Acta Pacis Westphalicae III C 2,2 : Diarium Volmar, 2. Teil: 1647-1649 / Joachim Foerster und Roswitha Philippe
1647 VII 28

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1647 VII 28
Sonntag Sontags, 28. huius, hatt herr bischoff von Oßnabrukh
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und herr thumbpropst von Paderborn bei herrn grafen von Nassau prae-
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sentibus domino comite a Lamberg, domino Crane et me angebracht, er
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hette vom herrn churfürsten von Cöln im bevelch, unß anzefüegen, nach-
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dem Sein Churfürstliche Durchlaucht sowol von inen an dieselb abgangner
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relation als auch durch herrn grafen von Trautmansdorff selbst berichtet
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worden, in quibus terminis die sachen wegen der religion im stifft Hildes-
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heim wie auch mit der Hessen Casselischen satisfactionspretension beruhete,
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hetten sie sich gegen ermeldtem grafen von Trautmansdorff erclärt, auch
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dagegen von ime versicherung empfangen,

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29 daß] am Rande: Hildesheimische religionsach.
daß sie in puncto Hildeßheim
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sich eines mehrern nit, als allberait gegen unß Kayerliche anvor beschehen
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wer, erclären noch der religion ein mehrers begeben köndten, sondern, zwar
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nit per modum expressi consensus, sed permissionis, weil es propter mali-
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tiam temporum anderst nit sein wolte, geschehen liessend, daß der uncatho-
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lischen religionexercitium in besagter stifft unbedingter jaren verbleiben
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möcht und also derselbe vertrag quoad definitum tempus 40 et 70 annorum
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auffgehebt, doch in caeteris in seinen cräfften gelassen werde.

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1 Am] am Rande: Hessen Casselische satisfaction.
Am andern köndten sie sich auch eines mehrern nit in puncto der Hessen
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Casselischen satisfaction dann auff 600 000 thaler insgemein und daran ihr
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quotam, sovil es sich mit einrechnung übriger contribuenten betreffen
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möcht, zu bezahlen erclären, aber keinesweegs einwilligen, daß deßwegen
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einige pfandtschafft bedingt, vil weniger die mitcontribuenten als Churbran-
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denburg , Pfaltz Newenburg, Oostfrießlandt etc. darvon außgezogen wer-
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den . Wolten auch ehender alles ungemach über sich ergehen lassen. Mit
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ersuechen, wir Kayserliche wolten unß weder in einem noch anderem punc-
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ten eines mehrern einlassen.

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Sodann sagten Ihr Fürstliche Gnaden, von ihres particularinteresse wegen
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hetten sie ebenmässig zween puncten bei unß anzebringen. Nemblich und
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erstlich die satisfaction deß Gustavi betreffendt, da erinnerten sie sich, waß-
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maassen sie nach empfangner nachricht, daß die Schweden in 100 000 thaler
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forderten, von Kayserlicher seiten aber mehr nit dann 60 000 anerbotten,
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zwar auch von 80 000 thalern meldung gethan worden, sich vernemmen las-
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sen , daß hiervon mit denn ständen diser stifft communicirt werden müeßte.
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Solches wer nun beschehen, und möchten die stände wol beisamen sein.
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Unterdessen aber weren Sein Fürstliche Gnaden berichtet, daß die stände an
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unß sambt und sonders geschriben und sie vor entschuldigt ze halten gebet-
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ten , weil sie vermeinten, hieran gar nichts ze geben, dann es were nunmehr
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der status verendert. Der conte d’Avaux hette vor disem sich ins mittl ge-
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schlagen und vom königlich Schwedischen hof schreiben vorgewisen, daß
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diser streit allein mit einer 4 oder 5 monatlichen contribution möchte auff-
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gehoben werden. Anietzt sei der status mutirt und hiezwischen mit denen
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uff eine alternatiuam sucessionem gehandelt worden, daher wir Kayserliche
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desto mehr unß solten angelegen sein lassen, die Schweden von ihrer preten-
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sion abzeweisen. Am andern hetten Sein Fürstliche Gnaden mit befremb-
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den vernommen, daß die von der burgerschafft zu Oßnabrukh nunmehr ei-
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nen würklichen anfang mit demolition der Petersburg

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Petersburg, von Wartenberg zur Kontrolle der Stadt Osnabrück vor deren Toren errichtete Festung.
gemacht, der bur-
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germeister selbst hette die burgerschafft darzu angefüert, mit der schauffel
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dreimaln in den halben mond gegen der statt gestochen, den grundt in die
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grahben geworffen und den burgern dergleichen ze thuen zugesprochen.
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Dabei soll auch ein brief vom Oxenstirn vorgelesen worden und darin
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begriffen sein, daß er es also guett finden thet und wir, Kayserliche, darein
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gewilligt haben solten. Mit pitt, ime von der sachen bewandtnus mehrern
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bericht zu ertheilen, dann er hoffte nit, daß ein solches beschehen sein soll,
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noch auch, wan es beschehen, daß ers verschuldt, sondern wol mit seiner
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bestendigen devotion gegen Ihr Kayserliche Maiestät wol ein bessers meri-
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tirt haben solt; dann wan er sich in neutralitet hette begeben wollen, hette
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er seine plätz im stifft Oßnabrukh wol behalten könden, weil ers aber nit

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thuen, sondern sich an Ihr Kayserliche Maiestät halten wollen, hab ers ver-
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lieren müessen.

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Nos re inter nos seorsim deliberata respondimus, waß erstlich deß herrn
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churfürsten erinnerung mit Hildeßheim anlangte, da wüßten Ihr Fürstliche
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Gnaden, waß deroselben hierunder communicirt worden, daß namblich wir,
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Kayserliche, wir es bei deme bewenden lassen, waß unß in hac materia vom
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Dr. Buschmann in schrifften proiectirt worden, allein hetten wir hernach in
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ipso tractatu dabei auch declarando hinzugesetzt, daß nach anlaittung deß
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Hildeßheimischen vertrags zu solchem exercitio religionis ex temporario in
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perpetuum mutato auch dennselben die kirchen, schulen, hospitalien und ein-
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kunfften , wie sie selbige bei zeitten der Braunschweigischen regierung ge-
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habt , verbleiben, die übrige contenta transactionis aber excipirt sein solten,
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dann der vertrag bring es also mit sich. Es hetten aber die Schweden uff deß
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Hildeßheimischen syndici

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Der bildesheimische Ritterschaftssyndikus Künecke war Mitte Juni 1647 mit dem Dechant
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Mercken von der Stiftsregierung deputiert worden, um beim Kongreß die Interessen des Stiftes gegen
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Braunschweig unterstützen zu helfen.
information darmit biß uff dato nit zefriden sein
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wollen, sondern unser proiect verendert und vor die wortt ’nobilitatem
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et subditos‘ ’status et subditos‘ gesetzt, inmaassen solches Ihr Fürst-
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lichen Gnaden communicirt worden. Wir hetten wol vermerkht, daß sie
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under dem wortt ’status‘ den stätten ein sonderrecht attribuirn, zumaln
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auch darunder die clöster, so im vertrag diserte excipirt, verstehen wollen,
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unserseits aber sei darinn weiter nichts nachgeben worden, und werden wir
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auch nochmaln dabei verbleiben. Deßgleichen sei es mit der Casselischen
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satisfaction bewandt. Und werden wir ohne der interessirten consens weiter
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nichts als die 600 000 thaler, und zwar sine antichresi

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D. h. Setzung eines antichretischen Pfandes, wobei der Schuldner dem Gläubiger die Nutzung des
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Pfandes anstelle von Zinsen für die Schuldsumme zugesteht.
uff alle contribuenten
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zu bezahlen, einwilligen. Wir möchten aber dabei nit verhalten, daß die
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Schweden unß angezeigt, es weren die Casselischen resolvirt, ihre anforde-
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rung de facto durchzetringen, solche posten und landtschafften einzenem-
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men , darauß man sie so leicht nit wurde treiben könden, in wölchem vor-
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haben sie, Schweden, auch die Casselischen als ihre alliirte wurden müglichst
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secundirn müessen. Derentwegen würde unsers erachtens nit gnug sein, daß
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man allein in terminis contradictionis verbleiben und sagen thue, diß oder
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jenes will man nit thuen, sondern Ihr Churfürstliche Durchlaucht wurden
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sich auch zu wirklicher resistentz resolvirn müessen und anderwerts mit
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dem angenommnen armistitio oder neutralitet nit gesichert bleiben mögen.
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Betreffendt aber Ihr Fürstlicher Gnaden, herrn bischoffs, selbst interessi, da
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hetten wir, der graf von Lamberg und Crane, sambtlich, sodann ich, Volmar,
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absonderlich von denn Oßnabrukhischen ständen schreiben empfangen,
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innhalts, daß sie sich in die begehrte satisfaction deß Gustavi gantz nichts
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einlassen köndten, und wüßten wir unß sonst wol zu erinnern, waß in diser
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sachen vor disem conte d’Avaux und ieweils auff ein continuation der con-

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tribution etwan uff 4 oder 5 monat gedeüttet. Es wer aber dabei nit auß-
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getrukht worden, ob es uff die contribution, so die gantze stifft beeden
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parteyen, oder allein, so sie den Schweden gegeben worden, zu verstehen.
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Wir köndten wol gedenkhen, weil biß daher nichts determinirt, die Schwe-
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den werden daß pinguius nemmen, sonderlich weil sie anietzt den gantzen
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stifft in handts hetten (quod et praepositus Paderbornensis verum esse con-
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firmauit ). Es wer also uff dise form nit auß der sachen zu kommen. Ihr Fürst-
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liche Gnaden möchten verwarnet sein, dann wir besorgten, daß die uncatho-
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lischen stände diser stifft mit solcher ihrer negatiua daß absehen dahien
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gerichtet, daß dardurch denn Schweden anlaaß geben werde, den stifft Ihr
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Fürstlichen Gnaden nit mehr zu restituirn, sondern dem Gustauo ad dies
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vitae in handen zu behalten und Ihr Fürstliche Gnaden allein mit einer pen-
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sion abzeferttigen; daher wir vermeinten, man solte nit mehr uff die stände
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sehen, sondern immediate sich mit denn Schweden uff eine gwisse summa, als
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etwan die 80 000 thaler, vergleichen, selbige in 4 jaren zu bezahlen, und als-
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gleich die stände zu bezahlung in pacto publico zu obligirn, dann anderwerts
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werden die Schweden sich ad restitutionem deß stiffts vermuettlich nit be-
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handlen lassen. Waß die demolitionem der Petersburg anlangte, da komme
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unß frembdt und seltzamb vor, daß die Schweden sich uff unsern consens
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beziehen sollen, dann dergleichen von unß niemaln geschehen, sondern, wie
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Ihr Fürstlichen Gnaden selbsten bewußt wer, stüende man mit denn Schwe-
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den noch allerdings in contradictoriis, mit fernerer erzehlung, waß dessent-
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wegen dem Braunschweigischen abgesandten Langenbekh remonstrirt, von
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demselben aber entdekht worden, daß sie bevelcht weren, die demolition
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ze sollicitirn, dagegen aber möchte daß Jesuitercollegium vor ein bischoff-
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liche residentz deputirt werden. Wir haben unß auch erbotten, an die statt
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Oßnabrukh ze schreiben, zwar nit in meinung, sie directe von solchem begin-
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nen abzemahnen, weil es ohne frucht und von der gmeinen gsandtschafft
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aller interessirten cronen vermög preliminarschluss geschehen müeßte, son-
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dern allein, unsern dissensum ze contestirn.

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Ihr Fürstliche Gnaden haben hierauff unsere erclärung zu dankh genommen
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und vermeldt, daß die demjenigen gemäßt sei, waß herr graf von Traut-
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mansdorff selbst Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht in seinem anwesen zu
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Bonn versprochen, und werde auch in unß dißortts kein zweiffel gesetzt.
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Deß Gustavi satisfaction betreffendt, da könden Ihr Fürstliche Gnaden sich
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unschwer mit unß vergleichen, dann ime fast ebendergleichen intentiones
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von ihrem thumbcapitul überschriben worden, daß namblich die stände sich
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vernemmen lassen, ob hetten sie mit diser satisfaction nit ze thuen, sondern
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die müeßte halb von Ihr Fürstlichen Gnaden und halb von Braunschweig
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richtig gemacht werden. Und dieweil es Ihr Fürstlichen Gnaden derzeit nit
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müglich, so folge darauß, daß sie deß stiffts entrathen müeßten. Wir solten
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also sehen, wie wir unß mit denn Schweden vergleichen möchten, allein
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dahien unß befleissen, daß kein platz vom stifft zur assicuration abgeschnit-
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ten werde, sondern daß Gustavus sich cum communi assecuratione in instru-

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mento pacificationis contenta gleich wie Cassel vergnüegen lassen müeßt,
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dann so man die Vorstenaw zurukhlassen sollt, so hett ein regierender herr
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nit ze leben. Wegen der demolition sagten sie, hiezwischen ihre brief von
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Oßnabrukh besser ersehen ze haben, die melden, daß nit der Oxenstiern, son-
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dern der syndicus Böger hinübergeschriben hab, die Kayserlichen con-
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sentirten in solche demolition; vermein also, man solte disen gsellen erfor-
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dern und ime solches verweisen (sed ille interea discesserat). Im übrigen
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haben Ihr Fürstliche Gnaden gern angenommen, daß obberüerttermaassen
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an die statt geschriben werden soll. Wie auch beschehen [ 1750 ].

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Hoc die verraißt Salvius nach Oßnabrukh.

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