Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
61. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1644 Dezember 22
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Osnabrück 1644 Dezember 22
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Oktober – Dezember 1644) fol. 117–118’,
125–126’, praes. 1645 Januar 2 = Druckvorlage – Kopie: ebenda Fasz. 92 IV ad nr. 488
fol. 79–82’; Den Haag A IV 1628 nr. 16.
Geleitbriefe für Stralsund und andere Mediatstände. Teilnahme aller Reichsstände an den Ver-
handlungen. Schriftliche Herausgabe der loco propositionis gegebenen Erklärung der kaiser-
lichen Bevollmächtigten.
Hinweis auf nr. 56. Nachdeme wier nuhn donnerstags, den 15. dieses, alda
[in Münster] anglangt, sein wier alsobaldt andern tags darauff mitt Ewer
Mayestätt gesandten beyeinander getretten und nachgesetzte puncta in
gegenwarth der Spanischen gesandten (so gleich umb selbe zeit, wie wier
in conferentz begriffen gewest, umb mich, den graffen von Lamberg, zu
besuchen, herzukommen) berahtschlaget, wohlbedechtlich uberlegt und uns
darüber verglichen, wie hierunden außgeführt.
Erstlich, waß denen Schwedischen gesandten auf ihre beschehene zumuh-
tung wegen vergleittung der statt Stralsundt und andere dergleichen muni-
cipalstätte zu diesem convent zu anthwortten. Sodan zum andern, wie den-
selben auf ihr fürwenden, daß zu künfftiger sicherheit des friedenschlus
eine unvermeidentliche notthurfft erachten wöllen, die gesambte reichsstände
vorhero, ehe dan zu ferner handlung geschritten werden könne, durch Ewer
Mayestätt zu denen verglichenen mahlstätten zu erforderen, zu begegnen;
undt endtlich, ob bemelte Schwedische, unerachtet von denselben noch
keine gegenproposition beschehen, unser loco propositionis durch den
dechand zu St. Johan ihnen mündtlich uberbrachtes fürhaben in schrifften,
wie sie begehren, mittzutheilen?
Soviel nuhn die erste frag anlangt, da ist man allerseidts darin einig worden,
das in sothanes der Schwedischen gesandten begehren durchauß nitt einzu-
willigen; und solches nitt allein der ursachen halben, das es notorie in eine
extension des praeliminarschlus hineinlauffe, also dergleichen vergleittung
zu thun in unser macht nitt stehe, sondern auch wegen der weitaussehenden
consequentz auf andere dergleichen stätte (zumahl sich die Schwedische
schon von Stetin, Wißmar und Erffurth heraußgelassen), so alle underm
fürwandt der adhaerenten nach deß gegentheils belieben zu Ewer Maye-
stätt und dero hohen ertzhaus auch aller darbey interessierten chur- und
fürsten höhistem nachtheill herzugezogen und mitt denselben wohl gar
alle dern wieder ihre obern seithero geführte gravamina bey diesem convent
fürgebracht undt eine solche confusion dadurch eingeführt werden dörffte,
darauß nitt wieder zu kommen sein würde; dahero auch für gutt angesehen
worden, unsere erclehrung und anthwortt gegen die Schwedische in hoc
passu also einzurichten, damit darauß von Ewer Mayestätt sorgfalt für
chur- und fürsten, und daß sie daß geringste, so zu dern nachteill einiger-
gestalt außgedeütet werden köndte, nitt nachzugeben gemeindt sein, abge-
nohmen werden möge. Der Schwedischen gesandten behelff, so dieselbe
auß dem Keyserlichen generallgleidtsbrieff (warin sich nitt die formales
termini des praeliminarvergleichs, sondern andere und zwar diese befinden,
„ut omnes et singuli suae serenitatis foederati, status et adhaerentes per Ger-
maniam“ etc.) nehmen, seie zu behaubtung ihrer intention nitt gnugsamb,
weiln man dießorts nitt auf selben gleidtsbrieff, alß welchem nur ein stück
der execution deß praeliminarvergleichs und nach demselben zu verstehen
und außzulegen ist, sondern auf den praeliminarvergleich selbst zu sehen
und daraus die quaestio pro quibus dandus sit salvus conductus erörttert
werden müsse, ohne daß die expeditio durch die restrictio (statuum per
Germaniam) gnugsamb auf die reichsstende ziehlet und dadurch der Schwe-
dischen fundament dergestalt zu boden gericht würde, daß auch errorem
cancellariae, womit daß werck sonsten endtschüldigt werden köndte, anzu-
ziehen unnöttig seie.
Bey dem andern punct ist erinnert worden, weiln dero Münsterische abge-
sandten schon deßwegen allerhandt erinnerung bey denen herren media-
torn alda angebracht
[Vgl. nr. 50] , [nr. 57] und [nr. 64.]
gen remonstrationibus begegnen solte, nemblich, daß die praetendierte
nottwendigkeit der sämbtlichen reichschur-, fürsten und stende auch stette
im Römischen reich ein unerhörtes auch im praeliminarvergleich nitt er-
findtliches zumuhten seie. Der iüngster Regenspurgischer reichsschluß gebe
denen stenden umb ihres interesse willen zu erscheinen gnugsamb gewaldt,
köndten sich dessen nach belieben gebrauchen; könne aber selbiger stende
beschreibung für keine praeliminarsach angezogen, weniger Ewer Mayestätt
solchs zugemutet werden; da es etwoh umb künfftige assecuration deß frie-
denschlus und dessen bestettigung von denen reichsständen zu thuen, so
habe es im Römischen reich, wie darzu zu glangen, seine gwisse richtige
wege, seie aber noch zur zeitt derentwegen die stände zu beruffen unnöttig,
weiln der friedt noch nitt abgehandtlet, weniger zum schlus bracht. Wofern
es dan denen Schwedischen umb dieser tractaten beförderung rechter ernst
seie, solten sie zur haubthandtlung tretten und dergleichen unnöttige nur
zu fernerm verzug und aufhaltung der sach dienende einwürff beyseithen
setzen. Es continuire noch die ietzige reichsdeputation zu Frankfurth,
würde an der stände mitteinrahten, da ie von Ewer Mayestätt nach gestalt
der sachen deroselben guttachten uber eins oder anders circa negotium
pacis einzuholen für nöttig erachtet werden mögte, nitt ermangeln und
hetten sich die Schwedische soviell destoweniger derentwegen lenger auf-
zuhalten.
Daß dritte begehren der Schwedischen gesandten betreffendt, da ist dafür
gehalten worden, das ihnen die begehrte schrifftliche verfassung dessen, so
ihnen loco propositionis durch den dechand zu St. Johan uberbracht wor-
den, nitt abgeschlagen, sondern damit willfahrt, dabey aber diese andeü-
tung gethan werden solte, daß man zwar gerne vernohmen, daß sie sich auf
erlangung deß schrifftlichen fürtrags super materia tractandorum wolten
vernehmen lassen, dahero man sich nuhmer, soviel desto mehr zu ihnen
versehen wölle, daß die handtlung selbst würcklich antretten, und also an
ihren ortt keinen saumsal mehr erscheinen lassen, sondern bedencken wer-
den, daß sie mit fernern auffzügligkeiten bey der gantzen christenheit
schwere veranthworttung auf sich laden würden. Und soviell von dieser
conferentz.
Andern tags sein auf unser ersuchen der herren churfürsten abgesandten,
nemblich herrn bischoff zu Oßnabrück fürstliche gnaden, der thumbpropst
zu Paderborn und der cantzler
Dr. Peter Buschmann ( um 1604–1673), 1632 Kanzler in Paderborn, Mai 1639 kurköln.
Geh. Rat und seit 1648 Kanzler des kurköln. Geh. Rats. Über ihn vgl. Meiern in J. L. Wal-
ther S. 47f., NDB III S. 68f. und neuerdings W. Honselmann.
sung erschienen, bey denselben oberzehlte drey puncta reassumirt, waß dar-
über bey voriges tages gehaltener conferentz für bedencken fürgefallen, mitt
allen umbständen wiederholet, und deren guttachten und meinung erfor-
dert worden. Die haben sich nach genohmenem bedacht und underredung
kürtzlich dahin erclehrt, das sie auß unserm bericht und angezogenen beden-
cken abnehmen müsten, daß die sach von uns reifflich und wohl erwogen
auch vernünfftig resolvirt wehre, derohalben sie sich in allen dreyen punc-
ten mitt unser meinung vergleichen theten.
Und soviel die zumuhtung von vergleittung Stralsundt anlangt, seie die-
selbe von grossem nachdencken, und gehe ihnen die darbey angezogene
erinnerung, daß durch dergleichen lufftlassung auch auf die ubrige muni-
cipalstätte gangen und solchergestalt alle inferiorum subditorum gravamina,
so die undergebene stätte wieder ihre obern führen, auf diesen tag gezogen
werden köndte, billich zu gemüht, welches dan grosse weitterung, wo nitt
unheil nach sich ziehen dörffte, derhalben bey diesem werck soviel desto
behutsamer zu gehen. Man habe gutte fundament für sich, nemblich dem
buchstaben deß praeliminarvergleichs, so nur von vergleittung der reichs-
stände rede, deme solle man inhaeriren. Und obzwar der Keyserliche gene-
rall salvus conductus waß generall stehe, so müsse doch derselbe aus dem
praeliminarschlus interpraetirt auch nach dem herkomnen im reich et iuxta
qualitatem loquentis verstanden werden. Im reich seie es aber herkommen,
daß Ewer Maystätt, wan die von ständen reden, keine andere darunder ver-
stünden und meineten alß die immediatreichsstände, consequenter müsse
der praeliminarschlus alß contractus in imperio celebratus also auch ver-
standen werden, und hette sich der gegentheil selbst zu imputieren, quod
legem non dixisset apertius. Es wölten zwar die churfürstliche nitt zuwieder
sein, wan man vielleicht loco temperamenti die veranlassung geben wölle,
daß hernechst, wan es etwoh die materia geben oder noth erförderen mögte,
von zulassung dergleichen mediatunderthan geredt werden köndte, weiln
aber dagegen erinnert worden, daß die Schwedische eine solche apertur
alsobald embrassiren und under dem fürwandt, daß die nott der materia
tractanda selbiger underthanen gegenwarth ietzo de praesenti erfordern
thete, zu ihrem intent gelangen köndten, ist es omnium votis für gutt ange-
sehen worden, auch kein temperamentum anzunehmen, sondern zuvoderist
Ewer Mayestätt von dem verlauff undt umbständen gehorsambst zu berich-
ten und dero allergnädigste erclehrung zu erwartten; womitt diese confe-
rentz geendigt, und seint wier wiederumb vorgestern alhie anglangt. Waß
nun zufolg solcher underredung wier alsobaldt bey unser ankombst denen
Schwedischen darauff anzeigen und dieselbe unß hingegen in anthwortt
zurückentbieten lassen, davon ist auß beyverwarttem protocollo mit meh-
rerm zu vernehmen.
[1] Protokoll Lambergs und Kranes, Osnabrück 1644 Dezember 20, 21. Kopie: RK , FrA
Fasz. 48a, Konv. c ( Oktober – Dezember 1644) fol. 119–120’, 123. [ Kopie: RK , FrA Fasz.
92 IV ad nr. 488 fol. 74–75’; Den Haag A IV 1628 nr. 16.] Am 20. Dezember haben
wir durch Heistermann den schwedischen Gesandten 1. angezeigt, daß wir nach Beratung mit
den kaiserlichen und kurfürstlichen Gesandten in Münster für die Stadt Stralsund keine Geleit-
briefe erteilen können, 2. unsere Erklärung loco propositionis schriftlich überreichen lassen,
3. anzeigen lassen, da sie mich, Lamberg, noch immer pro incognito ausgeben, daß ich mich
pro publico Caesaris legato ausgebe und bielte.
Am 21. Dezember hat Heistermann referiert, daß die Schweden sich über den 1. Punkt
bedenken und dann vernehmen lassen wollten, zum 2. Punkt begehrten sie, daß inskünfftig die
schrifftliche memorialia von uns mögen underschrieben, sodann in lateinischer
sprach abgefasset werden, allermassen zu Münster beschehe, den 3. Punkt ließen sie
dahingestellt sein. Wir haben antworten lassen, auch in Münster würden alle Schreiben ohne
Unterschrift eingereicht, also sei selbigem modo alhie billich nachzugehen; gelte sonsten
gleich in Lateinisch oder Teütscher sprach zu schreiben, wolten uns doch zu keinem
gewissen restringiren lassen, weiln es einmahl außgedingt, bey der schrifftlichen oder
mündtlichen handtlung sich deß modi zu gebrauchen, wie eß einem jeden gefällig
und zu der sachen beförderung am bequembsten und nützlichsten erachtet würde.
Den ubrigen inhalt der Schwedischen schreiben betreffendt, da pleibe man dieß-
seidts beym buchstaben deß praeliminarvergleichs, warin sich nitt befinde, daß alle
stände deß reichs hiehero durch Keyserliche Mayestätt erfördert oder beschrieben
werden sölten, also könne solches Ewer Mayestätt auch nit zugemuhtet werden;
selben ständen stehe sonst in crafft deß letztern Regenspurgischen reichsschlußs
hiehero zu erscheinen bevor und bedörfften deßwegen keiner vergleitung. Ersuchten
die Schwedische, daß sich derentwegen nitt aufhalten, sondern immittels zur haubt-
handlung tretten wölten, zumahln unß bewußt seie, daß solches von denen ständen
selbst in ihren anthworttschreiben begehrt worden, nemblich, daß immittels vor
deren ankombst die haubthandtlung zu befördern ein anfang gemacht werden
möge.
Eodem a prandio decanus refert, daß die Schwedische bey ihrer meinung beharreten, daß
zur haubthandlung nit zu schreiten, es seien dan zuvor alle ständt gegenwertig undt
der punctus wegen vergleitung Stralsundt zur richtigkeit pracht, köndten eß nitt
dafür halten, das eß eine extensio deß praeliminarvergleichs, sondern demselben
gemeß, der stände gegenwarth auch zu beförderung dieser tractaten nöttig seie,
wölten aber dem werck noch waß mehr nachdencken und sich demnechst forderlichst
vernehmen lassen .
[1a] Erklärung der kaiserlichen Bevollmächtigten loco propositionis, Osnabrück 1644 Dezem-
ber 4. Kopie: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Oktober – Dezember 1644) fol. 121 – Druck:
Gärtner III nr. 107 S. 753–754 ( unter 1644 Dezember 9). [ Kopie: Giessen 204 nr. 61
S. 664; APW II C 1 nr. 264,2.]