Acta Pacis Westphalicae II A 1 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643 - 1644 / Elfriede Merla
109. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1643 Dezember 3
Münster 1643 Dezember 3
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. c fol. 171–176’, 178, PS fol. 177, praes. 1643
Dezember 21 = Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 I nr. 94 fol. 494–500.
Verhalten bei Ankunft des Legaten. Waffenstillstand im Reich und in den Niederlanden. Kurialien
bei Ankunft der französischen Gesandten. Besuch von der Reckes.
Zu nr. 93 ist uns zu erwegen vorgefallen, im fahl gedachter legatus der
meinung sein wolte, das wir ine auch in solemni processione mit einbe-
glaiten helffen solten, er alßdann durch solch unser abziechung nit geringen
disgusto empfangen, dessen wir auch folgendts in denn fürlauffenden hand-
lungen nit wenig zu endtgelten haben möchten, sonderlich, wann vor seiner
ankhonfft auch die Franzößischen plenipotentiarii alhie verhanden, ime nit
allein endtgegenzuziechen, sondern ine auch gar mit der procession ein-
begleiten zu helffen, also ein mehrere benevolentiam bei ime vor uns zu
captieren endtschlossen sein solten, wie dann auch dritens, was sich uf
solchen fahl für streitt wegen der praecedenz zwischen denn Spanischen
und Franzößischen gesandten erheben möchte.
So haben wir ein notwendigkheit ze sein befunden, uns dessentwegen
mit denn Spannischen gesandten verthreülich zu undterreden und ire mai-
nung zu vernemmen. Die ist nun khürzlich dahin gangen, das, wann bey
ankhonfft deß legati die Franzosen noch nit verbanden, nit allein wir,
sondern auch sie neben uns, ime uf ein meyl weegs, oder soweit mans
thuenlich finden thet, endtgegenfahren und nach verrichter salutation
uns deß weitern einbegleitens mit deme endtschuldigen solten, weil die
clerisey ine nach gebür seiner tragenden dignitet mit einem absönderlichen
actu zu empfangen und einzuholen vorhabens, wir aber dabey nichts zu
thuen hetten, so ersuechten wir ine, er wolte uns vor endtschuldigt halten
und, das wir uns widerumb zuruggbegeben möchten, erlauben, mit erbietten,
das wir ine hernacher in seinem alloggiamento ferrer der gebür aufzu-
wartten nit underlassen wolten, deß versechens, er wurde hierauf der höf-
lichkheit sein und uns khein anders zuemuetten.
Solten aber die Franzosen derzeit schon verhanden sein, so were nit ohne,
das man sich deren von uns angeregten und villeicht noch mehrerer diffi-
culteten zu befahren hette, derentwegen sie iresortts darfür hielten, das man
ime, herrn legato, ein unvorgreiffliche dritte person bis uf Wesel endtgegen-
schickhen und dahin disponieren lassen solte, das er sich deß endtgegen-
raisens von denn anweesenden gesandtschafften selbst begeben und denn-
selben gleichsamb motu proprio insinuieren lassen thet, ob ime zwar bewust,
was ime von der Päpstlichen heyligkeit wegen als deren legato a latere
und der heyligen Römischen kirchen cardinaln zum einzug vor ehr gebürte,
und nit zweiflete, das die anweesende gesandten in namen ihrer allerseits
herren principalen darzue genaigt, so wurde ime doch, in erwegung, sich
leichtlich allerhandt difficulteten dabey eraigen möchten, lieber sein, sel-
biges vor dißmahl allerseits zu undterlassen etc. Solte er aber hierzue nit
zu disponieren sein, so müeste man sich alßdann nach gelegenheit der umb-
ständten eines anderen endtschliessen. Es möchte auch ires darfürhaltens
nit undienstlich sein, wann Eur Kayserliche Mayestät dessentwegen zue
Rom erinnerung thuen liessen, dann sie vermeinten, das dises legati alher-
kunfft sich noch zimblich lang verweilen und also zeit genueg, von Rom
resolution zu haben übrig sein werde, gestalten sie beynebens erinnert, das,
wann der Päpstliche legatus mit dem Venetianischen gesandten, allermassen
wie zue Cölln beschechen, khein gemeinschafft pflegen wolte, sich deß
einen und andern interposition zu bedienen sehr schwer fallen und nit wol
ohne offension ablauffen wurde, dahero zugleich ein hoche notdurfft, das
Eur Kayserliche Mayestät sowol zue Rom als zue Venedig solches für-
khommen und anßuechen lassen thetten, das beederseits abgesandten, hind-
angesezt der nachweils in Italia fürlauffender kriegßüebung
übernommner interposition gegeneinander gueten vernemmens und an-
sprechens zu befleissen, auferlegt werden möchte, damit man also ohne
ungelegenheit mit inen beederseits negocieren und handlen khöndte.
Mit diser gelegenheit haben wir auch rathsamb zu sein erachtet, uns mit
inen, Spanischen gesandten, in etwas discurs von anstandt der waaffen ein-
zulassen , umb zu erkhundigen, wohin ire gedanckhen zihlen möchten, und
derentwegen inen andeüttung gethan, wie das sich der Venetianisch ambas-
ciator neülich gegen uns in verrichter revisita vernemmen lassen, das seines
erachtens die fridenshandlungen mit nuzen nit wol würden fortgesezt
werden mögen, man hete sich dann vorderist eines stillstandts der waaffen
miteinander verglichen. Dieweil wir aber noch derzeit (wie sie bereits in
unserer instruction wargenommen haben wurden) von Eur Kayserlichen
Mayestät kheinen andern bevelch, dann allein, was dißortts vorkhommen,
anzuhören, mit denn churfürstlichen gesandten zu berathschlagen und alß-
dann Ewer Mayestät mit aignem currier zu referieren, so hetten wir under-
dessen auch gern vernemmen wollen, was sie in disem puncto zu thuen
oder zu lassen sein vermeinen thetten. Darauf sie uns folgende andtwortt
ertheilt, es wurde vor allen dingen aufmerckhens zu halten sein, ob den
Franzosen rechter ernst wer, einen friden einzugehen oder nit, dann uf
disen fahl Eur Keyserlichen Mayestät gar nit rathsamb sein khondte,
einigen anstandt der waffen einzugehen, dann sie sich hierdurch nach und
nach selbs außzehren, hingegen aber dem feindt seine innhabende vesstun-
gen , landt und leuth in Teütschlandt in handts und also seinen vorteil wir
mehr und mehr erweiteren lassen müesten. Wann aber den Franzosen zum
friden ernst sein solte, so triegen sie wol die vorsorg, man wurde sich
solches anstandts nit gentzlich endtschlagen mögen. Doch hielten sie gar
nit vor rathsamb, selbigen uf ein lange zeit, sondern so khurz als möglich
und etwan allein bis uf außgang deß monats Maii zu erstreckhen und zu-
gleich uf mehr andere conditiones, dardurch solches anstandts halber weniger
nachtheil zu befahren sein khöndt, bedacht zu sein, wann man dann in
fortsezung der handlung zue etwas sicherer hoffnung, den friden zu erheben,
gelangen wurde, so khöndte man allzeit den anstandt uf ein mehrere zeit
verlengeren. Sie weren aber gleichwol der meinung nit, das man sich diß-
ortts zu einigem tractat erbietten oder einlassen, sondern allein, was ander-
werts hierundter vorkhommen möcht, anhören und, was Eur Kayserliche
Mayestät resolviren wurden, erwartten solten.
Auf dise ertheilte andtwort haben wir anlaaß genommen, zum driten
puncten, nemblich deren von denn Hollenderen vorhabender suspension
der waaffen, zu schreitten, und inen weiters vorgehalten, wir zwar an unserm
ortt erachten, das sich ein solcher anstandt, wie obgemelt, mit Schweeden
und Franckhreich wol möchte practicieren lassen, ja man die sach in denen
von inen, Spannischen gesandten, angeregten schranckhen wurde halten
khönnen; wir triegen aber die fürsorg, weil die gegentheil den mörckh-
lichen vorteil und nuzen, so inen aus einem lang erstreckhten anstandt zu
verhoffen stünde, leichtlich wurden berechnen und überschlagen mögen,
das sie ein exempl von denn Hollenderen nemmen und gleichergestalt solches
armistitium uf ein mörckhliche jahracht hinaus wurden erstreckhen wollen,
dahero uns sehr hoch angelegen wer, von inen zu vernemmen, was sie uf
solchen Hollendischen vorschlag zu thuen vermeinten. Dises unser anfragen
haben sie also beandtwortet, sie heten zwar dergleichen nachricht auch
empfangen, aber die wahrheit zu bekhennen, so were es inen ein ganz neüe
sach, daran bißher iresortts nit gedacht worden, khöndten also nit wissen,
was ires königs intention sein wurde, heten aber nit underlassen, dessent-
wegen an don Francesco de Melo zu schreiben, was sie sich uf solch der
Hollenderen anbringen zu verhalten haben möchten; irestheils hielten sie
solchen vorschlag der cron Spanien nit unthuenlich, dann uf solche weise
wurde man deß Niederländischen kriegs endtladen sein und die waaffen desto
stärckher in Franckhreich, Catalonien und Portugal sezen khonden. Sie
wüssten auch, das die Franzosen solchen vorschlag höchlich zuwider ge-
wesen , welches sie nit wurden gethan haben, wann sie nit vermörckht, das
denn Spanieren hierdurch mehr vortl dann nachtl zuwahsen thet, so wurden
auch hierdurch Eur Kayserliche Mayestät und deß heyligen reichs sachen
nit ärger und schwärer werden, dann erstens wurde deroselben von Spania
desto stattlichere hilff geleistet und die Franzosen von deß reichs boden
abgezogen werden mögen, und obwol zum anderen die Hollender ein theil
ires kriegsvolckhs abdanckhen und deß reichs feinden überlassen khöndten,
so wurden sie doch den mehrern theil in dienst und iren guarnigionen
behalten müessen, also hievon dem gegentheil ein schlechter vortl zue-
wahsen . So hete es zum dritten zwischen dem Hollendischen und Teütschen
kriegsweesen ein grossen underschiedt, und wurde von dem anstandt mit
den Hollendischen gar khein consequentz auf dergleichen mit Franckhreich
und Schweeden zu machen sein, dann es heten die Hollender durch lang-
würigen krieg und ire dabey erlangte possession gleichsamb ius aliquod
domini naturalis ersessen, da aber Franckhreich und Schweeden die im reich
eingenomne vestungen und landtschafften nullo iure usurpierten und
derentwegen inen steetigs repliciert werden khöndte, wo sie dise nit ab-
tretten wurden, das man mit inen weder anstandt noch friden machen
khöndte; vierttens hielten sie auch darfür, das durch solchen Hollendischen
anstandt Schweeden und Franckhreich desto mehr mit Eur Kayserlichen
Mayestät und dem reich friden zu machen benöttiget sein wurden.
Dieweil dann aus solchem discurs genuegsamb abzunemmen, wann die
Hollender mit dergleichen vorschlag aufziechen solten, das sich Spania
baldt mit inen in tractat und vergleich einlassen möchte, sovil desto mehrers
vonnötten sein, das Eur Kayserliche Mayestät uns dero gnedigste resolu-
tion , wie wir uns uff dasjenig, was etwan in consequentiam dessen von
Franckhreich und Schweeden auf die baan möchte gebracht werden, zu
verhalten haben sollen. Wir wollen gleichwol endtzwischen nit underlassen,
ein- und anderen particularien ferrers nachzudenckhen und denn Spanni-
schen gesandten, umb ein mehrer Hecht zu haben, mit eheistem zue weiterm
discurs vorzuhalten.
Der venetianische Botschafter hat uns wegen der Kurialien bei Ankunft der Franzosen
am 28. November ein Schreiben an die Franzosen mitteilen lassen , mit bedeütten,
das er anderer seiner nothwendigkheit wegen ein aigene person nach
Ambsterdamb verschickhen müeste und bei diser gelegenheit gern auch
dises schreiben an die Franzößischen plenipotentiarios fortlauffen lassen
wolte, und ob wir ine zwar dessen anvor mit uns gehaltenen discurs er-
innert und unserstheils lieber gesechen, das er darmit noch lenger innge-
halten hete, jedoch und dieweil er uns hinwiderumb anmelden lassen, das
er hernach nit wol mehr solche gelegenheit haben khöndte, zumalen das
schreiben also gestellet, das es allein sein aigne versorgnus begreiffen, uns
aber im geringsten nit impignieren thet, so haben wirs ime, neben danck-
sagung seiner sorgfeltigen bemüeheung und angehenckhten vorbehalt, das
uns unbenommen bleiben solte, wann endtzwischen Eur Kayserlichen
Mayestät resolution ein anders mit sich bringen thet, deme ungehindert,
wessen sich gleich die Franzosen erclären wurden, nachzukhommen, aller-
dings heimbgestelt und folgendts von denn Spanischen vernommen, das
er solch verförtigt schreiben inen ebenmessig communicieren lassen, dar-
wider sie auch einig weiter bedenckhen gefunden, als das sie erinnert, er
solte allein in terminis generalibus die gewohnliche complimenti gegen-
einander reciproce zu verrichten belieben, aber in specie deß endtgegen-
schickens der gutschen nit gedenckhen, damit man in omnem eventum in
freyer handt gehaben möcht. Stehet demnach zu erwarten, was der Fran-
zosen erclärung mit sich bringen werde.
Von den Beilagen zur Instruktion fehlen immer noch der Schönebecksche Rezeß und
die Instruktion für Pater Herberstein
APW [ I 1 nr. 24 ] . Über den Dominikanerprovinzial Georg Sigismund von Herberstein ( 1594–
1663 ) vgl. ADB 12 S. 33f. , O. von Gschliesser S. 211f. und APW I 1 ( passim ).
Recke
Gesandten geschrieben
Siehe [ nr. 101,2 ] .
Hinweis auf beiliegendes Protokoll [Beilage 1].
PS Wir haben die Nachricht des Sieges vom 24. November [bei Tuttlingen] den
spanischen Gesandten und Contarini weitergegeben. Eigenhändiger Hinweis Nassaus
auf beiliegende Nachrichten aus Paris vom 22. November.