Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
111. Nassau an Trauttmansdorff Münster 1646 Januar 22
Münster 1646 Januar 22
Kopie: RK , FrA Fasz. 50a, Konv. B. fol. 18–21 = Druckvorlage ; KHA , A IV Bd.
1628/39 unfol., PS.
Französische Satisfaktion.
Rezepisse auf nrr. 107 und 106. Ich, Nassau, habe Longueville zur Geburt
seines ersten Sohnes gratuliert. Als wir in unserem Gespräch auf die Satis-
faktion gekommen sind, meinte der Herzog, die Franzosen vermeinten ein
sehr geringes begert zu haben, weiln sie in Elßas nur allein daßienige beger-
ten , waß dem hochloblichsten ertzhauß zustandigt unnd sie ohne daß bereitz
einhetten, daß ubrige stunde ohne daß anderen ständen zu, welches sie
nicht begehrten. Fuhrete weitleufstig auß, daß dießes ihr begeren gahr nicht
dahin angesehen were, ihre chron zu vermehren, andere zu bedrängen, son-
dern bloeß unnd allein zu ihrer versicherüng, deren sie keine andere sehen,
alß realiter solche orth einzuhaben, dardurch sie inskunftig aller einfälle
ihre cron befreyen könten. Eß würde sie auch niemandt verdencken
können, daß, nachdem sie so viell unzehlige millionen geldes und Frantzo-
sischen bluets verlohren, sie eine billige erstattüng begehrten, dan sie in
dießen krigh gehgen ihren willen, durch die allzu hohe potentz des ertz-
haußes Östreich weren gezogen worden. Dan sie sich dergestaldt von selbi-
gen auf allen seiten umbcingelt gefünden, daß sie woll erkennen können,
daß eß allein in deß hochstloblichsten ertzhaußes willen bestehen würde,
wan unnd wie langh die cron Franckreich in ruhe unnd frieden pleiben
solte. Ich replicirte, waß die assecuration deß friedens betreffe, wurde die-
selbe ohngezweifelt, alß von allen theilen verlangert und nöttig sein (wie
wir dan unßers seits selbige securitet eben so woll suchten) genuchsamblich
bey erfolgenden schlueß gesetzet und verglichen werden. Daß sie aber
vermeinten, durch einhaltung so ansehnlichen provincien, so zu dem
hochloblichsten ertzhauß Östereich unnd dem hailigen Reich gehörigh und
fast ein königreich machten, ihr königreich zu securiren, hergegen aber daß
gantze Römische Reich in eußerste gefahr unnd, indem sie die pforten
deßelbigen innen unnd besetzet haben wurden, allein von ihrer discretion
fast zu dependirn setzen wurden, were gantz ein unthuenliche sache unnd
wurde auf solche weiße den frieden zu machen weinige hoffnüng sein;
daß sie sich aber von dem hochstloblichsten ertzhauß Östereich alßo
umbzinglet befunden, hetten sie keine ursach selbigen solches zu mißgönnen
oder ein jalousie zu tragen, dan daß ertzhaus solche lande mit unbilliger
gewaldt nit ahn sich gezogen, sondern durch Götts segen, durch heyrahten,
ordentliche erbschaften und wahlen solche erlanget unnd innenhetten,
wehre also die jalousie der cron Franckreich unnöttig unnd nür imaginaria.
Die erstattung ihrer angewandten hohen uncosten, hetten sie keine ursach
von dem loblichsten ertzhauß zu praetendiren, dan sie von selbigen nichts
weren beleidigt worden; zudem wurden sie sich gnuchsamb erinnern der
vielen underschiedtlichen obligationen, so sie den protestirenden unnd theils
anderen reichsstanden gegeben, daß sie bey erfolgenden frieden kein eintzi-
ges im Reich eingenohmmens orth, bey welchen sie in specie eben dieselbe
orte, so dem ertzhauße zustandig unnd sie ietzo begehrten, mit einbegriefen
gehabt
erstattung begeren konten; muesten auch darvorhalten, daß dadurch sie
ursach geben wurden, die jalousie von ihnen zu haben, welche sie ohn einige
fueg und ursach vom ertzhaus zu haben vorgeben.
Der herzog antwortete, eß hette gleichwoll sich deß ertzhaus seiner potentz
zu praevaliren, den Mantuanischen kriegh
Als Ende 1627 Hg. Vinzenz II. von Mantua und Monferrat starb, sequestrierte Ferdi-
nand II. am 1. April 1628 diese Reichslehen, da die Sukzession des nächstberechtigten
Erben, Karl von Nevers, spanischem Interesse widersprach. Woraufhin Richelieu im
März 1629 den Kampf gegen Habsburg in Italien aufnahm, der im Sommer 1631 mit
dem Frieden von Chierasco beendet wurde. Vgl. D. Albrecht S. 204ff.
gantz Italien zu bemechtigen, zu hochsten der cron Franckreich schaden
unnd gefahr angefangen. Er mueste zwar bekennen, daß sie nicht so viell
ursach, sich uber daß ertzhaus Teutscher lineae zu beschweren oder dersel-
ben jalousie zu tragen, alß deßen consilia viell moderater unnd friedtsah-
mer als der Spanischen, so iederzeit verspuret, wan sie sich nur nicht der
Spanischen consilia so viell gebrauchten und davon gantz dependirten.
Der obligationen, so sie den protestirenden hiebevor gegeben, bey erfolgen-
den frieden keinen platz im Reich zu behalten, erinnerten sie sich woll,
wehren auch solche schuldig zu halten, wahn die dahmaliche mit ihnen
pacificirte crayße
gethaner assistentz und vorgestreckten mittlen sie sich vergliechen gehabt)
gelaistet hetten, weiln aber die crayße solches nicht leisten, noch sich
selbsten mit solcher hulf verthedigen [!] können, wehre die cron
Franckreich genöttigt worden, mit ihren aignen armeen, großen speeßen
unnd darschießung vieler millionen ahn obgemelte crayße, auch ahn die
Schweeden (daruber sie so viell armaden verlöhren) den crayßen zu hulf
selbsten ins Reich zu kommen. Dahero sie nicht zu verdencken, bey itzigen
in handen habenden vortheill, dergleichen erstattungen zu begehren; gab
daß exempell, wan einer einem geldt lehnete, were demselbigen der gewin,
der doch spielet, wan aber der, so geldt gelehnt, mit seinem geldt selbst spie-
let , so behielte er auch billich vor sich, was er damit gewinne. Daß ertz-
hauß Ostereich hette sich bey allen hiebevorn mit ihnen aufgerichteten
frieden deß vortheils ihrer glucklichen waffen praevalirt unnd sie,
Frantzoßen, sich in die zeit schicken mußen, so wir unßerstheils anietzo bey
der Frantzoßen habenden vortheill auch thuen musten. Wan man aber
darzu nicht geneigt wehre, wuhrde rathsahmer sein, vor dießmall auf ein
jahr ein oder zwey von einander zu ziehen unnd die waffen underdeßen zu
continuiren; wurden sie alstan weiter gluck haben, so wurden sie hernacher
ihre conditiones auch dah hoher spannen, im wiedrigen remittiren. Wo wir
ohn zweiffell unßerseidts auch thuen wurden. Ich replicirte, daß vorige
Kayßerliche Mayestätt allerglorwurdigster gedechtnuß gerechte und billige
ursachen gehabt, den angezognen Mantuanischen kriegh zu führen. So were
uber dieß alles noch der friede zu Regenspurgh unnd Carafio
unnd geschloßen unnd dardurch alle der Frantzoßen vermeinte praeten-
siones aufgehoben worden.
Die den protestirenden von ihnen gegebene obligation betreffent, wiesen
die zwischen ihnen aufgerichtet foederationes klärlichen auß, daß bey
erfolgenden frieden ohne setzung ainiger condition, sie die restitution aller
plätze versprochen hetten. Daß aber ahm Kayserlichen hoff man zu viell
die Spanische consilia brauchen unnd folgen solte, wehre er darin ubell in-
formiert .
Dan obwoll bey der Theutscher unnd Spanischer linea deß hochstloblich-
sten ertzhauß interesse bluetsverwandtschafft und erbschaft, sie hochlichen
conjungirt unnd zu einer gueten vertrawlichen correspondentz obligirt, so
folge doch daraus gahr nicht, daß ihr Kayßerliche mayestät den Spanischen
consiliis allezeidt folgen unnd gleichsamb darvon dependiren muste. Wie
dan ihr Kayßerliche mayestät vor sich selbsten ihres unnd deß hailigen
Reichs hohes interesse hochst rumblichst woll in acht zu nehmen wuste. Ich
hilte aber nicht darvor, daß der ertzogh [!], der von allem volck in Franck-
reich von ihme geschöpfter gueter hofnung zuwieder wurde von hinnen
ohne mitbringung einiges gueten friedens abreißen wollen.
Er replicirte, daß ia er nicht gern von hier ohne den frieden weichen wolte,
dieweil auß sonderlichem gueten vertrawen zu seiner persohn die königin
ihn anhero einen frieden zu erlangen geschicket hette. Dan die konigin
eine loblichste, gottforchtige princessin, den frieden aifrich verlengerte,
wan er nur ohne hochste nachtheill der cron erhalten werden konte. Dahero
die königin auch fast bey den parlamenten und volck in Franckreich in
den verdacht kommen, daß sie umb die ruin ihres loblichsten haußes unnd
herrn bruders, königlichen mayestät in Hispanien, zu verhueten, bey denen
der cron Franckreich in handen habenden großen vortheill frieden zu
machen zu viell gneigt sey. Dannenhero, weiln in dießen friedenssachen
weinige persohnen, ahm meisten aber im Franckreich, zu sprechen hetten.
Der duc de Orleans , der prince von Conde
alß dannenhero die königin zu seiner person in dießer ambassada incliniret.
Sie, plenipotentiarii, wolten in der that erwaißen, daß sie keinßwegs des
hochstloblichen ertzhaußes Östereich ruin suchten, noch begehrten,
sondern allein ihrer cron securitet unnd sich in solchen standt zu setzen,
daß sie nicht allerdings von deß ertzhaußes willen, es mit Franckreich nach
dero belieben zu disponiren, zu dependiren nöttig haben mögten. Wo der
königin hochstruhmblichste intention sein also bekandt, daß wir billich
ursach hetten, ein guets vertrawen in sie zu setzen. Wie wir dan auch ihm,
den hertzogen von Longeville, alß einen hohen vornehmen tugentsahmen
fursten zutraueten, er ahn seinem hohen orth, was zu beforderung eins all-
gemeinenen friedens dienlich, nichts würde ermanglen laßen. So viell dah
mehr, weil unß woll bewuest, daß sowoll die parlamenta, alß alles volck in
Franckreich uber alle maßen und fast mit ungedult den frieden verlanger-
ten . Unnd hette die cron Frankreich darbey woll zu beobachten, daß ihnen
der friede eben so hoch nöttig alß unß wehre. Dan die fortun, sonderlich im
kriegh, sehr wandellbahr. Der hertzogh hatt höchlich contestiret, in was
hohen respect er ihr Kayßerliche mayestätt und dero hochstlöblichstes ertz-
hauß billich hette, wolte auch ahn seinem orth, benebens seinen herrn colle-
giis , alles müglichstes, waß in ihren vermögen, anwenden, den frieden alhie
zu befordern. Hoffen aber, wir wurden etwas liberaler uns erweißen. Ich
habe wiederumb repetiret, daß ahn ihr Kaysserlicher mayestät sincerister
intention zu einem billichen gueten frieden sie nicht zweifelen wolten unnd
daß auß Kayßerlichem befelch wir allerseits von ihr Kayßerlicher mayestät
abgesandte nichts ahn unß wurden erwinden laßen, waß zu schleunichster
befürderungh dienlich wehre. Sie hetten noch so viell da mehr in werck
selbsten unnd in was hoher consideration ihr Kayßserliche mayestät die
konigin in Franckreich hielte, zu verspueren, daß ihr Kayserliche mayestät
ihnen uf die drey so ansehnliche fursten- unnd bischoffesthumben ihnen
darzu rechtmaßigen anspruch zu uberlaßen, wie auch auf Pignarola gna-
digst vernehmen laßen, so eine hohe und zu der cron Franckreich großer
versicherung unnd vortheill außschlagende sache wehre. Er andtwordtete,
daß sie zwar mit hoher obligation unnd danck solche erclärung von ihrer
Kayserlichen mayestät großhoffmeister herrn graffen von Trautmansdorff
vernommen hetten unnd darauß billich ihr Kayßerliche mayestät friedt-
liebende intention verspureten; eß wehre aber solches nicht gnuchsamb, dan
eß fast daß ansehen, alß wan man ihnen Bretaigne oder die Normandie, alß
welche sie ohne daß hetten, praesentirte. Ich habe geandtwortet, daß sie
dießes mit gueten, ienes aber mit gahr unsicheren unnd ungleichen titul
besessen.
PS Ich habe die Beschwerde Longuevilles, daß die Schweden bei den Ver-
handlungen bevorzugt werden, als unbegründet zurückgewiesen.