Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
70. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Januar 2
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Osnabrück 1645 Januar 2
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Januar – April 1645 ) fol. 1–3’, 8–9’ = Druck-
vorlage –Kopie: ebenda Fasz. 92 IV ad nr. 500 fol. 129–134’; Den Haag A IV 1628 nr. 16;
Giessen 205 nr. 1 S. 1–12 – Druck: Gärtner IV nr. 3 S. 26–34.
Visite der Abgeordneten der Hansestädte. Beharren der schwedischen Bevollmächtigten auf Geleit-
briefe für Stralsund und andere Mediatstädte. Gegengründe. Neue schwedische Vollmacht. Botelhos
Kenntnis der schwedischen und französischen Friedensbedingungen.
In der vorigen Woche sind die Abgeordneten der Städte Lübeck, Bremen und Ham-
burg hier angekommen. Sie haben uns am 29. Dezember ihr Beglaubigungsschreiben
[ Beilage 1 ] vorgewiesen und dabei vorgebracht, die Städte hätten die Abordnung im
Namen aller Hansestädte vorgenommen, nicht zwar in meinung, sich in die trac-
taten einzudringen, sondern nuhr umb denen Keyserlichen gesandten mitt
nöhtiger information, soviel selbiger stätte interesse, erhaltung dern com-
mercien und darüber habende privilegia betreffe, damit selbiges bey denen
tractaten beobachtet werden möge, zur handt zu gehen. Da es eines Ver-
mittlers ermangle, bieten sie sich zu Vermittlerdiensten an. Wir haben ihnen geant-
wortet , daß wir ihr Interesse wie das aller Stände gebührend beachten werden, eß seie
aber leider die sach noch nitt in dem standt, das von dergleichen sachen
könne gehandlet werden. Immittls würde denen abgeordneten bevorstehen,
mitt unß ferners daraus zu reden und ihren zutritt zu unß zu nehmen, so
offt es ihnen gefellig. Sein darauf in discurs uber gegenwertigen der sachen
zustand alhie, und warauf es mitt der friedenshandlung haffte, gerahten,
und wier also mitt fleis dero abgeordneten anerbieten wegen zurhandtge-
hung bey der handtlung mitt stillschweigen vorbeygangen. Sie haben uns
für unsere Bereitwilligkeit, sie zu hören, gedankt.
Nun ist nitt zu zweifflen, bemelte abgeordnete werden bey uns ihres anlie-
gens halben allerhand informationes abgeben, die wier zwar iedeßmahls,
ehe dan unß darüber herauß werden laßen können, gehorsambst einschicken
wöllen; weiln uns gleichwohl erinnern, das es im Römischen reich bemelter
Hanseestätte und deren corporis halben gewißes bedencken hatt, alß stellen
wier zu fernerm nachdencken, obs auch eine notturfft sein wölle, unß dar-
über waß eigendtliches zu instruiren.
vorigem stand, und wöllen sich die Schwedische in materia tractandorum,
unangesehen wier ihnen unser proposition fürlengst in schrifften zugestellt,
wieder ihre zusag noch nitt herauslaßen, sondern halten sich noch in ihrer
praetension wegen vergleitung der statt Stralsundt auff; haben uns auch
noch vorgestern durch den dechand zu St. Johan anzeigen laßen, daß sie
dem Venedischen ambassadorn zu Münster deß wercks beschaffenheit wegen
Stralsundt durch ihren secretarium N. Milonium zu erkennen geben, der
ihnen in ihrer meinung beyfall gethan und sich verwundert hette, daß wier
uns in diesem werck weigerten
Vgl. APW [ II C 1 S. 445. ]
ten zu Münster einglangten bericht
[ Vgl. nr. 67. ] Die Relation war am gleichen Tag den Bevollmächtigten in Osnabrück mitgeteilt
worden: (Konzept: RK , FrA Fasz. 92 IV nr. 494 fol. 106–Kopie: Den Haag A IV
1628 nr. 16.) Am 3. Januar 1645 bestätigten Nassau und Volmar ihren Kollegen in Osnabrück
noch einmal ausdrücklich, daß Contarini dem Milonius gegenüber die Zulassung der Mediatstände
abgelehnt habe (Konzept: RK , FrA Fasz. 92 IV nr. 499 fol. 126–127–Kopie: Den Haag
A IV 1628 nr. 16; Giessen 204 nr. 62 und 63 S. 665–669; ebenda 205 nr. 5 S. 23–27–
Druck: Gärtner IV nr. 6 S. 38–41).
lich das der Venedischer gesandter dem Milonio deütlich geanthwortet,
daß in dergleichen begehren, alß welches zu praeiuditz chur- und fürsten
deß reichs angesehen, nitt gewilligt werden köndte, haben wier durch gemel-
ten dechand denen Schwedischen anthwortten laßen, daß wiers nitt glauben
köndten, daß der Venedische gesandter in dergleichen sachen, so wieder
den praeliminarschlus lauffen und in unser macht nitt stehen, ihnen werde
beyfall geben. Damit auch denen Schwedischen ihre unfüge soviel desto
mehr für augen gestelt werden möge, haben wier benebens dem dechand
einige rationes, so er denen Schwedischen nochmals zu gemüht führen
solle, inhalts beyverwarter abschrifft sub numero 2 ad calamum dictirt, so
derselbe denen Schwedischen mitt allen umbständen gebürlich repraesen-
tirt . Die haben sich aber darahn nitt kehren wöllen, sondern mitt großer
ungestümigkeit verlauten laßen, daß sich bey allen ständen deß reichs pu-
blico scripto beclagen und zu deren decision anheimbstellen wölten, ob sie
die stätte Stralsundt, Rostock, Wißmar, Erffurth und Leipzig (welcher
letzter orth ietzo auch in specie benennet worden) zurücklaßen köndten?
Es wehren generallfriedenstractaten, darzue müsten alle und iede, wer dar-
zu interessirt, ohne underscheidt condition und standts zugelaßen, und nieh-
mand , so gering er auch sey, abgewiesen werden. Soviell bemelte unsere
ihnen fürgehaltene rationes anlangten, wofern es uns gefellich, dieselbe
ihnen schrifftlich mittzutheilen, wolten sie die notturfft darauf anthwortten,
köndten sich aber derendtwegen in ihrer meinung nitt ändern. Nun hetten
wier zwar kein bedencken unsere motiven und fundamenta denen Schwe-
dischen in schrifften zuzustellen, weiln wier aber in der vorsorg stehen
müßen, daß mit solcher communication denen tractaten mehr schaden als
nützen geschafft werden köndte, indeme die Schwedische dadurch anlas
zur schrifftwechselung nehmen und die haubtsach damitt auffhalten dörff-
ten , als haben wier uns endtschüldigt, das nitt gemeindt wehren, unß uber
daßjenige, waß in praeliminarschluß decidirt, in schrifftwechselung einzu-
laßen , hetten solche erinnerung ihnen, den Schwedischen, zu guttem nuhr
zu dem end nochmalß was außführlicher und gründtlicher repraesentieren
laßen wöllen, in hoffnung, daß daraus die bawfelligkeit ihrer vorgeschützten
fundamenten soviel desto mehr erkennen und darumb desto ehender ihre
praetension fallen laßen solten. Weiln wier dan verspürten, das dergleichen
erinnerung bey ihnen nitt verfangen wölten, müsten wier es auch dahinge-
stelt sein laßen, wölten aber immittels die Schwedische abgesandten noch-
mals ersucht haben, sich circa materiam tractandorum, wie sie in ihrem
schreiben versprochen, vernehmen zu laßen. Ist uns zwar deren anthwortt
darauf noch nitt zurückpracht, aber wohl zu vermuhten, daß keine beßere
erfolgen werde alß die vorige, weiln sich in allem nach den Frantzosen
richten.
So wierdt auch auß Dennemarck und Schweden geschrieben, daß der tag
zur crönung der königin in Schweden auf den 8. Decembris bestimbt gewest,
weiln sich dan damit daß regiment in Schweden wierdt verendern, so stehet
zwar zu vermuhten, eß werden auch die Schwedische gesandten unerinnert
vor sich selbst ihre volmacht von der königin umbgefertigter einbringen,
haben uns aber auch in eventum bescheidts erholen wöllen, aufn fall, selbe
gesandte dergleichen umbgefertigte vollmacht von sich selbst nitt beybrin-
gen möchten, ob wier nitt alsdan, wan von der vorgangenen crönung die-
serendts wierdt erschollen sein, bey denselben davon glimpflich erinnern
und immittels auf eine assecuration oder schrifftlichen revers wegen bey-
bringung solcher von der königin selbst gefertigten vollmacht tringen sol-
len . Unsers ermeßens will solches soviel desto mehr nöttig sein, weiln man
mitt so gefehrlichen leüthen zu thun hatt, dieses begehren aber in der justitz
und billigkeit bekründet ist.
Uber dieses sollen wier nitt unangezeigt laßen, waßgestalt uns eine geistliche
ordenspersohn
N. Botello vertrewlich bekandt gewest, in vertrawen endeckt, und eß auß
mundt deß Botello selbst zu haben vorgeben, daß der Botello diejenige
conditiones, so die Frantzosen und Schweden bey dieser handtlung vorzu-
schlagen gemeindt sein, gesehen und verlesen, selbe aber also abgefasset
und beschaffen zu sein befunden habe, daß es in alle ewigkeit unmöglich,
darauff einen frieden zu hoffen und würden Ewer Mayestätt und die könig-
liche mayestätt in Hißpanien dieselbe niehmermehr eingehen oder annehmen
können. Darumb hette der Botello (welchen gemelter religiosus für einen
gewißhafften man haltet) eß höchlich beclagt und für seine größeste unglück
geschetzt, daß er in diese commission gezogen, eß auch iedeßmahls con-
testirt , daß er wieder seinen willen gleichsamb gezwungener darzukommen
und eß für sein exilium halten und darin sterben und verderben müsse.
2 Gründe der kaiserlichen Bevollmächtigten gegen einen salvus conductus für Stralsund, Osna-
brück 1644 Dezember 28. Kopie: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Januar – April 1645 )
fol. 6–7’. [ Kopie: RK , FrA Fasz. 92 IV ad nr. 500 fol. 135–137; Den Haag A IV 1628
nr. 16; Giessen 205 nr. 2 S. 12–17– Druck: Gärtner III nr. 116 S. 785–788.