Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
155. Volmar an Ferdinand III Münster 1646 Dezember 7
Münster 1646 Dezember 7
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 52a fol. 153–156’, 159, praes. 1646 Dezember 24 = Druckvorlage
– Konzept: RK FrA Fasz. 92 XI nr. 1553 fol. 162–165.
Konferenz mit d’Avaux. Zur schwedischen Satisfaktion: Änderung in der Vereinbarung mit
Salvius und den Mediatoren; Eintreten für Verbleib von Stettin und Gartz bei Kurbrandenburg;
Friedenseifer der Schweden; Ablehnung der kurbrandenburgisch(-pommerschen) Initiative und
der neuen kurbrandenburgischen Entschädigungsforderung. Zur Restitution der Pfalz: Überlas-
sung der Kurwürde an die Familie des Kurfürsten von Bayern, der Oberpfalz nur teilweise oder
gegen Geldzahlung. Zu den Religionsverhandlungen: Keine Nachteile für die katholische
Religion im Reich oder in den kaiserlichen Erblanden! Zu den spanisch-französischen Verhand-
lungen : Einzige Schwierigkeit noch wegen der Besatzung von Casale.
Eur Kayserlicher Mayestät soll ich hiemit allerunderthenigist zu referieren nit
undterlassen, das gestrigen tags der Franzößische plenipotentiarius conte
d’Avaux mich besuecht, zwar vorderist in mainung, weil ich ine auch vor
ettlich wochen besuecht hatte, die revisita zu erstatten, benebens aber auch
von denn fridenshandlungen mit mir zu conversiren. Da er dann seinen
anfang von demihenigen, waß noch iungstens alhie mit dem Salvio vorgan-
gen , genommen und, als ich vermeldt, das derselb vor seinem abraisen sich
verschidner ortten verlautten lassen, es were die election, für Stettin und Garz
1 200 000 reichstaler anzunemmen, nit auf den herrn churfürsten von Bran-
denburg , sondern auf die cron Schweeden gestelt, dessen widerspiel aber Eur
Mayestät obristem hofmeister, herrn grafen von Trautmanßdorf, durch den
Venetischen pottschaffter nit allein mündtlich referiert, sondern auch in
schrifften zuegestelt worden, dannenhero man nit wissen köndt, wessen sich
uf dises appuntamento zu verlassen, alldieweil leicht zu erachten, das die cron
Schweeden bedeüte pläz für sich behalten und den herrn churfürsten auf die
geltsumma werde verweisen wollen, hatt er geantworttet, es weren die sachen
anfangs, wie vom Venetischen ambassador referiert worden, verloffen, aber
folgendts eodem die auf den abendt het ermelter Salvius gegen ihnen, denn
sambtlichen Franzößischen plenipotentiariis, sich erclärt, wie das er im nach-
gedenckhen dise heimbstellung in dess herrn churfürsten willkhur etwas
bedenckhlich befinden thet. Dann es wurden uf der cron Schweeden seiten
dergleichen leütt nit ermanglen, welche einwenden möchten, das deroselben
sehr schimpflich fallen thue, wann sie erst dasihenig annemmen solt, waß der
churfürst refutiert und außgeschlagen hett; hingegen aber wer der sachen nit
geholffen, wann die election bey der königin stehen und sie eben dasihenig,
was dem herrn churfürsten beliebte hindenzelassen, gleichsamb benöthigt
sein solte. Demnach seye ir abschied dahin gerichtet worden, das die
Franzößische plenipotentiarii sich ins mittel legen und per modum interposi-
tionis den ausschlag geben solten. Nachdem sie der sachen uf ein- und
anderen seiten nachgedacht, das sie ia kein ander mittl befunden, dann das
die cron Schweeden sich mit denn 1 200 000 reichstalern begnüegen, Stettin
und Garz aber sambt dem übrigen herzogthumb Hinderpommern, doch die
insul Wollin abgeschaiden, dem churfürsten abtretten solte, welches sie auch
deroselben also einrathen thäten. Über dise proposition erwartteten sie von
denn Schweedischen plenipotentiariis mit heütiger ordinari einer resolution.
Und köndte er mich versichern, das die cron Schweeden hoch darauf sechen
thue, damit sie disen puncten satisfactionis mit dess churfürsten consens
richtig machen möchten. Die königin hete auch ernstlichen bevelch ertheilt,
den friden zu schliessen, und ließ es ime der Salvius mit höchstem eüffer
angelegen sein, allein seye der Oxenstern etwas aigensinnig, und wer
beschwerlich, mit ime fortzukommen. Er, conte d’Avaux, hete auch den
Salvium wegen deren ämbter Pöel und Neücloster dahin gebracht, das er
vermeinte, sie wurdens quittieren. Ohne sey nit, das die Churbrandenburgi-
schen mit einem newen vorschlag – wie Eur Kayserlicher Mayestät bereits
referiert worden – bey dem Oxenstern einkommen, den derselb auch sehr
beliebt und mit guetachten, zwar ohne dess Salvii vorwissen und beyfall, nach
Stockholm referiert
Oxenstierna hatte den Vorschlag der Ges. der pommerschen Landstände (vgl. nr. 148 Beilage
A) am 16./26. November 1646 der Kg.in übermittelt, ohne persönlich Stellung zu nehmen
(Druck: APW II C 3 nr. 44, hier S. 73 S. 19–34), und zwei Tage später Salvius seine
Meinung dargelegt (Druck: Ebenda nr. 49, hier S. 84 Z. 20–85 Z. 20).
beeden Schweedischen plenipotentiariis zum höhsten beschwert und rundt
zu erkennen geben, das sie darein nit willigen köndten, vil weniger zuegeben
wolten, das die beede stiffter Oßnabrugg und Minden denn catholischen
entzogen werden solten. Er wolte mir solches in vertrauen entdeckht und
zumalen verwarnet haben, das man sich diserseits uf dergleichen proposition
durchauß nichts einlassen solte. Als ich hingegen vermeldt, wie das Eur
Kayserlicher Mayestät plenipotentiarii berichtet weren, die Churbrandenbur-
gischen suechten auch neben Halberstatt zumalen das erzstifft Magdenburg
vor ihre ricompensa zu haben, bekendte er, deme also zu sein. Er und seine
collegae heten dem grafen von Witgenstein hierundter starckh zuegesprochen
und entlich dahin gebracht, das sie vermainten, es werde deßwegen kein noth
haben und Churbrandenburg entlich wol mit einem content verbleiben.
Ich hab hierauff ferner an ine gesezt, waß man sich doch wegen der
Pfalzischen sach gegen denn Schweeden zu versechen. Sagte er, die weren
zufriden, das ir churfürstliche durchlaucht in Bayrn der churwürde halber in
allem dem standt, wie bißher, für sich und die ganze Wilhelmische linie
verbleiben solt. Wegen der Oberpfalz aber vermeinten die Schweeden, das
zwar Bayrn den mehrern theil behalten, hingegen aber darvon noch ein
stuckh denn Pfalzischen erben restituieren solten. Ja, er müest mir in
vertrauen bekennen, das einer undter inen – allen anzeigungen nach den
Servient mainend – diser tagen dahin außgebrochen wer, das der herr
churfürst noch wol ein million reichstaler heraußgeben wurde, damit die
Pfalzischen erben dise Oberpfalz gänzlich quittieren, hingegen aber umb
dises gelt andere landtschafften an sich erkauffen und also iren churfürst-
lichen statum bessen fundieren köndten. Man solte sich auf diser seiten wol
hüetten, das man darzue keine naigung erscheinen lasse, dann sonsten wurde
es, wann der churfürst sich der bezahlung verwaigerte, auf Eur Kayserliche
Mayestät springen.
Solchemnach ist er uf die handlung mit denn protestirenden kommen. Und
als ich ime erzehlt, warauf es noch erwenden thet, das nit wenig daran
gelegen, das man hierundter versichert wer, wie sich die cron Franckreich
verhalten wolte, dann solang die protestierende einige hoffnung haben, das
Franckreich sich nit separieren thüe, so werde mit inen zu keinem erträgli-
chen ende zu gelangen sein, antwortet er, in disem puncten weren er und
seine collegae all einer mainung und wurden keinesweegs zuegeben, das der
catholischen religion solcher nachtl weder in Eur Mayestät erblanden noch
sonst im Reich zuegezogen werden solt. Man solt allein uf diser seiten fest
halten und sich nichts moviren lassen. Ja er hielte, nit unrathsamb [ zu ] sein,
das ich dergleichen communication inen, Französischen plenipotentiariis
insgesambt, thuen und ire categorische erklärung darauf erforderen solte. Ich
wurde auch solchergestalt beantwortet werden, darauf man an Kayserlicher
seiten wol werde content sein und sich verlassen können. Doch wolte er mir
diß alles in guetem vertrawen und darumben angezeigt haben, weil er
vernommen, das ich bevelcht seye, nach Oßnabrugg zu raisen, damit ich
mich darnach zu richten wüste. Er könde mich auch für gewiss versicheren,
das man am Parißischen hof ie mehr und mehr darauf bedacht seye, wie sich
die cron Franckreich mit Eur Kayserlicher Mayestät in rechte freündtschafft
sezen köndte.
Endtlich hat er auch die Spanischen sachen berüert und von mir zu
vernemmen begert, waran es doch hafften thet, das dieselbe plenipotentiarii
mit inen nit schliessen theten. Gewiss seye, wann solcher schluss erfolgen
solt, das die Schweeden mit verhencktem zaum auch ihresorts zum schluss
mit Eur Kayserlicher Mayestät eilen wurden, dann er hette dem Salvio zu
erkennen geben, wann der frid zwischen Franckreich und Spania erfolgen
thet, dass denn Schweeden die Franzößische hilff wenig oder gar nichts
wurde vortragen könden. Dieweil ich aber keine sondere particulariteten zu
referieren gewust, ausserhalb das ja die Spanische ministri alles, was uf dato
in der Franzosen handen, zuruggzelassen resolviert, wann nur die übrigen
conditiones geschlichtet werden köndten, zaigte er ahn, das die gröste
difficultet an Cassal hangte. Franckhreich wer zufriden, die Franzößische
besazung ganz heraußzunemmen und hergegen Schweizer hineinzulegen.
Und weil der duca di Mantova selbe zu undterhalten nit vermöchte, so wer
Franckreich erbiettig, den halben soldt zu bezahlen, die andere helffte solt
Venedig über sich nemmen oder ein vierten theil und den anderen vierten
theil der herzog von Mantova selbst. Der möchte auch ein commendanten
von seinen vassalis dahin verordnen, selbigen sambt der besazung in sein
aigne pflicht nemmen, allein mit der einzigen clausul, das von diser besazung
nichts verstattet werden soll, so demihenigen, was uf hiesigem congressu
geschlossen, zuwider lauffen möcht. Alle übrige pläz, so Franckreich in
Piedmont und Savoy innenhett ausserhalb Pinerolo
werden. Mit übrigen puncten, darunter der duchessa Catarina
Katharina (1567–1597), Tochter Kg. Philipps II. von Spanien (1527–1598; 1556 Kg.), 1585
vermählt mit Hg. Karl Emanuel I. von Savoyen (1562–1630) ( Stammtafeln I Tafel 15).
Als Mitgift waren ihr 500 000 Dukaten zugewiesen worden, die ebenso wie die vereinbarten
Zinsen nie gezahlt wurden ( Carutti S. 413–414).
dess duca d’Apri
Scipione di Ghiaceti d’Acquaviva d’Aragón Hg. von Atri und Melfi (gest. 1648), Abt von ST.
Arnulf/Metz. Dieser erhob Anspruch auf das Hgt. Atri (Kg.reich Neapel; auf halbem Weg
zwischen Teramo und Pescara), das sein Urgroßvater Julius Antonius Gf. von Conversano,
Caserta und ST. Agatha (Lebensdaten wurden nicht ermittelt) verlassen hatte, nachdem er von
Karl V. (1500–1558; 1530–1556 Ks.) zum Rebell erklärt worden war ( Zedler II Sp.
1057–1060, 2061–2062).
Hg. Eduard von Braganza (1605–1649), Bruder des Kg.s Johann IV. von Portugal
(1604–1656; 1640 Kg.); in ksl. Militärdienst, 1641 Februar als Anführer des portugiesischen
Aufstands in Regensburg verhaftet, in Mailand bis zu seinem Tod gefangen gehalten ( Rebello
da Silva IV S. 370–378; Stammtafeln III Tafel 93). Seine Freilassung hatten die frz. Ges.
schon in Proposition II (1645 Juni 11; Druck: Meiern , APW I S. 443–445 ) gefordert.
zur richtigkeit zu bringen sein.
Dieweil dann Eur Kayserlicher Mayestät gehaimer rath und obrister hofmei-
ster , herr graf von Trautmanßdorf, für nöthig erachtet, dises alles deroselben
absönderlich in gehorsamister underthenigkeit zu referieren, so hat mir
obgelegen sein wöllen, deme also nachzukommen. Es ist aber aus allem disem
verlauff clärlich abzunemmen, das die Schweedische satisfaction noch auch
die Churbrandenburgische ricompensa gar nit, wie ich sehe, das ire churfürst-
liche durchlaucht in Bayrn beredt werden wollen, auf einiger praetension an
Eur Mayestät erbfürstenthumb in Schlesien, sondern einzig und allein uf
solchen punctualiteten erwenden thuend, so in pur lautter willchur dess
gegentheils gestelt seyn und von inen anderst nit erzwungen werden mögen,
als da sie sich deren selbst bequemen oder begeben werden.