Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
7. Ferdinand III. an Lamberg, Krane und Volmar Prag 1648 Februar 15
Prag 1648 Februar 15
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 92 XIV nr. 1977 fol. 365–367’, praes. 1648 II 29 = Druckvor-
lage – Konzept: RK FrA Fasz. 55c (1648 I–III) fol. 108–111’.
Drängen Kurbayerns und Kurmainz’ auf Friedensschluß auf Grundlage von KEIPO4A ; Be-
harren auf den Verhandlungsergebnissen, die seit 1648 I 23 für die Katholiken erlangt; wei-
tere Verbesserungen für diese nur ohne Verzögerung der Verhandlungen; Einigung mit den
Protestanten, wo nicht anders möglich, gemäß KEIPO4A , ausgenommen den Friedensvoll-
zug , den Truppenabzug, die Friedenssicherung sowie den Unterzeichnungsmodus; hier gilt
die Hauptinstruktion von 1647 XII 6; Herausgabe des KEIPO6 nach Rücksprache mit kur-
fürstlichen Gesandten.
Verweis auf APW II A 7 Nr. 117, auf Nr.n 1 und 2 sowie auf die Beilage.
Wan nun, ungeacht das Chursachssens liebden mit unserer unter dato den
sechsten Decembris negstabgewichenen 1647. jahrs euch gegebenen in-
struction
Gemeint ist die ksl. Hauptinstruktion von 1647 XII 6 ( APW [ II A 7 Nr. 29 ] ).
grossen beyfall bey andern protestirenden nit sein werden, beeder chur-
fürsten zu Mainz und Bayrn liebden gleichwohl wohlmeinendt der ge-
danckhen bleiben, das, wan ein mehrers vor die catholische nicht zu er-
halten , wir es bey demienigen, so durch unsern obristen hofmaister grafen
von Trautmansdorff auf ratification der catholischen mit den protestiren-
den verhandlet und noch im monath Iunio den Schwedischen zugestelt
worden
bracht , das sich die protestirende inhalts ewrer relation von 23. Ianuarii
numehr erclehrt, das sie mit solchem aufsaz, ausser was mit beederseits
willen weiter geändert, ihresorths content sein, warzue sie sich biß anhero
nit bequemmen, sondern nur dasienige, was unverbindtlich von unsern
obristen hofmaister hinausgegeben, acceptiren, aber bey ihren vorigen
postulatis fort verbleiben wollen, also befehlen wir eüch gnedigist, das
ihr vorderist, was seit der protestirenden erclehrung, so euch den 23.
Ianuarii negsthin zugestelt
Ebenda [ Beilage B zu Nr. 96. ]
ßes behaubtet und euch darvon nicht treiben lasset.
Dan und vor’s andere, das ihr eüch noch forth mit allem eyfer bemühet,
vor sie zu erheben, was nur müglich undt ohne zeitverliehrung immer
sich erlangen last, zumahln auch nach Chursachssens liebden hochver-
nünfftigen meinung die protestirende wohl zu erwegen haben, das umb
dieiehnige puncten, so noch strittig, der krieg sich nit führen lasse, ohne
das man weit umb ein mehrers, als umb was man strittig, periclitiren und
denen feindtlichen cronen den gesuchten dominat über Teutschlandt
desto leichter zu behaubten gelegenheit vorsezlich einraummen wolle.
Nachdem wir vor das dritte aus ewer iüngsten relation de dato den drit-
ten diß monats Februarii
APW [ II A 7 Nr. 109 ] .
den ständte in würcklicher handlung begriefen, Chursachssens liebden
auch die sachen in dem standt zu sein erachten, das es einzigen vorgriefs
weiter nicht vonnöthen werde haben
Kf. Johann Georg I. von Sachsen hatte die Notwendigkeit eines Vorgriffs oder anderer
Maßnahmen, um die im Winter 1647/48 festgefahrenen Verhandlungen zu einem raschen
Ende zu bringen, mit Hinweis auf angebliche Fortschritte am WFK verneint (vgl. Beilage
[ [1] zu Beilage [2] zu Nr. 2 ] ; zu den Verhandlungen über einen Vorgriff vgl. Ruppert , 322–
325; Dickmann , 448–455).
zufahren , dieselbe mit höchster angelegenheit, soviel nur an euch, zu be-
schleunigen und eur absehen dahin zu richten, das mit den protestirenden
(als mit denen mann iezo im tractat begrieffen und, ohne das mit diesen der
punctus amnistiae et gravaminum richtig, doch von den Schwedischen
kein resolution zu hoffen) alles zu einem endt bringet, also und dergestalt,
das, was nit vermüg unser euch unter dato den sechsten Decembris negst-
hin gegebenen instruction und seither nachgeschickhten befelchen zu er-
heben , ihr endtlichen bey dem, was das im monath Iunio vom grafen von
Trautmanstorff hinausgegebene instrumentum, soweit es bißhero nit mo-
deriret oder sich noch ohne zeitverlust den catholischen zum besten mo-
deriren last, mit sich bringt, verbleiben lasset und crafft habender volmacht
darein consentiret, soviel aber den punctum executionis, restitutionis, dis-
tributionis stativorum et solutionis militiae betrifft, bey dem beharret, das
oder der buchstaben selbst, wie wir solchen euch in unser haubtinstruction
de dato sechsten Decembris uberschickht, oder wenigist die sustanza des-
selben und consequenter die sicherheit des friedens erhoben werde.
Im übrigen so habt ihr in allem mit rath und guetachten bevorab der ge-
sambten churfürstlichen gesandten zu verfahren, bey denen wir uns nun-
mehr umb soviel weniger discrepanz versehen, weiln Churmainz und
Bayrn liebden mit unß einig, Chursachssens liebden theils mit wenigem,
theils mit demiehningen, so unser haubtinstruction vermag, vielmehr aber
beede churfürsten Sachssen und Brandenburg mit dieser unserer erclä-
rung einstimmig sein. Da aber ia der gesambten churfürsten consens nit
zu erlangen, so hettet ihr euch vorderist [ an ] Churmainz und Bayrn lieb-
den rath und assistenz zu halten und nach selbigem obgedachte unsere
entlich erclerung den protestirenden hinauszugeben.
Und weiln wir ihr liebden alhier anwesenden abgeordneten
Gemeint sind Mändl und Waldenburg. – Dr. Johann Mändl (Mandl) zu Deutenhofen
(1588–1666); 1633 kurbay. Hofkammerpräsident, 1634 GR ( DBA I 795, 390–398; II 850,
130–131; III 595, 13–15, 23–24; Heydenreuter , 344; Immler , Kurfürst, 13). Mändl
weilte zu Beratungen über den kommenden Feldzug und die Möglichkeit eines ksl. Vor-
griffs zur Beendigung der Religionsverhandlungen wahrscheinlich schon seit 1647 XII in
Prag (vgl. Albrecht , Maximilian I., 1075 mit Anm. 49). Zu den ksl.-kurbay. Verhand-
lungen in Prag 1648 I-III vgl. auch RK FrA Fasz. 57 Konv. B. Über den ksl. Vorgriff
und die Bedeutung der span. Interessen für die ksl. Friedensbereitschaft hatte 1648 II 6
und 7 eine Konferenz zwischen Kurz, Mändl und Waldenburg stattgefunden (Kopie: RK
FrA Fasz. 56a [1648 II] fol. 32–36’). – Gerhard von Waldenburg, gen. Schenkherr Hel-
genhoffen (gest. vor 1661); GR , 1641 kurmainzischer Obersthofmeister und ksl. Rat
( Bierther , 60 Anm. 136; Schleicher , 26). Er war 1648 I an den Ks.hof entsandt worden,
um, wie Volmar vermutete, die separation von Spania einzerathen (vgl. APW II A 7 Nr.
93). Zur Instruktion und Proposition Waldenburgs vgl. [ Nr. 21 Anm. 1 ] .
dieser unserer gefasten resolution durch unsern reichsvicecanzlern an-
heüt nachricht geben lassen, auch vermitels dieselben ihre liebden ersu-
chen lassen, das sie die ihrige dieser unserer resolution gemäß instruiren,
bevorab aber alles in gueter geheim halten wolten, damit gleichwol, was
noch ohne zeitverlierung immer müglich, vor die catholischen zu erhe-
ben , denselben zum besten köndte erhalten werden, also versehen wir
unß genzlichen, das sie dero abgeordneten zu Münster und Oßnabrugg
mit aller notturfft dißorts, wo es nit schon geschehen, instruiren, und
selbe sich defectu mandati künfftig nit entschuldigen, sondern vielmehr
in allem bestens eüch an die handt gehen werden.
Beilage [1] zu Nr. 7
Kf. Maximilian I. von Bayern an Ferdinand III., München 1648 I 31. Ausfertigung: RK
FrA Fasz. 56a (1648 I) fol. 324–325’ = Druckvorlage – Kopie: RK FrA Fasz. 92 XIV ad
nr. 1977 fol. 368–370’ .
Er weist auf die übereinstimmenden Interessen sowie die gegenseitige Abhängigkeit beider
Herrscherhäuser hin. Ebenso erwähnt er die guten Beziehungen zu Ferdinand II. Alle dise
considerationes, neben der pflicht, mit denen Euer Mayestät und dem Reich ich beigethan
bin, obligiren mich, Euer Mayestät erstlichen zu dankhen, dz sie durch meinen abgeord-
neten camerpraesidenten mich in dem dem Reich so hochnothwendigen friden so weit
consoliren und versichern lassen, dz sie selbigen nit zum bruch oder aufstoß khomen, son-
dern noch zu rechter zeit die gefehrliche extremiteten firkhomen wolten.
Zum andern aber erindern sie mich, dz ich oberwehnten meinen pflichten, meiner blutsver-
wanthnus
gueten correspondenz und verthrauens, auch meinen biß dato zu dessen conservation, ohn
rhuemb zu melden, gefirthen aignen actionen zuwiderhandlen wurde, wan nach so vilfeltig
mir beschechnen gnädigsten erinerungen und vertrestungen zu dem friden, bevorab bei
denen darauff bißher erfolgten, so geringen effecten ich nit auch dißmahl Euer Mayestät
gehorsamist bitten theten, sie wollen dißes ir löbliches vorhaben nicht zu lang und biß es
besorglich ohne frucht sein wurde, verschieben, sondern in gnädigster consideration dessen,
waß Euer Mayestät durch dero gesandten, den grafen von Nassau, den mediatoribus
Gemeint sind Chigi und Contarini. – Fabio Chigi (1599–1667); 1644–1649 Vermittler für
die Verhandlungen zwischen Frk. und dem Ks. und Spanien; 1635 Bf. von Nardò, 1639–
1651 Nuntius in Köln, 1655 als Alexander VII. Papst ( ABI I 28, 229–234; II 9, 238–241;
III 8, 13f; 3 LThK I, 370f; Bücker ; Repgen , Finanzen; Repgen , Friedensvermittlung) –
Alvise Contarini (1597–1651); 1643–1649 Vermittler wie Chigi; 1623 Aufnahme in den
Großen Rat Venedigs ( DBI XXVIII, 82–91; Bettanini ; Kaster / Steinwascher , 190f).
wegen der Spanischen interessis bedeüten
Der Ks. hatte in einem Schreiben von 1647 XI 27 ( APW [ II A 7 Nr. 13 ] ) Nassau und
Volmar angewiesen, den Mediatoren mitzuteilen, daß das ksl.-frz. Vorabkommen von
1647 XI nach wie vor unter dem Vorbehalt des Einschlusses Spaniens in den Frieden stehe
(vgl. hierzu ebenda Nr.n 47 und 52). – 1647 XI 14 war ein auf 1647 XII 11 datiertes ksl.-
frz. Vorabkommen über die frz. Territorialsatisfaktion unterzeichnet worden, das den
späteren Regelungen weitgehend entsprach (vgl. IPM §§ 69–91) und Frk. u.a. die Lgft.en
Ober- und Unterelsaß sowie die Landvogtei über die elsässische Dekapolis zusprach (Text:
Meiern V, 161 –166; vgl. auch APW II A 6 Beilage [1] zu Nr. 273; zur Unterzeichnung
vgl. ebenda Nr. 277).
Gemeint sind die span. Ges. am WFK: Gaspar de Bracamonte y Guzmán, conde de Pe-
ñaranda (um 1595–1676); 1645–1648 span. Prinzipalges.; 1642 consejero de la Cámara de
Castilla, 1648 consejero de Estado ( Poelhekke , Peñaranda; Fayard I, 653f; Barrios ,
377f; Rohrschneider , Nachlaß, 179ff; Pernot , 351; Rohrschneider , Frieden, 137–
145). – Dr. Antoine Brun (1599–1654); 1643–1649 span. Ges. ; 1642 conseiller im Conseil
suprême von Flandern und Burgund in Madrid ( ABF I 161, 221–225; II 105, 290; DBF
VII, 507f; Truchis de Varennes ; Pernot , 351; Rohrschneider , Frieden, 153–159).
gescheicht vernemmen lassen, waß der Bruin fir gefehrliche propositiones den Schweden
gethan
Brun hatte versucht, sowohl zwischen Schweden und seinen Verbündeten als auch inner-
halb der schwed. Delegation Uneinigkeit zu provozieren (vgl. APW [ II C 4/1 Nr. 87 ] ). Er
hatte den schwed. Ges. den Inhalt abgefangener frz. Schreiben (Texte: APW [ II B 5/1 Nr.n 81 ] und 82) mitgeteilt, in denen die Gegensätze innerhalb der schwed. Delegation
und am Hof in Stockholm thematisiert worden waren (zu den innerschwedischen Konflik-
ten vgl. Ruppert , 275).
der tractaten gefasst, was die stendt im Reich insgesammbt entlich aus desperation deß so
grossen, gegen den außlendischen interessis gehaltnen absechens fir gefehrliche resolutiones
ergriffen und wohin es mit dem Reich und dessen oberhaubt gerathen mechte, sich alsbal-
den und ohne versaumung einziger stundt entschliessen und zu irem und dero hauß auf dato
rhuemblich conservirten, auch inskhonfftig continuierenden unsterblichen nahmen resolvi-
ren , dz den stendten insgemain satisfaction gegeben, sie dardurch zu rhue gestelt, zu Euer
Mayestät alß deren haubt gezogen, auch mitlß solcher resolution von denen cronen ab und
durch sie die cronen zu gleichem fridenschluß vermögt werden möchten, darzue ich dan
ursach habe, Euer Kayserlicher Majestät umb so viel desto mehr zu erinern und gehor-
sammblich zu bitten, weil ich gleichsamb vor augen siche, dz in geringster verweilung des-
sen Euer Kayserliche Majestät die dissolution dises von so viel hundert jaren her bei der
loblichen Teutschen nation und in so schöner harmonia erhaltnen und bey Euer Mayestät
loblichen hauß so wol conservirten Romischen Reichs nicht evitirn, sondern mit ihrem und
dero ganzen loblichen hauß höchstem nachteil und verkleinerung zuesechen werden missen,
dz sich dise harmonia Imperii dissolvirt, frembden dominat underworffen und sowol fir
Euer Mayestät als all andrer chur-, fürsten und stendt des Reichs und irer Kayserlichen
regierung der periodus
durch Teutsche, nit durch catholische, nit durch vom hauß Österreich entsprossene kaiser
gubernirt, sondern durch frembden dominat dissipirt, verthailt und allen kriegssichtgen
menschen under diser Euer Mayestät regierung in dz eüsseriste verderben werden gerathen
und dz ganze Römische Reich wider in den alten flor und standt zu khomen die geringste
hofnung nit mehr werde haben khönden. Und ist an dem allem desto weniger zu zweiflen,
da man nicht durch ersprießliche andere mitl alßbalden vorkhombt, weiln leider vor augen,
dz weder Euer Mayestät noch meine oder anderer stendt des Reichs mitl also bewanth
seind, dz man sich auf continuation des kriegs oder dessen gueten ausschlag im geringsten
verlassen khan, auß denen Euer Mayestätt von meinem cammerpraesidenten öffters vor-
gestelten außfiehrlichen bedenckhen und ursachen, dananhero ich, alß deme Euer Mayestätt
und dz Reich die waffen zum thail auch anverthraut, vor Gott und in meinem gewissen
mich schuldig befinde, Euer Mayestät dißes alles mit iezterwehnten umbstenden nicht allein
vorzustellen, sondern auch zu besserer meiner verwahrung, wan etwan negstens dz ganze
werkh in oberwehnte extremiteten gerathen solle, den stendten des Reichs, als welche teg-
lich in mich tringen, den friden im Reich auf alle mögliche weeg zu befirdern, waß Euer
Mayestät ich threuherzig und pflichtschuldigermassen hiemit uberschreibe, zu Münster
und Oßnabrugg zu communiciren, damit ich mich nit allein aller orthen auß dem wohn
bringen, alß were ich auch selbsten der mainung, dz man umb außlendischer interessi willen
den krieg continuiren und dardurch dz Reich zugrund gehen lassen solle, sondern weiln mir
in verbleibung dißes, wie bereit beschehen, auch fortan leichtlich möchte vorgeworffen wer-
den , alß hete ich zu allem geschwigen und underlassen, gehöriger orthen in zeiten zu wahr-
nen , waß ainem ieden zu fassung nothwendiger resolution hete gedeüen mögen, [und da-
mit ich] die schuld alles des unglukhs, so dem Reich bevorsteht, von mir abschieben mög. Er
bittet um Verständnis für seine Position und fordert Ferdinand III. zu einer raschen Ent-
scheidung auf, um die Interessen beider Häuser zu wahren. Zudem bittet er, dies Schreiben
als gutgemeinten verwandtschaftlichen Rat aufzufassen.