Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
304. Trauttmansdorff, Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III Osnabrück 1647 März 11

22
–/ 304 /–

23

Trauttmansdorff, Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III.


24
Osnabrück 1647 März 11

25
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 53a fol. 39–43’, PS fol. 58–58’ = Druckvorlage – Kopie: KHA A
26
4 nr. 1628/43 unfol., PS ebenda ; Giessen 208 nr. 185 p. 984–988, PS p. 988–989; Giessen
27
209 nr. 56 p. 399–407, PS p. 407–408 – Konzept: RK FrA Fasz. 92 XI nr. 1626 fol.
28
491–494’, PS fol. 498.

29
Noch keine Entscheidung bei der pfälzischen Restitution. Meinungsverschiedenheiten zwischen
30
d’Avaux und den schwedischen Gesandten: Überlassung der halben Oberpfalz an die Pfalzgra-
31
fen ?; kurbayerische Entschädigung?; Stifter Minden und Osnabrück. Maßlose Forderungen der
32
schwedischen Gesandten und der protestierenden Stände bei den Religionsverhandlungen;
33
entschiedene Zurückweisung durch Trauttmansdorff. Neuer, nicht akzeptabler Vorschlag zur
34
Regelung des Marburger Erbschaftsstreits von seiten der Kronen und Hessen-Kassels. – PS
35
Pfälzische Restitution: Zugeständnisse Oxenstiernas gegenüber den kurbayerischen Gesandten;
36
kurzfristige Ansetzung einer reichsständischen Beratung.

[p. 611] [scan. 687]


1
Verweis auf nr. 290. Wiewol wir nun verhofft, nachdem die Churbayrische
2
deputati nit allein bey dem Salvio für sich selbst, sondern auch durch den
3
conte d’Avaux bey deme und seinem collega, dem Oxenstirn, allerhandt
4
bewegliche einwendungen gethaen, es sölte daraufhin ein wilfährige resolu-
5
tion erfolgt sein, wie dan auch zu solchem ende besagte Churbayrische
6
deputati hin und wieder bey denen protestirenden nachgefolgt, daß dieselbe
7
ihnen beyfall geben und die Schweedische gesandtschafft ebenmeßig darzue
8
vermöegen helffen wölten, mit erpieten, daß ir gnädigster herr hingegen inen
9
sambt und sonders alle möeglichste wilfährigkeit, auch alle assistentz in
10
puncto gravaminum erweisen helffen würde, unß zumalen angezeigt, daß sie
11
hirüber von ein und anderen gute vertröstung entfangen hetten, so haben wir
12
doch in diesem geschäfft biß uf gegenwertige stundt khein erclährung
13
heraußbringen möegen, sondern es hat vorbemelter conte d’Avaux, alß
14
deßentwegen ich, Volmar, negstvergangnen freytags

42
Freitag, den 8. März 1647.
mich zu ihme verfüegt
15
und neben communication deren ahn Ewer Kayserlicher Mayestätt [ seiten ]
16
uber abtrettung des Elsaß und waß dhabey mehrers der cron Franckreich zu
17
irer befriedung zu verbleiben, aufgesetzter verzigbrieffen

43
Vgl. nr. 154 Beilagen [2] und [4].
etwaß nachricht
18
von seiner bey denen Schweeden gepflogener unterhandtlung zu vernhem-
19
men begehrt, unß andeüten laßen, daß ob er zwar dennselben umbständtlich
20
zu erkennen geben und rundt angezeigt, daß die cron Franckreich ein vor alle
21
mahl entschloßen wehr, dem herrn churfürsten in Bayern bey der churwürde
22
und der Obern Pfaltz in formb und maaß, wie von unß vorgestelt worden,
23
handtzuhaben, so hett er sie doch weiter nit bringen können, alß daß sie der
24
churwürde halber sich ansehen laßen, so hoch nit darwieder zu sein. Die
25
Oberpfaltz aber betreffend hetten sie von irer erstern erclehrung ein mehrers
26
nit weichen wöllen, alß daß sie entlich auf den halben theil kommen, dhabey
27
gleichwol vorgeschlagen, daß man Ewer Kaißerliche Majestätt entgegen der
28
völligen summa der 13 millionen mit gemeinem entschluß ledig sprechen
29
solte, warüber er geantwortet, die cron Franckreich seie mit Ewer Kaißerli-
30
cher Majestätt in deme einig, daß der herr churfürst für sich und die
31
Wilhelmische posteritet bey der völligen churwürde und zumahl der gantzen
32
Obern Pfaltz anstatt des aufgewendten kriegscöstens verbleiben sölte. Woh
33
aber Ewer Mayestätt anderen waß nachgeben und denen Pfaltzischen erben
34
wieder einhendigen laßen wölten, so würde es zwar die cron Franckreich
35
gerne sehen, aber nichtsdestoweeniger dem churfürsten verhülflich erschei-
36
nen , daß seine churfürstliche durchlauchtt umb so viel anderwerts mit
37
einraumung des landts ob der Enß gantz oder zum theil, ie nach proportion
38
deßen, so ahn der Obern Pfaltz abgehen thue, befriedigt werde, auch ehender
39
die waaffen nit niederlegen. Und ob er wol denen Schweedischen auch zu
40
einem mittel vorgeschlagen, waß ich, graff von Trautmansdorff, mich erpietig
41
gemacht, daß nhemblich denen Pfaltzischen erben gegen völliger verlaßung

[p. 612] [scan. 688]


1
der Obern Pfaltz durch ein gemeine reichscontribution in anno 1648 und
2
1649 biß in 500 000 thaler bezahlt werden sölten, so heten sie doch darzu
3
auch nit verstehen wöllen. Nit weiniger hete er vermerckt, daß sie in puncto
4
gravaminum zugleich noch uf iren vorigen unbilligen zumuthungen verhar-
5
ren theten, ein durchgehende glaubensfreystellung in Ewer Kaißerlicher
6
Majestätt erb- und anderer catholischer chur-, fürsten und stendten landen
7
haben, auch daß bisthumb Oßnabruck so weenig alß Minden denen catholi-
8
schen wiederumb folgen laßen wölten, ungeachtet er inen rundt gesagt, daß
9
die cron Franckreich in ewigkeit darin nit willigen noch auch derentwegen
10
Ewer Kaißerlicher Majestätt bekriegen helffen wölten. Und dha Ewer
11
Majestätt von selbst waß nachgeben theten, würde die cron Franckreich es
12
zwar ires orts geschehen laßen, aber offentlich bezeugen, daß sie darzu
13
einigen rath oder that nit geben hette noch wölte.

14
Nechstverwichenen sambstagnachmittag hat der Salvius mir, obristhofmei-
15
ster , im beysein Dr. Volmars angebracht, waßmaßen er und sein collega nit
16
unterlaßen hetten, daßienige, so wir in puncto gravaminum für unsere
17
weitere erclärung hinaußgeben, mit denen protestirenden zu communiciren,
18
und seitemaln darüber ein aufsatz, wie sie diese materi in daß instrumentum
19
pacis eingerücket zu haben vermeinten, vergrieffen worden, alß hette er mit
20
mir darvon handtlen wöllen und einen articul nach dem andern vorzulesen
21
angefangen, dha ich dan fast den gantzen inhalt allen uf irer seithen biß
22
dhaher vielfältig gegebenen vertröstungen zuwieder nit allein noch allerdings
23
uf der bemelten protestirenden anfangs entworffenen ungerechten anmaa-
24
ßungen gestelt, sondern auch mit sölchen unleidenlichen außfüerungen und
25
newen hochmüetigen erweiterungen vermehrt und durchspickt befunden,
26
daß ich mich nit enthalten können, ime, Salvio, clar under augen zu sagen,
27
daß ich nuhmehr gnugsamb verspühren müeste, weder die cron Schweeden
28
noch die protestirende einigen billigen und erträglichen frieden nit leiden
29
könten oder wölten, sondern Ewer Kaißerliche Majestätt, auch sämbtliche
30
catholische chur-, fürsten und ständt umb landt und leüth zu bringen und
31
zum Reich hinaußzutreiben gedächten. Ewer Majestätt würden sich zu so
32
unbillichen sachen nimmer verbinden laßen, noch auch solches gegen Gott
33
und seiner kirchen am iüngsten gericht verantworten können. Sie tractirten
34
unß catholische ärger alß die geringste sclaven und nit alß freye kaiser, könig,
35
churfürsten, fürsten und ständt. Es seie noch nit dhahin kommen, daß wir
36
unß mit sölchem schimpff, spott und schandt in ire dienstbarkeit begeben
37
müesten. Wan es ia nit anderst sein woll, so müsten wir der kugel den lauff
38
laßen und den außgang Gott, dem almechtigen, bevehlen etc. Endtlich,
39
nachdeme er gesehen, wie tieff ich dieses werck zu hertzen gefast, hatt er eine
40
copey seins abgelesenen aufsatzs von handt gegeben, mit vermelden, wir
41
möegten unß darüber semel pro semper erclären; vielleicht würde die
42
vergleichung so schwehr nit fallen, alß wir unß einbilden theten.

43
Alß ich ine auch umb ire resolution in causa Palatina angefragt, hat er
44
geantwortet, es wehre nit ohne, daß der conte d’Avaux mit inen hirunder

[p. 613] [scan. 689]


1
starck gehandtlet. Sie heten sich aber noch derzeit mit seiner meinung nit
2
vergleichen können. Er vermeinte ja, es würde Ewer Kaißerlicher Majestätt
3
nit so viel daran gelegen sein, daß dem churfürsten von Bayern eben alles,
4
waß er begerte, eingewilligt werde. Ewer Majestätt würden irer eviction
5
entledigt und weiter nichts zu entgelten haben. Doch sölten wir dhahin
6
sehen, daß man in puncto gravaminum vergleichen würde, alßdan würde es
7
sich mit dem Pfaltzischen weesen auch schicken. Er hat zwar auch in discurs
8
angezogen, daß conte d’Avaux die in puncto gravaminum abgelesene verfa-
9
ßung , wie nit weeniger viel catholische, mit denen dhavon geredt worden, nit
10
für unbillich achten theten. Es wiedersprichts aber ernandter conte d’Avaux
11
wie auch alle catholische, die wir noch deßentwegen vernhemmen möegen,
12
alß wir auch nit glauben können, daß einiger ehrliebender catholischer christ
13
seinen beyfall darzu geben werde. Vielmehr vermelden underschiedtliche
14
protestirende absönderlich, daß auch sie in sölches concept nit eingewilligt,
15
sondern daßelb von etlich weenigen durchgetrungen worden.

16
Ewer Kaiserlicher Majestätt haben wir hiebey ein abschrifft dhavon gehor-
17
samst ubersenden sollen. Und seindt wir im werck begrieffen, diesen aufsatz
18
nochmaln mit unsern habenden instructionibus und bevelchen zu erwegen
19
und daßienig, so ia mit dennselben nit stehen kan, außzusetzen und einen
20
endtlichen versuech zu thuen, ob dermaln hirunder ein ertraglicher schluß
21
möege erhalten werden.

22
Unterdeßen bemüehen sich vorderist der Frantzößische wie auch, uf seine
23
anstifftung, die Schweedischen gesandten, vor allen dingen den Heßen
24
Caßlischen zu irer praetension sowol gegen Maintz, Cölln und Fulda oder,
25
wie sie es anietz zu gestelten anfangen, gegen der catholischen liga alß auch
26
gegen Heßen Darmstatt zu verhelffen, und vermeinen, unß zu überreden,
27
neben inen ein decision zu geben, daß vorderist der Heßen Caßlischen lini
28
die niedere grafschafft Catzenelenbogen

37
Die Niedere Gft. Katzenelnbogen am Rhein mit der wichtigen Festung Rheinfels; 1479 durch
38
Erbfolge an die Lgf.en von Hessen, 1564 an die von Hessen-Rheinfels, 1583 an die von
39
Hessen-Kassel, 1627 an die von Hessen-Darmstadt, 1648 wieder an die von Hessen-Kassel
40
gekommen ( Demandt S. 207–262; Beck ).
und daß ambt Schmalkalden

41
Hft. Schmalkalden an der oberen Werra in Thüringen; seit 1360/1583 zur Lgft. Hessen
42
gehörig, 1626/1627 von Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt (1605–1661; 1626 Lgf.) als
43
Ersatz für die ihm vom RHR zugebilligten Entschädigungsgelder pfandweise eingenommen,
44
1646 von hessen-kasselschen Truppen erobert ( Demandt S. 240, 252–253, 260).
, alß
29
welche allein propter fructus perceptos ahn Darmbstatt kommen, zurückge-
30
geben , sodan von dem Marpurgischen theil die helffte zwar der Darmbstätti-
31
schen lini uberlaßen, eine quart aber ahn Caßel gefolgt und umb den ubrigen
32
vierten theil anderwertiger vergleich gepflogen werden solle. Seitemaln sich
33
aber die Darmbstättische deputati hirzu von irem hern nit bevelcht zu sein
34
entschüldigt, wir auch zu Ewer Kaiserlicher Majestätt dienst nit fürtraglich
35
erachten konnen, bey so ungewißem standt dieser friedenstractaten, das herrn
36
landtgraff Georgen fürstliche gnaden daßienig, so er mit urtl und recht

[p. 614] [scan. 690]


1
erlangt, wieder seinen willen abzusprechen und von Ewer Kaißerlicher
2
Majestätt devotion ine zu alieniren, alß sehen wir noch derzeit weinig mitl,
3
wie dieser zweyspalt ohne beschwehrliche nachfolg hinzulegen sein werde.

4
PS

34
Das PS sollte zwar der Angabe Volmars ( APW III C 2 S. 826 Z. 17–18) zufolge zu nr. 305
35
gehören, doch spricht die Überlieferung der Ausf. dagegen.
Nach außfertigung dieser unserer relation berichten die Churbayrische,
5
wie daß sie heüd bey dem Schweedischen plenipotentiario Oxenstern der-
6
maln einen zutritt bekhommen, indeme er verwilligt, irem gnädigsten hern
7
den churfürstlichen titul zu geben, so er biß dato niemaln thuen wollen. Und
8
nachdeme sie ihme seiner churfürstlichen durchlauchtt interesse bestermaßen
9
recommendirt, auch gnugsambe außführung gethaen, warumb sie weder von
10
irer churfürstlichen durchlauchtt praeeminentz noch der Obern Pfaltz im
11
geringsten nit weichen könten, hete er sich darüber gar schleünig vernhem-
12
men laßen und sich fast dhahin bezogen, daß hirüber vorderist die prote-
13
stirende stendte vernhommen werden müesten, ime auch auf ir fernern
14
erinnern nit zuwieder sein laßen, daß die sach in alle drey reichscollegia
15
proponirt werden möegte; alßdan und nach gestaltsamb dern gutachtens
16
würde sich die cron Schweeden desto leichter zu erclehren haben. Hirauf
17
[ haben ] wir unß mit gemelten Churbayrischen deputatis vergliechen, daß
18
diese materi biß negstfolgenden sambstag, wirdt sein der 16. dieses, alhie und
19
zu Münster in die reichsräthe vorgetragen und berathschlagt werden solle, in
20
hofnung, woh nit alle, doch die mehrere stendte werden Ewer Kaißerlicher
21
Majestätt allergnädigster intention secundirn und dhamit inen selbst und dem
22
Reich den so hochnötigen frieden mehrers befordern helffen.


23
Beilage


24
[1] Gravaminaartikel (Art. V IPO) – Projekt der protestierenden Reichsstande (lat.), Osnabrück
25
1647 Februar 25/März 7. Kopie: RK FrA Fasz. 53a fol. 44–56; RK FrA Fasz. 96 VI fol.
26
217–229; StK FrA Ka. 11 p. 127–157; KHA A 4 nr. 1628/43 unfol.; Giessen 209 nr. 55
27
p. 364–398; GehStReg Rep. N Ka. 95 Fasz. 68 pars 3 nr. 4; GehStReg Rep. N Ka. 97
28
Fasz. 69 pars 2 nr. 14 (mit den Korrekturen der ksl. Ges. , die am 15. März 1647 den schwed.
29
Ges. vorgelesen wurden) – Druck: RK FrA Fasz. 96 VI fol. 713–719; RK FrA Fasz. 98e
30
fol. 726ff.; Meiern , APW IV S. 89–99 – Druck einer dt. Fassung: Meiern , APW IV S.
31
99–109.

32
Dazu gehört eine Liste der Antegravati in drei Klassen. Kopie: GehStReg Rep. N Ka. 97
33
Fasz. 69 pars 2 nr. 42 – Druck: Meiern , APW IV S. 109–111.

Dokumente