Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
234. Trauttmansdorff an Ferdinand III Münster 1646 Juli 3
Münster 1646 Juli 3
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 50b fol. 1–4, praes. 1646 Juli 12 = Druckvorlage – Konzept:
TA Ka. 115 Z 9 nr. 83 unfol.
Bereitschaft der Generalstaaten zum Frieden mit Spanien; französische Absichten in den spani-
schen Niederlanden. Servien. Visite bei d’Avaux: Verzögerung eines möglichen Friedens durch
französische Verhandlungsführung. Angriffe d’Avaux’ gegen Mazarin. Freundschaftliches Verhal-
ten der holländischen Gesandten; Einschätzung der französischen Politik. Stärkung der französi-
schen Verhandlungsposition durch Einnahme von Kortrijk.
Ahm vergangenen sambstag, den letzten nechstabgewichenen monats Junii,
ist bey mir einer von denen Hollendischen gesandten gewesen, welcher mich,
wie vor diesem in andern vorfallenheiten mehr beschehen, in vertrawen be-
richtet und vergewissigt, daß die beede cronen Franckhreich unnd Schweden
kein friedt verlangten, dahero die staaten von Hollandt dem werckh ihres-
theilß nachgedacht unnd zu ihres staats sicherheit am besten zu sein erachtet,
die ihnen von Spanien anerbottene billigmessige conditiones, unangesehen al-
ler von der cron Franckhreich beschehenen einwendungen, anzunehmen, zu-
mahl sie ausser der statt Antorff
der gemachten außtheilung oder partage (wie es von ihnen genent wirdt)
nichts mehr zu gewarten gehabt hetten. Warumb sich sonst der könig und die
regierende königin in Franckhreich sambt dem Mazarini denen Niderländi-
schen graintzen genähert, seye die ursach gewesen, wan der printz von Ura-
nien gegen denen Spanischen einige impresa vorgenommen und der duc
d’Orleans nicht weniger seinesorths operirt hette, daß sie verhofft gehabt, die
Spanische Niderlanden dergestalt zu ängstigen, daß es zu einem allgemeinen
aufstandt kommen und, vermittelst dienlicher underbawung, dahin hette
gebracht werden können, daß selbige provintzien den duc d’Orleans anzu-
nehmen gezwungen und er damit investirt were worden.
Selbigen nachmittag hat mich der Servient besucht, mit deme weder ich noch
er mit mir von den negotiis ichtwas geredet, nur allein, daß er im auffstehen
und hinweggehen vermeldt, daß er wünschen möchte, daß der cron Franckh-
reich confoederirte weder schlagen noch gewinnen theten.
Sontags, den 1. diß, hab ich erstlich dem d’Avaux und nach demselben denen
Hollendischen gesandten insgesambt die visitam restituirt. Der d’Avaux hat
sich gantz confident gegen mich bezaigen wollen, mit vermelden, er thete mir
von allem so vertrewliche eröffnung, ich aber mich gegen ihne gantz nichts
heraußlassen. Ich replicirte und wiese ihne auff die bißhero gepflogene hand-
lungen, auß welchen klar gnug erscheine, waß fur grossen offenen von unß
gegen ihnen beschehen unnd hingegen wie wenig solche bei ihnen verfangen
wollen. Wir hetten unß nichts anders versehen, dan sy, die Frantzösische ple-
nipotentiarii, würden mit unseren so ansehentlichen erklerungen zufriden ge-
wesen sein. Es geben aber die bißherige tractaten klar an tag, daß sy mehr nach
kauffmans art umb eine sach minutim handleten, nicht aber more regum con-
sueto das haubtwerckh auf einmahl angriffen, tractirten unnd beylegten.
Zumdeme so sey ich fast die vornembste ursach, daß die Spanische plenipo-
tentiarii sich so stattlich und ansehentlich gegen der cron Franckhreich er-
klert hetten. Eß were aber ihrerseits biß dato das geringste nicht erfolgt, son-
deren ein aufzug nach dem anderen hervorgesucht worden, daß ich also nit
wuste, wie ich bey so beschaffenen umbständen und bißherigem verfolg mich
anderst alß wie beschehen bezaigen könte. So wiese mich auch Euer Kayser-
licher Mayestät allergnedigste instruction und befelch zu keinem anderen,
und das allerletzte mittel möchte sein, daß Philipsburg demolirt würde, wan
man sich anderst zu den von unß beschehenen erklerungen und begerten ge-
genpraestationen verstehen wirdt. Im übrigen, weilen die erfahrenheit biß
dato geben, daß sy ihre handlungen unnd studia nach dem lauff und außgang
der waffen gerichtet und solchem nach auch mit ihren praetensionibus gestie-
gen, so stelte ich ihnen gleichwohl selbst zu erwegen anheimb, ob wir zu
verdenckhen und eß unbillig were, wan unß das gluckh widerumb anschei-
nen solte, daß wir ihrem exempel nach ein ebenmässiges theten.
Er hat hierauff viele contestationes ihrer fridfertigkeit gemacht, auß welchen
wohl soviel abzunehmen, daß sy ietzigen coniuncturen nach sich etwaß bes-
ser zum ziel legen möchten. Under wehrender conversation hat er des Maza-
rini zum öffteren gedacht und denselben beschuldet, daß er allein den krieg
wegen seines aigenen interesse führen und es wenig achten werde, wangleich
die ihrige schaden leiden und etliche vornehme hohe kriegsofficier und
standtspersohnen bleiben theten, alß welche er mehrentheilß umb seiner Si-
cherheit ausser landts geschickht, damit er alßdan gelegenheit haben möge,
andere ahn deren stell zu promoviren, ihme newe clientes zu machen und
also seine sach desto mehr zu stabiliren.
Frage der Titulierung bei Korrespondenz zwischen kaiserlichem und französi-
schem Hof.
Die Hollendische gesandten haben sich so offenhertzig erzaigt, alß wan sie
Ewer Kayserlicher Mayestät selbstaigene ministri und diener gewesen weren.
Halten auch den friden zwischen Spanien unnd ihnen nunmehr fur gantz
richtig und wollen, sobaldt solcher seine vollkommene richtigkeit erlangt,
mit unß wegen erhaltung der neutralitet zwischen Euer Kayserlicher Maye-
stät, dem Reich und ihnen handlen. Bestettigten und sagten dabey collegiali-
ter eben dasienige rundt herauß, waß der eine bei mir geweste gesandter ob-
angedeutermassen wegen der cronen schlechter intention zum friden in ge-
heimb angbracht hatt, item wie sehr sich die Frantzosen wider sy beschwert,
daß gedachte Hollendische gesandten dieselben dergestalt ubereylt hetten,
warauff sie ihnen zur antwort geben und selbst die schuldt beygemessen, daß
sie, Frantzosen, sich mit so ansehentlichen unnd billigmessigen conditionen
nicht begnügen lassen wollen.
Gesteren nachmittag hab ich den Servient widerumb besucht, welcher zwar
auß dem praesupposito, alß wan ihr armada in Niderlandt vor Cortray den
einkommenen avisen nach geschlagen were, einige naigung zum friden er-
scheinen lassen, nachdem aber die Frantzosen ietztbesagte statt Cortray in
angesicht des herzogs von Lothringen und der gantzen Spanischen armada
hinweggenommen , so werden sy, die Frantzösische plenipotentiarii, sonder-
lich wan die zeittung auß Italia auch nit continuiren solt, sich herter alß nie
bezaigen.