Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
29. Ferdinand III. an Trauttmansdorff Linz 1646 April 24
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Linz 1646 April 24
Ausfertigung (H): TA Ka. 126 Bb 5e fol. 155–158, praes. 1646 Mai 5 = Druckvorlage – Kopie:
Giessen 210 nr. 63 S. 549–558 – Konzept : RK FrA Fasz. 50c fol. 95–95’, 92–93’, 96 –
Druck: Gärtner IX nr. 45, 191–197.
Schwedische Satisfaktionsforderungen: Argumente gegen Einwände der betroffenen Stände; aus
reichsrechtlichen Gründen ständischer Konsens möglich? Waffenstillstand mit Schweden und
Frankreich?
Ich habe mir mit mehrerm gehorsambist vortragen lassen, wessen sich des
bischoven zur Oßnabrugg liebden wegen Bremen und Verden wie auch we-
gen zuruckhlassung ganz Pommern, ia fast wohl theils meiner erblanden
selbst, umb daß dise stüffter erhalten werden möchten, ercleret , und aber-
mahl überlegt, waß bey ermeltes bischoffs contradiction und da er bevorab
noch mehrere ständt und etwan den nuncium selbst an sich henckhen thete,
zue thuen und wessen ihr eüch zu verhalten hettet.
Nun werdet ihr aus der eüch in gesambt überschickhten instruction , soviel
Pommern betrifft, genuegsamb abgenohmen haben, daß ich wohl die beysorg
trage, die cron Schweden werde mit der helffte selbigen landes, ungeacht ich
alles, waß vor deß churfürsten liebden erhalten kan werden, derselben von
herzen gönne, sich nicht contentiren lassen. So hat es auch solchen absaz mit
den zwischen den herzogen von Pommern, wo nit ettwo Brandenburg selbst,
und Schweeden vorgangenen pactis
Gegen die brandenburgische Sukzession in Pommern (vgl. [nr. 4 Anm. 6] ) hatte Kg. Gustav II.
Adolf von Schweden in der Stettiner Allianz (1630 Juli 10; Druck: ST V.1, 380–388) einen
Vorbehalt geltend gemacht (hier Art. XIV, 387f.).
soviel weniger hiervon werden ablassen wollen. Ich sehe endtlichen nicht,
warumb ich sowohl derentwegen alß anderer ursach halben den krieg conti-
nuiren und noch weniger, warumb man mir ein recompens wegen Pommern,
da anderst den Schwedischen ernst, mit mir und meinem erzhauß in vorige
freünd- und nachbarschafft zue kommen, zuemuethen solte, die ich auch von
dem meinigen zu geben nit gesonnen bin.
Wegen Wißmar thuet sich Meckhelburg selbst nit sonders opponiren, noch
weniger ein mittel an die handt geben, wie dieser portus der cron Schweeden
mit gewallt abzunehmen. Die Schwedischen vertrösten sich vielmehr, daß sie
ihne mit ainem brieff von herzogen zue Meckhelburg
Wurde nicht ermittelt. Hg. Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin (1588–1658), seit
1608 gemeinschaftliche Regierung mit seinem Bruder Johann Albrecht II. (1590–1636), ab
1610 auch in Güstrow, 1621 Alleinregierung in Mecklenburg-Schwerin, nach der Verleihung
Mecklenburgs an Wallenstein durch Ks. Ferdinand II. 1628 im Exil, 1631 von Kg. Gustav II.
Adolf von Schweden wieder eingesetzt, erhielt im PF von 1635 seinen Besitz bestätigt; seit
1636 regierte er wieder allein ( ADB I, 119f. ; Hofer, 1–38; Stammtafeln I T. 139, 140).
len.
Bremen und Vehrden betreffendt erkenne ich übriges, was dem Reich von
diser stüfft zuruckhlassung vor beschwerligkeiten zuwachsen könne und wie
dessen überlassung der cron Schweeden per modum provinciae noch schwäh-
rer ist. Ich waiß eben auch gnueg den vorthl, so Schweden dardurch an der
Weeßer und Elbe erlanget, aber ich vernehme weder von dem bischoff von
Oßnabrugg noch andern seinen catholischen oder auch uncatholischen mit-
ständten nicht, wie sie mir getrawen, zur continuation deß krieges under die
armb zu greiffen und von dergleichen petitis die cron Schweeden mit gewalt
abzuhallten, ja, was noch mehrers ist, wie sie die christenheit gegen dem erb-
feindt christliches nahmens (durch dessen vorbruch nit ein stüfft, sondern
deren viel und mit viel tausendt seelen extinguirt und in ewige dienstbarkheit
gebracht können werden) mir retten und schüzen helffen wollen, deren ver-
antworttung mir gleichwol von Gott auch anvertraut, und welcher verlust
dißorths und vor daß Reich selbst weith grösser alß dorten ist. Es lassen sich,
wie ihr meldet, gar wohl rationes difficultatum finden, aber die feinde mit
rationibus nit beschlagen, dahero ichs in allem bey der eüch und eüren mit-
gesandten überschickhten instruction , doch soweith solches mit meinem ai-
genhändigen schreiben und eüch absonderlich gegebenen gewalt überein-
stimmet, beruhen [ lasse]. Erkhenne aber gleichwol die difficultet, so eüch Oß-
nabrugg und andere, wann man mit zuruckhlaßsung deß stüffts per modum
feudalitatis und mit totalveränderung deß status verfahren wolte, machen
khönen, bevorab in waß gefahr man sich stürzte, wann man sich ratione feu-
dalitatis heraußliesse unnd gleichwohl keines ernstlichen fridens bey Schwe-
den versichert wehre. Es stehet also dahin, ob die Schwedischen mit den in
der instruction super puncto satisfactionis überschickhten modis et titulis
content möchten sein. Und auff solchen fall wurden die catholischen umb
sovil weniger zu obmurmuriren ursach, ihr auch desto besser ungeacht des
von Oßnabruggs liebden zu verfahren haben.
Solte es aber bey den Schwedischen, daß sie sich damit contentiren, nicht zu
erheben sein, so ist mir beygefallen, weilen sie doch ohne consens der ständte
zue mehrer ihrer sicherheit dise lande selbst nit werden haben wollen, ob nit
ein weeg were, daß man unverlengt sowohl den Churbrandenburgischen alß
Meckhelburgischen und dann den andern bey Bremen und Verden auch
sambtlichen interessirten ständten anzeigte, waßmassen ihr bey den cronen
allen müglichen vleiß hettet angewendt, den punctum satisfactionis auf ein
leidenlichern weeg, alß in ihren replicis begriffen, nach inhallt der gesambten
ständt underschiedlichen guetachten uf daß eyfferigste und beste alß nur
müglich abzuhandlen. Es were aber unmüglich, sie von Elsaß, Pommern,
Wißmar, Bremen und Vehrden zu divertiren. Dahero dann ich, wie schwär
auch mir dasselbe fallen thette unnd wie wenig den unschuldigen erzherzog-
lichen pupillen disorths waß zugemuethet köndte werden, gleichwol wegen
Elsaß mit Franckhreich mich auf gewisse maaß eingelassen. Ihr sezet also
ausser zweiffel, die andere bey Pommern, Wißmar, Bremen und Vehrden in-
teressirte wurden auß liebe des vatterlandes und zu verhüettung mehrern
bluetstürzens sich auch überwindten und, weil khein anders medium seye,
Schweden zu acquietiren alß mit ieztgedachten landen, erz- und bistumben,
also sich gleichfalls deren nachsehung nit entgegen lassen sein, die gesambten
ständt aber sich zu ercleren haben, wie sowohl dem churfürsten zue Brande-
burg
Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg (1620–1688), 1640 Kf. (NDB V, 495–501 ; Opgen-
oorth ; Hüttl).
verschaffen.
Zugleich aber wolte ich vor eine notturfft halten, daß den Schwedischen ge-
sandten anzudeüten were, daß sie im werckh erkennen wurden, daß ihnen
pro communi bono pacis ganz Pommern, Wißmar und daß stüfft Bremen
und Vehrden zu lassen mir nit entgegen were. Weil aber zue bestendiger ab-
handlung und vollziehung, quo titulo sie eigentlich ein und anders innhaben
und possedieren solten, der interessirten consens und also etwas mehr zeit
vonnöthen, als die zwischen der iezt angehenden campagna noch übrig
möchte sein, und die cron Schweeden von mir hiermit versichert sein solte,
daß ich daß meinige thuen wolte, damit die königin auch ratione tituli pos-
sessionis alle mügliche satisfaction bekommen möchte, wie dann auch, man
vergleiche sich ratione tituli feudalitatis ein oder andern stüffts oder landes
halben, wie man wolle oder auch gar nit, daß weder sie noch die cron von
mir kheines kriegs und weitterer thätligkeit sich zu besorgen solte haben, also
were es nun an deme, daß, weilen nunmehr keine causa belli mehr übrig, man
gleich zu einem erträglichen armistitio beederseits und unverlengt griffe und
in wehrendem solchem armistitio ratione tituli, wie die cron Schweden so-
wohl Pommern, Wißmar alß Bremen und Vehrden mit consens und guetem
willen der interessierten sowohl alß anderer ständte haben solte, ein ganzes
machte.
Mit sogestalter erclerung wolt ich fast darvorhalten, das dem bischoven zue
Oßnabrugg und andern oppositionibus am besten köndte begegnet und so-
viel erhoben werden, daß man ratione tituli den frieden nit verscherzte, den
man mit hinderlassung der länder selbst zu erkauffen für nothwendig erach-
tet. Ich wolte auch fast hoffen, wann es den Schweden ernst wehre, sie solten
dißen weeg, umb die ständte desto weniger zue offendiren, sich nit entgegen
sein lassen, unnd ist darbey leicht zu erachten, daß man stante armistitio sich
ratione feudalitatis, voti, sessionis und dergleichen leicht werde vergleichen
können, weiln khein standt eher zue einem newen bruch alß zue einem güet-
lichen und endtlichen vergleich inclinirt würdt sein, massen dann eben Chur-
bayerns liebden rationes, warumb mit denen Franzosen zum fridt zu eylen,
nit weniger militiren, daß man mit Schweeden ausser des kriegs seye und
Churbayern liebden, ob sie sich schon so Teütsch noch zur zeit nit herauslas-
sen, gleichwohl zweiffelsohne mit mir neben Churmainz liebden eins werden
sein. Es möchte eben auch dieser weeg iezo umb soviel leichter zu practiciren
sein, weiln die Franzosen, inhalt eüerer den dreyzehenden Aprilis einkomme-
nen relation , sich selbst obligiren, daß sie die Schweden zue einem armistitio
vermögen, ihresorths aber alsobaldt eines eingehen wollen.
Stelle doch alles zue eüerer discretion und dexteritet, und ihr werdet in loco
und nachdeme man bereit mit Schweden in die handlung etiam ratione tituli
sich eingelassen, am besten finden, wie das werckh zu befürdern, massen ich
eüch völligen gewalt gebe, da auch durch ieztgemelte weege die difficultet
wegen deß stüffts Bremen sich nit solte erheben lassen und der friedt daran
hafften wollen, daß ihr nach eüerer beywohnenden discretion daßihenige
mittel und medium ergreiffet, so ihr zu superirung diser difficulteten und zue
sicherer erhebung deß friedens selbst am bequembsten und förderlichsten er-
achten werdet.