Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
4. Kurz an Trauttmansdorff Linz 1646 April 18
Kurz an Trauttmansdorff
Ferdinand Sigmund Gf. Kurz (Kurtz) von Senftenau (1592–1659; 1636 Reichsgf.), 1626
RHR , an der diplomatischen Vorbereitung und Durchführung des Regensburger Kf.entages
1636/1637 maßgeblich beteiligt, 1637 Reichsvizekanzler, 1640 GR , verschiedene Missionen
nach Bayern ( Schwarz, 260–263: Haan, Kurfürstentag, 78, 80, 182, 230; NDB XIII,
328f. ).
Linz 1646 April 18
Eigh. Ausfertigung: Klattau TA Ka 9 Inv. nr. 200 unfol., PS ebenda.
Verdoppelung der böhmischen Kurstimme? Ausgleich mit Frankreich und Schweden?; Satisfak-
tionsforderungen. Lothringen. Schwedisch-kursächsischer Waffenstillstand. Religionsgravamina.
Spanisch-französischer Frieden?
PS Böhmische Kurstimme. Pfalz.
Euer Gnaden erinneren sich, was noch vor geraumber zeit an Churmeintz
ratione duplicis voti vor den khinigh von Behmen
Durch die Schaffung einer achten Kurstimme wurde das Gleichgewicht der Konfessionen im
Kurkolleg nicht mehr gewahrt, wie dies bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges durch das
Ruhen der böhmischen Stimme geschehen war. Bei der Wahl des Römischen Kg.s wäre zudem
Stimmengleichheit möglich geworden. Daher wurden zeitweise die Verdoppelung der böhmi-
schen Kurstimme oder ein gemeinsames Votum von Kurpfalz und Kurbayern oder eine zwi-
schen beiden alternierende Kur diskutiert. Trauttmansdorff war zunächst für die Verdoppe-
lung der böhmischen Stimme, blieb aber erfolglos (vgl. APW II A 3 nr. 180; zum Ganzen vgl.
Becker, Kurfürstenrat, 239f.; Ruppert, 282f.; Dickmann, 378f.; Steiner, 169f.).
antwort des herrn churfirsten ist beygeschlossen. Solte es ad octavum electo-
ratum khomben, so werden Euer Gnaden derselben, ob sie schon ambigua,
sich gebrauchen wissen. Man hatt dariber an herrn churfirsten weiter nix ge-
schriben, sonder die sach also noch zur zeit beruehen lassen.
Jüngstes protocollum hatt unss allen hoffnungh gemacht, das man mit
Frankreich undt Schweden mechte heraus khomben, wan es die cronen uff-
richtigh meinen. Interim beruehet glichvil alles daruff, das, so fest die Chur-
beyrischen in puncto satisfactionis eylen, so fest retardiren sie allein alles in
puncto gravaminum. Churmeintz haben ihr Khaiserliche majestät in hoc
puncto beantwortet, wie die beylagh vermagh. Wir deliberiren, ob numehr
sich werde vorgreiffen lassen undt sie [ die Beilage] allein ratione modi, rei
ipsius aber nit sorgfeltigh [ ist]. Desgleichen machen wir ratione Pomern
Nach dem Tod des letzten Pommernhg.s Bogislav XIV. (1580–1637; seit 1625 Hg. aller pom-
merschen Landesteile; NDB II, 418f. ) konnte Kurbrandenburg seine Erbansprüche auf Pom-
mern, begründet durch die Grimnitzer Erbverträge von 1529 (Druck: Dähnert I, 47ff.),
nicht gegen Schweden durchsetzen, das ganz Pommern als Satisfaktion forderte ( APW I.1
nr. 19 und 19a; Ruppert, 200).
khein difficultet, ratione Bremensis episcopatus
Das Erzstift Bremen stand seit 1567 unter ev. Administration. 1597–1634 war Johann Fried-
rich von Schleswig-Holstein-Gottorf (1579–1634; 1593 Koadjutor) ev. Adm. , 1635–1648
war es Friedrich von Schleswig-Holstein, der Sohn des dänischen Kg.s (vgl. [nr. 20 Anm. 10] ).
Im Zuge eines Rekatholisierungsversuches während des Dreißigjährigen Krieges wurde 1629
Ehg. Leopold Wilhelm zum Koadjutor und 1635 zum Adm. ernannt. 1645 wurde Gf. Franz
Wilhelm von Wartenberg zum apostolischen Vikar bestimmt. Das Est. war seit 1645 von
schwed. Truppen besetzt und wesentlicher Teil der schwed. Satisfaktionsforderungen ( Lo-
renz , Bremen, 7–51; Ruppert, 200; Aschoff).
dius, als catolische unterthanen umb ein Lutrischen et inconvertibilem epi-
scopatum wekzugeben, als wan in Slesien
Die schlesischen immediaten Erbft.er und mediaten Ft.er (sowie eine Reihe kleinerer und grö-
ßerer Herrschaften) unter böhmischer Hoheit kamen 1526 durch Erbfall an Ferdinand I. Die
Reformation fand in Schlesien breites Echo, in der Mitte des 16. Jh.s war nur noch ein geringer
Teil des Landes kath. 1620 huldigten daher die schlesischen Stände Friedrich V. von der Pfalz
als Kg., mußten jedoch nach dessen Niederlage im Dresdner Akkord (1621 Februar 18/28;
Druck: DuMont V.2, 379f.) Ferdinand II. anerkennen, unter dessen Herrschaft die Rekatho-
lisierung des Landes begann. Nach dem PF vom 20/30. Mai 1635 (vgl. [nr. 11 Anm. 2] ) konn-
ten nur die mediaten Ft.er und die Stadt Breslau das Recht auf freie Religionsübung bewahren.
In der Replik vom 7. Januar 1646 (vgl. APW II A 3 nr. 84 und 85) und erneut im Februar
1646 hatte Schweden unter anderem ganz Schlesien zur Satisfaktion gefordert – ein Anspruch,
den Trauttmansdorff energisch zurückwies ( APW II C 2 nr. 53, hier S. 166f.; Machilek,
Schlesien; Petry, 1–5, 85ff.; Dickmann, 249).
Osnabrugh
Franz Wilhelm Gf. von Wartenberg (1593–1661), 1644–1649 kurkölnischer Ges. auf dem
WFK, Vetter der regierenden Kf.en von Köln und Bayern aus einer morganatischen Ehe, Stu-
dium bei den Jesuiten in Ingolstadt und Rom (Germanicum), 1617 Präsident des Geistlichen
Rates des Hgt.s Bayern, 1621 kurkölnischer Obersthofmeister, 1625 Bf. von Osnabrück, 1629
ksl. Restitutionskommissar im niedersächsischen Reichskreis und Bf. von Minden, 1630 Bf. von
Verden, 1633 Adm. von Hildesheim, im selben Jahr Besetzung seiner Stifter durch die Prote-
stanten, 1645 apostolischer Vikar für das Ebt. Bremen, 1649 Bf. von Regensburg, 1660 Kar-
dinal. Wartenberg führte auf dem WFK zeitweise 16 Voten anderer geistlicher F. en und war
Wortführer des Widerstands der kath. Maximalisten gegen die religionsrechtlichen Kompro-
misse des WF ( Goldschmidt ; Grote, 503, 507; 2 LthK X, 959f.; APW III A 4.1, 57
Anm. 3; APW III C 3, XXIX-XLVIII; APW III D 1, 348ff.; Schwaiger ; Rohm, 141–145.
– Das unter dem Namen Wartenbergs bekannte Diarium vom WFK ist ediert in APW III
C 3).
nabrugh undt nit Verden
Das Hst. Verden, unter Eberhard von Holle (1531–1586; 1567 Bf. von Verden) ( Mager,
83–86) endgültig ev. geworden, kam 1630 für kurze Zeit an Franz Wilhelm von Wartenberg.
Seit 1645 war Verden in schwed. Hand und Bestandteil der Satisfaktionsforderungen ( Schä-
fer ; Patze III.2, 60f.; Böhme, 15–32; Ruppert, 200).
Schwedischen per modum induciarum in statu quo zu lassen, solangh bis
man sich ratione tituli uff ein khunfftigen reichstagh vergliche, mit der versi-
cherungh, das, so langh man hierin unverglichen were, ihr Khaiserliche maje-
stät undt das Reich gegen die cron via armorum nix suchen wolten. Wer khan
dem Kheyser rhatten, das man umb Bremen krieghe, seins entzwischen dem
Tirkhen lasse . Kriegsfinanzierung.
Wolh Euer Gnaden wisschafft, so thuen sie es balt, die handlungh mit
Lottringen
Das Hgt. Lothringen war seit 1634 von Frk. besetzt. Hg. Karl IV. (vgl. [nr. 16 Anm. 9] ) er-
reichte 1641 in einem Sonderfrieden mit Frk. nur kurzfristig die Restitution seiner Herrschaft.
Seinem Bemühen und den Versuchen der ksl. Seite, Lothringen in die Friedensverhandlungen
einzubeziehen, widersetzten sich die frz. Ges. , indem sie Lothringen nicht zum WFK zuließen
und die notwendigen Pässe verweigerten ( Mohr, 343–366).
Popel
Ulrich Adam Popel (Poppel) von Lobkowitz (gest. 1652), in kgl.-böhmischen Diensten, 1645
Ges. Ehg.s Leopold Wilhelms, 1646 ao. ksl. Ges. am kursächsischen Hof ( Wurzbach XV,
nach S. 314; Helbig, 273f.; DB VII, nr.n 624, 626, 746, 801; Ruppert, 85, 122; zur ksl.
Instruktion für Popel vgl. APW II A 3 nr. 99 Beilage 4).
Am 27. August/6. September 1645 hatte sich Kursachsen zum Waffenstillstand von Kötzschen-
broda (Druck: DuMont VI.1, 325f.; Londorp V, 1031f.) mit Schweden bereit erklären müs-
sen. Nach Ablauf des auf sechs Monate befristeten Stillstandes folgten neue Verhandlungen, die
schließlich zum faktisch unbefristeten Waffenstillstand von Eilenburg führten (1646 März 31/
April 10; Druck: DuMont VI.1, 340ff. in frz. ÜS; Textwiedergabe bei Helbig, 283–288;
Kopie: TA Ka. 125 Bb 4f. nr. 6 fol. 16–21). Die ablehnende Haltung des Ks.s gegenüber einem
Friedensschluß zwischen Schweden und Kursachsen machte sein Ges. Ulrich Adam Popel von
Lobkowitz deutlich ( APW II A 3 nr. 99 Beilage 1–4, nr. 213 Beilage 1–3; Helbig).
tus zu Münster undt Osnabrugh werden, undt 6 monat hernach noch. Reli-
qua wirden nextes communiciert.
Von Minchen schreiben sie, den ihrigen in puncto gravaminum befehl gege-
ben zu haben. Obs schon nur inhaerendo prioribus geschehen were, so gen-
gen doch dieselbe auch dahin, das der herr churfirst den fridt nit hindern
wolte. Wan ihm Meintz abfalt, so sich mit ihr majestät conformiert, so wer-
den sie undt vil andere stende ihr meynungh endern.
Thue mich Euer Gnaden gehorsamblich befehlen undt wunsche, das wahr
werde, was mir gestert der Venetianische bottschaffter
Gnaden nit allein bl〈o〉ß die glori werden haben, confectae pacis Germani-
cae, sonder auch, das durch ihr mediation der fridt mit Spanien solle erhoben
werden. Solte beedes nit sein wollen, so miessen wir in ein andere haut
schlipfen, unmigliche sachen miglich machen.
PS Obschon ich ietzo erinert wirdt, das das Churmeinzische schreiben in
puncto duplicis voti Bohemici Euer Gnaden sei zugeschikt worden , dieweil
ich mich aber nit erinere, das Euer Gnaden dessen empfangh avisiert haben,
so khumbts glichvil nochmals, ne quid negligatur. Das next wirdt sein, das
die Pfalzische sach uff die gesambten stende facta prius pace cum exteris
transferirt oder mit 〈sich〉 dariber in geheimb 〈korrigiert〉 werde. Kur-
mainzische Koadjutorfrage.