Nr. 157–158 S. 343–352, Nr. 160 S. 353f., Nr. 162
S. 356ff., Nr. 165–166 S. 360ff., Nr. 170 S. 367–370, Nr. 175–176 S. 377ff., Nr. 178
S. 381ff., Nr. 182 S. 396ff., Nr. 184 S. 401ff., Nr. 186 S. 405f., Nr. 199 S. 453f., Nr. 203
S. 460f., Nr. 209–214 S. 470–477, Nr. 217–219 S. 481–484, Nr. 224 S. 493f., Nr. 229
S. 499ff., Nr. 231 S. 504, Nr. 234–235 S. 507–511, Nr. 240 S. 521–525, Nr. 242 S. 526f.,
Nr. 245 S. 529ff., Nr. 247–248 S. 534–537, Nr. 251–252 S. 542–552, Nr. 264–265
S. 572–580, Nr. 283 S. 606–609, Nr. 301 S. 642ff., Nr. 303 S. 646f., Nr. 308 S. 654f.,
Nr. 320 S. 680f., Nr. 325 S. 691, Nr. 335 S. 713ff., Nr. 346 S. 732ff. Sämtliche Schreiben
stammen aus dem Jahre 1643.
war Münster in der Folge sehr bedacht, weshalb der Rat heimliche Werbungen von
Kriegsvolk in der Stadt untersagte, ohne sie offenbar ganz verhindern zu können. Als
1646 die Schwedenarmee des Feldmarschalls Wrangel in Westfalen erschien oder 1647
der General Hans Christoph von Königsmarck den benachbarten kurkölnischen
Waffenplatz Warendorf belagerte, sah sich die Bürgerschaft zu Verteidigungsmaß-
regeln genötigt . Mehrfach richtete der Rat der Neutralität halber Eingaben an die
beiden Friedensvermittler, den päpstlichen Nuntius und den venezianischen Botschafter,
die diese Suppliken wohl meist mündlich erledigten, da sich in den städtischen Akten
keine Antwortschreiben der Mediatoren vorfinden.
Aus den Ratsprotokollen erfahren wir von den Bemühungen Münsters um geregelte
Zufuhr von Lebensmitteln und vom Einschreiten der örtlichen Gilden gegen fremde
Kramer, Schneider, Bäcker und Konfektverkäufer, die den Zunftzwang durchbrachen.
Der Rat setzte die Fleischpreise fest, überwachte den freien Verkauf und richtete
Garküchen ein. Neben den gewohnten Verkaufsständen unter den Bogen des Prinzipal-
markts wurden getrennte Fisch-, Fleisch- und Gemüsemärkte sowie ein Platz für
Butter- und Käseverkauf vorgeschrieben. Die Lebensmittelpreise waren hoch und
stiegen immer weiter an, je stärker der Fremdenzustrom war, doch wehrte sich der
Rat nachdrücklich gegen den Vorwurf mangelnder Aufsicht und bestritt, daß zu
Münster alle sachen theurer sein solten als an andern örtteren . Freilich klag-
ten namentlich die Kaufleute ständig über die Verteuerung der Waren durch die Li-
centen oder Durchgangszölle, die von den krieg führenden Parteien in jeder Garnison
erhoben wurden. Eingaben der Stadt um Erleichterung der Kontributionen auf dem
platten landt blieben wirkungslos. Im Jahre 1646 vereinbarte man ein gemeinsames
Vorgehen gegen die Licenten mit den Städten Wesel und Osnabrück und trug, die
alten Hansebeziehungen benutzend, auch den stadtkölnischen und lübischen Bevoll-
mächtigten diese Beschwerden vor, ohne daß doch eine Besserung eingetreten wäre.
Vergeblich blieb die Berufung auf die Hamburgischen präliminartractaten, um
dieses pestilentialübel der commercien auszurotten. Auch der Druck der hessi-
schen Einquartierung im Hochstift wurde nicht gemildert; immer wieder ereigneten
sich Fälle von Mord und Straßenraub unmittelbar vor den Toren der Stadt.
Die Kriminalität im Kongreßort nahm nicht unerheblich zu. Der ersten Schlägerei
städtischer Bediensteter mit französischen Dienern im März 1644 folgte eine Aus-
einandersetzung zwischen Katalanen und Franzosen, im Juli des gleichen Jahres ver-
wundete der Sekretär des Stadtkommandanten einen französischen Edelmann und
wurde flüchtig. Schüler des Jesuitengymnasiums gerieten mit dem französischen Ge-
sandtschaftsapotheker und dessen Gehilfen ins Handgemenge. Im November 1646
erstachen Franzosen den Kammerdiener des spanischen Prinzipalgesandten Peñaranda,
was zum Verhör der Verdächtigen durch den Rat führte, der auch Justiz gegen das
niedere Gesandtschaftspersonal übte, wenn innerhalb der Gesandtschaften Diebstähle
vorkamen . Dem Herzog von Longueville stellte der Magistrat zwei Stadttore als
Gefängnis für seine Untergebenen zur Verfügung. Schon zu Kongreßbeginn verboten
die Stadtväter die übliche „Zeche“ der „Petergesellschaft“; in den folgenden Jahren
untersagten sie zur Karnevalszeit den Verkauf von Gesichtslarven und Masken.
Fremde Bettler wurden ebenso wie leichtfertige weibspersonen aus der Stadt ent-
fernt , die als Handelsagenten einkommenden Juden beaufsichtigt. Die Polizeidiener
erhielten Anweisung, alle Herbergen und Bürgerhäuser zu visitieren und die ange-
troffenen Fremden, die nicht zu den einzelnen Gesandtschaften gehörten, dem Rate zu
melden, der auch den Hebammen einschärfte, die unehelichen Geburten zu erfassen .
Die Vorsorge trug ihre Früchte, da die Zwischenfälle doch verhältnismäßig unblutig
verliefen. Erst im April 1648 kam es zu einem größeren Zusammenstoß zwischen
den verfeindeten Spaniern und Portugiesen, der elf Verletzte gefordert haben soll.
Für die Unterhaltung der Gäste sorgte der Rat durch die Einrichtung einer Lotterie,
des „Glückshafens“, den ein auswärtiger Pächter betrieb. Fahrendes Volk, Komö-
dianten und Seiltänzer, Quacksalber und Schausteller erhielten befristete Aufent-
haltsgenehmigungen , um ihre Künste zu zeigen. Gelegenheit zu besonderer Pracht-
entfaltung der Gesandtschaften boten die Einzüge der Hauptbevollmächtigten, bei denen
Bürger und Soldaten die Straßen säumten und „Ehrenschüsse“ abgaben, dann die
wiederholten Prozessionen zur Erflehung des allgemeinen Friedens , schließlich die
feierliche Ratifikation des spanisch-niederländischen Vertrages am 15. Mai 1648 im
münsterschen „Friedenssaal“. Die öffentliche Verkündung des Friedensschlusses
am 25. Oktober vollzog sich in einem bescheidenerem Rahmen. Das Verhältnis der
ausländischen Gesandten zur Bürgerschaft war gut, wie sich schon darin ausdrückt,
daß nicht wenige der hohen Herren die Patenschaft bei münsterschen Bürgerkindern
übernahmen . Graf d’Avaux und die Gräfin Servien hielten das Söhnchen des
Christopher Poll über das Taufbecken, auch Graf Peñaranda verschmähte nicht die
Annahme der Patenstelle beim Sohn des Stadtadjutanten gemeinsam mit der Frau
eines Hauptmanns der Stadtsoldateska. Mitunter erfolgten Hochzeiten zwischen
Bürgertöchtern und Gesandtschaftsangehörigen; etliche Ausländer wurden eingebür-
gert , wie ein französischer Barbier, der zur „Bruderschaft“ dieses Gewerbes Zugang
fand.
Durch die Neutralisierung war Münster für die Dauer der Friedenstagung in einen
Zustand faktischer Unabhängigkeit von der landesherrlichen Gewalt gekommen. Im
Rate überlegte man, wie die Stellung der Stadt durch Zusicherungen „ewiger Neu-
tralität “ seitens der Kriegführenden oder „Erwerbung etlicher Privilegien“ vom
Kaiser zu stärken sei. Der Gedanke, um Aufnahme in die Reichsmatrikel anzu-
suchen , tauchte zwar auf, doch ging die Meinung der Mehrzahl der Ratsmitglieder
dahin, dies nur mit Bewilligung des Landesherrn zu versuchen. Von den übrigen Land-
ständen wollte man sich weder trennen, noch gegen den geleisteten Eid handeln. Auch
wurden Bedenken laut, ob es nicht die Finanzkraft der Stadt übersteige, die künftigen
Reichskontributionen zu zahlen. In einer Sitzung vom 1. April 1647 fiel die Ent-
scheidung dahin, daß um die Reichsfreiheit beim Kaiser nicht nachzusuchen sei; wohl
aber wurde in der Folge der Plan betrieben, die früher erlangten Privilegien vom Kaiser
erweitern zu lassen . Am 11. September ging eine Eingabe an den Wiener Hof ab,
worin die Stadt bat, Ferdinand III. möge alte Vorrechte bestätigen und neue erteilen,
die schon bedenklich in die landesfürstlichen Gerechtsame eingriffen, wie in die Münz-
hoheit und das Besatzungsrecht. Am 29. Dezember bat der Rat dann den Kaiser um
Anweisung an die Generalität, damit die notwendigen Gelder für die Garnison aus
den Stiftsmitteln sichergestellt würden. Auf beide Suppliken erfolgte zunächst keine
Antwort, so sehr man bei einflußreichen Persönlichkeiten durch „Verehrungen“ und
„Handsalben“ Verständnis für Münsters Bestrebungen zu wecken suchte. Auf-
schlußreich ist die ausführliche Instruktion für die zum Kurfürsten nach Bonn be-
stimmten städtischen Deputierten vom 17. März 1649; erst damals wurde der
Landesherr von der Stadt über die bereits 1647 vom Kaiser erbetenen Gnaden offiziell
ins Bild gesetzt
Dem widerspricht nicht das bei Tourtual S. 338ff gedruckte undatierte Schriftstück aus
Chigis Nachlaß (Q II 52 fol. 129), das wohl ein Gutachten der fürstlich Münsterischen Räte
Zur Eingabe der Stadt ( [ Nr. 206 S. 207ff ] ) darstellt und vielleicht ins Jahr 1649 zu setzen ist.
Die Instruktion [ Nr. 237 S. 241ff ] ; die Stellungnahme des Kurfürsten [ Nr. 240 S. 246ff ] .
Entgegen der landläufigen Meinung ist Münster als städtisches Gemeinwesen durch
den Friedenskongreß nicht reicher geworden, so sicher einzelne Bürger von den Ge-
sandtschaften ihren Nutzen gezogen und an Mieten und Handelsgeschäften gut ver-
dient haben. Schon 1644 hatte der Rat darauf hingewiesen, daß der Stadt an Akzisen
und Abgaben ein merckliches abgehe, da den Gesandtschaften alles zollfrei geliefert
werde und diese ihre eigenen Handwerker, Bäcker und Brauer beschäftigten
[ Nr. 80 S. 92 ] , 25.
Stadtväter kamen zu der Überzeugung, der Kaiser sei moralisch verpflichtet, eine
Entschädigung für Münsters hohe Ausgaben im Krieg und während der Friedensta-
gung als gnadenrecompens anzuweisen, weil die Stadt sich immer kaisertreu er-
wiesen und nach Kräften die kaiserliche Generalität unterstützt habe. Auf die erste
Bittschrift des Rates vom 8. Mai 1649 folgte zunächst ein vertröstender Bescheid aus
Wien, der in der Bürgerschaft große Hoffnungen erweckte; auch unterstützte Kurfürst
Ferdinand das Anliegen der Stadt durch schriftliche und mündliche Vorstellungen
bei Hofe. Am 15. September 1650 erneuerte Münster seine Bitte um Milderung der
Schuldenlast und erbat eine größere Zuweisung aus Reichsmitteln unter Hinweis auf
jene kaiserliche Exspectanz. Die Stadtschulden beliefen sich auf etliche hundert-
tausent thaler . Einen letzten Versuch unternahmen Bürgermeister und Rat im
Jahre 1653, als sie am 3. Januar wieder schriftlich um eine billichmeßige recom-
pens und ergötzlichkeit wegen geleisteter treuer Dienste anhielten und den Stadt-
arzt und Ratsherrn Dr. Bernhard Rottendorff zum Reichstag nach Regensburg ent-
sandten . Obgleich dieser durch Geschenke an die Umgebung Ferdinands III. bene-
volentiam zu captiren suchte, wurde am 25. Oktober das Anbringen Münsters ab-
geschlagen , da es nach Meinung der kaiserlichen Räte eine Sache von weithaussehend-
ter consequentz wäre, wenn das Reichsoberhaupt eine derartige Bitte bei den ihm
obliegenden hohen Kriegslasten bewillige . Wohl oder übel mußte die Stadt sich in
diesen Bescheid fügen. Daß sie trotzdem gerade in diesen Jahren mit der Widersetz-
lichkeit gegen den neuen Landesherrn, den absolutistischen Fürstbischof Christoph
Bernhard von Galen, den erfolglosen Versuch machte, nun doch die Reichsunmittelbar-
keit zu erringen, war ein Beweis der politischen Kurzsichtigkeit von Rat und Gilden.
Diese Verkennung der wahren Machtverhältnisse bezahlte Münster 1661 mit einer
schweren Niederlage und der Degradierung zur bischöflichen Landstadt.
*
An der Spitze der städtischen Verwaltung standen zwei Bürgermeister und 22 Rats-
herren , die jährlich gewählt wurden und sich in die Besetzung der Ämter teilten. Der
Stadtsyndikus, ein erfahrener Jurist, besorgte die Rechtsgeschäfte und wurde auch zu
Gesandtschaftsreisen herangezogen; welche „Qualitäten“ man von ihm verlangte,
bezeugt anschaulich das Ratsprotokoll vom 15. Dezember 1645. Neben ihm hatte der
Stadtsekretär durch seine Geschäftskenntnis hervorragenden Einfluß. In Münster
bekleidete 48 Jahre lang Heinrich Hollandt
lichen Kammergericht, diese Stelle; von seiner Hand stammen die Rats- und Kriminal-
protokollbände jener Zeit. Ihm oblag die Leitung der städtischen Kanzlei, in der
mehrere Schreiber oder Kopisten tätig waren. Die im vorliegenden Bande veröffent-
lichten Schreiben der Stadt sind in der Mehrzahl von Hollandt entworfen oder kor-
rigiert worden, da er die städtische Korrespondenz selbständig führte und auch oft im
Namen des Rates unterzeichnete .
Bemerkenswert war in Münster die starke Stellung der 17 Gilden, auf die der Rat bei
seinen Beschlüssen Rücksicht zu nehmen pflegte. Fast alle wichtigen Dinge wurden den
beiden Alderleuten der Gesamtgilde zur Kenntnis gebracht; durch ihre Befragung such-
ten sich Bürgermeister und Rat den Rücken zu decken. Daneben wurde mitunter noch
ein besonderer Ausschuß aus der „Gemeinheit“ der Bürgerschaft zugezogen. Im Rate
selbst saßen überwiegend juristisch vorgebildete Bürger, die z. T. akademische Grade
erworben hatten.
Die Exekutive in Polizeisachen besorgte der Stadtadjutant, dem des Rates „reitende
Diener“ unterstanden; außer ihnen hatten die „Bottmeistere“ Polizeidiener- Funktio-
nen , wenn sie für die Überwachung der Fremden und Bettler, die leidige Straßenreini-
gung und zur Ansage der Ratsbeschlüsse herangezogen wurden. Auch die Stadtpförtner
oder Torwärter wurden vom Rate bestellt und waren ihm verantwortlich. In den
„Bürgerfahnen“ waren die waffenfähigen Bürger straff organisiert. Mit der gewor-
benen Soldateska unter vier auf die Stadt vereidigten Hauptleuten wurden sie bei
besonderen Anlässen zur Parade oder zur Bewachung der Wälle aufgeboten und waren
ihren gewählten Offizieren zum Gehorsam verpflichtet. Der 1643 eingesetzte Stadt-
kommandant wurde erst am 5. April 1651 – sehr gegen seinen Willen – abgedankt .
*
Die im Text wiedergegebenen Schriftstücke stammen aus dem „Alten Verwaltungs-
archiv “ der Stadt, das die Urkunden und Akten der Zeit vor 1803 enthält. Leider
hat eine dilettantische Verzeichnung um die Mitte des 19. Jahrhunderts viele Sach-
zusammenhänge zerrissen. Eingeteilt ist dieser Bestand in 18 Einzelabteilungen;
die Mehrzahl der den Friedenskongreß betreffenden Stücke befindet sich in der
Abteilung XIV. Bedauerlicherweise sind die städtischen Akten zum Kongreß für
das Jahr 1648 wie auch das Ratsprotokoll dieses Jahres im Archiv nicht vorhanden;
möglicherweise sind sie früher einmal ausgeliehen und nicht zurückgegeben worden.
Es erschien daher zweckmäßig, bei sonstiger Beschränkung auf die städtische Pro-
venienz diese Lücke durch Auszüge aus dem Diarium Wartenberg zu schließen
Neben den Nummern [ 224–229 ] entstammt ihm auch [ Nr. 151 ] (Einzug der Herzogin von Lon-
gueville ).