Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
221. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 September 1
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Münster 1645 September 1
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 124–126’, 134,
praes. 1645 September 13 = Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 V nr. 788 fol. 504–
507’ – Kopie: Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 206 nr. 36 S. 241–252 – Druck:
Gärtner VI nr. 2 S. 5–12.
Verhandlungsmodus der Reichsstände. Besuch Oxenstiernas in Münster. Seine Haltung zur Frage
des Verhandlungsmodus. Abordnung der reichsständischen Gesandten in Osnabrück nach Münster.
Bitte des magdeburgischen Bevollmächtigten um Zulassung zu den Verhandlungen und um Abzug
der kaiserlichen Besatzung aus Magdeburg. Direktorium im Fürstenrat.
Wir haben aus der Osnabrücker Relation [ nr. 219 ] vernommen, daß die Reichs-
stände in Osnabrück auf ihren früheren Beschlüssen über den Verhandlungsmodus
beharren und sich auch zu keiner weiteren Konferenz mit den Ständen in Münster ver-
stehen wollen. Wir haben daher von diser bewandtnus alspaldt mit denen
alhie seyenden Churmainzischen, Cöllnischen und Bayrischen gesandten,
ieden absönderlich und in geheimbd, gehandlet und zu erkundigen begert,
was ir mainung und einrathen sein möchte. Alldieweil sie dann ein- und
andere erinnerung dabey gethan, haubtsächlich aber dahin gezihlt, man
werde sich denn Oßnabruggischen, sovil immer möglich, bequemen
müessen, und daher ein notdurfft sein, das wir die alhießige chur- und
fürstliche stände zuesamenforderen und zu berathschlagen anheimbd-
geben theten, was doch entlich uber solche begegnus vor ein resolution
zu fassen sein werde. So haben wir nit rathsamb finden können, uns solchem
guetachten zu widersezen oder die sachen mit lengerm zuewartten uf sich
selbst erhizigen ze lassen, gleichwol die zuesamenforderung biß uf negst-
verwichnen zinßtag verzogen, in hoffnung, es möchte mit der ordinari
von Ewer Kayserlichen Mayestät in diser materi einige resolution ein-
kommen . Weil es aber nit beschechen, selben nachmittags die sambtliche
chur- und fürstliche stände, deren verzeichnus lit. A beyligt, vor uns
kommen lassen und inen die proposition sub lit. B mündtlich vorgetragen,
warüber sie dann erst gestrigen tags zuesamengetretten, ire vota aber noch
derzeit gegeneinander nit verglichen haben. Sovil wir aber von denn direc-
toriis vernemmen, so gehet man im churfürstenrath per maiora dahin,
das man sich denen zue Oßnabrugg mit abtheilung der churfürstlichen,
fürstlichen und stättischen reichscollegiorum an beede ortt werde soweit
bequemen müessen, das die mehrere churfürstliche zu Münster, die beede,
Churmainz und Brandenburg, aber crafft dess anvor zu Regenspurg anno
1636 gemachten collegialschluss allein zu Oßnabrugg zu verbleiben haben
solten, da aber Churbrandenburg bey der mainung bleibe, das solche ab-
teillung also zu verstehen, das iedesorts integra cuisque ordinis collegia
gehalten und also in effectu doppelte gesandtschafften verordnet werden
müesten. Was dann die von unserer proposition angeregte particulariteten,
welche bey volnstreckung dess einen oder anderen modi zu beobachten
sein wolten, anlangte, da haben sie, churfürstliche, vermeint, selbige
möchten auch zugleich bey diser angestelten consultation erlödiget werden;
die im fürstenrath aber gehen absolute dahin, das man mit denen zu Oßna-
brugg die gleiche abtheilung aller dreyen reichscollegiorum in sich selbst
effectuieren und an iedwederm ortt den halben theil halten solte. Die darbey
in executione vorfallende considerationes aber möchten durch anstellende
conferenz zwischen beeden theilen eheist verglichen werden, darzue nun-
mehr die Oßnabruggische sich zu verstehen kein ferner bedenckens haben
wurden. Gleichwol ist die re- und correlation noch derzeit in hoc passu
nit vorgangen, dahero unbewust, ob villeicht noch bey einem oder anderm
waß verenderung vorfallen möcht.
Vorgestrigen tags ist der Schweedische plenipotentiarius Oxenstern al-
herkommen , die visita bei duca di Longavilla zu verrichten, da wir nit
underlassen wollen nachzueforschen, was sein weitere negociation mit-
bringen werde. Ine hat gestern mittags ermelter herzog in beglaittung
seiner mitgesandten und allem pracht seiner trabanten und artschieren
besuecht und mit sich zur tafel abgeholt. Nachdem dann die Churbay-
rische uns erynnerung gethan, volleicht nit unrathsamb sein würde, wann
wir uns diser occasion bedienen und mit dem Venetianischen ambassator
handlen theten, das er gedachten Oxenstern ansprechen und versuechen
wolte, ob er ine behandlen köndte, dahin einzewilligen, das die gesambte
reichsständt allein an einem ortt als alhier oder zu Oßnabrugg ire zue-
samenkonfft anstellen möchten, so haben wir gestern dessentwegen beede
herren mediatores angesprochen und inen umbständtlich entdeckht, warauf
dise streitigkeiten bestüenden, mit angehecktem ersuechen, das der Vene-
tianische ambassator, weil wir den herrn nuncium billich vor entschuldiget
halten müesten, dise müehwaltung sich undterfangen und einen versuech
bey besagtem Oxenstern thuen wolte. Dessen er sich zwar erbotten, aber
dabey angeregt, das er vom duca di Longavilla albereit verstanden, das
die versamblung der ständten an einem orth allein nit zu erhalten, sondern
desselben mainung dahin gienge, es solte das fürstliche collegium und etlich
von denn stätten zu Oßnabruckh verbleiben, und allein das churfürst-
liche und stättische collegium alhier zu Münster sein, und begerte darauf
er, ambassator, von uns zu vernemmen, ob er uf dises oder ein anders
mitel entlich seinen discurs bey Oxenstern fundieren derfte. Dieweiln wir
aber noch nit wissen können, warauf die chur- und fürstliche deputati
alhie ire conclusa richten wurden, so haben wir uns benommen, selbige
vorderist anzehören, inmitlst möchte er mit dem anbringen beim Oxenstern
innhalten. Gestalten es nunmehr auch diser negociation bey obberüerter
bewandtnus nit mehr bederffen würdt, dann einig mitel nit mehr vor-
handen , dise intentiones zu verhinderen, weil die catholische ebenmäsßig
allerseits nachgeben thuend, und stehet zu besorgen, man werde entlich
auch die Hessen Casßliche sambt anderen noch unaußgesöhnten ständen in
solche consultationes einkommen lassen müessen; wie dieselbe dann be-
reits denn Churbayrischen gesandten quaestionem status zu movieren
anfangen und ohne scheüch sagen derffen, wann man jene nit wolle zue-
lassen , so wurden auch dise von dem chur- und fürstenrath abgesöndert
werden müessen.
Inmitlst seint von Oßnabrugg die Magdenburg-, Braunschweig- und
Sachsen Altenburgischen auch der statt Straßburg
Nicht der straßburgische sondern der nürnbergische Gesandte war nach Münster gekommen;
richtig in [ nr. 218. ]
undterm schein die complimenti gegen uns und anderen königlichen ge-
sandten zu verrichten. Es haben sich aber die Magdenburgische erst vor-
gestern bey uns eingestelt und neben denn curialibus auch in specie ange-
regt , das obzwar ir herr principal sich nit versechen wolt, das bey diesen
fridenstractaten von iemand wider sein inhabendt erzstifft einige prae-
tensiones solten moviert werden; im fahl es aber geschechen thet, so er-
suechten sie uns, wir inen dessentwegen schleinige audienz ieweils ver-
statten und verholffen sein wolten, das ir genedigester herr bey seiner
innhabung manteniert werden möcht. Darauf wir inen geantwortet, das
wir uns zu erynneren wüsten, waßgestalten derselb vermög dess Prager
fridens bey angeregtem stifft fundiret, und dieweil dann Ewer Kayser-
liche Mayestät uns genedigist anbevolchen, uf handthabung dessen, so
in disem friden einem oder anderm standt gebüren könt, zu sechen, also
wurden wir nit ermanglen, zu begebendem fahl inen hierundter auch die
hilffshandt nach möglicheit zu bietten und sie in irem vor- und anbringen
ieweils guetwillig anzuhören. Sodann haben sie auch vermeldet, das Ewer
Kayserliche Mayestät wegen der statt Magdenburg von irem herren were
angelangt worden
Vgl. dazu [ nr. 167,3. ]
sazung möchte abgefüehrt, und demselben anderwerts mit aignen völckeren
zu besezen überlassen, und also folglich in den von der cron Schweeden
erlangten neutralstandt gesezt werden. Nun were an der beförderung
aüsserist gelegen, weil zu besorgen, ausserhalb dessen sonst diser vorneme
blaz in ir, der Schweeden, hände gerathen möcht, deme man hernacher
so leicht nit wider eroberen möge. Sie bekendten zwar hiebey, das die
cron Schweeden und deren officier bis daher irem herrn den titl eines
erzbischoffs nit hetten geben wollen.
Wir haben ferrers nit undterlassen, mit inen über die streittige mainungen
super modis consultandi zu conversieren und sonderlich zu vernemmen,
ob sie sich dess directorii wider Österreich zu undterfangen vermeinten.
Die haben sich aber rundt erclärt, wann Österreich wurde gegenwärtig
sein, das sie sich dessen ganz nichts anzunemmen begerten; hielten aber
im übrigen iedoch darfür, man solte sie von denen consultationibus nit
ausschließen, dann obzwar Magdenburg seit ufgerichtem religionfriden
kein session und stimm uf reichstägen hergebracht, so wolten sie doch
verhoffen, man solte sie in disem fridenswerckh bey denn rathsgängen
auch einkommen lassen.
Die Sahsen Altenburgische haben sich gestern bey uns angemelt. Wir
habens aber wegen der postexpedition erst uf morndrigen tag zur audienz
bescheiden. Der Dr. Lampadius, Braunschweigischer abgesandter, soll
albereit bei denn Franzosen gewesen sein, hat sich aber bey uns noch nit
angeben lassen; ob er dessen von seinen herren principalen bevelcht,
wollen wir nit hoffen.
A Verzeichnis der zu Münster anwesenden kurfürstlichen und fürstlichen Gesandtschaften.
RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 127. [ Kopie: Den Haag A IV
1628 nr. 17. ]
B Proposition der kaiserlichen Gesandten an die Bevollmächtigten der Stände in Münster 1645
August 29. Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli – September 1645 ) fol. 128–131 –
Druck: Gärtner V nr. 184 S. 886–892; Meiern I S. 560–562 ( = I 6,5 ). [ Konzept:
RK , FrA Fasz. 92 V nr. 785 fol. 495–498’ – Kopie: StK , FrA Karton 1 Westf. Friede
fol. 63–65’; ebenda Karton 7 S. 85–91; Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 204 nr.
93 S. 749–760; ebenda 206 nr. 37 S. 252–263. ]