Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
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Mittwoch W bei Trauttmansdorff. Militärische Fortschritte
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der Schweden im westfälischen Kreis. Gegenmaßnahmen des Erzherzogs.
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Folgends haben I. H. G. de negotiis publicis zu reden angefangen, da er ex-
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presse vermeldet, daß Ihre Majestät die festung Brysach einmahl nicht
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laßen köntten, gleich sie sich dan gegen Churbayeren auff dero zuschreiben
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erclert hetten. Er habe den Französischen (welche gleich iez nachmittag alle
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3 bei ihme gewesen und ihne starkh in der schuelen gehabt) in faciem ge-
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sagt , daß sie zum frieden keine lust, zumaln sie vor dießem ihre limites auf
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einer seiten Rheins gesezt, izo auch auff die andere extendiren thetten,
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occasion zu haben, nuewe unruhn zu erwekhen. I. H. G.: Und komme

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noch hinzue der Hessen ganz ungereimbts postulatum. Darauff der
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herr graff: Daß es freylich ein ganz unvermuth- und wunderbarliches an-
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muhten seye; die Protestanten in Osnabrück haben ihren ablehnenden
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Beschluß bekräftigt und die Ksl. ersucht, die Hessen abzumahnen. Als W
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darlegt, daß mit der Grafschaft Arnsberg fast das ganze kölnische
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Westfalen gefordert wird, versichert er, daß man der landtgräffinnen nicht
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einen hoff hinzulaßen, und ebensowenig auff die ablößung, gleich der Ser-
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vient habe vorgeschlagen, zu gehen seye. Demnegst fragten I. H. G.,
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wie es mitt der Schwedischen satisfaction stehen thette? Worauff der
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herr graff, daß er es nicht wüste, sie hetten sich aber beim wegkraißen
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zimblich erzeigt. Ja, sagtten I. H. G., wan man inen den willen thuet;
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und werden die Franzosen solchenfalß eben so woll sich friedlich bezai-
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gen . Alß der herr graff darauff vermeldet, wohin der protestirenden
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gedancken und praetension in negocio gravaminum, amnistiae und in der
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Pfalzischen sach, auch der Ferdinandeischen declaration gehen. Haben
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I. H. G. geandtworttet, daß wan mans wüste, das sie darauf beharrten, zue
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den sachen anderst zu thun sein mögtte. Darauff der herr graff, daß
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die Schweden ein schwur zue Gott gethan, daß sie befehligt, bey demjeni-
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gen , waß sie proponirt, zu pleiben; und haben demnegst zur Brandenburgi-
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schen gegensatisfaction den stifft Halberstatt begert, welchen er inen
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gleichfalß, damitt sie Ihrer Majestät zum frieden tragende begyrd sehen, zu
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laßen alsbalden pure et simpliciter zugesagt. I. H. G.: Es würden die
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Schweden sich damit leicht contentiren; stehe aber dahin, wie solche bewil-
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ligung geschehen könne; allezeitt ihres theilß würden sie zu solchen oblatis
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nun und nimmer bewilligen. Warinnen er der herr graff I. H. G. recht
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gegeben. Dieselbe ihme aber angedeutet, daß gleichwohl alßo mitt
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hohen schuhen dadurch gangen werde und kein standt, auch die interes-
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sierte gegenwertig nit einmall gefragt wurden. Es were bei dem Prager
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schluss auch also beschehen, was vor ein bestant, effect und glikh von Gott
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ervolgt, seie am tag. Und hette I. H. G. verhofft (ohne die religion und das
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Verden ein geistliches stifft, so Gott und der kirchen zugehorig), ein anders
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umb Ihre Majestät verdient zu haben, alß dergestaldt, da Churbrandenburg
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eine gegensatisfaction gegeben, auch dem administratorn zue Bremen
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nebenst außbehalttung einer bestendigen residenz eine pension ad dies vitae
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gegeben werden sollte, allein praeteriirt und außgeschloßen zu werden.

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Der herr graff von Trautmansdorff: Daß es mitt dem stifft Verden ein
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schlechtes ding, und nichts darauß zu machen seye. I. H. G.: Ihres
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theilß würden sie zwarn nichts begeren, dan sie solches falß ad malum et
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peccatum cooperiren würden, ihro hette aber wenigstens dieße reminiscenz,
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und daß man dergestaldt nicht allein auf andere, so gegen Ihre Kayserliche
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Majestät die waffen gefiert, gedächte, wohl gethan. Der herr graff
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von Trautmansdorff: Seines theilß hab er alles, waß nur möglich gewest, in
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obacht genohmmen und iuxta consilium theologorum verfahren. Dar-
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wieder I. H. G. remonstrirt, daß solches dem leztern zue Lintz geferttigtem

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gar nicht gemeeß seye, dan nit darinnen stunde, das man den catholischen
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bischoffen nemmen solle, und seie aliud concedere et permittere, et aliud
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dare. Und alß darauff der herr graff behaubten wollen, daß dadurch
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nichts vergeben, haben sie ihme dagegen den geprauchten modum cum
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investitura et titulo, welches nit nur permittere seie, sonderlich da votum et
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sessio erfolgen solle, remonstriert. Warauff er: Daß de voto et sessione
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zwarn nichts gedacht, er trage aber die beysorg, daß solches nicht auß-
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pleiben und ein übriges darinnen müeße gethan werden. Doch seyen dieß
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nur sein und anderer Kayserlicher gedancken, und köntte alles den stendten
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communicirt werden, welche wan sie es nicht bewilligen, miesste auf
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anderst gedacht werden. Dabey I. H. G. ihme remonstrirt, wan die
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resolution vorhin geben, und res mehr nicht integra, wie sichs alßdan ende-
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ren laßen werd, mitt bitte, wan die sachen bey den tractaten dergestaldt
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zugehen, ob er vermaine, daß der verhoffender fried auch auff 20 jahr
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hinauß dauern werd. Warauff der herr graff geandtworttet, daß er
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seines theilß groß darahn zweiffele und nit glaube. Underdeßen aber,
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sagten I. H. G., seye das unermeßliche praeiudicium cum investitura und
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sonsten gemacht: auf alle inhabende stiffter und geistliche gietter, weiln
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solcher kraft angemasster gewallt, propter easdem rationes quas Sueci prae-
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tendunt , nit werd abgeschlagen werden mögen. Der herr graff von
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Trautmansdorf: Seye in den gedancken, daß die protestirende durch die
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Schweden werden zue denen inen bereits hinauß gebenen 100 jahren sich
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disponiren laßen. Dießemnach fragten I. H. G., ob man Churbranden-
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burg das stifft Halberstatt dergestaldt alß ein weldtliches fürstenthumb
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werde hinlaßen. Worauf der herr graff: Daß die Schweden für Chur-
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brandenburg sogar den erzstifft Magdeburg begerten, sonderlich weilen es
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selbiges hauß bereits fasst 100 jaren innen gehabt, so er aber mißrahten
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hette, weiln dardurch sonder zweiffel beede churhäußer Sachßen und
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Brandenburg aneinander wachsen würden. I. H. G.: Wie es auff
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solchem fall mitt der religion werde zu halten sein? Darauff er: Daß
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derentwegen gewiße conditiones müsten getroffen werden. W: Kann
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nicht der katholische Markgraf Christian Wilhelm

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Vgl. oben [ S. 442 Anm. 1 ] .
gegen Abtretung seiner
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Ansprüche an das Haus Brandenburg das Stift erhalten, mit päpstlichem
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Dispens heiraten und eine katholische Linie begründen? Weiches dem
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herr graffen [...] wohl eingangen. Demnegst haben I. H. G. wegen
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ihres stiffts Verden, daß sie zue dießer vergebung nimmer verstehen
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37 genohmmen] am Rande: an Köln/Bayern 1646 V 11/12
köntten, ihre protestation eingewendet und damitt den abschied genohm-
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men .

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