Acta Pacis Westphalicae III A 4,1 : Die Beratungen der katholischen Stände, 1. Teil: 1645 - 1647 / Fritz Wolff unter Mitwirkung von Hildburg Schmidt-von Essen
12. Konferenz der katholischen Deputatio ad Gravamina Münster 1645 Dezember 18
12
Münster 1645 Dezember 18
Köln ( Stadt ) A I p. 174–183 = Druckvorlage; damit identisch Bamberg A I fol. 83–87,
Fasz. 9; Österreich A I WFr XXXI fol. 36–42; Österreich B I p. 256–266, Ba II
und B b I; Wartenberg / Augsburg I ( damit identisch Wartenberg / Register I fol. 12’–20
und I a ).
Die Behandlung der Gravamina auf dem Friedenskongreß.
Im Fürstenratszimmer des Bischofshofs. Vertreten: Augsburg (Stadt), Bayern-Hg., Konstanz,
Kurköln, Kurmainz, Kurtrier, Österreich.
Kurmainz (Maintzischer cantzler). Nach der Begrüßung der Gesandten: Den
früheren Beschlüssen entsprechend sollen die Gravamina der Protestanten erörtert
werden.
Diese engere conferentz gehe dahin, ob man sich mit den protestirenden
einzulaßen, oder ob negst anfuhrung motiven dieselbe zur außstellung zu
bringen; 2. wan man sich pro pace einlaßen wolte, waß in der vornehmmung
vor ein modus zu halten. Vermeinet optimam viam zu sein, wan man
protestantium gravamina an der handt hette und gegeneinanderhielte, will
gleichwol die vota hieruber vernehmmen.
Kurtrier. Nach Wiederholung der Proposition: Reverendissimus traget die
vorsorg, man mögte uff die vornehmung tringen, wie allezeit geschehen,
wan die protestirende etwas oben gelegen, das sie ihre postulata hochgesetzt.
Wan solches ietzo geschehen wolte und man nicht darin gehehlen könte,
mögte ein separation oder newe confoederation entstehen. Habe befelch,
per gradus zu gehen, protestirende darin zu vermögen, daß ut in pace
Pragensi die gravamina mögen außgestellet werden, mit belieben der cronen,
umb so mehr, weilen diese meinung auch zu Franckforth gewesen, nemblich
frieden zu schließen undt darauff die gravamina zu erörtern
pro 2. die cronen undt insonderheit Schweden darauff tringen und Caesaris
consens, zu solchem endt darzu ertheilt, anziehen mögten, quia quod am-
plectuntur acatholici, unnd suspensio nicht verfangen solte, hette mandatum,
sich einzulaßen iuxta tractatum de anno 1631 auff dem compositiontag zu
Franckforth, maßen auch zu Regensburg.
Quoad modum gehet consultatio ad praeparationem und acatholicis zu
begegnen, stehe zu erwarten, wo die protestirende hinaußwollen. Bleiben
sie bey den vorigen gravaminibus, so ist man mit der andtwort gefast,
würden aber newe vorgebracht, wie man die nachricht hat, daß sie sehr
schwere postulata haben – Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts, Anerkennung
der Ferdinandeischen Deklaration – solchenfalß müst man sich praepariren,
wie dieselbe abzuwehren. Habe newlich erinnerung gethan wegen deß vor-
behalts , das die protestirende per memoriale sich ercläret, wan die catho-
lische in dem reformirten landt die geistliche iurisdiction suspendiren
wolten, daß sie den besagten vorbehalt wolten passirn laßen, so evidens
argumentum contra acatholicos, solches bey Churcollen und thumbcapitul
auffzusuchen; ihre praetensionen seindt dem reichsabschiedt einverleibt,
so der außschlag daruber geben kan werden. Contenta obigen memorials
werden ex Burckardo abgelesen ; Trier wil vernehmmen, waß Cöllen vor
nachricht erlanget. Ferdinandaea constitutio kan ex reichsactis widerlegt
werden.
Erinnert, weilen zwischen evangelischen und reformirten kein underschiedt
gemacht, daß anno 1631 außtrücklich darauf bestandten, mit keinen alß
Augspurgischen confessionsverwandten zu tractirn, deme zugegen ver-
stehet Caesar ietzo hierzu, si pacifice vivant
Mit dieser Einschränkung sollte die Einschließung der Reformierten in den Religionsfrieden nach
Art. 4 der ksl. Responsion vom 25. September 1645 zugestanden werden (vgl. Meiern I S. 619 ).
vorige instruction, quae iuxta lectionem eiusdem reformatos
21 excludit [….] In Konstanz folgt darauf ( anknüpfend an die von Kurtrier berührte Frage
der Anerkennung der Reformierten ): Darauff haben herr Reigersperger, Dr. Leixelring
und ich [ Köberlin ] relation gethan, auß waß ursachen diß gravamen anno 1641 in
specie mit fleiß nit berüert, sondern alle gravamina in genere repetirt worden.
Kurköln ( Herr dompropst von Paderborn). Similiter agendo gratias halte
darfur, wan materia et personae tractantes considerirt werden, will nötig
sein, beim Franckfortischen concluso ratione suspensionis zu verbleiben
[…].
In rebus iudicatis könne amore pacis nachgegeben werden, der vorbehalt
könne ihnen nicht praeiudiciren, und weilen tempora acatholicis favorisiren
und die coronae den protestirenden beyfallen, so seye bey den conclusis
zu verbleiben, da eß aber nicht zu erheben, müste man sich praeparatorie
gefast machen.
Ob die reformati zu admittiren: weilen zu Regensburg kein underschiedt
gemacht, so müste behutsamb gangen werden; habe kein instruction. Caesar
admittire sie wol, status catholici aber werden sich daruber zu erclärn
haben […]. Modus apparebit ex protestantium gravaminibus tam novis
quam antiquis, seye nötig, befelch zu begern, weßen man sich in omnem
eventum zu verhalten.
Haben Churcöllen ersuchet, memoriale und andere nachricht einzuschicken,
ist deren mit negster post gewertig, will sie alßdan communiciren.
Ob man sich einzulaßen oder nicht, das müste in pleno resolvirt werden.
Österreich. Bedancket sich imgleichen mit angeheffter apprecation, erinnert
sich, waß vorhin vorgangen, wunschet, mögte bey dem Franckfurter con-
cluso verbleiben, damit man den frieden desto mehr beschleunigen könne.
Osterreich habe sein eußrist bey der religion auffgesetzet, will solches noch
furters thun, conformirt sich, wan die suspensio nit zu erheben, daß in
Gottes nahmen zu tractiren, und wirdt der modus sich selbst an handt
geben. Quoad materiam vergleichet sich.
Bayern -Hg. ( Dr. Ernst). Similiter agit gratias repetitque propositionem.
Ad 1.: bey dieser zeit iuxta conclusum Francofurtense gravamina außzu
stellen , hierzu omnimodo protestantes zu disponiren, in deßen entstehung
müste man sich einlaßen, considerandum ob gravamina per modum excep-
tionis einzuwenden, solchenfalß contraria zu erwarten. Bayeren habe in
particulari keine gravamina, will doch alleß pro religione thun.
Konstanz. Bedancket sich gegen Churmaintz apprecaturque felicem succes-
sum repetendo propositionem. Quaestio an tractandum noch niemalen in
pleno decidirt, incidenter aber darfurgehalten worden, sie beßer zu abstra-
hiren , weilen die protestanten bey den cronen favorem haben. Deputati
sollen argumenta persuasiva ad suspensionem zusammentragen, und weilen
solche von vorstimmenden nicht angezeigt, so suspendiret seine auch.
Concluso in pleno zu inhaeriren, quoad ipsos tractatus.
Modus ist darinnen, daß deputati anteriora acta durchgehen und pro catho-
licis et contra adversarios militantia argumenta colligirn, alßdan zu sehen,
warinnen man fundirt und wie weit man salva conscientia weichen könne,
und wan die herren Cölnische pro actis geschrieben, da der vorbehalt mit
der feder und degen defendirt, so wirdt darauß daß beste zu haben sein.
Dieß seye optimum, wan wenige personen hierzu gebraucht werden. Postu-
lata gehen uff cassation des geistlichen vorbehalts und daß edictum supposi-
titium Ferdinandaeum, soviel municipalstätt und ständt Augsburgischer
confession eo tempore geweßen. Bayeren könne die schreiben, so zu Heydel-
berg bey occupirung deß schloß gefunden worden
sie den vorbehalt belangen.
Augsburg ( Stadt ). Actis Churmaintz gratiis factaque apprecatione ut
ante, verstehe, das status pro conservatione religionis bemuhet, Deus secun-
dabit intentionem, will deßgleichen gern thun, und recommendirt die
stätt.
Nach dem Prager Frieden und den Schlüssen zu Regensburg und Frankfurt sollen
die Gravamina erst nach Abschluß des Friedens erörtert werden , zumindest müsse
man pari passu verfahren. Gravamina antehac collecta zu revidiren, waß
weiters beyfallet, kan eingeruckt werden […].
Kurmainz. Befindet ex votis, daß chur- und fürstliche allen erwogenen
umbständten nach, dafern protestirende negst anfuhrung künfftiger motiven
und rationen nicht wolten von den gravaminibus weichen pro bono pacis,
das man mit denselben sich in tractat einzulaßen, dannenhero zu deliberiren,
wie weit cum conscientia zu gehen. Der modus werde sich ex aliorum
gravaminibus herfurthun.
Maintz habe allezeit dahin gehalten, daß dem gemein wesen am besten, wan
vermög Pragerischen friedens, Regensburgischen abschiedtß und Franck-
fortischen conclusi gravamina suspendirt blieben, besorgten sich, weilen eß
so weith kommen, mögten die protestirende nicht weichen wollen, dero-
wegen der meinung, man werde sich in gutliche handtlung einlaßen und,
gleicht sich, daß alle mittel und rationes zusammengetragen werden in
negster session, mit welcher die protestantes zur suspension zu vermögen;
wirdt es aber nicht sein können, muß man alßdan gravamina gegeneinander
ponderirn und sich eines endtlichen vergleichen.
Modus optimus, wan man der protestirenden gravamina durchgehet und
vorige catholische dargegenhaltet und, waß noch weiters beschehen sein
mag, hinzusetzet; nöttig, biß zu eingebung gravaminum quoad modum
einzustehen, caeterum mit allem fleiß fortzusetzen.
Caesar ercläret sich, die reformirte zu admittiren; seye nicht instruirt, son-
deren müste er und andere instruction begeren, besorgt sich aber, weilen
Caesar sich resolvirt, dörffte allerhandt umbrage und diffidentz geben. Wan
es vorkombt, in höchster geheimb zu halten, Augsburgischer religions-
verwandthen meinung zu vernehmmen, und wan sie dahin incliniren, nicht
zu admittiren. Umb so mehr ursach hette man, mit eiffer und ernst darauff-
zuhalten , man solte auch befelch einhollen, was man salva conscientia thun
könne, ne in ipso tractatu morae et tricae exoriantur.
Maintz haltet darfur, rei cardo bestehe auff dem geistlichen vorbehalt und
declaratione Ferdinandea; seye in anno 1613 und 1630 keine meldung be-
schehen , vorhin aber wol
Die Anerkennung der Ferdinandeischen Deklaration war von den evangelischen Kurfürsten zuerst
bei der Wahl Rudolfs (II.) zum Römischen König 1575 verlangt worden (vgl. H. Moritz ,
passim); der Streit um die Auslegung des Geistlichen Vorbehalts hatte besonders die Reichstage
1576, 1582, 1594, 1603 und 1608 beschäftigt (vgl. M. Ritter I S. 479ff., 573ff., II S. 114ff.,
170ff., 223ff.).
könne man dargegen sich
2 verwahren] Nach dem Conclusum folgt in Konstanz : Ego [ Köberlin ] retuli, daß meines
vernemmens die Augspurgische confessionsverwandte und die Calvinisten berait
starck miteinandern zerfallen, indeme dise deß religionsfridens durchgehendt sowohl
allß iene zue geniessen begern, unndt weills die Augspurgische confessionsverwandte
nit gestatten, sonnder die admission allein uf iezigen der Calvinisten statum restrin-
giert haben, keineswegs aber uff die reformation der landen extendieren lassen wollen,
sich vernemmen laßen, nit mehr zu ienen zu rath zue gehen, deßwegen beßer, daß
die catholici der sachen noch etwas zusehen, allß daß sie der Calvinisten halber noch
zur zeit viel deliberieren.
Kurmainz. Hat folgendts ein extractum prothocolli abgelesen, so ienen vom Keyser-
lichen legato herrn Volmarn communiciert und folgenden nachmittag den catholicis
dictiert worden, weill etliche sachen darinnen, so den Augspurgischen confessions-
verwandten zu communiciren bedencklich gewesst.
Der Zusatz von Köberlin ist in Kurmainz A. Fasz. 9 ebenfalls vorhanden; dort folgt fer-
ner : Herr dhompropst zu Paderborn zeigte ahn, daß sie (protestirende) liberum
exercitium zu Osnabruck, Hildesheim und Minden praetendirten.