Acta Pacis Westphalicae III C 2,1 : Diarium Volmar, 1. Teil: 1643 - 1647 / Joachim Foerster und Roswitha Philippe
EINLEITUNG
[p. XXIV]
[scan. 24]
EINLEITUNG
Das
Diarium
Volmar hält in stattlichen drei Protokoll- und zwanzig zugehörigen Beilagenbänden die Tätigkeit des kaiserlichen Gesandten Dr. Isaak Volmar während des Westfälischen Friedenskongresses fest. Stellung und Bedeutung des Verfassers sowie Art seiner Darstellung machen dieses Diarium zu einem wichtigen Leitfaden für die kaiserliche Kongreßpolitik. Das rechtfertigt die Veröffentlichung dieser Quelle im vollen Wortlaut. Der quellenmäßige Wert des Werkes ist denn auch schon früh erkannt worden und hat 1710 zur Herausgabe durch
Cortreius
Adam
Cortreius: Viri Excellentissimi Domini Isaaci Volmari liberi baronis de Rieden [...] diarium sive protocollum actorum publicorum instrumenti pacis generalis West-phalicae Monasteriensis et Osnabrugensis [...], opus diu multumque desideratum, utilissimum et maxime necessarium
(Corpus iuris publici IV). Frankfurt 1710.
geführt. Dieser Druck ist jedoch wenig zuverlässig; der gesamte dritte Band, d. h. die Zeit ab 14. Januar 1648, fehlt bei ihm, und der enge Zusammenhang zwischen dem eigentlichen Text des Diariums und der zugehörigen, erheblich umfangreicheren Aktensammlung wird nicht hinreichend deutlich. Gerade die Verbindung von protokollmäßiger Aufzeichnung mit Aktenregistratur aber macht den besonderen Charakter des
Diarium
Volmar aus.
Dr. Isaak Volmar
Der Verfasser, Dr. Isaak Volmar, wurde 1582 oder 1583 als Sohn des württembergischen Untervogtes Abraham Volmar in Steußlingen bei Urach geboren
Biographische Angaben bei K.
von
Wurzbach
51 S. 269f, ABD
40 S. 263–269 (Verfasser H.
von
Egloffstein), J.
Hirn S.
165–190, W. E.
Heydendorff
S. 127–130, K. J.
Seidel
S. 154–161. Das gewöhnlich angegebene Geburtsjahr 1582 ist offenbar nach der Altersangabe bei Volmars Tod berechnet, so daß geringfügige Abweichungen möglich wären. Er selbst hat nach J.
Hirn
S. 165 als sein Geburtsjahr 1583 angegeben.
. Der Großvater soll den Kaisern Ferdinand I. und Maximilian II. gedient haben
So das Adelsdiplom von 1662, vgl. W. E.
Heydendorff 2
S. 127.
, doch hat das protestantische Bekenntnis die Familie dann wohl in württenbergischen Dienst geführt. Ein Bruder Isaaks war der Theologe Johann Leonhard Volmar (1595–1647), seit 1624 Superintendent in Mömpel-gard
W. H.
Stein S. 84. Vgl. zu Johann Leonhard auch
H. J.
Zedler 50 Sp. 611, wo jedoch die Verwandschaft mit Isaak nicht erkannt ist. Als Eltern werden dort Abraham Volmar und Sibylle Schleicher aus Ulm angegeben.
. Daß auch Isaak zunächst protestantische Theologie studiert habe und eine Zeitlang Prediger des Grafen von Nassau gewesen sei, ist jedoch im wesentlichen unzutreffend
Die Behauptung geht ebenso wie abweichende Angaben über Eltern und Geburtsort (Weinsberg) auf
J. L.
Walther S. 9 zurück und ist zumindest im zweiten Teil falsch. Dagegen bleibt dahingestellt, ob ein Theologiestudium zunächst beabsichtigt war und vor 1606 auch durchgeführt worden ist.
. Fest steht lediglich, daß er sich am 12. Juni 1599 an der
[p. XXV]
[scan. 25]
Landesuniversität Tübingen immatrikulieren ließ und dort der Artistenfakultät mindestens bis zur Erlangung des Magistergrades im August 1603 angehörte
H.
Hennelinck
S. 753: Isaac Volmarius Steißlingensis.
Bei Bakkalaureat (1600 IX 24) und Magister (1603 VIII 17) wird Urach als Herkunftsort angegeben.
. Nach einer Lücke von mehreren Jahren, über die wir nichts wissen, erscheint Isaak Volmar Ende 1606 unter den Studierenden der österreichischen Universi-tät Freiburg im Breisgau
H.
Mayer
I S. 741: Isaac Volmar Uracensis ex ducatu Wirtenberg
(1606 XII 19) unter den studiosi inscripti.
. Um diese Zeit, also noch verhältnismäßig jung, dürfte Volmar den für seine weitere Laufbahn entscheidenden Schritt vollzogen haben, den Übertritt zur katholischen Kirche, über dessen Hintergründe jedoch nichts Näheres bekannt ist
Nach J.
Hirn
S. 165, der sich auf eine Angabe Volmars stützt, vollzog dieser die Konversion 1606 in Zusammenhang mit dem Wechsel nach Freiburg nullo nisi solius veritatis amore impulsus, invito et vivente adhuc patre meo.
. In Freiburg vollendete Volmar seine juristische Ausbil-dung. Er verließ die Universität 1613 mit der juristischen Doktorwürde und hatte bei den Artisten Rhetorik gelehrt
H.
Mayer
I S. 741 Anm.: Utr. iur. dr. et prof. rhetorices resignavit professionem 16. Oct. 1613.
Entsprechend sind wohl die älteren Angaben, er habe 1599 in Tübingen promoviert und sei 1606 Professor in Freiburg geworden, zu korrigieren. Die Freiburger Immatrikula-tion enthält keinen Hinweis auf akademische Grade. Dennoch kann er, wie J.
Hirn
S. 165 nahelegt, den Lehrauftrag für Rhetorik zur Sicherung seiner materiellen Existenz im Anschluß an seine Konversion 1606 erhalten haben.
. Zunächst Anwalt in Freiburg
Vgl. H.
Mayer
I S. 741 Anm.: advocatus [...] 10. 4. 1615.
, wurde er 1616 Kanzler des Abtes von St. Gallen und erhielt 1620 eine Ratstelle bei der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim, bei der er sich, allerdings vergeblich, schon 1618 beworben hatte
Zu Volmars vorderösterreichischen Tätigkeit vgl. insbesondere die zahlreichen und detailrei-chen Angaben bei
K. J.
Seidel, durch die auch seine Persönlichkeit deutlich charakterisiert wird.
. Bereits im folgenden Jahr wurde er auf Empfehlung seines Vorgängers, Dr. Lintner, der als Hofkanzler nach Innsbruck ging, zum vorderösterreichischen Kanzler bestellt. Die nächsten Jahre ließen ihn unter dem vorwaltenden Einfluß des Statthalters Johann Christoph von Sta-dion, der ihm weniger gewogen war, noch nicht so sehr hervortreten. Nach dessen Tod 1629 aber wurde er der entscheidende Mann in Ensisheim, der alle Fäden in der Hand hielt und es dabei wohl verstand, keinen anderen neben sich aufkommen zu lassen.
Als die Ensisheimer Regierung sich im November 1632 auf der Flucht vor den Truppen des schwedischen Generals Horn auflöste, war es vor allem Volmar, der von Breisach aus die Neuorganisation der Verwaltung des restlichen Vorderösterreich in die Hand nahm. Er wurde mehr und mehr die eigentlich treibende Kraft der Regierung. Ebenso kenntnisreich wie arbeitsam, verfaßte er als Spezialist der verwickelten rechtlichen und administrativen Verhältnisse des Landes 1637 zur Orientierung des jungen Erbfürsten Ferdinand Karl die
Informatio de Antaustriaci principatus statu
HHSTA
Handschr. 459 (Böhm).
. Beliebt war er jedoch nicht.
[p. XXVI]
[scan. 26]
Sein Hang zur Vielregiererei, seine aufdringliche Betriebsamkeit, seine Herrsch-sucht und sein Hochmut schufen ihm zahlreiche Feinde; auch der ihm wohlwol-lende Lintner stellte bei einer Untersuchung 1635 fest, daß eine Menge von Anklagen und Verdächtigungen gegen Volmar umliefen, nicht zuletzt der Vorwurf persönlichen Eigennutzes und der Bevorteilung seiner Verwandten. Beweisen ließen sich wirkliche Amtsverstöße indessen nicht, und vieles mag auf Nachreden seines Todfeindes Wilhelm Bienner zurückgehen, der ihm 1630 bei der Besetzung der Stelle des Tiroler Kanzlers vorgezogen worden war, nachdem Volmar an die Übernahme überzogene Bedingungen geknüpft hatte. Jedenfalls blieb Volmar in Breisach unentbehrlich. Seine Stellung verstärkte sich noch, als mit Goll einer seiner Verwandten
Nach
K. J.
Seidel S. 159 war Goll sein Schwiegervater. Das ist jedoch, falls es sich wirklich um den späteren österreichischen Gesandten beim Friedenskongreß Hans Wilhelm Goll (1598–1672) handelt, vom Lebensalter her kaum möglich. Volmar selbst nennt ihn 1628 seinen Schwager (
J.
Hirn S. 166,
J.
Ellerbach II S. 480); vielleicht war er auch ein Vetter seiner Frau.
das Kriegszahlmeisteramt erhielt und damit beherrschenden Einfluß auf die Finanzverwaltung gewann. Schlecht war hinge-gen Volmars Verhältnis zu Hans Heinrich von Reinach, seit 1634 Festungskom-mandant von Breisach, der in einer von Volmar unabhängigen Stellung wirkte. Gegen ihn hat der Kanzler 1638, als der Verlust des Breisgaus und der Festung Breisach durch Bernhard von Weimar drohte, bei der Regierung in Innsbruck intrigiert, ihn verdächtigt und ihm namentlich den offenbar unberechtigten Vorwurf gemacht, aus eigensüchtigen Motiven die rechtzeitige Verproviantie-rung der Festung verhindert zu haben
Vgl. W. E.
Heydendorff 2
S. 128, J.
Hirn
S. 171ff. Dagegen behauptete Bienner, Volmar selbst und seine Verwandten hätten durch Getreidemanipulationen den Fall Breisachs verursacht (vgl. J.
Hirn
S. 181ff).
. Obwohl Reinach über diese Machen-schaften orientiert war, hat er im Dezember 1638 Volmar gerettet, indem er, trotz entschiedenen Widerstandes Herzog Bernhards, dessen Aufnahme in den Übergabeakkord durchsetzte. Der Kanzler, der Bernhard durch dreiste Äuße-rungen gereizt hatte – er hatte den herzoglichen Kriegsunternehmer einen Bettelfürsten genannt – mußte sich schriftlich entschuldigen und beim Verlassen der Festung mit dreimaligem Kniefall die Gnade des Siegers anrufen
Vgl. W. E.
Heydendorff 2
S. 128ff, K. J.
Seidel
S. 160.
.
Mit dem Fall von Breisach und dem Ende der habsburgischen Regierung dort ist auch Volmars erste bedeutende Lebensphase als weithin selbständiger Chef der Verwaltung Vorderösterreichs abgeschlossen. Er wurde jetzt in Innsbruck Kam-merpräsident und 1643 auch Geheimer Rat der Vormundschaftsregierung
. Möglicherweise war aber von Anfang an weniger an die Verwendung des an Unabhängigkeit gewöhnten Mannes in der Zentralverwaltung gedacht, denn seit 1640 finden wir ihn hauptsächlich in auswärtigen Missionen unterwegs. Im März 1640 auf einer Tagsatzung der Eidgenossen in Baden im Aargau konnte er zwar ein stärkeres Engagement der neutralen Schweiz im Sinne habsburgischer
[p. XXVII]
[scan. 27]
Politik nicht durchsetzen
W. E.
Heydendorff 2
S. 120.
, doch schon im Juli wurde er zusammen mit dem Freiherrn Maximilian von Mohr als Vertreter der Erzherzogin Claudia zum Reichstag nach Regensburg geschickt. Damit kam er in näheren Kontakt zur kaiserlichen Politik, mit der es das gemeinsame österreichische Votum im Fürstenrat abzustimmen galt. Dabei traten bereits die gleichen Interessenunter-schiede beider österreichischen Linien zutage, die später beim Westfälischen Frieden wirksam geworden sind. Einmal wurde deutlich, daß hinsichtlich der von Bayern dringend geforderten Generalamnestie der Kaiser sich nicht durch die Proteste der um ihre württembergischen Erwerbungen besorgten Tiroler Linie aufhalten lassen würde
. Aber auch der Verdacht, der Kaiser könne durch Preisgabe des Elsaß auf Kosten der Tiroler Linie den Frieden von Frankreich erkaufen wollen, wurde schon ausgesprochen und führte zu der doppelten Erkenntnis, daß zur Wahrung der Tiroler Interessen einerseits die selbständige Teilnahme an den Friedensverhandlungen erwünscht sei, daß andererseits aber gegen den Kaiser und die Kurfürsten nichts auszurichten sei und daher dem Kaiser unter Empfehlung der Tiroler Anliegen die alleinige Verhandlungsfüh-rung überlassen bleiben solle
. Parallel zu den eigentlichen Reichstagsgeschäften hatte Volmar in Regensburg den Auftrag, die kaiserliche Regierung für Maß-nahmen zur Verbesserung der militärischen Lage in den Vorlanden zu gewin-nen. Nach langem Werben setzte er im September 1641 ein Projekt durch, wonach kaiserliche, bayerische und vorderösterreichische Truppen in kombinier-ter Aktion die den Hochrhein beherrschende Festung Hohentwiel erobern sollten. Er selbst ging, da der Reichstag sich dem Ende näherte, jetzt nach Schwaben, um mit umfassender Verfügungsgewalt über die von der Erzherzogin bereitzustellenden Mittel das Unternehmen zu fördern. Von Radolfzell aus kümmerte er sich um Munition, Verpflegung und die nötigen Gelder und griff auch in die militärischen Planungen ein. Aber das entscheidende Hemmnis, die mangelnde Zusammenarbeit der militärischen Führer, beseitigte auch er nicht. Vielmehr sah er sich von allen Seiten mit Vorwürfen wegen Nichterfüllung der versprochenen Versorgungsleistungen überhäuft. Als am 11. Januar 1642 die Belagerung Hohentwiels aufgegeben werden mußte, ging Volmar zur besseren Koordination weiterer militärischer Pläne nach Wien und verhandelte dort ohne nennenswerten Erfolg noch bis in den März
W. E.
Heydendorff 2
S. 131–175, 178–180.
.
Bereits im Herbst desselben Jahres wurde er nach Frankfurt geschickt, um neben Reichshofrat Graf Georg Ulrich von Wolkenstein und Dr. Leonhard Richters-berger Österreich auf dem bevorstehenden Reichsdeputationstag zu vertreten
Zum Deputationstag vgl. F.
Dickmann
S. 113ff, R.
von
Kietzell.
. Dessen Verhandlungen begannen langsam. Erst am 11. Februar 1643 wurden die offiziellen Sitzungen mit Vorlage der kaiserlichen Proposition eröffnet. Es zeigte sich sofort, daß statt der darin genannten Justizfrage die Mehrheit der
[p. XXVIII]
[scan. 28]
Stände trotz aller österreichischen Gegenbemühungen die Friedensfrage und damit das Problem ihrer Teilnahme an den Friedensverhandlungen in den Vordergrund stellte. Die Zuziehung der Kurfürsten zum Friedenskongreß, allerdings nur mittels einer Deputation zur Beratung des Kaisers, war schon auf dem Regensburger Wahltag 1636 zugesichert worden. Die übrigen Stände bemühten sich um Beteiligung durch Deputationen der Reichskreise, wogegen sich jedoch der Widerspruch des um seine Vorrechte fürchtenden Kurkollegs mobilisieren ließ. Man fand schließlich den vermittelnden Vorschlag, den Deputationstag als Vertretung der Stände anzuerkennen, aber über die Frage, ob er in Frankfurt weitertagen oder am Kongreßort unmittelbaren Einfluß auf die Verhandlungen gewinnen solle, eneuerten sich sofort die Gegensätze. So mußten im Juli 1643 dem Kaiser getrennte Gutachten der Stände vorgelegt werden, worauf dieser am 14. August für die Fortsetzung in Frankfurt entschied. Inzwischen waren auch Amnestie und Religionsgravamina zur Sprache gekom-men. Nach längeren Auseinandersetzungen beschlossen die Stände am 19. August ein Gutachten. Danach sollte es, entgegen weitergehenden protestantischen Forderungen, bei der 1641 in Regensburg beschlossenen Amnestie bleiben, der mit ihr damals verbundene effectus suspensivus aber sollte aufgehoben, die Amnestie also generell in Kraft gesetzt werden. Über die Zusammensetzung einer in Regensburg vorgesehenen außerordentlichen Deputation zur Erledigung der Gravamina einigte man sich verhältnismäßig rasch; aber nach katholischer Ansicht sollte sie erst nach Friedensschluß zusammentreten, während die Protestanten sich auf jeden Fall die Vorlage ihrer Beschwerden auf dem Kongreß offenhalten und die Deputation zumindest gleichzeitig mit diesem arbeiten lassen wollten.
Bei diesem Stand der Dinge verließ Volmar Frankfurt, um als Gesandter des Kaisers dessen Interessen bei den allgemeinen Friedensverhandlungen in Westfa-len wahrzunehmen. Zunächst für Osnabrück vorgesehen, wurde er dann doch gegen den Reichshofrat Krane ausgewechselt, der als bisheriger Gesandter auf dem Kölner Kongreß eigentlich in Münster mit Frankreich hatte verhandeln sollen
. Dem lag wohl der Wunsch zugrunde, bei den voraussichtlichen Elsaßverhandlungen mit Frankreich einen Spezialisten für Vorderösterreich zur Hand zu haben. Nach ungefähr einjähriger Kongreßtätigkeit trat an Volmar allerdings die Frage heran, ob er nicht doch Münster verlassen und die Stelle Bienners als Hofkanzler in Innsbruck übernehmen solle. Die gewundene Form, in der er sich dazu geäußert hat, läßt nicht klar erkennen, was ihm selbst eigentlich lieber gewesen wäre
Unterschiedlich interpretiert bei A.
Wandruszka
S. 451 und K.
Ruppert
S. 28.
. Jedenfalls hat er sorgfältig alle Äußerungen seiner Kollegen gesammelt, die ihm seine Unentbehrlichkeit am Kongreßort bestätigten
Vgl.
APW III C 2,3 Beilagen nr. 347.
. Zuletzt wurde doch nichts aus der Versetzung, und Volmar blieb bis zum Sommer 1649 in Münster.
[p. XXIX]
[scan. 29]
Zum Abschluß seiner Kongreßtätigkeit, die sicherlich den Höhepunkt seiner diplomatischen Laufbahn darstellt, erhielt Volmar am 26. Juni 1649 die Ernennung zum kaiserlichen Geheimen Rat
. Das bedeutete aber keine Tätig-keit in Wien; Volmar ging von Münster unmittelbar zum Exekutionstag nach Nürnberg, wo er nach Abschluß des Hauptexekutionsrezesses noch bis zum September 1650 blieb. Dann kehrte er über Wien nach Innsbruck zurück. Dort war er nach dem von ihm maßgeblich mitbetriebenen Sturz seines alten Rivalen Bienner schon am 23. Januar 1650 zum Obersten Hofkanzler bestellt worden
. Er hat diese Stellung in den nächsten Jahren jedoch immer nur sporadisch wahrgenommen. Möglicherweise hat man auf ihn in Innsbruck keinen besonde-ren Wert mehr gelegt, da er dort sehr anspruchsvoll auftrat und sich sofort in Streitereien mit seinem Kollegen im Geheimen Rat, dem Grafen Berthold von Wolkenstein, verwickelte
. Vor allem aber schien er dem Kaiser unentbehrlich. Bereits im Winter 1650/51 ging Volmar wieder an den Rhein, um bei Kurmainz und in Frankfurt über Probleme der Friedensexekution zu verhandeln, die in Nürnberg offengeblieben waren
Die Tätigkeit Volmars 1648–1662 läßt sich ziemlich lückenlos nachweisen aus L.
Bittner – L.
Gross
(vgl. Register) und für das dort Fehlende aus
UuA
IV, VI, VII, VIII, IX. Über Einzelheiten seines Verhältnisses zu Kurmainz vgl. auch G.
Mentz
und F.
Jürgensmeier.
. Von dort begab es sich im Juli 1652 an den Hof nach Prag, wo der Kaiser zur Vorbereitung des Wahl- und Reichstages mit den Kurfürsten verhandeln wollte. Auf dem Regensburger Reichstag führte er dann bis zum Sommer 1654 das österreichische Direktorium im Fürstenrat, galt aber auch als einflußreich im Geheimen Rat des Kaisers
Vgl. etwa die Relation Blumenthals 1653 VI 28 (
UuA
VI S. 267): alles entscheidet Auersperg und dessen adjutant ist der herr D. Volmar.
. Kurz nach Ende des Reichstages starb am 9. Juli 1654 der neugewählte römische König Ferdinand IV. Zur Vorbereitung einer weiteren habsburgischen Wahl bereiste Volmar vom Herbst 1654 bis April 1655 die rheinischen Kurhöfe. Seinen ständigen Wohnsitz hatte er jetzt in Frankfurt als österreichischer Direktorialgesandter der dort nach Ende des Reichstages zusammengetretenen ordentlichen Reichsdeputation, eine Stellung, zu der ihn seine fast ununterbrochene vierzehnjährige Kongreßtä-tigkeit sicher besonders empfahl
Ein Beispiel, wie man Volmar einschätzte, aber auch, wessen man sich bei unvorsichtiger Behandlung von ihm versehen zu müssen glaubte, zeigt die Äußerung des Freiherrn Veit von Künigl aus Wien 1651 I 3 (nach J.
Hirn
S. 445 Anm. 3): es heiße, wenn Volmar aus disgusto einem diffidenten fürsten, geschweige offnen feind zugehe, was es schaden wurde; Frankreich empfienge ihn mit offnen armen, Schweden wurde ihn suchen, Baiern höchstens nach ihm trachten, weil [er] anima der Münsterischen traktaten gewest, auf künfftigen reichstag seinesgleichen nit zu bekommen.
.
Diese Position wurde noch wichtiger, als mit dem Tod Ferdinands III. am 2. April 1657 das Interregnum eintrat und sich bei der Nachfolgeregelung ernste Schwierigkeiten mit dem eine völlig andere Politik verfolgenden Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn ergaben. Den Mainzer Versuch, den
[p. XXX]
[scan. 30]
Deputationstag als Instrument der eigenen Politik auch während des Interreg-nums weiterzuführen, parierte Volmar damit, daß er das Direktorium im Fürstenrat nicht mehr ausübte
. Als nach zähem Ringen im Sommer 1658 schließlich doch der Habsburger Leopold I. gewählt war, wurde der Deputa-tionstag zwar forgesetzt, aber die immer schärfer werdende Auseinandersetzung um die Mainzer Rheinbundpolitik bestimmte ihn. Schließlich verfügte der Kaiser seine Verlegung nach Regensburg und hoffte ihn damit dem vorherr-schenden Einfluß von Kurmainz zu entziehen. Da die Mainzer Partei aber die Sitzungen in Frankfurt fortsetzte, entstand der Translationsstreit, der bis 1662 dauerte und erst durch die Berufung des immerwährenden Reichstages beendet worden ist
Vgl. B.
Erdmannsdörffer
I S. 342ff, G.
Mentz
I S. 98ff.
.
Volmar war Ende Mai 1659 nach Regensburg abgereist. Als unmittelbarer Repräsentant der kaiserlichen Politik hatte er sich bei Kurmainz besonders unbeliebt gemacht. Schon 1656 war ihm vom Kurfürsten einmal in aufsehener-regender Weise die Audienz verweigert worden
Vgl.
UuA
VII S. 671, G.
Mentz
I S. 64.
. So erhob sich schärfster Mainzer Widerspruch, als der Kaiser Volmar die durch den Tod des Grafen Kurz am 24. März freigewordene Reichsvizekanzlerstelle übertragen wollte. Daran ist die Berufung, die den krönenden Abschluß von Volmars Laufbahn hätte bilden können, schließlich gescheitert. Zwar konnte der Kurfürst sein mit Berufung auf die Wahlkapitulation geltend gemachtes ausschließliches Beset-zungsrecht nicht voll durchsetzen, aber mit Waldersdorff wurde ein von ihm vorgeschlagener, für den Kaiser tragbarer Kompromißkandidat gefunden
Vgl. G.
Mentz
II S. 53, F.
Jürgensmeier
S. 238.
. Volmar blieb in Regensburg. Er war auch wieder als österreichischer Vertreter für den zum Sommer 1662 dorthin berufenen Reichstag vorgesehen. Bevor der Reichstag im Januar 1663 wirklich zusammentrat, ist Volmar am 23. Oktober 1662 im Alter von 80 Jahren in Regensburg gestorben
Volmar war bereits 1657 unter dem Namen Volmar Freiherr von Rieden in den Reichsfrei-herrnstand erhoben worden, das Diplom ist aber erst 1662 V 10 datiert.
.
Volmars Wirken auf dem Westfälischen Friedenskongreß ist in neuerer Zeit seit M.
Braubach
und F.
Dickmann
mehrfach eingehend gewürdigt worden
M.
Braubach
S. 26f, F.
Dickmann
S. 195f, unter dem Gesichtspunkt seiner Tätigkeit für die Tiroler Linie A.
Wandruszka
S. 446ff, zu Volmars Tätigkeit in Zusammenhang mit der für ihn besonders im Mittelpunkt stehenden Elsaßfrage K.
Repgen,
Verhandlungstechnik S. 74ff, K.
Ruppert
S. 28f.
. Entgegen der älteren ablehnenden Wertung
Egloffsteins
werden dabei seine Fähigkeiten und seine Bedeutung durchweg anerkannt, allerdings in erster Linie hinsichtlich seiner außerordentlichen Fachkenntnis, seiner fast unerschöpflichen Arbeitskraft und gewandten Formulierungen, während in bezug auf seine eigentlich politische und diplomatische Befähigung Abstriche gemacht werden
So besonders K.
Ruppert
S. 29.
.
[p. XXXI]
[scan. 31]
Das entspricht in etwa dem Urteil der Zeitgenossen. Daß er seit Trauttmans-dorffs Abreise am 16. Juli 1647 der eigentliche Kopf der kaiserlichen Gesandt-schaft gewesen ist, war allgemein bekannt. Über seine Osnabrücker Kollegen urteilten die Schweden, Lamberg sei Gesandter mehr ob dignitatem
als daß er bei den Verhandlungen viel ausrichte, und Krane richte sich nach Volmar, dieser sei een capabel och klook man
und führe die Feder und die Direktion
Oxenstierna und Salvius an Kgin. Christine 1647 VIII 26, Salvius an Kgin. Christine 1647 IX 16 (
APW II C 3 nr. 299, 314).
. Wenn allerdings die Protestanten mit Rücksicht auf seine Kompetenz ihn im Herbst 1647 gern bei den Religionsverhandlungen in Osnabrück dabeihaben wollten
Oxenstierna und Salvius an Kgin. Christine 1647 IX 30 (DG A I 1
legat.
[7] fol. 493–499’).
, so mag mitgespielt haben, daß man von ihm als striktem Vertreter einer österreichischen Interessenpolitik weniger Rücksichten auf die katholischen Reichsstände als bei Krane erwartete. Umgekehrt fühlten die Katholiken sich mehrfach durch sein brüskes Vorgehen verletzt
Besonders durch seine Proposition 1647 X 30, in der er ihnen bei weiterer Verschleppungs-taktik mit dem kaiserlichen Vorgriff gedroht hatte.
. Durchaus kritisch lautete auch ein Mainzer Urteil über Volmar von 1645, der gebrauche Nassau nur pro persona mutua,
weise ihn öfter ab, wenn er in Volmars Quartier komme, habe ihn auch gegen anderer ständt gesandten einen idioten und schlechten menschen, in und auß deme nichts zu bringen, ohne schew titulierett
Brömser an Kf. Anselm Kasimir 1645 XI 23 (
MEA
CorrA
7b nr. 191).
.
Mag hierbei der Vorwurf der Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit Volmars nicht unbegründet sein, so gab immerhin auch Auersperg zu, daß auf den, der
(neben Nassau) zu Minster ist, die vollige negotiation besteht, weillen alles Lateinisch und Italianisch gehandelt wirdt, so beydes herr graf von Nassau nit versteht
Auersperg an Kurz 1644 VIII 15 (
APW II A 1 nr. 356).
.
Doch dies sind Urteile, die eher beiläufig formuliert worden sind. Wirklichen Einblick in Volmars umfassende Tätigkeit vermittelt sein auf dem Friedenskongreß entstandenes Diarium.
Der Inhalt des Diariums
Volmars Diarium und damit verbundene Aktensammlung bilden eine der zentralsten Quellen für die Geschichte des Westfälischen Friedenskongresses überhaupt. Nach Anlage und Inhalt ist dieser Bestand Volmars ureigene persönliche Leistung. Den Ausdruck ‚Diarium‘ – Volmar selbst spricht immer von
protocollum – rechtfertigt zunächst ein formales Kriterium: die kurrente, chronologisch nach Tagen geordnete Eintragungsweise. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein privates Tagebuch, wie es während des Kongresses der päpstliche Nuntius Fabio Chigi oder der kaiserliche Gesandte Graf Lamberg in Osnabrück geführt haben
APW
III C 1,1; APW
III C 4.
. Man wird nach Persönlichem, nach gesellschaftli-
[p. XXXII]
[scan. 32]
chen Kontakten und nach Hinweisen auf das soziale Umfeld im Diarium Volmar vergeblich suchen. Den Tod seiner Frau etwa, die Anfang Juni 1646 in Münster gestorben ist
Anna Maria Volmar geb. Goll. Ihren Tod verzeichnet Chigi (
APW III C 1,1 S. 308) zum 5. Juni 1646. Diese Angabe wird durch ein Innsbrucker Kondolenzschreiben 1646 VI 18 (vgl.
J.
Hirn S. 166 Anm. 3) gestützt. Demnach ist das von A. Adami (
APW III D 1 S. 331) angegebene Todesdatum Juli 1645 falsch. Einen Einfluß des Todes seiner Frau auf Volmars amtliche Tätigkeit könnte man höchstens darin sehen, daß die Eintragungen im Diarium 1646 VI 4–8 (S. 645f) sehr kurz gehalten sind.
, hat Volmar in seinem Diarium mit keinem Wort erwähnt. Kirchenbesuche und Prozessionen werden unter dem Gesichtspunkt des diplomatischen Protokolls, als Präzedenzfrage und wegen des Austauschs offi-zieller Höflichkeiten behandelt
Vgl. 1644 IV 9–10 (S. 103–106), 1645 II 12 (S. 280); 1645 VI 4 (S. 367f).
. Nur ganz gelegentlich wagt sich in einer Randglosse einmal ein persönlich gefärbtes Urteil hervor
Vgl. 1644 XI 25 (Lemma zu S. 220,1).
. Wie das Diarium des kurkölnischen Hauptgesandten und Osnabrücker Fürstbischofs Franz Wilhelm von Wartenberg
gehört das Diarium Volmar zur Gruppe der internen Dienstakten, die im Rahmen amtlicher Tätigkeit entstanden sind und über diese Rechenschaft geben sollen. In dieser Aktengruppe nimmt es jedoch eine besonde-re Stellung ein, weil es gleichzeitig zwei Dinge kombiniert, die in anderen Dienstdiarien gewöhnlich nicht miteinander verbunden sind: es ist erstens Protokollbuch über die Verhandlungen und zweitens Geschäftsjournal, zentrale Registratur des dienstlichen Schriftverkehrs. Bei dieser Charakterisierung sind jedoch zwei Einschränkungen zu machen. Das Diarium Volmar berücksichtigt nicht seine Korrespondenz mit der Innsbrucker Regierung, die getrennt von der Korrespondenz mit dem Kaiserhof geführt wurde, und es ist keine (offizielle) Registratur der gesamten kaiserlichen Delegation. Für diese These spricht die Beobachtung, daß ein vergleichbares Diarium von der kaiserlichen Gesandt-schaft in Osnabrück offenbar nicht angelegt worden ist
Eine endgültige Aussage läßt allerdings die bruchstückhafte Überlieferung der Osnabrücker Akten nicht zu.
. Auch aus der Tätigkeit der kaiserlichen Gesandten in Münster vor Volmars Ankunft (Ende Juli bis 8. September 1643) ist kein ähnliches Diarium überliefert. Dagegen hat Volmar sein Diarium auch während seiner Tätigkeit in Osnabrück weitergeführt
1647 I 6 – V 31 (S. 778–844) und 1647 XI 14 – 1648 VIII 8 (S. 904–1130). Fälle von kurzfristigem Aufenthaltswechsel zwischen den Kongreßorten sind natürlich anders zu bewerten.
, während für diese Zeit eine Registratur in Münster fehlt. Das Diarium Volmar ist also keine Quelle für „die“ kaiserliche Politik beim Westfälischen Friedens-kongreß in Münster, sondern eine Quelle über Volmars Anteil an dieser Politik. Trotz seiner stupenden Materialfülle dokumentiert das Diarium grundsätzlich nur Volmars eigenen Anteil am Geschehen.
Diese Einschränkung verliert jedoch dadurch an Bedeutung, daß die meisten der für die kaiserliche Politik wichtigen Dinge durch Volmars Hände gegangen
[p. XXXIII]
[scan. 33]
sind. Die Führung der Kanzlei der kaiserlichen Delegation und die Redaktion der gemeinsamen Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten in Münster hatte Volmar sofort nach seiner Ankunft am 8. September 1643 übernommen. Das entsprach seiner Stellung als Sekundargesandter. Der Vorrang des Grafen Nassau als Delegationschef blieb dadurch gewahrt, daß er die Originale der eingehenden Schriftstücke behielt, während Volmar für seine Registratur sich mit Abschriften begnügen mußte
Die Ausfertigungen befinden sich heute unter dem Nachlaß Nassaus in Den Haag und sind ab
APW II A 2 für die Edition der kaiserlichen Korrespondenz benutzt worden, während sich
APW II A 1 noch auf die von Volmar gesammelten Kopien stützt.
. Daneben führte Nassau allerdings noch eine eigene Korrespondenz, von der sich bei Volmar nur dann ein Niederschlag findet, wenn er selbst das Konzept verfaßt hat, was in der Regel geschehen ist, wenn der Vorgang beide betraf
Die Antwort erfolgte dann gewöhnlich im Namen beider Gesandten, vgl. nr. 165/166, 204/205, 350/351, 376/377a. Gelegentlich waren den Gesamtschreiben aus Osnabrück nur an Nassau gerichtete Schreiben beigefügt, die im nächsten Gesamtschreiben mitbeantwortet wurden, vgl. nr. 147, 155, 274.
. Infolgedessen sind Zeitungsnachrichten, die Nassau von seinen eigenen Korrespondenten erhielt und die er in der Korrespon-denz mit dem Kaiserhof verwertete, heute oft nicht mehr sicher greifbar: sie waren nicht über Volmars Schreibtisch gelaufen und sind von diesem daher nicht registriert worden
Vgl. S. 52,6–7 und nr. 152; zumindest bleibt die Identifizierung mit vielleicht an anderer Stelle vorhandenen Stücken unsicher, wenn – wie in diesem Fall, vgl.
APW II A 1 nr. 165 – solche Nachrichten auch bei der Ausfertigung fehlen.
.
Mit dem Eintreffen der ersten auswärtigen Diplomaten
Die folgenden Angaben sollen lediglich einen Überblick über die für Volmar im Mittelpunkt stehenden Verhandlungsgegenstände geben und erstreben keine allgemeine Darstellung des Friedenskongresses.
, der Spanier am 26. Oktober (Zapata und Brun) und 6. November (Saavedra), des venezianischen Friedensvermittlers Contarini am 16. November 1643, erhielt Volmar ausge-dehnte Gelegenheit zu wohlstilisierten Prunkreden
Alle Begrüßungsreden bis zur Ankunft Chigis hat Volmar, wenn auch nicht im genauen Wortlaut, so doch in der unmittelbaren Redeform in sein Diarium aufgenommen (S. 19f, 24f, 90, 92f) und dabei ausdrücklich vermerkt, daß er sie gehalten habe, während Nassau allenfalls einige einleitende Worte sprach. Als weitere Beispiele der direkten Wiedergabe von Reden vgl. S. 48ff, 65f.
, die zunächst anläßlich der ersten Besuche, mit den Spaniern auch bei gegenseitiger Eröffnung der Instruk-tionen, vor allem aber wegen des Ausbleibens der französischen Gesandten, die den ganzen Winter 1643/44 über im Haag Bündnisverhandlungen führten, in den nächsten Monaten gewechselt wurden. Dabei stand das Motiv, die Gegen-seite für die Verzögerung der Verhandlungen öffentlich verantwortlich zu machen, durchaus im Vordergrund. Denn auch nachdem am 17. März (d’A-vaux) und
5. April (Servien) die Franzosen, am 19. März 1644 der päpstliche Nuntius Chigi als Vermittler eingetroffen waren und die Verhandlungen eigentlich hätten beginnen können, kamen diese nicht in Gang. Der Kaiser war zunächst mehr am Ausgang des im Herbst 1643 ausgebrochenen dänisch-
[p. XXXIV]
[scan. 34]
schwedischen Krieges interessiert, wobei er Schweden durch ein Bündnis mit Dänemark zu Separatverhandlungen zwingen zu können hoffte. Das bot weiterhin viele Verwendungsmöglichkeiten für Volmars rhetorische Talente
Vgl. außer der Ausarbeitung der schriftlichen Proposition gegen die französische Vollmacht (nr. 270, 280, 287a) und des Vortrages bezüglich der französischen Einladungsschreiben (nr. 281) insbesondere die S. 116–119, 127–129, 145–147, 162–164, 191–194 wiedergegebenen Reden und Diskussionen.
, wobei in Münster die Form der französischen Vollmachten bemängelt wurde, während für Osnabrück wegen des Fehlens der dänischen Vermittler, die nach Kriegsausbruch abgereist waren, die Auswechslung der Vollmachten überhaupt verweigert wurde. Erst nach dem Scheitern der auf Dänemark gesetzten Hoffnungen kam im Herbst 1644 die Frage nach dem Beginn ernsthafter Verhandlungen wieder in Fluß. Das Hauptproblem bildete zunächst die Förderung Frankreichs: Anerkennung des Bündnisrechtes der Reichsstände gegen den Kaiser vor Eintritt in die Sachverhandlungen durch Erwähnung in den Vollmachten. Schließlich einigte man sich am 6. und 21. November auf eine Kompromißformel für die Vollmachten und eine Verpflichtung zu ihrer Bei-bringung.
Nun konnten am 4. Dezember 1644 zwischen allen Parteien die Eröffnungspro-positionen ausgetauscht werden. Doch nur die kaiserliche Proposition enthielt konkrete Friedensvorschläge. Franzosen und Schweden verlangten zunächst die Zulassung aller Reichsstände zum Kongreß, die Franzosen außerdem die Freilassung des seit 1635 zuerst in spanischer, dann in kaiserlicher Haft befindlichen Kurfürsten von Trier. Die Kaiserlichen wiesen dies scharf zurück. Schließlich erreichte Chigi, daß die Franzosen nach dem wirklichen Austausch der Vollmachten am 24. Februar eine abgemilderte Proposition herausgaben, die jedoch sachlich nicht viel weiterführte und die Frage der späteren Friedens-sicherung aufwarf, ein Thema, das nach Meinung der Kaiserlichen erst an das Ende der Verhandlungen gehörte.
Nicht diese Kongreßpräliminarien, sondern die katastrophale Niederlage der Kaiserlichen bei Jankau am 6. März 1645 brachte die wirklichen Verhandlun-gen in Gang. Sie bewirkte, daß die kaiserliche Position nach und nach zusammenbrach: Der
effectus suspensivus der Regensburger Amnestie wurde im April grundsätzlich aufgehoben und der Trierer Kurfürst Philipp von Sötern erhielt die Freiheit, was peinlicherweise erst so spät nach Münster gemeldet wurde, daß man dort noch wochenlang einen überholten Standpunkt vertrat
Am 28. April (vgl. S. 333,8) fragten die Gesandten deshalb an, was es mit der (am 12. April erfolgten und auf anderen Wegen schon bekannt gewordenen) Freilassung Philipps Chri-stophs auf sich habe. Nähere Informationen erhielten sie erst am 3. Mai (nr. 653). Beschwerden der Kurfürstlichen vgl. S. 337,32.
. Die Wiener Taktik im Streit um die Admission der Reichsstände lief darauf hinaus, mit den Kurfürsten zusammenzugehen und weitergehende reichsständi-sche Ansprüche abzuwehren. Dementsprechend enthalten Volmars Aufzeichnun-gen seit November 1644 eine fast demonstrative Häufung von Konsultationen –
[p. XXXV]
[scan. 35]
zunächst mit Wartenberg
Am 25. November 1645 war Wartenberg als erster und zunächst einziger Vertreter des Kurkollegs in Münster eingetroffen, nachdem das Problem des ihm zustehenden Protokolls monatelang den Einzug verhindert hatte.
, später auch mit den Bayern, die am 22. Februar 1645 eingetroffen waren. In der gleichen Linie lag die bisher verweigerte Gewährung des Exzellenztitels für die kurfürstlichen Gesandten durch die Kaiserlichen am 12. April 1645: die protokollarische Gleichstellung mit den Vertretern der souveränen Mächte kam den Kurfürsten weit entgegen. Im übrigen versuchte der Kaiser zunächst, mit der Verlegung des Frankfurter Deputationstages (seit Ende März 1645) nach Münster und Osnabrück weiteren reichsständischen Forderungen auszuweichen. Als aber die Kronen in den neuen und endgültigen Propositionen vom 11. Juni die reichsständische Libertät wieder breit in den Vordergrund gerückt hatten, mußte der Kaiser schrittweise zurückweichen und schließlich doch die Admission aller Reichsstände
cum iure suffragii zugestehen. Am 29. August wurden alle Reichsstände vom Kaiser formell zum Kongreß eingeladen; am 25. September wurde ihnen feierlich der Entwurf der kaiserlichen Responsion an die Kronen zur Beratung mitgeteilt. Der Streit um Einzelpunkte des Verfahrens beim Kongreß dauerte noch bis zum Ende des Jahres 1645. Dann aber trat der Kongreß in das Stadium der eigentlichen Hauptverhandlungen.
Am 29. November 1645 kam der erste kaiserliche Minister, Graf Trauttmans-dorff, mit neuen, umfassenden Vollmachten nach Münster. Nach kurzen Vor-verhandlungen mit den Franzosen begab er sich am 14. Dezember nach Osnabrück, um eine Einigung mit den Schweden und einen Vergleich zwischen den Reichsständen herbeizuführen. Man sollte denken, daß durch die Ankunft des geschäftserfahrenen Staatsmannes die Stellung Volmars zurückgedrängt worden wäre. Das aber ist nicht geschehen, eher hat seine Stellung sich gehoben. Das kam äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß seit Trauttmansdorffs Ankunft alle Originalschriftstücke an Volmar gegangen sind und Nassau nur noch Kopien erhielt
Der Wechsel fand zwischen 1645 XII 1 und 5 statt (
[nr. 921c] und nr. 929), wobei möglicherweise nachträglich auch einige frühere Ausfertigungen (
[nr. 817] ,
[ 845] ,
[ 904] ,
[ 909] ) an Volmar gekommen sind. Ferner führte Volmar einen Teil von Trauttmansdorffs Korrespon-denz mit den Osnabrücker Gesandten; es finden sich daher bei seinen Akten sowohl zahlreiche für Trauttmansdorff verfaßte Konzepte wie auch Ausfertigungen der an Trautt-mansdorff gerichteten Schreiben (vgl.
[nr. 1342] ,
[ 1348] ;
[ 1369, 137] 0;
[ 1429, 1433] ;
[ 1444, 1445, 1446; 1447, 1448, 1451, 1452] ;
[ 1470, 1471; 1475] ).
. Außerdem hat Trauttmansdorff mit Volmar von Osnabrück aus einen persönlichen, gewissermaßen halbamtlichen, Schriftverkehr geführt
Vgl.
APW II A 3 (chronologisches Register), wo für Trauttmansdorffs ersten Osnabrücker Aufenthalt (
[1645 XII 14 – 1646 II 25] ) 12 Schreiben Volmars und 10 Schreiben Trauttmans-dorffs nachgewiesen sind. Es handelt sich auch hierbei nur um Bruchstücke der Korrespon-denz.
. In Volmars Diarium ist diese Korrespondenz nur teilweise erwähnt
Von den in Anm. 60 genannten Stücken hat Volmar lediglich drei Schreiben Trauttmans-dorffs (
[nr. 954] ) aufgenommen. Auf einem späteren Schreiben Trauttmansdorffs (
[nr. 1160] ) hat Volmar einmal den Inhalt seiner Antwort festgehalten.
, wobei
[p. XXXVI]
[scan. 36]
mehr Schreiben Trauttmansdorffs als Gegenbriefe Volmars registriert werden – vielleicht, weil Volmar, der viel eigenhändig schrieb, seine eigenhändigen Schreiben nicht mehr kopiert hat oder kopieren lassen wollte, vielleicht aber auch, weil Trauttmansdorffs Antworten ihm zur späteren Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens wichtiger waren.
Am 26. Februar 1646 kam Trauttmansdorff ohne konkrete Ergebnisse aus Osnabrück zurück. Insbesondere auf das ultimative Drängen der Bayern hin traten die Kaiserlichen jetzt doch in ernsthafte Verhandlungen über die französischen Satisfaktionsforderungen ein. Diese waren in der Proposition vom 11. Juni 1645 grundsätzlich gestellt, in der am 16. Oktober veröffentlichten Responsion ausweichend behandelt und in der französischen Replik vom 7. Januar 1646 konkretisiert worden. Nachdem am 22. März Volmar den Mediatoren noch einmal eine voluminöse Widerlegung aller französischen Satisfaktionsansprüche zugestellt hatte, wurde vier Tage später der Beschluß gefaßt, mit ersten Konzessionen über das Elsaß herauszukommen. In mehreren Schüben über das offizielle Elsaßangebot vom 14. April, die
Endliche Erklä-rung vom 29. Mai, die
Ulterior declaratio vom 6. Juni und dann, nach längerer Pause, die
Ultima declaratio vom 31. August und weitere Entwürfe kam es schließlich zum kaiserlich-französischen Vorvertrag vom 13. September 1646, der bereits die wesentlichen Zessionsbestimmungen des Westfälischen Friedens hinsichtlich Frankreichs enthält. Die Formulierung aller dieser Schrift-stücke stammt von Volmar; die in den Beilagen von ihm aufbewahrten Konzepte und Vorakten lassen ihren Werdegang mit großer Genauigkeit erkennen
Zur Auswertung dieses Bestandes und seiner Bedeutung für die Entstehung des Elsaßangebotes vgl.
K.
Repgen, Verhandlungstechnik.
.
Zumindest enttäuschte der kaiserlich-französische Vorvertrag die in ihn gesetz-ten Hoffnungen insofern, als er nicht die erwartete Rückendeckung für eine allgemeine Friedensordnung gegenüber Schweden und Protestanten gab. Anfang Mai 1646 hatte Trauttmansdorff die Schweden vergeblich durch weitgehende Erfüllung ihrer Territorialansprüche einschließlich Pommerns auf das Projekt eines allgemeinen Friedensvertrages festzulegen gesucht. Auch die reichsständi-schen Verhandlungen über die Religionsgravamina in Osnabrück und Münster hatten nicht zum Erfolg geführt. Angelpunkt der jetzt zunächst zwischen Schweden und Franzosen, seit November in Münster auch unmittelbar mit den Kaiserlichen verhandelten schwedischen Satisfaktionsfrage wurde die Zustim-mung Brandenburgs zu den Territorialregelungen (Pommern). Schließlich einig-ten sich die drei Mächte Anfang Dezember auf eine Alternative: Entweder verzichtete Brandenburg auf Vorpommern samt Stettin und erhielt dafür ein Äquivalent aus zu säkularisierenden norddeutschen Stiftern, oder Schweden nahm ganz Pommern ohne Zustimmung des Kurfürsten unter Garantie von Kaiser und Reich. Als die Antwort Friedrich Wilhelms negativ ausfiel, reiste Volmar, zunächst in Vertretung des erkrankten Trauttmansdorff, am 5. Januar
[p. XXXVII]
[scan. 37]
1647 nach Osnabrück in der Absicht, nun ohne Brandenburg mit den Schweden abzuschließen. Indessen nahmen die Verhandlungen dort einen anderen Verlauf. Es stellte sich heraus, daß eigentlich niemand Brandenburg ganz übergehen wollte, und als am
17. Januar 1648
17. Januar 1647
der geforderte Verzicht des Kurfürsten doch noch eintraf, ging man bereitwillig darauf ein. Allerdings hätten die Schweden gern ganz Pommern behalten und dafür in eine Erhöhung der ohnehin sehr bedeutenden Äquivalentforderungen zum Nachteil der Katholiken eingewilligt. Als das nicht gelang, einigten sie sich zunächst mit Brandenburg und schlossen, als auch der Äquivalentpunkt geregelt war, am 18. Februar 1647 mit den Kaiserlichen den Vorvertrag über ihre Satisfaktion ab.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat Volmar den Verhandlungsgang in seinem Diarium einigermaßen genau festgehalten
So noch 1647 II 14–17 (S. 818–824) die endgültige Vergleichung des Vertragstextes und die Auseinandersetzung mit den Franzosen über die Reservatklausel.
. Für den Rest seines Osnabrücker Aufenthal-tes, der bis zum 31. Mai dauerte, sind dagegen seine Aufzeichnungen äußerst spärlich
Sie umfassen mit 20 Seiten (S. 824–44) weniger als die Hälfte der von Volmar in den ersten sechs Wochen in Osnabrück gemachten Eintragungen (S. 778–824).
. Die Hauptverantwortung für die Kanzleiarbeit lag in Osnabrück bei Krane. Nur unregelmäßig kommen deshalb osnabrückische Relationskonzepte Volmars in den Akten vor
Von Januar bis Ende Mai hat Volmar 11 Osnabrücker Gesamtrelationen konzipiert (nr. 1607, 1617, 1626, 1627, 1637, 1642, 1643, 1647, 1648, 1651b, 1679). Dagegen hat er seit der Abreise Trauttmansdorffs nach Münster am 24. April die Osnabrücker Korrespondenz mit ihm übernommen (16 Konzepte 1647 IV 26 – V 29).
; auch von Schreiben, die er mitunterzeichnete
D. h. alle Gesamtrelationen nach Wien.
, hat er längst nicht immer Kopien in seine Registratur übernommen oder über den Vorgang einen Aktenvermerk in das Diarium eingetragen
Von 10 bekannten Osnabrücker Relationen für März 1647 ist eine (nr. 1639) zwar erwähnt, aber in der Aktensammlung nicht vorhanden, eine weitere 1647 III 18 ist nicht erwähnt. Für April sind drei von acht bekannten Relationen nicht erwähnt, für Mai erwähnt Volmar eine von zehn Relationen (nr. 1679).
. Weiterhin halten auch die protokollmäßigen Aufzeichnungen den Verlauf der Osnabrücker Verhandlungen von Ende Februar bis Ende Mai 1647 teilweise so knapp fest, daß der Zusammenhang unverständlich wird. Wichtige Verhandlungsstränge fehlen ganz
So ist z. B. der Ulmer Waffenstillstand kurz erwähnt (S. 825f, 830), über seinen Einfluß auf Trauttmansdorffs Verhandlungsführung und über diese selbst wird aber nichts bekannt. Zu den Verhandlungen über die Religionsgravamina wird lediglich die Tatsache angegeben, daß sie stattgefunden haben; die einzige inhaltliche Angabe (S. 833–836) steht ohne Verbindung mit dem Vorhergehenden völlig isoliert.
. Dafür finden sich von dieser Zeit an häufig Verweise auf Protokolle Schröders, Kranes oder Gails
Vgl. S. 829, 12 (1647 III 29), 876,5 (1647 VII 30), 934 (1648 I 3).
. Am stärksten findet Volmars Mitwir-kung bei den Verhandlungen ihren Niederschlag, die Ende März zur Formulie-rung eines kaiserlich-schwedischen Vertragstextes einsetzten
Beginn 1647 III 29, 31 (S. 829). Die Projekte selbst fehlen mit wenigen Ausnahmen allerdings in Volmars Aktensammlung. Vgl. dazu unten S. XLIIIf.
. Sie fanden ihren vorläufigen Abschluß in dem
Proiectum Trauttmansdorffianum für den
[p. XXXVIII]
[scan. 38]
kaiserlich-schwedischen Frieden, das am 31. Mai 1647 in Osnabrück verlesen wurde.
In den folgenden Wochen wurde in Münster sowohl mit den Franzosen, denen am 13. Juni ebenfalls ein kaiserlicher Vertragstext zugestellt wurde, als auch mit den Schweden weiter um eine endgültige Einigung in den ausstehenden Punkten gerungen. Auch hier war der Formulierungskünstler Volmar hauptsächlich bei der wörtlichen Fassung von Einzelbestimmungen und der Aushandlung konsens-fähiger Kompromißtexte eingesetzt
Das Protokoll wurde bei den darüber seit 1647 VI 26 fast täglich gehaltenen Konferenzen durch Schröder geführt. Vgl. S. 853–868.
. Als der Abschluß nicht zustande kam, hat Trauttmansdorff am 16. Juli 1647 den Kongreß verlassen. Damit kam auf Volmar, den der kaiserliche Minister zu seinem Hauptmitarbeiter gemacht hatte, eine neue Verantwortung zu. Er war jetzt unbestritten – wenn auch nicht dem Rang nach – für beide Kongreßorte der erste Mann der kaiserlichen Gesamtdelegation. Der weitere Verlauf des Kongresses hat gezeigt, daß er dieser Stellung nicht immer ganz gerecht geworden ist; es fehlte ihm an diplomatischer Geschmeidigkeit, aber auch an der gleichermaßen aus Rang und Amtsstellung erwachsenen hohen persönlichen Autorität Trauttmansdorffs.
Zunächst kam nach der Abreise Trauttmansdorffs der Kongreß für mehrere Monate ins Stocken, wenn auch noch eine Zeitlang an Einzelbestimmungen des Trauttmansdorffianums herumgefeilt wurde. Dafür mehrten sich die Initiativen solcher Stände, die mit dem Vertragstext nicht einverstanden waren. Insbeson-dere ein von Wartenberg geführter Teil der Katholiken sah in den religionspoli-tischen Konzessionen, die Trauttmansdorff im Frühjahr 1647 gemacht hatte, eine grobe Überschreitung der katholischerseits erteilten Verhandlungsvoll-macht. Sie ließen sich Zeit und überreichten endlich am 11. Oktober ein Gutachten, das noch hinter die Bedingungen zurückging, die Trauttmansdorff in ihrem eigenen Namen am 1. Dezember 1646 vorgeschlagen hatte. Damit wurden die Fragen des Reichsreligionsrechtes, an deren Behandlung sich Volmar bisher nur sporadisch beteiligt hatte und die in seinem Diarium meist auffallend kurz dargestellt sind
, zu einem zentralen Thema des Kongresses. Durch eine aufsehenerregende, mit dem kaiserlichen Vorgriff drohende Proposition am 30. Oktober zwang Volmar die Katholiken, in weitere Verhandlungen einzutreten. Diese sollten in Osnabrück stattfinden. Dorthin reiste Volmar, nachdem er am 11. November eine Einigung über den Text des kaiserlich-französischen Frie-densvertrages erreicht hatte und dieser von den Sekretären unterschrieben worden war, am 14. November 1647.
In Osnabrück begannen die Verhandlungen am 3. Dezember mit der Übergabe neuer kaiserlicher Korrekturen zu dem katholischen Gutachten vom 11. Okto-
[p. XXXIX]
[scan. 39]
ber, was zugleich Abgehen vom Trauttmansdorffianum bedeutete. Die Ver-handlungen waren sehr kompliziert. Zunächst erteilten die Katholiken am 13. und 19. Dezember erneut eine völlig unnachgiebige Antwort. Eine Minderheit aus den mächtigsten Ständen (Prinzipalisten) willigte aber schon ein, daß Volmar den Protestanten am 17. und
22. Dezember eine von ihm selbst abgemilderte Fassung übergab. Nachdem sich in Verhandlungen mit den Schweden gezeigt hatte, daß auch damit nicht weiterzukommen war, legte Volmar am 11. Januar 1648 den Vertretern der katholischen Kurfürsten einen neuen Entwurf vor, der wieder mehr dem Trauttmansdorffianum entsprach. Am 31. Januar beschlossen die kompromißbereiten katholischen Stände die Herausgabe der von ihnen durchberatenen neuen Konzessionen. Sie wandten sich aber unmittelbar an die Protestanten, um mit diesen unter Umgehung der Kaiserlichen zu einer Einigung zu kommen, drohten also den Kaiserlichen mit demselben Verfahren, das sie im Bunde mit diesen soeben gegenüber den unnachgiebigen Katholiken angewandt hatten. Dagegen hat Volmar scharf protestiert und schließlich erreicht, daß ab Ende Februar wieder zwischen Kaiserlichen und Schweden unter Zuziehung der kompromißbereiten Stände beider Parteien über den Text des jetzt veröffentlichten, korrigierten kaiserli-chen Friedensinstrument-Entwurfs verhandelt und abgeschlossen wurde. Den Verlauf der offiziellen Konferenzen über diese Dinge hat Volmar in aller Ausführlichkeit notiert
Ab 1648 II 28 (S. 1001), teilweise unter Verweis auf die Protokolle.
; in Wirklichkeit sind jedoch gerade die kontroversen Punkte oft durch direkte Absprachen der Parteien, wobei Bayern und Altenburg führend waren, erledigt worden; der Konferenz wurden die Ergebnisse dann nur noch zur Annahme vorgelegt. Tatsächlich entglitt die Verhandlungsführung im Laufe des Sommers 1648 also den Kaiserlichen mehr und mehr; umfangreiche von Volmar noch entfaltete Aktivitäten
können über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. Lediglich die bis zuletzt umstrittene Entscheidung des Autono-mieproblems in den Erblanden konnten die Kaiserlichen in ihrem Sinne regeln. Am 6. August 1648 wurde der endgültige kaiserlich-schwedische Friedensvertrag durch Handschlag vereinbart.
Zwei Tage später kehrte Volmar nach Münster zurück. An den von den Ständen in Osnabrück geführten abschließenden Verhandlungen waren die kaiserlichen Diplomaten nicht beteiligt. Als Mitte September Franzosen, Schweden und Reichsstände mit den fertigen Verträgen nach Münster kamen, ging es nur noch darum, ob die Kaiserlichen der ultimativen Forderung auf Annahme des Friedens nachkämen oder nicht.
Der entscheidende Punkt betraf das Verhältnis des Kaisers zu Spanien. Seit dem Angebot des Elsaß an Frankreich im April 1646 hatte sich die Wiener und Madrider Politik mehr und mehr auf getrennten Wegen bewegt. Die Spanier
[p. XL]
[scan. 40]
reagierten scharf gegen Konzessionen, die ohne ihre Zustimmung gemacht wurden, die Kaiserlichen behielten sich daher vor, daß ihre Abmachungen mit Frankreich nur in Zusammenhang mit einem französisch-spanischen Frieden Geltung erlangen sollten. Die Aussichten, daß ein solcher zustande kam, wurden jedoch im Laufe des Jahres 1647 immer schlechter, obwohl zeitweise auch die Generalstaaten, mit denen Spanien am 30. Januar 1648 endgültig Frieden geschlossen hatte, einen Ausgleich zu vermitteln suchten. Damit rückte für den Kaiser, der vor allem unter dem Druck Bayerns ja längst schon andere Wege ging, die Frage der endgültigen Trennung von Spanien immer näher. Er hat einer Entscheidung bis zuletzt aus dem Wege zu gehen gesucht. Die reichsständi-schen Vertreter in Osnabrück jedenfalls haben seit Anfang 1648 geglaubt, daß die Kaiserlichen durch Verzögerungstaktik für die Spanier noch eine Frist zum Verhandeln und Abschließen mit Frankreich gewinnen wollten. Gerade das bewog die Reichsstände zum selbständigen Vorgehen. Am 20. Juni 1648 konnte Volmar sie durch einen scharfen Einspruch noch einmal davon zurückhalten, in Osnabrück sofort die drei Forderungen zu behandeln, die Frankreich für einen Sonderfrieden mit dem Reich stellte: Preisgabe Lothringens und des burgundi-schen Kreises und Verbot militärischer Unterstützung für Spanien. Gegen den Willen der Kaiserlichen haben sie diese Punkte nach der Abreise Volmars dann doch vorgenommen und im wesentlichen im Sinne Frankreichs entschieden. In Münster kam es darüber mit den Kaiserlichen zu dramatischen Schlußverhand-lungen. Als aus Wien die Ermächtigung zum Abschluß auch unter Trennung von Spanien eingetroffen war – in zweitägiger Arbeit löste Volmar die falsche Chiffrierung der entscheidenden Weisung auf –, konnten am 24. Oktober 1648 die Friedensverträge unterzeichnet werden.
Stand in den nächsten Wochen zunächst die tatsächliche Beendigung der Kriegshandlungen im Vordergrund, wobei die Einwirkungsmöglichkeit der Kongreßgesandten gering war, so ergaben sich seit Ende 1648 neue Probleme mit dem Austausch der Ratifikationen. Die Kronen wollten ihre Dokumente erst herausgeben, wenn die Durchführung der Friedensbestimmungen, insbeson-dere der Restitutionen und Zahlungen an die schwedische Armee, gesichert sei. Nach langen Verhandlungen unter maßgeblicher Beteiligung der Reichsstände kam darüber ein Revers zustande, worauf am 18. Februar 1649 der Austausch wirklich stattfand. In den folgenden Monaten sind noch mehrfach Versuche unternommen worden, durch nähere Vereinbarungen über die Friedensexeku-tion endlich den Abzug und die Abdankung der fremden Truppen zu erreichen. Doch vor allem Schweden weigerte sich entschieden, diese Fragen ohne Beteili-gung der militärischen Führung zu behandeln. So verlagerte sich der Schwer-punkt des Geschehens auf den Exekutionskongreß, der im
April
Mai
1649 in Nürnberg eröffnet worden war. Dorthin ist auch Volmar am 2. Juli 1649 abgereist.
Wohl um diese Zeit ist eine Notiz entstanden, in der Volmar – anscheinend zum Zweck einer späteren registermäßigen Bearbeitung – rückblickend sein in sechsjähriger Kongreßarbeit entstandenes Diarium zu gliedern suchte, und die
[p. XLI]
[scan. 41]
als sein eigener Wegweiser durch das Labyrinth der Verhandlungen von einigem Interesse ist
:
Partes synopticae tractatuum pacis Monasteriensis et Osnabrugensis
- 1. Commissarii seu legati plenipotentiarii, instructiones.
- 2. Introductio publica ad tractatum.
- 3. Procurationes seu plenipotentiae, exhibitiones, defectus, disputationes, correctiones.
- 4. Citationes ordinum imperii a coronis, demum ab imperatore.
- 5. Propositiones, replicae, duplicae.
- 6. Congressus, conferentiae.
- 7. Tractatio separata cum Gallis de causa Palatina, eorundum satisfactio-ne, Hispanis, Lotharing[icis].
- 8. Cum Suecis de eorum satisfactione in pecuniis, provinciis.
- 9. Cum protestantibus.
- 10. Approbatio instrumenti hincinde tractati, compositi.
- 11. Cum Servientio Osnabrugis.
- 12. Subscriptio instrumenti et commutatio.
- 13. Disputatio de commutatione ratificationum.
- 14. De executione, exauctoratione et distributione militum.
Das Diarium als Quelle
Der quellenmäßige Wert des Diariums Volmar für die Geschichte des Westfäli-schen Friedenskongresses ergibt sich zum Teil bereits aus dem bisher Gesagten. Es zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß es durch die enge Verbindung von Protokoll und Registratur Ereignisse miteinander in Beziehung bringt, die sonst mehr oder minder isoliert überliefert sind. Das Diarium bildet gewissermaßen den verbindenden Text zu der ungeheuren Fülle an Material, das in Form von Relationen, Resolutionen und Verhandlungsakten in Volmars Beilagenbänden gesammelt ist. Dabei soll der von Volmar bereits selbst gebrauchte Ausdruck ‚Beilagen‘ jedoch nicht andeuten, daß es sich hierbei um etwas Zweitrangiges handle, das erst akzessorisch zum eigentlichen Diarium hinzutrete. Vielmehr ist umgekehrt das Diarium als Registratur in weiten Teilen eher als Findbuch anzusehen, das den vorhandenen Aktenbestand erschließt und benutzbar macht. Beide Teile zusammen vermitteln einen sonst oft kaum möglichen Einblick in den Meinungsbildungsprozeß der kaiserlichen Gesandten, wozu auch die inter-nen Überlegungen zum weiteren modus procedendi gehören, wie auch in den Aktionsverlauf selbst. Zwar enthalten das Wichtigste dazu auch die Relationen an den Hof; über viele Einzelheiten, auch das präzise datenmäßige Ineinander-greifen der einzelnen Schritte, gehen sie jedoch oft kurz hinweg.
[p. XLII]
[scan. 42]
Vom Inhalt her bildet das Diarium Volmar mit seinen Beilagen, die hierzu an anderer Stelle nicht derart vollständig gesammelt sind, die entscheidende Quelle für den Schriftverkehr zwischen den kaiserlichen Vertretern in Münster und Osnabrück. Der Informationsfluß zwischen beiden Kongreßorten, dessen Kennt-nis selbst in seinen Details für die Beurteilung einer auf Schweden und Frankreich gleichermaßen abgestimmten Kongreßpolitik vielfach von entschei-dender Bedeutung ist, wäre ohne diese Quelle heute kaum mehr rekonstruierbar. Um so empfindlicher macht sich daher bei Volmar die unvollständige Überliefe-rung seiner Korrespondenz mit Trauttmansdorff bemerkbar, eine Lücke, die auch aus den Beständen des Trauttmansdorffarchivs nicht völlig zu schließen ist.
Im übrigen ist eine generelle Aussage, wieweit das Diarium Volmar Informatio-nen über die an anderer Stelle überlieferte Korrespondenz hinaus gibt, natürlich schwer zu treffen. Jedenfalls enhält auch für die Zeiträume, in denen Volmar die Kanzleiarbeit in Münster geleitet hat, sein Diarium nicht immer alles. Für das Verständnis der Zusammenhänge ist die Kenntnis der Relationen oft vorausge-setzt, und zwar auch dann, wenn auf sie nicht ausdrücklich verwiesen wird. Das hängt zum Teil mit der Arbeitsweise Volmars zusammen.
Gewöhnlich sind offenbar die Protokolle früher entstanden als die Relationen, liegen also zeitlich näher am Geschehen. Oft werden sie unmittelbar nach der betreffenden Verhandlung niedergeschrieben worden sein. Daß das aber nicht immer geschah, zeigen gelegentlich bis in den Satzbau gehende Verbindungen zwischen den Ereignissen mehrerer Tage
oder Eigenart im Duktus
So S. 496,14–15, wo der Übergang ohne Absatz und ohne Zeilenwechsel erfolgt.
, die von der geschlossenen Niederschrift längerer Partien zeugen. Wieweit Volmar sich dabei eigener Notizen oder der Mitschrift seines Sekretärs bedient hat, ist im einzelnen nicht mehr zu erkennen. An einigen Stellen sind dem Diarium wohl von ihm bei Konferenzen benutzte Redemanuskripte oder Notizen beigelegt
. Ähnliche (wohl später vernichtete) Unterlagen werden ihm vermutlich häufiger zur Verfügung gestanden haben. Daß die Protokolle im übrigen keinen steno-graphisch genauen Wortlaut der Unterredungen wiedergeben, zeigt der Ver-gleich mit manchen Protokollen Wartenbergs, die meist ausführlicher, manch-mal aber auch in der Wiedergabe des Vorgangs wesentlich anders akzentuiert sind
.
Wenn Volmar die Eintragung im Diarium bei Erstellung der Relation bereits geschrieben hatte, wurden deren wichtigste Teile als
extractus protocolli der Relation beigegeben
So sind die Protokolle S. 554–599 mit einer Ausnahme alle den Relationen 1646 III 13 – IV 13 beigeschlossen worden. Vgl.
APW
[II A 3 S. 411–503.]
oder das Protokoll wurde – oft fast wörtlich – in die Relation übernommen
Vgl.
APW
[II A 3 S. 433f] ; in diesem Fall enthält die Relation die genaue deutsche Übersetzung von S. 566,12–567,4.
. Gelegentlich ist jedoch auch die Darstellung einer
[p. XLIII]
[scan. 43]
Konferenz in der Relation ausführlicher als im Protokoll. Das kann seinen Grund darin haben, daß Volmar nachträglich eine genauere Wiedergabe doch für angemessener hielt. Es kam häufig aber auch vor, daß bei Erstellung der Relation eine protokollmäßige Fixierung des Vorganges im Diarium noch nicht vorlag. Dann erübrigte sich eine nachträgliche Protokollierung: Es wurde im Diarium allenfalls eine kurze Zusammenfassung
eingetragen, meist aber lediglich auf die Relation verwiesen oder diese kurz skizziert
. Das Gleiche gilt für Vorgänge, an denen Volmar nicht direkt beteiligt war
, über die er also gewöhnlich keine Niederschrift besaß.
Aber auch dann, wenn Volmar bei der Eintragung in sein Diarium nicht auf Relationen oder von anderen gefertigte Protokolle verweisen konnte, hat er im Diarium nicht seine gesamte Tätigkeit festgehalten. So zeigt ein Blick auf das Diarium Wartenbergs, daß der Osnabrücker Fürstbischof 1646 mindestens einundzwanzigmal persönlich mit Volmar zusammengetroffen ist (I 4, 11, 13, 21, II 2, 4, 5, 10, 18, 24, IV 11, 21, V 29, VI 6, 10, 18, IX 15, 20, XI 4, 27, XII 10). Von diesen Besprechungen erwähnt Volmar nur sechs (I 11, 13, II 2, 4, 18, 24), und diese beziehen sich hauptsächlich auf die Frage unmittelbarer Verhand-lungen der Reichsstände mit den Franzosen anläßlich deren Replik, also ein auch für das Verhältnis von Kaiser und Ständen unmittelbar wichtiges Problem, und nur am Rande auf Wartenbergs Vorstellungen hinsichtlich der Religionsfra-gen und der Zukunft seiner Stifter. Das steht in krassem Gegensatz zu den häufigen Besprechungen 1644/45, als vor der Konstituierung der Reichsräte die Kaiserlichen die Kurfürstlichen durch betonte Zusammenarbeit an sich zu binden suchten. Insofern spricht das Diarium auch da, wo es schweigt. Es zeigt, in welchen Bereichen Volmar sein Haupttätigkeitsfeld sah, aber auch, welch unterschiedlichen Stellenwert Wartenberg und die von ihm vertretene Politik in den verschiedenen Phasen des Kongresses für die Kaiserlichen besaß.
Von den Relationen hat Volmar gewöhnlich sein eigenhändiges Konzept zu den Akten genommen, daher fehlen meist die Beilagen zu den Relationen. Diese sind zwar teilweise mit seinem Protokoll identisch oder finden sich als selbständige Stücke in seiner Aktensammlung, aber gerade viele Verhandlungsakten, insbe-sondere Vertragsformulierungen, fehlen
Selbst der bekannteste Vertragsentwurf, das Trauttmansdorffianum, findet sich nicht in Volmars Akten.
und sind teilweise auch über die Ausfertigungen nicht mehr greifbar
. Wie gelegentliche Äußerungen
zeigen, hat Volmar solche Stücke, wohl nach Betreff gegliedert, zu seinen Handakten genommen. Manchmal sind sie bei Abschluß eines Punktes nachträglich den zum Diarium gehörigen Akten beigegeben worden
Vgl.
[nr. 1620] bei Abschluß der brandenburgischen Äquivalentpunkte.
, ein anderer Teil – aber längst
[p. XLIV]
[scan. 44]
nicht alles – ist zu den Tiroler Akten gekommen
. Gleichwohl rechnet der Text des Diariums mit der Kenntnis auch solcher Stücke. Insofern bilden auch Diarium und Beilagen zusammen keine völlig in sich geschlossene Einheit.
Im Gegensatz zu den Ausgängen, die meist sofort nach dem Konzept im Diarium registriert wurden, so daß die mundierte Ausfertigung einen Tag später datiert sein kann, sind die Eingänge oft mit mehrtägiger Verspätung – meist zusammen mit der Antwort – aufgenommen worden
Vgl.
[ S. 53] mit
[nr. 105] ; das Schreiben trägt das Präsentatum 1643 XII 8 und war von Volmar mit der Antwort 1643 XII 24 ursprünglich zwischen den Protokollen XII 19 und XII 21 eingeordnet worden.
. Zur Beschreibung der Stücke im Diarium dienten dann gewöhnlich die vorher von Volmar auf ihnen eingetragenen Dorsalvermerke. Diese wurden oft wörtlich
So entspricht S. 840,14–23 wörtlich dem Dorsalvermerk von
[nr. 1677] .
, aber meist ungeprüft übernommen, so daß in ihnen gelegentlich vorkommende inhaltliche Irrtümer in den Diariumtext übergegangen sind
Vgl.
[S. 543,35 mit nr. 1042] , wo aus dem Dorsalvermerk die falsche Angabe
Nassau-Saarbrukh übernommen worden ist, während es sich tatsächlich um eine Eingabe im Namen der Grafen von Hanau-Lichtenberg handelt.
. Durch solche Sammeleintra-gungen bei schubweiser Aufarbeitung der Korrespondenz wird der streng chronologische Ablauf, auf den das Diarium eigentlich eingestellt ist, häufig unterbrochen
Vgl. die Angaben zu
[S. 286,35] , wonach die Eintragungen in der Reihenfolge 1645 II 16, 15, 12, 14, 15, 17 erfolgten.
. Volmar hat dann gewöhnlich, aber nicht immer
, das richtige Eingangsdatum vermerkt. Daher bleibt die chronologische Einordnung der Eingänge, wo sie nicht durch einen Präsentatumvermerk auf dem Schreiben selbst nachprüfbar ist, in manchen Fällen zweifelhaft
So enthalten die Schreiben Trauttmansdorffs aus Münster April/Mai 1647 (nr. 1650–1708) kein Präsentatum. Sie sind von Volmar, der den ganzen Abschnitt wahrscheinlich nachträg-lich in einem Zug niedergeschrieben hat, aber auch nicht mit den Antworten, sondern nach den Ausstellungsdaten eingeordnet worden.
.
Von außerordentlichem Quellenwert sind ferner die an dieser Stelle zwar nicht edierten, aber durch die Edition des Diariums Volmar erschlossenen Beilagen, besonders da, wo es sich um Konzepte Volmars zu Vertragsformulierungen handelt. Das zeigt am eindringlichsten die Untersuchung von
K.
Repgen über das Elsaßangebot (vgl. oben S. XXXVI). Gerade die in diesem Zusammenhang wichtige Denkschrift Volmars vom 26. März 1646
Vgl. K.
Repgen,
Verhandlungstechnik S.
[92–95.]
ist aber im Diarium nicht erwähnt und in den Beilagen nicht mit einer Nummer ordentlich registriert, sondern offenbar aus Volmars Handakten später eingelegt worden. Immerhin wurde sie dabei chronologisch richtig eingeordnet. Dagegen ist Volmars Exem-plar der vorhergehenden kaiserlichen Geheiminstruktion für Trauttmansdorff vom 2. März 1646 – ebenfalls nicht numeriert – zunächst in der Beilagensamm-lung unter die Akten vom Herbst 1647 geraten und befindet sich heute bei den
[p. XLV]
[scan. 45]
Weisungen an Trauttmansdorff von 1645 (
RK
FrA
50c fol. 86–87’)
Druck: K.
Jacob
S. 316–318 (mit alter Signatur); vgl. K.
Ruppert
S. 151 Anm. 71.
. Es zeigt sich also, daß der Bestand, der heute die Beilagen zum Diarium Volmar ausmacht, teilweise ziemlich willkürlich zustande gekommen ist.
Die Überlieferung des Diariums
Das Diarium liegt heute als geschlossener Bestand im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv bei den Friedensakten der Reichskanzlei. Es besteht aus zwei Teilen, dem eigentlichen Diarium und der erwähnten Beilagensammlung. Das Diarium ist ein fortlaufend eigenhändig geführtes Protokollbuch und Geschäfts-journal in drei Bänden mit den Signaturen 90 I–III. Mit ihm durch Verweise und fortlaufende Numerierung der einzelnen Stücke verbunden ist die unter der Signatur 92 I–XX befindliche zwanzigbändige Beilagensammlung. Sie besteht – mit den erwähnten Einschränkungen – aus der von Volmar geführten Korre-spondenz und aus seinen Verhandlungsakten. Diese 23 Bände befanden sich, bereits in der heutigen Einteilung, unter dem 237 Nummern umfassenden Nachlaß Volmars, wie er im November 1662 von kaiserlichen Kommissaren in Regensburg aufgezeichnet und übernommen worden ist
Specificatio actorum 1662 XI 4–8
(HHSTA
RK
FrA
Fasz.
103). Erwähnt sind dort neben weiteren Akten aus dem Bereich der Friedensverhandlungen namentlich acht ungebundene Faszikel zu den schwedischen und zwei zu den französischen Verhandlungen. Der gesamte Nachlaß ist zunächst in Regensburg geblieben. Der Zeitpunkt der Abgabe nach Wien ist nicht genau feststellbar, doch könnte damit die Erstellung einer Abschrift im Jahre 1676 zusam-menhängen. Die nichtgebundenen Faszikel (ab nr. 26) lassen sich in den Wiener Beständen heute nicht mehr eindeutig identifizieren.
.
Für den dreibändigen Textteil, das hier edierte ‚Diarium‘, gibt es noch drei Nebenüberlieferungen: 1. eine vollständige Abschrift von 1676
Laut Schlußvermerk wurde die Abschrift 1676 VII 11 von Johann Christoph Geist fertiggestellt und kollationiert.
, die in Bandein-teilung und Numerierung der im Diarium erwähnten Stücke der Beilagen-sammlung der korrigierten Urfassung entspricht (
RK
FrA
89 I–III); 2. eine 230 Blätter umfassende Sammlung von Auszügen aus dem Diarium unter dem Titel
Volmar Protokoll vom 23. September 1643 bis März 1647 (
RK
FrA
91 I); 3. den Druck des
Cortreius von 1709/10. Dieser folgt zwar in manchen charakte-ristischen Abweichungen der unter 1. genannten Abschrift, kann sie aber zumindest nicht zur alleinigen Vorlage gehabt haben, da er mehrfach dort ausgefallene Stücke bringt. Verrät schon die Abschrift durch häufig sinnentstel-lende Fehler eine ziemlich mechanische Kopierweise, so enthält der Druck darüber hinaus noch eine Reihe weiterer gravierender Mängel, und der gesamte dritte Band des Volmardiariums fehlt. Keine der drei Nebenfassungen läßt eine gegenüber der Urfassung bessere Überlieferung erkennen, die sich etwa auf eine korrigierte Reinschrift zurückführen ließe. Die drei Nebenüberlieferungen sind daher für die Edition unberücksichtigt geblieben.
[p. XLVI]
[scan. 46]
Die dieser Publikation zugrunde liegende Fassung des Diariums besteht aus 1552 halbbrüchig beschriebenen Blättern in Folioformat. Sie bilden 68 Blattla-gen im Umfang von 6 bis 34 Blättern, die durch Literierung bzw. Kustoden von Volmars Hand in Zusammenhang gebracht worden sind. Alle Blätter haben eine zunächst fehlerhafte, dann korrigierte Foliierung erhalten, wobei an zwei Stellen zunächst nicht foliierte Einlagen nachträglich mitgezählt worden sind. Noch zu Volmars Lebzeiten, also vor 1662, ist das gesamte Konvolut ohne Berücksichti-gung des inhaltlichen Zusammenhanges schematisch auf drei Bände aufgeteilt worden, indem man jeweils die Blattlagen A–Z (bis fol. 591 = unten S. 492, 11), Aa–Zz (bis fol. 1142 = unten S. 948, 32) und Aaa–Vvv zusammengefaßt hat. Am Ende des dritten Bandes befindet sich heute ein nichtfoliiertes, 44 Seiten starkes Register, das wohl noch im 17. Jahrhundert, aber nach der korrigierten Foliierung und nach der Bandeinteilung entstanden ist.
Der Text ist mit vielleicht ein oder zwei Ausnahmen vollständig erhalten. Die Niederschrift stammt durchweg von Volmars eigener Hand. Jede Seite ist gewöhnlich von ihm am Rande mit Jahres- und Monatsangabe versehen. Dem Text beigefügt sind zahlreiche Lemmata. Sie sind, soweit sie der Textzusam-menfassung dienen, später von anderer Hand vervollständigt worden, wohl in Zusammenhang mit Erstellung des Registers, das sich an ihnen orientiert
Daß auch Volmar selbst die von ihm stammenden Lemmata zumindest nicht immer völlig zeitgleich mit dem Text eingetragen hat, zeigt das Lemma zu
[S. 220,1] .
. Zeichen späterer Bearbeitung sind ferner Mängelvermerke am Rande, die sich auf im Text zwar erwähnte, in der Beilagensammlung aber fehlende Aktenstüc-ke beziehen. Der Text selbst ist durchlaufend geschrieben, Neubeginn nach ganz- oder halbfreien Seiten ist selten. Gelegentlich, aber nicht allzu häufig, hat
Vollmar
Volmar
den Text nachträglich ergänzt, meist am Rande, in einzelnen Fällen auf Blättern, die vor der ersten Foliierung eingelegt worden sind. Außerdem findet sich eine Reihe späterer, nicht oder erst bei der Korrektur foliierter Einlagen. Diese sind, soweit sie sich dem Text zuordnen lassen, bei der Edition berücksichtigt worden. Fortgelassen in der Edition wurde lediglich:
S. 313,7 (nach fol. 377) ein von Meel 1650 VI 23 eingereichtes Schriftstück mit dem Vermerk videatur protocollum fol. 378,
der sich jedoch auf das von Volmar während des Exekutionstages geführte Diarium bezieht. S. 788,10 (nach fol. 941) eine Karikatur von Volmars Hand auf den bayeri-schen Gesandten Krebs
Veröffentlicht in: Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften,
Jahrbuch 1979, Opladen 1980 S. 116.
.
S. 855,8 (nach fol. 1024) eine Zusammenstellung von Beilagennummern zur Pfälzer Frage.
S. 948,32 (nach fol. 1142) eine dem zweiten Band angehängte Relation der Osnabrücker Gesandten 1647 I 3 (Kopie).
S. 1280,7 (nach fol. 1551) eine Anweisung Volmars zur Korrektur der Beilagen-numerierung und zur Erstellung eines Registers (vgl. letztere oben S. XLI).
[p. XLVII]
[scan. 47]
Die Einrichtung der Edition
Grundlage dieser Edition ist die von Volmar eigenhändig niedergeschriebene Urfassung seines Diariums. Sie enhält den vollständigen Wortlaut in der von Volmar vorgesehenen letzten Fassung. Streichungen sind nicht mit aufgenom-men, Korrekturen und Zusätze nur dann als solche gekennzeichnet worden, wenn es für das Verständnis des Textes von Belang war. Spätere Einlagen sind, soweit sie einen Inseratur-Vermerk tragen, in den Text eingearbeitet, aber als solche gekennzeichnet worden; nicht mit dem Text verbundene, aber ihm zuzuordnende Einlagen sind der Edition beigegeben worden.
Die auf die Beilagensammlung verweisenden Nummernangaben sind im Text standardisiert und mit zweiwinkligen Klammern versehen worden. Wo sie im Original gelegentlich nur am Rande vermerkt sind, wurden sie hinter dem betreffenden Aktenstück in den Text eingefügt.
Die zahlreichen Randbemerkungen sind so weit berücksichtigt worden, wie sie mit dem Text in Verbindung stehen. Ein Teil von ihnen stammt nicht von Volmars Hand. Da diese aber nur der nachträglichen Vervollständigung der Textgliederung dienen und keine zusätzlichen Aussagen enthalten, wurde auf eine besondere Kenntlichmachung verzichtet. Nicht gekennzeichnet wurden ferner Anstreichungen am Rande oder im Text und dazugehörige Klammern, die lediglich als Vermerke für die Erstellung der Protokollextrakte von Bedeu-tung waren. Als rein technische Angaben sind schließlich die Wiederholungen der Beilagennummern am Rande und auf die Beilagen bezügliche, später zugesetzte Mängelvermerke ausgelassen worden. Das Fehlen eines Stückes in der Beilagensammlung ergibt sich aus dem Beilagenverzeichnis in
APW III C 2,3. Der tiefstgreifende Eingriff in den Text besteht in der Beifügung der Tagesanga-ben zu Beginn eines jeden Tages und entsprechenden Umstellungen im Text. Diese Umstellungen sind nicht ganz unproblematisch, da sich bei der oben S. XLIIf. skizzierten, den chronologischen Ablauf durchbrechenden Arbeitsweise Volmars manchmal Zweifel über die Zuordnung eines Eintrages zu einem bestimmten Datum ergeben können. In Fällen, die keine sicheren Kriterien für eine Umstellung ergaben, wurde die ursprüngliche Anordnung beibehalten. Dabei können Stücke unter dem Ausfertigungs- statt Eingangsdatums oder unter dem Datum der Antwort erscheinen. In einigen Fällen der Osnabrücker Korrespondenz, wo Stücke mit Sicherheit zu spät registriert worden sind, das Eingangsdatum aber nicht mehr feststellbar war, wurde auf das (vom Eingangs-datum wahrscheinlich um einen Tag differierende) Ausstellungsdatum umge-stellt. Die Datierung unterliegt also da, wo sie nicht von Volmar selbst eindeutig angegeben ist, einer gewissen Interpretation und ist in solchen Fällen mehr als Gliederungsvorschlag denn als definitive Entscheidung zu verstehen. Aus diesem Grunde und zur Erklärung der Zerreißung von Textzusammenhän-gen, die bei eindeutig gebotenen Umstellungen manchmal unvermeidlich waren, ist die ursprüngliche Anordnung des Originaltextes im Apparat angegeben worden. Die Sachanmerkungen wurden auf die Erklärung von Namensangaben
[p. XLVIII]
[scan. 48]
und auf Erläuterungen beschränkt, die für das Textverständis unbedingt notwen-dig sind. Sie erstreben weder sachliche noch bibliographische Vollständigkeit. Die für die Anlage des Beilagenverzeichnisses wie des Registers in
APW III C 2,3 maßgeblichen Gesichtspunkte sind dort erläutert.