Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
289. Nassau an Ferdinand III Münster 1647 März 4
–/ 289 /–
Münster 1647 März 4
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 54a (Teil II) fol. 126–130’.
Longueville über die spanisch-französischen Verhandlungen: Verzug nicht die Schuld Frank-
reichs ; unklare spanische Vorschläge wegen der französisch besetzen Festungen und wegen
Portugal. Brun: Zurückweisung dieser Vorwürfe.
Ahm vergangenen sontag hab ich dem duca de Longeville die revisita geben,
welcher unter anderen discursen vermeldet, er vernemme erfrewlichen, daß
die sachen zu Oßnabruck einen gutten fortgang gewinnen, und verhoffe, daß
es paldt zu einem friedenschluß glangen werde. Zweifflete nitt, man wurde
gantzsamb verspuhrt haben, daß auff der cron Franckreich seithen man in
allem concurrirt und cooperirt, waß zu beförderung und facilitirung deß
friedens hette von ihnen können begehrt und erwartet werden. Ich hab ihme
geantworttet: Wüste mich wohl zu erinneren, daß offtermahls er sich sehr
löblichen erclehrt, nichts hohers zu wunschen, alß den frieden in der
christenheit wider restablirt zu sehen, und daß ahn seinem orth er eyffrigst
daß seinige zutragen und selbigen beförderen wolte. Ich könte ihme auch
wohl sagen, daß ihme alß einem so vornehmen princen solche löbliche
intention zu haben iederzeit zugetrawet und annoch zutrawete, bätte ihn
gleichwohl umb verzeihung, wan ich etwas frey, iedoch mitt gepührenden
respect reden mögte, daß ich wohl vernommen hette, daß viele darfur halten
wolten, daß Franckreich etwan lieber die sache noch waß auffgezogen alß
paldt befördert sähe und es noch gern zu einer campagna kommen lassen
wolte. Warauff er replicirt, könte mich wahrhafftig versicheren, daß die cron
Franckreich auffrichtiglich und von hertzen den frieden verlangte und zu
beförderen begehrte, er auch seinestheils, da er ein anders hette vermercken
sollen, alhie zu pleiben nicht begehren, sondern zurück in Franckreich ziehen
wollen. Er wolte iederman zu iudiciren geben, ob sie oder die Spanische
ursach ahn verlängerung deß friedenschluß wehren. Sie hetten alle ihre
puncta den Spanischen klar und außfuhrlichen, wie solches bey dergleichen
tractaten gebrauchlichen, zustellen lassen, die Spanische hergegen ihre
schrifft mitt einem großen praeambulo, in welchem sie ihnen den unfueg zu
diesem krieg zuzuschreiben understünden, und anderen sachen also stilisirt,
daß sie pillig ursach gehabt hetten, solche schrifft gar nitt anzunehmen. Die
materiam aber selbsten und essentialia puncta hetten sie also dünckel,
ambigue, kurtz und generaliter eingesetzet, daß darauff zu antwortten oder
zu resolviren fast nitt möglich wehre. Bey solchen tractaten musse man klar
und umbständtlicher sprechen. Eß erscheine auß dem Spanischen auffsatz
wohl, daß ihnen sie Porto Longone et Piombino lassen wölten. Eß wehre
aber also unklar gesetzt, daß sie damitt nicht zufrieden sein könten, sondern
eine klarere cession und declaration darin wie auch in allen ubrigen puncten
haben müsten. Wan etwan die Spanische bey diesem passu daß bedencken
hetten, sich wegen dieser orthen nicht zu erclehren, ehender sie deß frieden-
schlußes versichert seien, damitt sie nicht in entstehung dessen sich bey den
Italianischen fursten in miscredit brächten, konten sie wohl geschehen lassen,
daß bißnoch die erclehrung wegen uberlassung beeder negstobgemelter
örthern nicht in diese schrifft gesetzet, sondern den herren mediatoribus oder
Holländeren zugestelt wurde, gleich wie in etlichen puncten zwischen den
Kayserlichen und Französischen hiebevor alhie wehre gehalten worden. Er
zweifflete nicht, ich wurde auß den Spanischen und ihren auffsätzen leicht
haben verspuhret, daß sie in dem ihrigen real und clar, die Spanische aber
sehr ambigue und fast captiose gangen, und dahero urtheilen können, welche
von beyden ahm meisten die befurderung deß friedens suchten. Ich replicirte:
Es wehre mir biß dato keine communication von solchen auffsätzen gesche-
hen , eußerlichen aber hette ich wohl soviel vernommen, daß die Spanische
darfur hielten, ihre erclehrungen also real und klar gesetzt zu haben, daß ihr
auffrichtige friedensbegierdt gnugsamblich drauß zu verspuhren wehre. Het-
te auch wohl verstanden, daß sie, Frantzösische, viel newe puncta, davon
hiebevorn nie nichts wehre geredt worden, begehrt und eingesetzet hetten,
wie dan auch wegen Portugal der hiebevor beschehener erclehrung zuwider
eingesetzet sein solte, wadurch etwan die tractaten do schwerer gemacht und
länger auffgezogen wurden. Der hertzog wolte nicht geständig sein, daß sie
etwas newes oder weiter, alß waß sie auch iederzeit vorgebracht und warauff
sie ihren friedensschluß fundirt, in dieser letzten schrifft praetendirt oder
eingesetzet hetten. Dan anfänglich und allezeit hetten sie sich erclehrt, solang
Spanien ihnen nicht satisfaction thuen wurde wegen deren ihnen hiebevor
abgenommener plätzen, daß sie keinen frieden machen könten, ohne alles in
handen zu behalten, waß sie bey diesem krieg eingenommen oder noch fur
dem friedenschluß einnemmen wurden, deßwegen Porto Longone und
Piombino in Italien nicht excipiirt werden könte. Sie hetten zwar sich
erclehrt, in Italien dem hertzogen von Savoien die eingenohmene plätze zu
restituiren, niemahln aber, weder in Italien noch ahn einigem andern orth,
dem könig in Hispanien widerzugeben, waß sie bey diesem krieg ihme
abnemmen wurden. Portugal betreffend hetten sie sich niemahls erclehrt,
alhier davon nicht zu tractiren, und wurde sich vielmehr befinden, daß sie
den Holländeren keine eintzige schrifft zugestelt hetten, warinnen nicht
iedesmahls Portugal mitt wehre eingerückt worden. Sie hetten iedoch auß
respect gegen ihre königliche mayestät in Hispanien, weil selbige sich
selbsten könig von Portugall hielten, diese moderation gebraucht, daß sie
niemahln den könig von Portugal genennet, sondern den punctum iederzeit
also ploß gesetzet „Portugal betreffendt“. Er könte auch nitt verstehen, wie
die Spanische Franckreich zumuthen könten, Portugal also zu verlassen, daß
man von selbiger sach alhie gar nichts tractiren solte, da man doch Spani-
scherseithen die Lothringische exclusion nicht zugeben wolte, welcher
iedoch seiner landen gantz und zumahln entsetzet, jener aber ein landt und
die waaffen in der handt hette. Es wehre ia auch Frantzösischerseithen die
erclehrung bißnoch nitt erfolgt, daß der königh von Hispanien nitt wider zu
Portugal glangen solt. Müste ia also, wan man friedt machen wolte, von
solchen sachen und mittelen zuvor tractirt und verglichen werden. Franck-
reich könte einmahl nicht vorüber, für Portugall zu sprechen, hetten sich
iedoch hiebevor gegen die Spanische erclehrt, wie er mir in vertrawen sagen
könte, wan man solche sach vornemmen wurdt, gleichwohl dardurch der
friedt nitt solte gehindert noch aufgehalten werden, ja sie verfuhren mitt
solcher moderation in den Portugesischen sachen, daß Portugal sehr ubel
damitt zufrieden wehre und sich daruber beschwerte. Er sehe also nicht, wie
möglich, zwischen Spanien und Franckreich einen bestendigen frieden zu
machen und zu erhalten, wan nicht zuvor ein gewisses wegen Portugal
verglichen seie. Die Spanische wurden sich doch selbsten noch erinneren, daß
sie sich erclehrt, daß sie geschehen lassen könten, daß Franckreich Portugal
assistiren mögte. Er wolte aber zu bedencken geben, wie es möglich sein
wurde, einen versicherten, beständigen frieden zu erhalten und gleichwohl
Portugal hulff zu leisten, und ob nitt Spanien bey solcher erfolgender
hülffleistung leichtlichen und wan es ihne nur geliebte, ursach und anlaß
nemmen wurde, auffs new zu rumpiren. Deme nuhn zu begegnen, hielte er
fur daß bequembste mittel, die vorgeschlagene treves mitt Portugall einzuge-
hen , welche dem könig von Hispanien er seinestheils bey dieser coniunctur
und vorstehender Türckengefahr ahm sichersten und nützlichsten zu sein
erachtete. Er sagte weiters, obschon die Spanische schrifft, wie obgemelt, also
gestellet, daß er pillig hette bedenckens haben können, solche zu acceptiren,
weniger zu beantwortten, so hette er iedoch auß der begirdt und verlangen
deß friedens den Holländeren seine antwort eingegeben. Er wolte wunschen,
daß die Spanische daß werck beförderten und nicht lang auffhielten, dan
einmahl sie ihrestheils alle mögliche efforten, wie sie dan starcke praeparato-
ria darzu machten, auch der itzige printz von Condé in person mitt einer
großen macht in Catalonien gehen wurde
thun wolten. Dabey leicht zu erachten, waß sie dardurch ferners, es mögte in
Indien oder waß orthen in der weit sein, uberkommen, nicht wider zurugg
geben, sondern in handen behalten und wegen täglich anwendenden großen
spesen satisfaction geschehen haben wolten. Wurden es auch durch länger
auffziehen die Spanische zum brach glangen lassen, wurde man es gewißlich
hernacher zu keinen tractaten wider bringen können.
Ich habe mich seiner, deß herzogen, gegen mich gebrauchter franchise und
offenhertzigkeit bedancket, mitt widerholung, daß auß diesen tractaten mitt
mir nicht communicirt worden, also zu dieser mir ohnbekandten sachen
nichts zu reden wüste; soviel hette iedoch iederzeit verspührt, auch von vielen
den Spanischen zeugnis geben hören, daß biß anhero in allen ihren bezeigun-
gen und erclehrungen erwiesen, daß dardurch ihre auffrichtige friedensbe-
gierde gnugsamb verspühren und ihnen den verzug deß friedenschlußes nicht
zugemessen werden könte. Der hertzog sagte, er wüste wohl, daß die
Spanische allen fleiß und muhe anwendeten, der welt solches zu uberreden,
daß werck aber weisete ein anders auß. Stände also in der Spanischen handen,
wans ihnen geliebte, den frieden zu beförderen, wardurch daß Teutsche
wesen und daß gantze friedenswerck sehr wurde fortgesetzt werden, dan die
Frantzosen ihre puncta und articulen also gestellet, daß, wan die Spanischen
nur darauff klar antwortten und sich gründtlich erclehren würden, zwischen
ihnen der friedt innerhalb vier tagen gäntzlichen werde geschlossen können
werde. Darauff ich priora repetirte und fragte, weiln ich vernommen, daß er
den Holländern seine anttwortt auff der Spanischen schrifft eingelieffert, der
herr Donia aber vorgestern verreißet und anitzo nur einer von den Holländi-
schen gesandten alhier sich befünde
fortfahren und solche schwere hohe sache allein zu tractiren sich wohl
unterfangen wurde. Der hertzog vermeinete: Ja, könte sehr wohl geschehen,
weil dieser gegenwertiger ahm meisten zu diesen tractaten wehre gebraucht
worden und davon wohl informiret wehr. Warauff sich dieser discurs
geendigt und ich meinen abscheidt genommen.
Ich hab noch heut dem herrn Brun von allem umbständtlichen bericht
gethan, welcher dem herrn graffen Peneranda davon referiren will. Er
verwundert sich höchlich, wie der duc de Longeville sich wegen weitlaufftig-
keit deß praeambuli oder daß darin den Frantzosen die ursache des kriegs
wolte zugemessen werden, beschwehren wolte, da doch in solchen contrac-
ten nothwendig ein praeambulum und dergestaldt gesetzt werden müste. Es
wurde sich aber zumahln darin nitt befinden, daß Franckreich die schuldt,
den krieg angefangen zu haben, zugeschrieben wurde, dieweil er, herr de
Brun, sich sönderlichen beflissen, alles also zu setzen, damitt Franckreich
kein disgusto gegeben werden mögte. Und hette er in praeambulo sich dieser
formul gebraucht, nemblichen „nachdeme sich die ruptur zwischen beyden
cronen begeben“. So hetten sie auch ihre puncta und resolutiones klar und
verständtlich gnugsamb gesetzet, indeme sie sich erclehret, alle die örther, so
Franckreich in den Niderlanden und Burgundt eingenohmen und anitzo
noch occupirten und besetzet hetten, in handen zu lassen. Die Frantzosen
hetten zwar selbige örther, welche sie begehren, specificirt, aber viele dabey
benahmet, deren sie zwar wohl theilß hiebevorn eingenohmen, aber herna-
cher wider verlohren und nuhn nicht mehr einhetten, theils aber niemahl
eingehabt. Und wolten sie fast daß fundament legen, woh sie eine statt in
einer provintz einhetten, die umbligende, ob sie selbige schon noch nitt
eingenohmen, darzuzuhaben, welche aber ihr, der Spanischen, meinung nitt
wehre, sondern nur allein alle diese plätze, so sie anitzo würcklich ein- und
besetzet hetten, ihnen zu uberlassen. Verwunderte sich sehr hoch, wie die
Frantzosen wegen gäntzlich außlassung Portugals bey diesen tractaten ihr
hiebevorn gegebenes wort also wider zurückziehen dörfften, beklagte dabey,
daß fast iedesmahls, waß die Frantzosen durch die Holländer alß ihre letzte
petita ihnen hetten proponiren lassen, wan sie auß friedensbegirdt solche
eingewilligt, ja gar unterzeichnet, wider zurückgezogen, geändert und gantze
newe beschwerliche postulata darzugesetzt hetten, also er nitt sähe, wie bey
solcher unbeständigkeit mitt den leuthen etwas fruchtbarlichs abzuhandlen
sein wurde. Er sagte mir dabey ferners, daß der hiegepliebene Holländisch
abgesandter, herr Adrianus Paw von Halwenstetten, ihme hette anzeigen
lassen, weiln er sich itzo gantz allein befünde, täglichen aber von seinen
collegis sonderlichen aber und erstes tags den herrn Bartholdt a Gent von
Menerswick wider erwartendt wehre, daß er biß zu desselben oder aber zum
wenigsten ihrer ambassada secretarii
fürderlichster ankunfft mitt der überliefferung gern einhalten wolte.