Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
20. Nassau an Ferdinand III Münster 1647 November 29
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Münster 1647 November 29
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 54a (1647 X–XII)fol. 167–168’, 170–171 = Druckvorlage –
Kopie: KHA A 4 1628/44 unfol.
Ermächtigung der niederländischen Gesandten zum Friedensschluß mit Spanien; Entsen-
dung einer niederländischen Flotte nach Brasilien; französisch-niederländische Verhandlun-
gen. Stand der spanisch-französischen Verhandlungen.
Wartenberg: geheime Mission Schwerins bei Kurköln wegen Restitution der Festung Hamm
an Kurbrandenburg; französische Gesandtschaft bei Kurköln wegen des Wunsches nach Wie-
dereintritt Kurkölns in den Ulmer Waffenstillstand, Schreiben Briennes über Zustimmung
am französischen Königshof zur Rekonjunktion Kurkölns und Kurbayerns mit dem Kaiser;
Mission Landgraf Johanns von Hessen-Darmstadt bei Kurköln wegen Hachenburg. Entsen-
dung Buschmanns zur Fortsetzung der Verhandlungen mit Kurbrandenburg; Entsendung
Linz’ nach Osnabrück, Furcht Wartenbergs vor Übergriffen durch die Schweden.
Auf die Weisung vom 16. November 1647
Wie [Nr. 1 Anm. 5] .
die vor etlichen wochen von hier abgereisete Holländische plenipotentia-
rien
Am 16. Oktober waren die ndl. Ges. Pauw, Knuyt, Clant und Meinerswijk zur Berichter-
stattung über den Stand der span.-ndl. Verhandlungen nach Den Haag gereist (vgl. APW
II B 6, XCII; APW II A 6 Nr. 255). – Dr. Adriaen Pauw (1585–1653), Herr von Heem-
stede, Hogersmildt, Rietwijk und Nieuwekerk, 1646–1648 Sekundarges. Hollands und
Westfrieslands; 1636 Erster und Präsidierender Rat und Rechenmeister von Holland und
Westfriesland ( NNBW X, 714–717; de Boer / Bruch; Groenveld, Pauw). – Johan de
Knuyt (1587–1654), Herr in Oud und Nieuw Vosmer, 1646–1648 Ges. der Provinz See-
land; Rat des Pz.en von Oranien ( DBA I 674, 55; Kaster / Steinwascher, 228f). –Adrian
Clant van Stedum (1599–1665), Herr zu Nittersum, Westeremden und Garshuizen, 1646–
1648 Ges. für Stadt und Land Groningen ( BAB 142, 296–302; 645, 181; NNBW III, 218f;
Kaster / Steinwascher, 236f). – Barthold van Gent (gest. 1650), Herr von Loenen und
Meinerswijk; 1640 Amtmann von Bommel, Tieler- und Bommelerwaarden; 1646–1648
Ges. der Provinz Gelderland in Münster ( NNBW VI, 558f; Kaster / Steinwascher,
222f). – Die übrigen Ges. der Vereinigten Provinzen der Ndl. waren: Johan von Mathe-
nesse (1596–1653), Herr von Mathenesse, Riviere, Opmere und Souteveen; 1646–1648
Primarges. der Provinzen Holland und Westfriesland ( BAB 466, 386–392; Kaster / Stein-
wascher , 224f). – Godart van Reede (1588–1648), Herr zu Nederhorst, Vreeland, Korten-
hoef, Overmeer und Horsterweerd; 1646–1648 Ges. der Provinz Utrecht; 1644 Statthalter
der Utrechter Lehen und der Abtei St. Paulus ( NNBW III, 1025f; Kaster / Steinwascher,
230f). – Frans van Donia (gest. 1651), Herr von Hummen und Hielsum; 1646–1648 Ges.
der Provinz Friesland ( BAB, 137–141, 193; Kaster / Steinwascher, 232f). – Willem
Ripperda (um 1600–1669), Herr von Hengelo, Boxbergen, Boekelo und Rijssenberg;
1646–1648 Ges. der Provinz Overijssel ( BAB 287–291, 570; NNBW VI, 1192f; Kaster /
Steinwascher, 234f).
bevolmächtigt, den endtlichen friedenschluß mitt den herrn Spanischen
zu machen und wegen deren ratificationen sich mitt denselben zu verglei-
chen
dan selbiger gegen morgen oder ubermorgen alhier gewertig ist
dan zugleich resolvirt worden, daß den 24. dießes alle völcker und
soldaten, so die provincien in Brasilien schicken, ohnfehlbarlichen zu
schiff gehen und mitt ehistem windt nacher Brasilien abseeglen sollen, in
massen diese schleunige abfuhr sehr pressirt wurde
Am 15. November 1647 hatten die Gst. die Entsendung einer Flotte zum Entsatz der Stadt
Recife in Brasilien beschlossen ( NS IV, 402 letzter Absatz). Diese Flotte stach im Dezem-
ber 1647 in See (vgl. [Nr. 54] ) und traf im März 1648 in Südamerika ein. – Seit Juni 1645
waren die Niederländer in Ndl.-Brasilien („Neu-Holland“) durch einen von Portugal un-
terstützten Aufstand kath. Plantagenbesitzer gegen die Westindische Kompanie, die ndl.
Protestanten und portugiesische Juden auf wenige feste Plätze zurückgedrängt worden.
1654 (Kapitulation von Recife) mußte die Westindische Kompanie ihre brasilianischen Er-
oberungen schließlich aufgeben ( Geyl, 189–197; Parker, 61f; Israel, 934f).
Herrn graffen Peneranda hab gestern visitirt, so obiges confirmirt und
gleichmässige zeitung hatt, und werdens Ewer Kayserliche Mayestät auß
der beylag sich noch ferners underthänigst referiren lassen. Sie, Hollän-
dische gesandten, sollen gleichfals befelcht sein, dahin zu trachten, daß
der fridt mitt Franckreich auch auff die puncta geschlossen werde, welche
die herrn Spanische hiebevor den Frantzosen durch sie, Holländische ge-
volmächtigte, schon eingewilligt hetten .
Die Spanische tractaten mitt Franckreich sonst betreffend, berichtet mich
der herr Spanisch gesandter, daß 48 puncta adiustiret, uber die ubrige het-
ten sie auch ihre antwort den herren mediatoribus albereit zugestelt
Hiermit dürften die span. Erklärungen zu den frz. Textvorschlägen für die Art. 49–60 des
span.-frz. Friedensvertrags gemeint sein, welche die frz. Ges. in zweiten Hälfte des Monats
November 1647 den Mediatoren ausgehändigt hatten, um frz. Friedensbereitschaft zu de-
monstrieren und die Ndl. von dem sich abzeichnenden Friedensschluß mit Spanien abzu-
bringen (vgl. Rohrschneider, Frieden, 394 Anm. 128).
sie annoch auff der Frantzosen antwort wartteten. Die sechs außgesetzte
puncta anlangendt, plieben die biß noch außgesetzt
Von 59 Artikeln waren in den span.-frz. Verhandlungen Ende November 1647 noch elf
strittig. Bei den hier gen. sechs Streitfragen handelte es sich um das Assistenzrecht Frk.s
für Portugal, den Umfang der span. Abtretungen an Frk., das frz. Recht zum künftigen
Bau von Festungen in Katalonien, die Restitution der seit 1630 besetzten Stadt und Festung
Casale, die Freilassung Pz. Eduards (Dom Duarte) von Braganza (1605–1649) sowie schlie-
ßich die Frage der span. Unterstützung für den Hg. von Lothringen ( Poelhekke, Vrede,
480f; Tischer, Diplomatie, 399; APW [ II B 6, XCIV–XCVIII] ; Rohrschneider, Frieden,
395–405).
Gestern hab ich den herrn bischoven von Oßnabrück visitiret, welcher
berichtet, daß bey dero anwesen zu Bonn der Churbrandenburgisch ge-
heimer raht, der von Swerin, von Churbrandenburg zu ihrer churfürst-
lichen durchlauchtt zu Cölln abgefertigt worden, in geheimb mitt dero-
selben zu communiciren (deßwegen er auch nitt habe fur ein gesandter
wollen tractirt sein), wie zwischen den reichsständen wider gutte ver-
trewlichkeit und vereinigung mögte furderlichst können gestifftet wer-
den , darbeneben auch begehret, daß ihre churfürstliche durchlauchtt zu
Cölln bey Ewer Kayserlicher Mayestät sich interponiren wolten, damitt
die statt Ham ihrer churfürstlichen durchlauchtt zu Brandenburg wider
eingeraumbt werden möchte
also begegnet worden, auch mitt so vielen furnemmen rationibus abgelei-
net, daß Ewer Kayserlicher Mayestät bey itziger coniunctur es nitt zuzu-
muthen n〈o〉ch Churbrandenburg selbsten zu rathen, solche festung zu
besetzen, es wehre dan, daß sie mitt Ewer Kayserlicher Mayestät wapffen
sich sowohl offensive alß defensive coniungiren wolten
sehr wohl content wider abgereiset wehre. Und berichten ihre furstliche
gnaden zu Oßnabruck, daß ihre churfürstliche durchlauchtt zu Cölln
Ewer Kayserlicher Mayestät hiervon albereit allerunderthänigste relation
hetten erstatten lassen
Frantzösischen abgesandten gehn Bonn abgefertigte edelman
Gemeint ist François de Barton, baron de Montbas (gest. 1652; zu ihm: Montbas, Xf, 10f),
ein Edelmann aus dem Gefolge Serviens, der mehrfach als Kurier und in diplomatischer
Mission entsandt wurde. Zu seiner Mission zum Kf.en von Köln vgl. demnächst in APW
II B 7: Longueville, d’Avaux und Servien an Brienne, Münster 1647 November 25. – Zu
Brienne vgl. Anm. 17.
sich bemuhet, mitt remonstrirung, waß grossen nützen ihre churfürstliche
durchlauchtt zu Cölln fur sich und dero lande und dan zu befurderung
deß friedens erlangen wurden, da sie daß armistitium
wurden, dabey zugleich allerhandt betrowungen mitt untergemischet. Eß
wehre ihme aber gnugsamb begegnet worden, daß durch daß armistitium,
wie die erfahrung mittgebracht, weder daß eine noch daß ander wurde zu
erhalten sein und deßwegen ihre churfürstliche durchlauchtt zu Cölln
nitt anders thuen könten noch wolten, alß Ewer Kayserlicher Mayestätt
waaffen sich zu coniungiren
Vgl. Kf. Ferdinand von Köln an Ferdinand III., Bonn 1647 November 24. Ausf.: RK FrA
Fasz. 54d (1647 XI)fol. 135–135’. Beilage [1]: Resolution Kf. Ferdinands von Köln für
Montbas, Bonn 1647 November 15. Kopie: ebendafol. 136–137. Beilage [2]: Proposition
Montbas’ an Kf. Ferdinand von Köln,s.l. [vor 1647 November 15]. Kopie (dt.): ebenda
fol. 139–145, 147–147’ – Kopie (frz.): ebendafol. 148–153’. Die Zurückweisung des frz.
Angebots durch Kf. Ferdinand von Köln wurde am Ks.hof verständlicherweise wohlwol-
lend aufgenommen (Ferdinand III. an Kf. Ferdinand von Köln, Prag 1647 Dezember 11.
Reinkonzept: RK FrA Fasz. 54d [1647 XII]fol. 26–26’). Zur Aufkündigung des Ulmer
Waffenstillstands durch Kurköln und zur Mission Montbas’ vgl. auch Foerster, Ferdi-
nand, 296ff.
zu Pariß mitt dem secretario d’estat, graffen de Brien
und selbiger eben ahn den von Hollinghoven geschrieben, daß die Cöll-
nisch und Bayerische reconiunction mitt Ewer Kayserlicher Mayestätt,
nachdeme sie ihrer churfürstlichen durchlaucht intention, den frieden
dardurch zu befurderen, zu Pariß wehren berichtet worden, zumahl nitt
ubel, sondern den frieden zu beschleunigen nützlichen fünden, alß hette
man zu Bonn endtlichen obgemelten graffens de Brien antwort dem ob-
gemelten Frantzösischen abgeschickten edelman fürgehalten, welcher da-
durch gantz verstummet und nichts zu repliciren gewust.
Sopaldt selbiger wehre abgefertigt worden, wehre landtgraff Johan zu
Hessen Darmbstatt zu Bonn anglangt, welcher mitt deme iüngsten Witt-
genstein Seinischen frewlein, graff Ernstens zu Hachenburgs seligen
dochter verheyrathet, mitt ihrer churfürstlichen durchlauchtt wegen der
Hachenburgischen sachen zu tractiren
Lgf. Johann von Hessen-Darmstadt (1609–1651; 1643 Lgf.) heiratete Ende 1647 Johan-
netta von Sayn-Wittgenstein (1632–1701), die Tochter des Gf.en Ernst von Sayn-Wittgen-
stein (1600–1632) ( Stammtafeln NF I/2T. 248). – Strittig war die Frage, ob Hachenburg
ein reines Mannlehen oder ein Kunkellehen (Lehen mit männlicher und weiblicher Erb-
folge) sei. Der Lehnsherr Kf. Ferdinand von Köln hatte nach dem Tode Gf. Ludwigs von
Sayn (1628–1636; 1632 Gf.) Schloß, Stadt und Amt Hachenburg (Westerwald) als heim-
gefallenes Mannlehen eingezogen und an Wartenberg vergeben. Dagegen klagte die ver-
witwete Mutter Ludwigs, Gf.in Luise Juliane (1603–1670; 1632–1651 Vormünderin ihrer
Kinder; zu ihr: Dahlhoff, 25–32), als Vormünderin ihrer beiden Töchter – darunter
Johannetta – erfolgreich (aber ohne entsprechende Konsequenzen) vor dem RKG und be-
anspruchte auch auf dem WFK nachdrücklich die weibliche Erbfolge für ihre beiden Töch-
ter ( Gravamina der Gf.in Luise Julianes gegen den Kf.en von Köln, Friedewald 1646 Fe-
bruar 20/März 2. Text: Meiern III, 453 ff; zum Sachverhalt vgl. Müller, Erbfolgestreit,
89–96; Schmidt, Wetterauer Grafenverein, 569–572; Struif, 108–114, 125–132). – In die-
ser Sache außerdem: Lgf. Johann von Hessen-Darmstadt an Ferdinand III., Braubach
1647 November 18/28. Kopie: RK FrA Fasz. 53c (1647 XI–XII)fol. 194–195 sowie Lgf.
Georg II. von Hessen-Darmstadt an Ferdinand III., Gießen 1647 November 27/Dezem-
ber 7. Kopie: ebendafol. 193–193’; zu diesen beiden Schreiben ein Gutachten dep. Räte
(Kurz, Trauttmansdorff, Carretto, Gebhardt, Söldner, Walderode, Kaltschmitt),s.l. 1647
Dezember 30. Kopie: ebendafol. 192–192’, 197–198. – Zu den Personen: Ferdinand Car-
retto (Caretto), Marchese di Grana (gest. 1651), 1645 RHR ( Gschliesser, 253; Schwarz,
214). – Dr. iur. Johann Kaltschmitt (1604–1662), 1633 geadelt (von Eisenberg); 1640/41
RHR , 1641 GR und Hofkanzler Ehg. Leopold Wilhelms, 1647 RHR ( Gschliesser, 241f).
gegen ihre intention so lang zu Bonn sich hetten auffhalten mussen und
nitt eher sich wider alhie einstellen können.
Vorgestern hatt der herr bischoff den cantzler von Paderborn, Buschman,
zu Churbrandenburg auff Bilenfeldt oder Herforden geschicket, die zu
Bonn angefangene communication und vertrawlichkeit zu continuiren
Zum Verlauf der Gesandtschaft Buschmanns an den kurbg. Hof in Bielefeld vgl. die Rela-
tion in APW [ III C 3/2, 1220–1228] .
So seindt auch ihre fürstlichen gnaden gemeindt, anheut den Churcöll-
nischen geheimen secretarium Lintz
Matthias Lintz (Lebensdaten konnten nicht ermittelt werden), kurkölnischer Legations-
sekretär (vgl. APW [ III C 3/1, XXI] ; die Relation seiner Reise nach Osnabrück vom 30.
November bis zum 4. Dezember 1647 ist ediert in APW [ III C 3/2, 1228–1237] ).
dan sie sich nitt getrawen, ohne mehrere sicherheit selbsten sich deren
orths zu begeben, wegen allerhandt bey den Schwedischen vorgangenen
nachdencklichen discursen, alß daß ihre fürstliche gnaden hiebevor die
praeliminaria
gebrochen hetten und derjenige wehren, so die friedenstractaten schwer
machte. Und solte sich der Salvius haben vernemmen lassen, da man Kay-
serlichentheils ahn den Oßnabrückeren wurde anden wollen, waß kürtz-
verwichener zeit sich wegen wegnehmung zween Kayserlicher reuter zu
Oßnabrück zugetragen
Am 5. November 1647 war es vor der Wache eines Osnabrücker Stadttors zu einem
schwed. Übergriff auf zwei ksl. Reiter gekommen. Die schwed. Ges. knüpften anschlie-
ßend die Auslieferung des gefangengenommenen ksl. Reiters an die Wiedergutmachung
angeblich vorangegangener Verfehlungen Wartenbergs (Lamberg und Krane an Ferdi-
nand III., Osnabrück 1647 November 28, praes. 1647 Dezember 15. Ausf.: RK FrA
Fasz. 53b (1647 XI)fol. 65–65’, 72. Beilage [1]: Protokoll,s.l. 1647 November 5, 7, 12.
Kopie: ebendafol. 66–70’).
greiffen wolten, und wurde es selbiger mitt dem auffhencken etwan be-
zahlen müssen.