Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
338. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 September 10
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Osnabrück 1646 September 10
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 19–22’ = Druckvorlage – Kopie: Giessen 207 nr. 275
S. 1050–1057.
Oxenstierna. Bericht des hessen-darmstädtischen Gesandten: Unzufriedenheit protestantischer
Gesandter mit magdeburgischem Direktorium, Warnung vor schwedischen und kurbrandenburg-
ischen Bemühungen um kurbrandenburgische Entschädigung in Schlesien, pommersche Land-
stände , Bericht von Dohnas über Frankreichaufenthalt: Verhalten bezüglich Pommerns, innenpo-
litische Lage Frankreichs.
Der Oxenstern, umb seine zuruckreiß zu befördern, hat für etlichen tagen
einen einspänniger in Schweeden geschickt und fanget schon ahn, seine hoff-
statt waß enger einzuziehen, hat diese und vorige woche von den aufwartern
unterschiedtliche abgeschafft.
Der |:Hessen Darmbstattische abgesandter nomine Wolff:| hat unß in vertra-
wen berichtet, daß nit alle von den protestirenden ständten mit dem aufsatz
in puncto gravaminum, so iüngsthin in dern sämbtlichen nahmen außgeant-
wortet worden , zufrieden, clagen wieder das Magdeburgische angemastes di-
rectorium , besorgen, solang selbigs bey denen Magdeburgischen gelaßen
werde, daß auf nichts fruchtbarlichs werde können zugelegt werden. Der
fürstlich Magdeburgischer gesandter nomine Einsidl führe kheine moderata
consilia, folge mehr den wehnigen, selbst aufgeworffenen deputatis alß den
maioribus, darumb wehren etliche under denen protestirenden, so gern sehen
wölten, daß sich die Chursachßische selbiges directorii unterfangen möegten,
die Chursachßische aber wehren nit darzu zu bewegen, hetten ihr absehen
auf den herrn administratorem zu Magdeburg, wölten denselben nit gern of-
fendirn oder hirin vorgreiffen, immitls würden die sachen nit geführt, wie sie
geführt werden sölten, seie fast ärgerlich, daß sich selbiger herr administrator
so weith von seins herrn vattern, des churfürsten, consiliis laße abfüren, daran
aber niemandt anders alß bemelter Einsidl schüldich
Der Vorsitz im Corpus Evangelicorum gebührte nach Rang und Tradition Kursachsen, das
Direktorium des FR Osnabrück hingegen beanspruchte bei Abwesenheit Österreichs und Salz-
burgs Magdeburg, dessen Adm. der Sohn des sächsischen Kf.en war. Zur allmählichen institu-
tionellen Unterscheidung des in Osnabrück tagenden FR vom Corpus Evangelicorum vgl.
Wolff , 89–97; APW III A 3.1 (Einleitung).
Imgleichem hat unß selbiger |:Hessen Darmbstattischer abgesandter:| ge-
warnet , bey dem puncto satisfactionis vorsichtich zu gehen, dan alles bey den
Schweeden und Churbrandeburgischen dhahin angesehen, umb den zah-
lungslast Ewer Mayestätt aufzubörden und auf Silesien zu treiben. Seie khei-
nem Calvinisten zu trawen, hingegen contestirten die Churbrandeburgische
immerforth, daß die churfürstliche durchlauchtt, ihr gnädigster herr, eins an-
dern standts landt und leüthe nit begehrte, sondern das irige wiederhaben
wölten, haben unß auch noch gestern berichtet, von irer churfürstlichen
durchlauchtt schreiben zu haben, darin dieselbe andeüten, daß sie, umb die-
sen tractaten waß näher zu sein und ihr interesse soviel desto beßer selbst zu
beobachten, den 16./26. dieses von Berlin wurden aufbrechen und den gera-
ten weeg nach dem fürstenthumb Cleve nhemmen .
Die wehren mit denen Schweeden abermals in newe schwihrigkeit gerathen,
indeme die Schweeden der ländtschaft in Pommern die gewöhnliche ver-
samblung und landtagszusamenkombst sperren theten, dhagegen aber ire
churfürstliche durchlauchtt dieselbe vorgesetzt und von denen landtsständten
selbst dieses vornhemblich deliberirt und dern deütliche erclehrung darüber
haben wölten, waß nhemblich bey der Schweedischen praetension zu thuen,
ob selbiger cron pacis causa waß von Pommern zu überlaßen und waß ei-
gentlich deroselben davon zu überlaßen. Die Schweeden schmeckten es wol,
daß dergleichen zusamenkhombst der ständten ihnen nit wölte zum besten
außchlagen, darumb verhinderten sie dieselbe nach allem vermöegen, mach-
ten aber darmit ihre sach nit beßer, gebe sowol bey den stendten alß irer
churfürstlichen durchlauchtt große disgiusti.
Es seie auch diese wochen alhie ein Preussischer edlman, einer von Donna
Zu Dohna und seiner Mission in Frankreich vgl. [ nr. 114 Anm. 1 ] .
durchgereist, welcher bey ihnen seinen abstandt genhommen, komme auß
Franckreich, alwoh er sich eine geraumbe zeit, umb sich in sprachen und
andern exercitiis zu üben, aufgehalten, seie sönsten irer churfürstlichen
durchlauchtt rath von hauß auß, hette bey seinem abzug von Pariß auß irer
churfürstlichen durchlauchtt bevelch bey der königin und dem cardinal Maz-
zarini audientz gehabt und die Pommerische sach, dhamit die cron Franck-
reich nit zugeben möegte, daß selbigs fürstenthumb dem churfürstlichen
hauß Brandeburg sölte entzogen und denen Schweeden zugeeignet werden,
eifferich negotiirt, auch gute vertröstung bekommen, daß man an seithen der
cron Franckreich der hiebevorn von dem churfürstlichen hauß Brandeburg
selbiger cron trew geleisteten diensten (fuerunt formalia, und vermeinte der
von Löben, daß es ad tempora Caroli V. auf den Albertum Brandeburgicum
zu verstehen sey) bey gegenwertiger occasion eingedenck sein, denen Schwe-
den wegen Pommern zusprechen, und dieselbe zur billigkeit anweisen laßen
wölte, maßen die Frantzösische gesandten zu Münster schon darauf instruirt
wehren, und könte er, der von Donna, bey seiner durchreiß durch Münster
sich bey denselben angeben, würde aldha alle satisfaction erlangen, dhabey
dan die königin sowol alß genannter cardinal den von Donna ersucht hetten,
bey der churfürstlichen durchlauchtt zu Brandeburg zu erinnern, daß die-
selbe in der guten freundtschafft und zuneigung gegen die cron Franckreich
bestendig beharren wölten, wohmit der von Donna zu Pariß seie abgespeist
worden.
Wie derselb aber zu Münster sich bey den Frantzösischen gesandten dieser
sachen halben angemeldet und auf solche, der königin und cardinals Mazza-
rini erclehrung und zusage bezogen, hette der duca di Longavilla darzu ge-
lacht und ungeschewet gesagt, daß sie gar contrarie instruirt, nhemblich de-
nen Schweedischen befordersamb zu sein, dhamit selbige cron Pommern be-
halten möege. Dha müsten sich ire churfürstliche durchlauchtt zu Brande-
burg bequemen, oder es würde die cron Franckreich der cron Schweeden mit
macht der waaffen zu manutention selbiges fürstenthumbs beyzustehen genö-
tigt werden, also rede man anders zu Pariß und anders zu Münster.
Es hette auch selbiger von Donna nit gnugsamb von den vielfältigen und
uberauß großen schwährigkeiten und confusionen, so sich fast in allen sachen
beym königlichen hoff zu Pariß und durch gantz Franckreich vermercken
ließen, zu erzehlen gewist. Die fürsten von geblütt wehren mit des cardinal
Mazzarini verfahren nit zufrieden, der duca d’Orliens
stalt , daß er nit nacher hoff erscheinen wolle. Der printz von Conde
malcontento von hoff gewiechen, der cardinal Mazzarini dörffe sich nit mehr
in publico sehen laßen, ließe sich mit einer starcken leibguardi verwahren,
wie hiebevor der cardinal Richelieu hette thuen müeßen. Bey dem gemeinen
man sey durchgehendt groß lamentirn und schwihrigkeit uber die vielfaltige
und ubermäßige contributiones. Die vornhembste mitle, warauß die gelder
zum krieg seithero genhommen worden, sein gantz erschöpfft
Die frz. Staatsfinanzen gerieten in den vierziger Jahren wegen der hohen Militärausgaben in
eine Krise, die 1648 zur öffentlichen Erklärung des Staatsbankrotts führte ( Bonney , debts,
193–241; ebenda , 197f. zu den langfristigen Antizipationen auf die tailles zwischen 1645 und
1648). – Eine der Einnahmequellen der frz. Krone waren verschiedene Formen von Salzsteu-
ern , die sogenannten gabelles, die in weiten Teilen Frankreichs erhoben wurden ( ebenda ,
14–15).
werck , waraus das beste einkommen und iährlich auf etliche million zu prin-
gen gewest, seie auf so viel iahr anticipato hinaus verschrieben, daß in ge-
raumber zeit nichts dhavon zu gewarten, ia seie so weith kommen, daß man,
umb geldt aufzubringen, die einquartierungsbefreyung den unterthanen vor
geldt verkauffe und anerbiete, die arme leuthe auf dem landt verkauften die
schlößer von der thür, die fenster aus den stuben, behülffen sich mit papyr
anstatt der glaßfenster, dhamit sie nur die contributiones zahlen möegen, und
habe er ein solches elendt, weheclagen und betrangnuß gesehen, daß ers
gäntzlich dhafürhalten müeße, wohfern demselben nit paldt würde abgeholf-
fen und remediirt werden, daß es in kurtzem zu einem gefährlichen aufstandt
außschlagen dörffte , und waß dergleichn umbständt mehr gewest.
Weiln dieß nun sölche particularia, so Ewer Majestätt zu wißen angehen, alß
haben wir unsere schüldigkeit zu sein erachtet, dhavon gehorsamst zu be-
richten .