Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
238. Ferdinand III. an Volmar Linz 1645 September 23
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Linz 1645 September 23
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 92 VI nr. 844 fol. 205–207.
Französische Satisfaktionsforderungen.
Ich hab auß euren an meinen gehaimben rath und Österreichischen hoff-
canzler Prikhelmeyr
schreiben mit mehrerm vernomben, waßgestalt ihr mit dem conte d’Avaux
in festo assumptionis bey den capuzinern im refectorio in ainen discurs
gerathen, in welchem er under anderm zue eüch expresse vermeldet, daß die
Franzoßen mit ernst ainen friden mit mir zu machen suchen und daß man
sich in puncto satisfactionis baldt mit ihnen werde verglichen haben, dann
sye begehrten nichts von dem reich, so er, alß ihr solches für bekhant ange-
nomben , iterato repetirt habe. Nun aber hat mir mein auch gehaimber rath
und reichsvicecanzler graf Kurz, alß er iüngst von München wider zurukh-
khomben , außführlich referirt
Am 10. September 1645 übergab Kurz in Melk dem Kaiser seinen Bericht über seine Ver-
handlungen in München vom 2. und 4. September. Ausfertigung: KrA Fasz. 159 fol. 48–59’ –
Kopie: Giessen 204 nr. 96 S. 772–794 – Druck: Gärtner VI nr. 9 S. 45–60. In Kopie
und Druck, die das Datum vom 4. September tragen, fehlen die beiden letzten Folien; vgl.
APW [ I 1 S. 343 Anm. 7. ] In KrA Fasz. 159 fol. 28–41 befindet sich ein Gutachten von
Kurz über seine Verhandlungen mit Bayern, das er wohl ebenfalls dem Kaiser am 10. September
übergab. Die ersten Folien dieses Gutachtens fehlen. Am 30. September übersandte Ferdinand III.
seinen Bevollmächtigten in Münster sowohl den Bericht als auch das Gutachten von Kurz; vgl.
nr. 245 Beilagen.
abgesandten auß Münster alda zue München in seiner anwesenheit ein-
khomben , die ihme communicirt worden, darinnen dieses puncti satisfac-
tionis halber dieses deütlich enthalten gewesen, daß bemelter conte d’Avaux
und Servient zugleich bey ihnen, Churbayrischen gesandten, gewest und
sich unersuchter angemeldet und angeben, auch ihr begern auf drey puncten
gestellt hetten, und zwar erstlich hetten sye begehrt die beförderung der
antwortt auf die außgehändigte propositiones, zum andern die dissidia
collegiorum in modo et forma consultandorum abzuschneiden, drittens
sich erbothen, sobaldt obbemelt meine antwortt inen zukomben wurde,
daß sye sich in puncto satisfactionis particulariter explicirn und in dem
passu nicht aufhalten wolten, alles neben vielen starken contestationibus de
synceritate ad pacem. Alß hierüber die Churbayrischen zu vernemben ver-
langt , waß sye under dieser satisfaction verstanden wolten haben und dessen
vertreüliche eröffnung begehrt, hetten beede Französische gesandten an-
fangs an sich gehalten und mit nichts herauß gewolt, mit vorwandt, eß
gäbe dieße vertreüeliche conferenz mit inen, Churbayrischen, den protesti-
renden ohnedas gelosia, wie sich dan in specie bereith die Hessische gegen
sye, die Französische, beschwärdt, dahero inen obläge, dieße differenz zu
declinirn. Nachdem sye aber verner ihr verlangen und synceritet zue dem
frieden contestirt, währen sye endtlich soweith heraußgangen, daß die cron
Frankhreich soviel bluet und gelt nicht khunte verlohren haben; ihr begeh-
ren wehre Elsass und das Preißgaw sambt der vesstung Breysach mit den-
ienigen iuribus, wie eß bißher das hauß Österreich innengehabt hette; die
immediatständt verlangten sye nit, sondern wolten sye alß immediatos under
dem reich verbleiben lassen. Metz, Tull und Werdun begehrte die cron
zugleich auch, wie nit weniger Philipsburg, in simili Speyr und Mainz;
wegen Philippsburg aber möchte eß allein auf ain praesidium reducirt kön-
nen werden, und waß wegen Mainz und Speyr angeregt, hette man sich
nit schrekhen zu lassen. Vor die cron Frankhreich wurde man praetendirn
sessionem et votum, allermassen Spanien wegen Burgundt hette, dabey
dan dieses noch verners annectirt gewesen, wann deß churfürstens in Bayren
liebden gefellig wehre, von diesem begehrn mir nachricht zu geben, daß
sye, Französische gesandte, begert, daß solches in höchster gehaimb geschehe
und daß eß von seiner liebden vorschlagsweise bey mir erfolgt, damit sye,
Französische gesandte, nicht in gelosia bey den protestirenden gestürzt
wurden.
Dieweilen dann diese, der Churbayrischen gesandten, relation demienigen,
waß der conte d’Avaux gegen eüch in obgedachtem dicurs bey den Capuci-
nern gemeldet, ganz zuwider, ich auch die bestendige nachricht habe, daß
noch vor etlich iahren der Französische gesandte Fesquier
Isaac Manassès de Pas, marquis de Feuquières (1590–?); vgl. APW [ II C 2 S. 67 Anm. 3 ]
und APW [ II A 1 S. 272 Anm. 1. ]
furth
Gemeint ist die Tagung vom 15. September 1633; vgl. dazu APW [ I 1 S. 361 Anm. 2. ]
das geringste begehre; wie dann die iezige erclärung und praetension für
sich selbst auf der lautern unbilligkheit beruhet, alldieweiln weldtkündig,
daß die cron Frankhreich auf das Elsass mit fueg rechtens nichts zu praeten-
dirn hab. Dießem nach ist hiemit mein gnedigister bevelch an eüch, ihr
wollet die negste gelegenheit ersehen, mit besagtem d’Avaux nochmahlen in
ainen vertreülichen discurs und conversation zu komben und mit occasion
dessen, waß er gegen eüch vermeldet, hingegen aber, waß gegen den Chur-
bayrischen von ihme und dem Servient für erclärung geschehen sein solle,
eüch befleissen zu penetrirn, waß dann der cron Frankreich dißorths aigent-
liche intention seye; sonderlich aber nit nur dahin sehen, waß sye, gesandte,
etwo für sich selbst discurrirn, sondern waß sye von Pariß auß aigentlich
instruirt und bevelcht sein mögen; dabey aber eüch allezeit in solchen ter-
minis halten, damit eß nit das ansehen habe, alß wolte man ihnen dißfalls
etwaß selbst offerirn oder beraith nachgeben. Wie ihr dann die unbillig-
kheit dißer praetension ihme für eüch selbst mit deme zu remonstrirn wissen
werdet, daß die erzherzogliche pupillen zue Ynsprugg noch biß dato min-
deriährig und weder defensive, noch weniger aber offensive in diesen krie-
gen iemahlen begriffen gewesen, wie auch daß das Elsass meines hauses
uhraltes patrimonium seye und waß eüch sonst für rationes mehrers
bekhandt sein. Waß ihr auch also penetrirt und zur nachricht erlangt, das
wollet mir ihr zue meinen selbstaignen handen mit dem allernegsten auß-
führlich und umbstendig berichten
Am 13. Oktober antwortete Volmar, daß er bisher noch keine Gelegenheit gefunden habe, mit
d’Avaux zu sprechen (Konzept: RK , FrA Fasz. 92 VI nr. 852 fol. 248–248’); aber schon
am folgenden Tag traf er mit d’Avaux bei den Kapuzinern mit Wissen Longuevilles zusammen;
[ vgl. Nr. 263. ]