Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
202. Nassau an Volmar Münster 1647 Januar 8
Münster 1647 Januar 8
Kopie: Giessen 208 nr. 86 p. 327–328.
Knuyts Ausführungen über die niederländischen Vorstellungen bezüglich der kurbrandenburgi-
schen Entschädigung und der schwedischen Satisfaktion sowie über das niederländisch-französi-
sche Verhältnis und die pfälzische Restitution.
Derselbe wird sich zu erinnern haben, was ich ihme von einem mit dem herrn
Rippida , Obereiselischen gesanden, geführten discurs noch vor meines
hochgeehrten herrns abreyse von hier berichtet. Weßen nun am 5. dieses der
herr Knuytt eben deswegen sich vernehmen laßen, beliebe der herr aus
mittkommendem protocollo – dazu confusion, weil es eylig aufgesezt,
entschuldigen – (um deßen zuruckschickung bey nächster post freundlich
bitte) mit mehrerm zu ersehen; ist vorigem fast gleichstimmend. Sodann
überschicke die ausn Haag allhier eingelangte zeitung, welche dieses alles
confirmiere. Verweis auf die nr.n 198 und 199.
[1] Protokoll, [Münster] 1647 Januar 5. Kopie: Giessen 208 nr. 87 p. 328–342.
Ille sagte, daß der prinz und prinzeßin
Gf.in Amalie von Solms-Braunfels (1602–1675); 1625 Prinzessin von Oranien ( NDB I S.
238–239 ).
vermeynte man im Haag, der churfurst solte in überlaßung Pommern nicht consentiren,
sondern es bis zu seiner zeit gehen und sich daßelbe lieber nehmen laßen. Er hätte
gleichwohl dabey remonstrirt, dieser sachen müste abgeholffen und den Schweden eine
satisfaction geschehen, sonst kein friede zu hoffen. Ego: Finde nicht gut, daß der
churfürst solches thäte, denn einmahl jedermann den frieden begehrte, und würde etwan
sonsten ohne des churfürsten consens fortgefahren werden. Alsdann verlöhren ihre
churfürstliche durchlaucht ganz Pommern, sodann auch die angebothene recompens,
Schweden gebe ihro die innhabende pläze in ihren übrigen landen nicht wieder, dörffte
wohl das churfürstenthum darzu nehmen, und würde ihro durchlaucht kein manute-
nenz noch hülffe haben, die Schwedischen aber hergegen solche haben. 1. Wann sie aber
willigen, bekommen sie ein gutt theil von Pommern wieder, 2. bekommen einen guten
recompens, 3. die pläze in der marck Brandenburg wieder, ruhe und sicherheit in ihren
landen, 4. item wären alsdann, wann Schweden sich seiner gewalt gegen Brandenburg
mißbrauchen und etwas gegen deme, was in friedenschluß verglichen, zu thun sich
unterstünde, ihro churfürstliche durchlaucht alsdann eben wohl Kayserlicher, Reichs-
und der cron Franckreich garantie fähig und versichert. 5. Sehe ich auch nicht, auf was
hülfe ihro churfürstliche durchlaucht sich zu verlaßen, denn da dieienige, so darbey
interessirt zu seyn vermeynen, nichts gegen Schweden attentiert, da Schweden im krieg
das Reich zum feinde gehabt, wurden es weniger thun können oder wollen, wann
Schweden in friede, keine feinde, sondern vielmehr das Reich und cron Franckreich fur
sich zur hülfe und manutenenz haben wurde. Dünckte mich also, ihro churfürstliche
durchlaucht thäten viel beßer, das gewiße für das ungewiße zu nehmen. Ille: Müste
bekennen, Brandenburg würde sich nicht in geringer gefahr finden, wann es den
consens verwegerte. Man müste auf wege gedencken, wie ein mittel zu treffen, daß jeder
parthey sein contento hätte, sie, Uniirte Provinzien, auch ihrer commercien wegen der
pforten von Schweden versichert bleiben. Und sagte hierneben, von einem vorschlag
gehört zu haben, vermeynte, derselbe könnte gehen und man ausn werck kommen.
Wäre diese[r]: 1. Brandenburg solt ganz Pommern behalten, was landsobrigkeit, renthen
und alles anlangt, 2. Schweden die portus mit ihrer soldatesca besezen und dabey sich
mit den Holländern wegen der commercien verglichnen contracten und abschiede
ausrichten und durch den friedenschluß garantiert werden [!], 3. Schweden in simulta-
nea investitura zu abgang der churfürstlichen linien, 4. hergegen Schweden mit Bremen,
Verden und anderen orthen, Brandenburg auch anderwegs satisfactions geschehe. Ego:
Wolte bedingt haben, daß als Kayserlicher minister ohne ihre excellenz graf Traut-
mannsdorf wißen hiervon nicht zu discuriren, aber als privatus und in vertraulichen
gesprach. Wolte unverfänglich von ihme vernehmen, was für recompens wäre und,
weilen in solchen fall Brandenburg ganz Pommern behielte, warum den Brandenburg
recompens gegeben werden solte. Schweden würde solchen ohne zweyfel und mehr für
sich begehren, wann sie Pommern also nachlaßen. Ille: Schweden und Brandenburg
musten sich wegen solcher recompens unter sich selbsten vergleichen. Was die recom-
pens betrifft, da würden etliche bischofthum vorgeschlagen. Ego: Minden und Oßna-
brück , so iezo ein catholischen bischof haben, darauf seyn keine gedancken zu machen.
Ihre Kayserliche mayestät noch die catholische, ja Franckreich selbsten werden nimmer-
mehr darzu verstehen und eher alles über und über gehen laßen. Ille: Wolte selbst
glauben, wie er auch vernommen, daß die catholische, ja Franckreich selbst dem
zuwieder seyn würden. Er hätte aber von Magdenburg und Halberstad auch gehört,
wolte wohl dafürhalten, sie würden Minden und Oßnabrück gegen Magdeburg und
Halberstad fahren laßen. Ego: Halberstad wäre schon offerirt. Magdeburg betreffend,
hätte zwar gehört, daß die Franzosen solches furschlügen, hätte aber noch nicht
vernommen, daß wegen Kayserlicher mayestät darinn verwilliget. Als privatus und
unverbindlich wäre meine geringe imagination, wann im übrigen man einig, würden
sich wegen der recompens mit Magdeburg mittel finden und tractiren laßen. Weiln auch
von ihme verstehe, daß sonderlich ihre difficultäten darinn stehen, daß sie sich befahren,
wann Pommern [!] die portus und Oderfluß von Pommern innhätten, ihre commercia
dadurch verhindert würden, aber doch gleichwohl Schweden die portus zu besezen, wie
vorgedacht, einwilligen wolten geen schrifftlich aufgerichtete verträge und garantie, so
müsten sie doch bekennen, daß, wann Schweden die portus besezt haben, ebensowohl
meister derselbigen wäre, als wann sie Stetin, Garz und Wollin mit Vorderpommern
hätten, und Churbrandenburg allezeit ins land fallen könnten. Wann nun sie in selbigen
fall, daß Schweden gegen schrifftliche accorda die portus besezt erhalten, möchten
zutrauen, so könnte ich nicht finden, warum nicht sie, Holländer, und Brandenburg
gegen schrifftliche zusage (ja gar es in die friedenstractaten kommen zu laßen, des
Reichs und cron Franckreich manutenenz darüber zu nehmen) sich sowohl der
Schweden im fall und hinderung versichern könnten in den fall, wann Schweden, neben
Vorpommern mit Stettin, Garz und Wollin behielte. Auf diesen schlag verklöhre [!] man
keine zeit, weil Schweden hiebevor schon sich damit, nemlich mit Vorpommern, Stetin,
Gärz und Wollin mit dem churfurstlichen consens, content zu seyn erklährt hätte, und
bedörffte man alsdann die Schweden zu keinen neuen vorschlagen [ zu ] disponiren,
welche sonst dergleichen vorschläge zwar leicht acceptiren, aber doch zuvor in
Schweden darum schreiben, und also vorsezlich noch viele zeiten zu größer gefahr und
praejudiz des ganzen friedenwercks [ zu ] verspiehlen. Es hätte sich Schweden doch schon
furlängst erklährt, wann mit Brandenburgs consens sie Vorpommern samt Stettin, Garz
und Wollin haben könnten, daß damit deren satisfaction ein gnügen geschehen wäre,
alsdann die sache richtig. Brandenburg bekomme seine recompens, die Holländer
könnten durch vergleich, auch durch die manutenenz vom Reich und croneri gegen
denen, so wieder den frieden handelte, ihrer commercien wie gleichfals Brandenburg
der Schweden einfall und gewalt versichert seyn. Ille lies sich dis nicht mißfallen.
Vermeynte selbsten, gleichwie im ersten hievor gesezten fall und vorschlag wegen
besezung der garnisonen sie, Holländer, sich der commercien, also auch Brandenburg
für Schwedischen einfall durch verträge zu versichern. Vermeynten, daß eben solche
versicherungsmittel man sich auch in diesen zweyten fall, deß nemlich Schweden neben
Stetin, Garz und Wollin Vorpommern behielte, gebrauchen musten. Wurde also zu
sehen seyn, wie Brandenburg mit Magdeburg und Halberstad satisfaction geschehen
könnten. Sonst hätte er den Holländer furgeschlagen, eine ansehnliche ambassade in
Schweden abgefertigt hätten [!], sowohl, daß Brandenburg nicht so hart zugesezet
wurde, als auch wegen versicherung ihrer commercien
darauf noch viel zeit ginge. Ille bekennte es, daß es eher hätte geschehen sollen.
Ist auf die Spanische und Holländische tractaten kommen. Ille: Franzosen wolten sich
fast zuviel anmaßen, ihnen, Hollander, in ihre tractaten leges vorschreiben, dadurch sie
ihnen viele impedimenta machten. Sie wüsten wohl, daß sie Franckreich wegen der
bisher geleisteten hülffe viel recognition schuldig wären, so sie auch erkennen wolten.
Es müsten aber gleichwohl alle sachen ihre limites und fines haben. Die herren
Franzosen wolten gar zu weit hinaus. Ego: Dunckte mich, die Franzosen hätten mehr
ursach, ihnen zu dancken, denn die hülfe, so sie bishero den Holländern geleistet, nicht
soviel zu deren Holländern vortheil als sich selbsten in Franckreich zu helffen und nur
Spannien zu thun [ zu ] machen, angesehen seyn mögte. Ille: Sie empfinden es selbst, und
hätte könig Henricus IV.
zu brechen und über 50 motiven ihnen repraesentiren laßen, warum sie mit Spanien zu
[!] brechen solten, welches wohl eine anzeige, daß er ihrer, der Holländer, frieden nicht
gesucht, sondern vielmehr zu seinem vortheil sie in krieg zu sezen. Vermeynt gleich-
wohl , die sachen zwischen Spannien und ihnen sey so weit kommen, daß keine sorge,
daß solche wieder gebrochen werden sollen. Die Franzosen zwar wolten gerne sehen,
daß sie noch einmahl zu feld gingen und der krieg noch ein jahr continuirt würde, in der
hofnung, ganz Niederland folgends unter sich zu bringen oder in tumult zu bringen,
gestalt conte Servient sonderlich neben der garantie sich darum im Haag bemühen
wolte, die Holländer dahin zu bringen, noch ein jahr den krieg zu continuiren. Er hätte
aber Servient gewarnet, wolten sich darinn fürsehen; würde er mit einer aufrichtigen
intention kommen, den frieden zu befördern, würde er hülffe und gute expedition zu
erwarten haben, sonst aber seine reyse vergebens thun.
Continuirte, er wüste, daß einer bey den Franz[ os ]en gewesen, so ihnen die restitution
der Pfalz als auch electoratus recommendirt. Hätte duc de Longaville geantwortet, es
seyn die Holländer mit ihrm eylen und praecipitiren mit den Spannischen tractaten
allein ursach, daß man den pfalzgrafen nicht nach seinen wuntsch restituiren kan. Ja
wenn sie, Holländer, nur noch ein jahr den krieg continuiren wolten, würde man Pfalz
sowohl in der churdignität als landen leichtlich wieder restituiren können. Sagte ferner,
sie wären neulich bey sämtlichen Französischen plenipotentiariis gewesen, ihnen
fürgehalten, wie hochnöthig ihnen der frieden und daß sie sich einmahl nicht länger
aufhalten könnten. Hätte endlich duc de Longevilla und conte Servient sich sehr willig
[ erzeigt ], conte d’Avaux aber sich was opponirt. Ille berichte[ t ] noch weiter, die
Franzosen begehrten, Holländer solten nur mit Spannien etwas innhalten, unterdeßen
wolten sie mit ihren puncten und tractaten mit Spannien auch sehen da beßer
außzukommen. Dis wäre aber ihnen, Holländern, nachdencklich, denn alles, was
bishero sie mit Spannien tractirt, hätten sie mit Franckreich communicirt, ja mit ihrem
vorwißen gethan, und wäre Franckreich gnugsam wißend gewesen, daß die Holländer
schon vor etlichen jahren und ehe von diesem tag zu Munster man wißenschafft gehabt,
allbereit mit Spannien tractirt hätten, also keine neue sache wäre. Hingegen hätte
Franckreich niemahlen mit ihnen offenherzig communicirt, was sie mit Spannien
gehandelt, sondern sich öfftern verlauten laßen, daß mit Spannien so weit sie kommen
wären, daß sie alle tage schliesen könnten. Da deme nun also, könnte leicht etwan durch
heyrath oder absterben ein fall sich begeben, daß Spannien und Franckreich ohnverse-
hens schliesen und sie, Holländer, ausschliesen oder [ sie ] übergangen werden mögten.
Hätten also beyzeiten auf sich acht zu nehmen. Vermeynte gleichwohl, heut oder
morgen würden die Franzosen alle ihre postulata in Spannien ihnen zustellen und das
werck dadurch sehr befördert werden. Ille sagte weiters, die confoederationen, so sie,
Holländer, mit Franckreich gemacht, wäre[ n ] zweyerley
worden, den krieg zu continuiren, ganzes Niederlands sich zu bemächtigen und solches
in eine sedition und tumult zu bringen, die zweyte und leztere confoederation aber wäre
allein dahin gangen, den krieg zu endigen und einen frieden zu machen. Derselbigen
wolten und müsten sie nachkommen, und glaubte nicht, daß die Provintzien davon
abstehen werden. Ego sagte, die Franzosen mögten in deme mehr wahr gesagt haben, als
sie vielleicht wolten, daß man wißen solte. Dann ich wohl glaubte, daß ganz Niederland
und also auch mit der zeit Seeland und Holland haben wolten. Ille lachte darauf, könnte
wohl seyn. Und hätte er ihnen neulich gesagt, daß ob sie ihnen, Franzosen, schon grosen
vorschub zu einnehmung Dünkirchen gethan, daß ihnen iedoch nicht lieb wäre, daß sie
solches erobert hätten. Es wolte auf diese weise die Französische macht gar zu groß
werden.
[2] Zeitung, dat. Den Haag 1646 Dezember 28. Kopie: Giessen 208 nr. 88 p. 342–344.