Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
204. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 August 4
[ 194 ] / 204 /–
Münster 1645 August 4
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Juli–September 1645 ) fol. 71–75’, praes. 1645
August 16 = Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 V nr. 756 fol. 387–391 – Kopie:
Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 206 nr. 7 S. 64–78 – Druck: Gärtner V nr. 136
S. 626–635.
Zeremoniell- und Präzedenzstreitigkeiten bei Einzug der kurmainzischen Bevollmächtigten.
Französisch-bayerische Gespräche über den Verhandlungsmodus.
Auf nr. 194. Die Präzedenz zwischen den kurfürstlichen Bevollmächtigten und
dem venetianischen Botschafter ist seither nicht weiter disputiert worden. – Nachdem
und aber aus bevelch dess herrn churfürsten zu Mainz von seinen bißher
zu Oßnabrugg gewesten gesandten, herr graf Craz, thumbcustos, samt sei-
nem adiuncto, Dr. Krebsen, alherzukommen bevelcht worden, der auch
seinen einzug heut 8 tag alhie nemmen wollen, hat herr bischoff von Oßna-
brugg uns solches zu wissen thuen und andeüten lassen, ob auch wir neben
andern churfürstlichen ime, herrn Crazen, unsere wägen entgegenschicken
wolten, in hoffnung, wir wurden es der ursachen nit ausschlagen, dieweil
die churfürsten Ewer Kayserliche Mayestät innerste räth und vornembste
membra, also gleichsamb mit derselben als irem höhsten oberhaubt ein
corpus machten, und aus dergleichen unserer bezeigung meniglich die enge
connexitet zwischen denselben vermercken wurde.
Wir haben bey uns die rechnung leüchtlich ze machen gehabt, das dises
gepräng abermaln anlaaß zue einiger weiterung gebären möcht, aber bene-
bens auch zue gemüeth gezogen, wann wirs schlechterdingen abschlagen
solten, das mans an seiten der churfürstlichen übel außlegen und einigen
unwillen drauß zu erwecken nit ermanglen wurde. Hierumben so haben
wir geantwortet, wir heten zwar kein bedenckens, dise ehr dem Churmain-
zischen gesandten, nit weniger als anderen beschechen, zu erweisen, es
solte sich aber herr bischoff wol bedencken, ob nit hierdurch denn Franzo-
sen die irige auch zu schicken, denen alßdann der Venetianische ze folgen,
und also mit umbstosßung dess beim einzug dess duca di Longavilla auch
dess conte Pineranda gemachten schluss zu denn vorigen streittigkeiten an-
laaß gegeben werden möchten. Dahero unsers erachtens besser wer, man
thete dergleichen solenniteten undterlassen, wie wir dann auch berichtet
worden, das die Churmainzische selbst dergleichen nit begehrt, sondern
wol gar unbekandterdingen hereinzukommen erbiettig gewesen.
Es hat aber herr bischoff auf unser angefüegte erclärung ohne weitere mit
uns gepflogne undterred alspald zu denn Franzosen geschickht und inen
der Churmainzischen vorstehende einkonfft, das auch wir, Kayserliche, mit
denn hießigen churfürstlichen inen entgegenzuschicken vorhabens weren,
zu wissen machen und anfragen lassen, ob sie, Franzosen, solches ebenmäs-
ßig zu thuen vorhabens weren, welches fahles sie ersuecht sein wolten,
darmit inzehalten und sich nit zu bemüchen.
Dises haben die Franzosen pro formali denunciatione et requisitione auf-
genommen und nit allein der entgegenschickung sich erbiettig gemacht,
sondern es seyend auch mehrere unangenemme einwendungen und schik-
kungen zwischen dennselben und dem herrn bischoffen vorgeloffen, aller-
maassen er solches hernach uns selbst mündtlichen vorgetragen, wie in
beyligendem extractu prothocolli umbständlich verzeichnet ist. Dabey auch
die ursachen angehenckht werden, warumben wir Ewer Kayserlichen Maye-
stät reputation und hocheit gar nit vorständig ze sein befinden mögen, uns
diser einbeglaittung einzig zu enthalten, ungeachtat wir wol vorgesechen,
das es die andere gesandtschafften, sonderlich Spania und Venedig also auß-
legen möchten, als heten wir in vorberüertem schluß darmit einen bruch
gemacht. Solchem nach hat mehrgedachter herr bischoff von Oßnabrugg
sein vorige practic, wie bey einbeglaittung der Churbayrischen und Bran-
denburgischen geschechen, wider anhandt genommen, ist selbst mit denn
anderen beeden principalgesandten am sambstag, 29. Julii, in aufwarttung
seiner hartschier und trabanten hinaußgefahren und hat denen Churmain-
zischen gesandten zu sich in seinen wagen genommen, deme dann die uns-
rige , folgendts der Franzosen und dann der churfürstlichen übrige wagen
auch gefolgt. Gleich vor dem thor hat sich auch der Savoisch gesandt mit
seinem wagen praesentiert, aber gleich nach abgelegten curialibus widerumb
hinwegkh und uf sein seiten begeben, von dem herrn nuncio, Spanischen
und Veneto ist niemandts vorhanden gewesen. Dann dise haben es darfür
gehalten, das vermög vorangeregter vergleichung dergleichen gepräng hin-
füro genzlich vermitten bleiben sollen. Geben alle dem herrn bischoff von
Oßnabrugg die einzig schuldt, das er der urheber diser sachen sey. Wie
dann auch die nachfolgende fast haubtsächlich von ime veruhrsacht worden
wer.
Als nachdeme dise Churmainzische gesandten in irem quartier eingezogen,
haben die Spanische nit allein damaln gleich durch ire edlleithe sie, Chur-
mainzische , begrüessen und empfachen, sondern auch folgenden tags, ehe
dann es von uns oder dem herrn nuncio geschehen, sich bey inen umb ein
stundt zur visita anmelden lassen, denen seint die unseren, sodann dess
herrn nuncii und entlich der Franzosen mit gleichem begehren gefolgt.
Es haben aber die Mainzische sich weder gegen denn Spanischen noch
denn anderen einiger satten antwortt vernemmen lassen, sondern ie einen
nach dem andern mit einem aufzüglichen bescheidt abgeförttigt und ent-
zwischen zu dem bischoff von Oßnabrugg umb bericht geschickht, ob sie
vorderist die Spanische oder die Französische visita zuelassen solten. Der
hat nun alspaldt vor die Franzosen den ausschlag gegeben, welcher mainung
die Churbayrische und Brandenburgische auch beygefallen. Sie, Mainzische,
haben darüber zu uns geschickht und unsers rathes ebenmäsßig begehrt.
Wir haben inen zu erkennen gegeben, das man da nit in quaestione praece-
dentiae , sondern civilitatis et urbanitatis versieren thet, und könten wir
anderst nit finden, dann das demjenigen, welcher der erste im anlangen ge-
wesen , auch die erste stundt verwilligt und folgendts die revisita zum ersten
widerstattet werden solte. Mit welchem unserm ausschlag sie nit zufriden
gewesen, sondern haben es folgenden tags widerumb an die beede chur-
fürstliche Cöln und Bayrn gebracht, da dann inen unser ausschlag gebil-
licht und zu mehrerem fundament angezogen, das es eben der duca di
Longavilla selbst also gemacht, als welcher von allererst die Churbranden-
burgische zuegelassen, sie auch vor dem herren nuncio, bischoffen von
Oßnabrugg, Churbayrischen und Veneto revisitiert hette. Dise aber seint
uf irem beyfahl vor die Franzosen gebliben. Inmaassen sie, Churmainzische,
uns solches abermaln angebracht und ersuecht, per indirectum von denn her-
ren mediatoren zu erkundigen, was sie darvon halten theten. Und ob wir
zwar inen angefüegt, das dise irresolutio sehr schimpflich stüende, so haben
wir inen doch noch dises zue gefallen sein wollen, und hab ich, Volmar,
alsbald beim herrn nuncio umb seine mainung nachfragen lassen, mit dem
Veneto aber, als ich ine bey denn capucineren angetroffen, selbst darvon
geredt. Dise beede haben sich ab solchen unnötigen vacillationibus ver-
wundert und mit uns darfür gehalten, das der gebür und vernunfft nach es
anderst nit ze halten, wann wie oben von uns vorgeschlagen worden. Es
were auch alles, was die Franzosen dargegen einwerffen theten, nit werth,
das man darvon reden solt, noch in einige beobachtung zu ziechen.
Inmitlst haben die Churbayrische widerumb zu denn Churmainzischen
geschickht und inen anzeigen lassen, das die Franzößische plenipotentiarii
den Romain zu inen geschickht und anzeigen lassen, wann die Mainzische
den Spanischen vonerst die visita einwilligen theten, das sie es vor den
höhsten spott aufnemmen und ursach haben wurden, den congress auf-
zulassen und darvonzuziechen; sie, Bayrische, wolten daher verwarnet
haben, das sie keine so schwäre verantwortung auf sich laden wolten. Wie-
wol nun dises vergebliche und zumaln unhöfliche trowungen auch billig
nichts zu achten seint, so haben wir doch aus irer uns beschechener com-
munication verstanden, das sie sich nit zu resolvieren wissen, sondern vor-
habens bleiben, kein visita anzenemmen, so wir auch zu irem belieben haben
gestelt sein lassen. Wir verspüren aber wol, das dergleichen irresolutionen
noch in anderen die haubttractatus selbst betreffenden sachen sich vilfältig
eraigen.
Was dann im übrigen die haubtsach anlangt, zweiflen wir nit, es werde der
conte d’Avaux, so gestern abendts von Oßnabrugg widerumb ankommen,
allerhandt resolutiones mitgebracht haben. Und obwol die Churbayrische
gesandten eben zu der stundt als er, d’Avaux, seinem quartier zuegefahren,
auch mit zwayen gutschen ime entgegenkommen, und erstens ine in sein
losament einbeglaitet, ein guete zeit sich bey ime ufgehalten, folgents aber
mit ime zum duca di Longavilla gefahren seint, so haben sie uns iedoch
dessen einige nachricht nit zuekommen lassen, sondern als ich, Volmar,
heüt freüe zu inen zu kommen begert, sachen halb, so ich notwendig vor
abförtigung der post mit inen ze handlen, hat sich der von Haßlang ent-
schuldigen lassen, aber seinen adiunctum, Dr. Johann Adolph Krebsen, zu
mir geschickht, deme dann von mir vorgehalten worden, ich hete von
Wienn nachricht empfangen, das Ewer Kayserlichen Mayestät geheimber
rath und reichsvicecanzler, herr graf Kurz, mit deme vom reichshofrath
abfassendem bedencken über die feindtliche propositiones nach Münichen
verraisen werde
Die Instruktion für Kurz wurde erst am 15. August 1645 ausgestellt. Hierzu und zu den
Verhandlungen von Kurz in München vgl. APW [ I 1 S. 343f. ]
seine churfürstliche durchlaucht mit irer instruction bis dahin innhalten
wolten, begert ich also von ime, Krebsen, in vertrauen zu vernemmen, ob
es dabei noch bewende, dann weil die Churmainzischen gesandten nunmehr
alhie, so möchten die consultationes zu incaminieren sein, da wir alßdan
nit gern sechen wolten, das wir etwan bekürzt werden möchten. Darauf hat
er geantwortet, das inen noch gar kein instruction zuekommen, sondern,
wie gemelt, uf die mit dem reichsvicecanzler vorstehende conferenz zuege-
wartet werde. Neben disem hat er von selbsten meldung zu thuen ange-
fangen , das gestern der herzog von Longavilla zu inen geschickht und
ungeachtet irer entschuldigung ferrer sollicitiert, zu ime zu kommen, da
sie dann im hinfahren eben undterweegs den conte d’Avaux zu seiner wider-
konfft von Oßnabrugg angetroffen und mit ime zum herzogen gangen. Der
hete von inen zu wissen begert, was es doch mit dem Lengerichischen con-
cluso vor ein bewandtnus, das die ständ zu Oßnabrugg sich denselben so
pertinaciter widersezen theten und clagten, die churfürsten wolten den
anderen ständten per omnia leges vorschreiben und vermeinen, sie müesten
alles thuen, was die churfürsten wolten. Darüber sie, Bayrische, dann
umbständtlichen bericht ertheilt und remonstriert heten, das denn chur-
fürstlichen unrecht gescheche, auch sonst uf die formb, wie es die ständt
vorhatten, zu keinem schluss in den tractationibus werde zu gelangen sein,
mit erbietten, wann die commoditeten obhanden weren, das sie auch nit
verwaigeren wurden, nach Oßnabrugg sich zu transferieren, und daselbst
die conventus anzestellen, es were notoria impossibilitas obhanden. Sodann
hete Longavilla auch meldung gethan, ob solte der duca di Medina zu Ewer
Kayserlichen Mayestät abgeordnet sein, allein zu verhinderen, das kein frid
ohne Spania geschlossen, sondern der krieg continuiert werden solle; habe
bevelch, zu solchem ende allerhandt neüe subsidia, confoederationes und
alliances zu offerieren. Über welche materias die discorsi bis umb 9 uhr
nachts continuieret worden, ohne anzeigung einiger mehrern particulari-
teten . Wir wollen iedoch nit underlassen zu erforschen, warauf dess conte
d’Avaux Oßnabruggische verrichtung aigentlich beruchen thuend, damit
Ewer Kayserliche Mayestät von denselben bey negstkommender post mit
mehrern umbständten berichtet werden mögen.