Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
35. Trauttmansdorff an Volmar Osnabrück 1646 April 25
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Osnabrück 1646 April 25
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 92 VIII nr. 1168 fol. 352–354, eigh. PS fol. 354–354’ = Druck-
vorlage – Kopie (nur PS): ebenda Fasz. 50a Konv. A fol. 93–93’.
Unterredung mit Servien: Abfassung des Instrumentum pacis in drei Vertragstexten?; Bitte der
katholischen Stände an den französischen Gesandten um Vermittlung bei der schwedischen Satis-
faktion , den Religionsgravamina und den Forderungen Hessen-Kassels; Gespräch mit den prote-
stantischen Ständen betreffend die Religionsgravamina und die Reform der Reichsjustiz; Behar-
ren auf Breisach. Suche nach kaiserlicher Instruktion zur Restitution der Pfalz.
PS Vorschlag Trauttmansdorffs zu spanischem Angebot an Frankreich; kaiserliches Interesse an
baldigem Frieden. Gefahr der Separation Bayerns.
Ich hab nit underlassen, uber daß seinige vom 24. dieß mit dem conte Ser-
vient wegen auffsetzung der instrumentorum pacis reden und demselben re-
monstriren zu lassen, das es nemblich besser sein werde, weiln der herr nun-
cius daß instrumentum pacis mit Franckreich, wan darin etwas gemeldt oder
begriffen sein solte, so der catholischen religion in einige weeg nachtheilig
sein wurde (wie es dan bey hinlegung der reichs- und religionsgravaminum
nit anderß sein köndte) nit allein nit underschreiben, sondern auch die cron
Franckreich selbst ungern den nahmen haben wurde, daß mit ihrem zuthun
und einwilligung obgedachter catholischer religion so starck praeiudicirt
werden solte, daß es zu beyseitsetzung dergleichen besorgenden difficulteten
ahm besten sein wurde, wan drey instrumenta, daß erste vor die cron Franck-
reich , daß andere fur die cron Schweden und daß dritte für die ständt deß
Reichs, in welchem die reichssachen allein begriffen, in den andern beeden
instrumentis aber fur die cronen, wan und wo der reichssachen gedacht wer-
den muste, sich darauff bezogen wurde, auffgericht werden mochten, welches
dan in effectu eben daßyenige wehre, alß wan nur zwey instrumenta und in
deren jedem die reichssachen einverleibt und abgefast wurden.
Es hat aber gemelter Servient geandtwortet, daß die cron Schweden alleß in
ein instrument gebracht haben wolte, stundte auch in seiner macht nicht, al-
lein fur sich und ohne vorwissen seiner herrn collegen sich in etwaß zu erkle-
ren oder heraußzulassen. Gab yedoch soviel zu verstehen, daß er sich nit er-
innerte , daß bey denen in Italia vorgewesten tractaten
Servien war frz. Unterhändler in Cherasco (1631 April 6 und Juni 19; Druck der Vereinba-
rungen : DuMont VI.1, 9–12 und 14–17) gewesen, wo der Mantuanische Erbfolgestreit be-
endet wurde. Zur Problematik der päpstlichen Mediation vgl. die Vertragspräambeln sowie
Leman , 1–4, und Repgen , Römische Kurie, 234ff.
der nuncius ichtwaß underschrieben hetten, sondern es wehre ihrer nur in
proemio des friedensproiects, daß nemblichen in respect der Bäbstlichen hey-
ligkeit und sein, des herrn nuncii, eifferiger bemühung und vermittelung der
fried dergestalt geschlossen worden. Sonst wurde seine cron nit gern sehen,
daß die religion vernachtheilet werden solte. Es wehr ihm auch leidt, wan
dißfalls etwaß nachgegeben werden muste.
Heut vormittag seind die catholische bey ihme, herrn Servient, gewesen und
hetten ihne ersucht, bey den Schweden alle mogliche officia einzuwenden,
damit sy von ihrer praetension der erz- und stiffter Bremen und Verden ab-
stehen wolten, sodan auch und furs ander, daß er sich bey den protestirenden
interponiren möchte, daß dieselben die von ihnen, catholischen, in puncto
compositionis gravaminum gethane vorschläg annehmen und sich darmit be-
gnüegen laßen wolten und dan drittens auch die Hessen Casselische
Im Unterschied zu vielen anderen Reichsständen hatte Hessen-Kassel in Münster und Osna-
brück je eine Delegation in gleicher Stärke und mit gleicher Vollmacht eingerichtet ( APW III
D 1, 351; Bettenhäuser , 27f.). Ges. Hessen-Kassels auf dem WFK 1644–1649 waren in
Osnabrück Reinhard Scheffer (1590–1656; ADB XXX, 682f. ; Bettenhäuser , 133; Strie-
der XII, 286–289) und Lic. Nikolaus Christoph Müldener (1605–1656; Repertorium , 262;
Bettenhäuser , 133), in Münster Adolf Wilhelm von Krosigk (um 1610–1657; Walther ,
67; Repertorium , 262; Bettenhäuser , 133) und Dr. Johann Vulteius (1605–1684; Wal-
ther , 69; ADB XL, 390; Bierther , Reichstag, 197 Anm. 268; Bettenhäuser , 133).
praetendirung einiger geistlichen guetter abstehen möchten. Auff daß erste
sagt ermelter Servient ihnen, den catholischen, geandtwortet zu haben, weyln
die Schwedische nicht gestunden, daß ihnen einige offerta ihrer satisfaction
halber geschehen, daß in seiner macht nicht stehen noch sich fugen wurde,
dieselbe darvon abzumahnen oder ihnen vorzuschreiben, was sy zu ihrer
praetension begehren solten. Wuste nicht, waß Churbrandenburg darzue sa-
gen und woher er seine satisfaction haben werde, wan er ganz Pommern da-
hinden lassen solte. In dem andern wolte er daß seinige gar gern thun, und
daß dritte hat er mit stillschweigen ubergangen und nur dieß gemeldt, daß
auch die protestirende heut bey ihme gewesen wehren, denen er gebettener-
massen zugesprochen hette, und soviel er abnehmen können (wiewol sie sich
zu nichts verbündtlichs erkleret), so möchten sie sich ratione reservati ecclesi-
astici noch wol uff ein gewisse zeit von jahren behandtlen lassen, hetten auch
bey diesem passu nichts anders geandt, alß das ahm endt der catholischen
erklerung uber den punctum deß geistlichen vorbehalts ahngehenckt seye,
daß nach verlauff solcher jahren diese sach mit recht außgefuhrt werden
solte. Weyln sie nun nit wusten, wehr hierin richter sein köndte, umb willen
ihre Kayserliche majestätt der religion selbst zugethan, so hielten sie ahm be-
sten zu sein, daß man die sach auf fernere gutliche underhandtlung stellen
solte, welches ihme, conte de Servient, auch nicht sogar unformlich zu sein
gedencken thete. Daß meiste aber, so er vermeint, darauf sie am hartisten
bestehen möchten, seyen die ahnordtnung der vier vorgeschlagenen dycaste-
riorum oder hohen hoffgerichten im Reich
nit allerdings kundig, er nichts zu opponiren gewust hette. Contestirte darbey
nochmals, daß sie ihrerseits den frieden eifferig zu befurdern gedächten,
hielte aber darvor, ich wurde daß werck mit Breysach ahm meisten befurdern
können. Alß ihme aber durch den secretarium Schröder, den ich dieser sa-
chen halber mit ihme zu reden dahin geschickt, geantwortet worden, daß,
soviel daß letzte betreffen thete, ihre Kayserliche majestätt biß dato in allenn
befelchen die vor- und zuruckbehaltung gedachter vestung Preysach expresse
außbedingt haben wolten und dahero auch schwerlich ein andere resolution
zu hoffen oder zu gewarthen sein wurde, so thete man sich versehen, weyln
an seithen ihrer Kayserlichen majestätt von der cron Franckreich nichts be-
gehrt worden, dieselbe wurde auff den extremis nicht beharren, sondern sich
hinwiederumb mit demyenigen, waß man sich gegen sy erkleret, begnugen
und wegen eines einzigen orths die ganze christenheit nit im blutbadt und
gefahr ihres undergangs lassen. Er bestunde aber darauff, wie er iungst gegen
mir selbst gemeld, daß sie auch derentwegen nicht nach Paryß schreiben
dörfften und hofften, es wurde von ihrer Kayserlichen majestätt ein andere
und bessere resolution heraußkommen. Daß also der herr siehet, waß sowol
die catholische sich auff die von Franckreich verhoffte officia zu beschuzung
der catholischen religion und rettung der stiffter alß auch sonst wegen deß
friedens zu verlaßen.
Sonst hat der herr den mir uberschickten bevelch vom 30. Septembris anno
1645 hierbey wiederumb zu empfangen, weyln solcher nicht der rechte ist,
sondern nur haubtsächlich von dem octavo electoratu, nicht aber de conditio-
nibus ipsis, mit welchen die Underpfaltz zu restituiren sein möge, handtlet.
Dannenhero so wolle mein herr nachsuchen lassen, ob sie dergleichen Kay-
serliche schreiben und bevelch bey der dasigen registratur nicht haben. Ich
werde auch in eventum und, falß er nicht verhanden, bey morgiger post dem
herrn graffen Kurtzen darumb zuschreiben.
[ Eigh. PS ] Jezo empfang ich ein schreiben vom conte de Penneranda , in wel-
chem er mich berichtet, waß Frankhreich auf seine oblationes antworten las-
sen , sunt durissima. Man mueß aber dennoch nicht desperiren, sondern forte
handeln. Mein einfeltige mainung (die ich doch zu des herrn graven von Nas-
sau unndt des herrn correctur stele) wär diese, daß gegen cedirung Rossiglion
undt ganz Artois das übrige alleß, waß die Franzosen in Niederlandt unndt
Burgundt innenhaben , zurukhgäben. Unndt diser punct mueß eher eventua-
liter sein richtigkheit haben, auch gegen gedachter cession die praetension
über Navarra
Der größere, südlich der Pyrenäen gelegene Teil des Kg.reichs Navarra war 1512 von Kg.
Ferdinand II. von Aragón (1452–1516; 1479 Kg.) erobert worden. Die frz. Ansprüche leiteten
sich von Kg. Heinrich IV. (1553–1610; 1589 Kg.) her, dessen Mutter Jeanne d’Albret Erbin
des nördlich der Pyrenäen gelegenen Teils von Navarra war ( DHE III, 20–23).
Katalonien hatte sich 1640 von Spanien losgesagt und Kontakt zu Frk. aufgenommen, um sich
schließlich im Januar 1641 der Regierung des Kg.s von Frk. und damit seinem militärischen
Schutz zu unterstellen ( Sanabre ; Elliott , 452–552; Bonney , 219–221; Devèze II,
485–493). Zu den frz. Ansprüchen auf Katalonien vgl. APW I.1, 165ff.
Portugal, das seit 1580 mit Kastilien in Personalunion verbunden war, trennte sich 1640 ab.
Zum portugiesischen Kg. wurde Johann IV. aus dem Haus Braganza (1604–1656) gekrönt.
Außenpolitisch suchte Portugal die Unterstützung Frk.s, die aber im politischen Bereich nur
zögernd gewährt wurde ( Stammtafeln II T. 42; HEG III, 657–662; Bonney , 221f.;
Devèze II, 493–500; vgl. auch APW II B 3, XLIII).
handelt, dan die Franzosen dieselben nie von sich alieniren werden, solang sie
ihres aigenen interesse nicht eher (alles in eventum zu verstehen, wan man
sich wegen Catalogna undt Portugal auch vergleichen khan) versichert sein.
Alßdan werden sie sich hoffentlich leidlicher finden lassen, gegen versiche-
rung observationis privilegiorum Catalonien wieder an Spanien weisen, Por-
tugal wegen auch mitel eingehen, daß der könig von Hispanien wider zur
cron gelangen möge, aber alleß cum aliqua specie, daß Frankhreich ihre con-
foederirte nicht verlassen haben. Der praetendirten gleichen tregua mit Cata-
logna , Portugall und Hollandt wirdt durch obiges remediirt unndt noch me-
rehr , wan Spanien mit Hollandt ein ewigen friden macht. Die andern 10 ne-
benpuncten lassen sich noch wol vergleichen.
Wan nun meine herrn collegae auch dieser mainung seyen, so khönen sie in
unserer aller namen dem conde de Penneranda dieses also glimpflichen einra-
then , doch alleß ohne maßgeben. Ihr Kayserliche mayestät urgiren bey allen
posten eyffrigist den fridenschluß unndt daß ihr Kaiserliche majestät von de-
nen reichsstendten sich nicht werden separiren khünen, dahero Spanien auch
eylen sol et quod recedendo et accedendo man hoffentlichen noch zu einem
schluss werde gelangen khünen.
Auf die Kayserlichen waffen ohne die Churbayrische (die bey denen Kayser-
lichen , wan der churfürst sicherheit von Frankhreich erlangen khan, nicht
bleiben werden) wirdt wenig conto khünen gemacht werden.
Mein herr wolle diß schreiben wohl auffheben.