Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1646 I 22

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1646 I 22
Montag Konferenz der deputatio ad gravamina . – Mit-
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teilung der Brandenburger: Die Staatischen bestehen darauf, daß alle ihre
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Vertreter Hauptgesandte sind und den kurfürstlichen Sekundargesandten
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nicht weichen können. Auf den Hinweis, daß dann erst an die Kurfürsten
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selbst berichtet werden müsse, haben sie eine Verschiebung der Besuche
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vorgeschlagen. – W entschuldigt mit Katarrh den für heute angesetzten
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Besuch bei den Staatischen, die in höflicher Form die Entschuldigung an-
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nehmen . – Mitteilung der Staatischen: Sie sind mit dem ihnen von W an-
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gebotenen Zeremoniell zufrieden und wollen ihm die gleichen Ehren geben,
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die er von den Franzosen erhält.

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Bayern bei W: Der Kurfürst hält für das beste Mittel zum Frieden, daß
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furderlichst und vor allen dingen dern von den coronen praetendirenden
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satisfaction ihre erledigung zu geben, und nach demselben die gravamina
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religionis zu tractiren und zue vergleichen, zuemaln die zeit der campagnia
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wieder herzunahe, der ausschlag ganz ungewiß, und sonder zweiffel alßdan
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die satisfaction wegen damit angewendeter unkösten noch desto hoher und
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harter gespanen werden würde; welcher punctus satisfactionis von den
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Kayserlichen ebensowol alhier, alß zue Oßnabruck mit den Schweden
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geschicht, sich wurde tractiren und vornehmen laßen, wozu ihnen d’Avaux
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sein Einverständnis angedeutet hat. Auch die Mainzer für Vorziehen der
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Satisfaktionsfrage, desgleichen zielt nach Mitteilung Maximilians Kurköln
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darauf. I. H. G. und ubrige Churcollnische gaben hierauff zur andwort

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daß zumaln uberflüßig und unvonnöthhen, gegen sie Ihrer Churfürstlichen
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Durchlaucht auffrichtige intention und begierde zum frieden zu contesti-
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ren , dan solche ihnen und aller welt vorhin bekand und wissig seye. Anlan-
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gend aber, ob der punctus satisfactionis vor den gravaminibus zu erorteren
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rhatsamb und dienlich, müsten sie nit wenig anstehen, und hetten zwarn die
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Churfürstliche Durchlaucht zu Collen gnädigst anbefohlen, dahin zue
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sehen, wie mit den coronen in puncto satisfactionis ein ganzes zu machen,
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aber dabey nicht exprimirt, ob solches den gravaminibus vor- oder nach-
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gehen solte. Ihres theylß kondten hierinnen desto beschwerlicher eines
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eigentlichen sich endschließen, zuemaln sich auch deßhalber zwischen den
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Kayserlichen und den stenden diese diffidenz verspühren ließ, indeme von
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den Kayserlichen die sorg getragen würde, daß wan die gravamina compo-
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nirt und geschlichtet, alßdan die stende, sonderlich die uncatholische, desto
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liberaler in puncto satisfactionis gegen die coronen, alß durch welche den-
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selben zu solcher richtigkeit geholffen, in praeiudicium des hauß Oster-
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reich heraußgehen dörfften, hingegen aber die catholische stende sich zu
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befahren haben, wan der punctus satisfactionis erst vorgenommen, und den
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coronis, in specie aber Franckreich wegen des Elsaß und anders opposition
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gemacht, daß man alßdan Kayserlicher seiths, die Schweden und uncatho-
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lische stende zu obligirn und zu gewinnen, mit hinlaßung der stiffter, und
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nachsehung der geistlichen gravaminum umb da mehr freygebig verfahren
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werde. Eben darumb dan, daß die handlung von den Kayserlichen ad par-
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tem angestelt, vielen stenden nit wenig nachdencklich, zumaln man sich zu
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erinnern, was fur eine procedur von den Kayserlichen beym Prager frieden,
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mit offerirung der catholischen und sonderlich geistlichen gutter, unerfragt
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der stend, gleich auch von graffen von Trautmanstorff mit den dreyen
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stifftern Metz, Tull und Verdun noch erst iüngst allhie geschehen,
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gebraucht worden. Dahero I. H. G. und ubrige Churcolnische unmaßgeb-
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lich fur das beste hielten, daß man in beyden stücken, der satisfaction,
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sambt andern in der replic endthaltenen puncten, und gravaminum pari
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passu zu verfahren; wan auch ye die Kayserlichen mit den cronen ad
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partem handlen wolten, wurde doch das negst und nöttigst sein, daß vorher
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uber den punctum satisfactionis, wie weit man gehen und auf was weg das
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werck zu richten und man sich einzulaßen, zwischen den Kayserlichen und
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stenden abgered und verglichen werde, anderst gar gewiß disputen, große
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confusion und disgusti zwischen Ihrer Maiestät und den stenden nicht wer-
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den außpleiben, indeme, wan die Kayserische den coronen etwas abschla-
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gen und impossibel gemacht, oder auch respective zusagten oder vertrö-
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stung geben, hingegen solches die stende nicht approbiren, oder auch respec-
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tive thunlich befinden möchten, das ganze odium und unwillen von den
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Kayserlichen oder coronen auff die stende gewalzet werden wolte. Wie
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nun die herren Churbayerische hierbey ihres gnädigsten hern intention
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wegen des Elsaß angedeuttet, sagten I. H. G. und ubrige Churcolnische, daß
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es mit dießen passu eben die obgemelte beschaffenheit haben werd, dan

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Churbayerns mainung, daß den Franzoßen damit zu condescendiren, gehe
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in affirmativam, andere churfursten aber, maßen man schon vernommen,
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quod non, wie dan gar nit zu vermutthen, daß Churmainz contra volun-
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tatem Caesaris, oder auch Churbrandenburg, umb des exempelß mit Pome-
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ren willen, darzu verstehen, noch die Kayserliche ratification daruber er-
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folgen werd. Also wan gleich nomine Churcollen und Bayern in ihren votis
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auff die affirmativam gangen werden solt, hingegen man der intention der
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fürstlichen

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8–9 (bey – wurde)] am Rande: omittatur
(bey denen diß werck von den Kayserlichen müglichst under-
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bawet wurde) nit gesichert, werde doch damit nichts außgerichtet, das
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odium aber starck auff sich gezogen. Und dorffte von Kayserlicher seitthen
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und andern, auch wol catholischen stenden besorgentlich das argumentum
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boni publici causa, der Pfalzischen strittigkeit halber desto mehrers hin-
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wieder gebraucht werden, daß selbige sach von in- und außländischen
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uncatholischen pro unica belli fomite allezeit werde außgeschryen und vor-
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gerupffet . Alß nun hierauf sie Churbayerische replicirt, daß wegen der
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landen Seine Churfürstliche Durchlaucht alberait sich erklehrt hette, quoad
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dignitatem aber zue weichen nit gedächten, andwortteten I. H. G. und die
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Churcolnische, daß sie der mainung in alle weg auch seyen und verplieben
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würden, nur was vorgemeld dahin wolmainend geschehen seye, daß besorg-
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lich durch vorzeitige außgebung des voti ratione des Elsaßes die erwehnte
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difficultates und obiectiones gegen Churbayern von freund und feinden
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dörfften movirt werden. Weren dahero in hoc passu dieser mainung, daß
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man vorher bey andern, sonderlich uncatholischen stenden, wohin die incli-
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nation dißfalß gehe, sondern möchte. Kondten auch ihres theylß zuvor
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ohnedaß weder publice noch bey einem oder dem andern privatim der
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Elsassischen oder andern zur satisfaction praetendirenden landen halber
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ohne special und außtrucklichen befelch sich so wenig affirmative alß
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negative heraußlaßen, und zwarn solches Churbayern und dero hochlob-
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lichem hauß selbsten zum besten. Und möchten ihnen dabey nicht vorent-
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halten , daß die Kayserlichen alberait gar hoch sich beschwerden, welcher-
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gestalt sie Churbayerische sich solten haben vernehmen laßen, daß wan den
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Franzosen mit dem Elsaß gewillfahrt, man innerhalb wenig tagen zum
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frieden wurde gelangen konnen, welches sie dahin auffnehmen, daß man
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dadurch vermeint, ihnen also gleich die landen abzusprechen, oder den un-
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danck nit erfolgten friedens, alß den sie damit allein hinderten, zuzuschie-
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ben . Hierauff haben I. H. G. annectirt, daß underschiedlich wunder nehm,
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und nicht zusammenpringen kondten, daß die noth so groß, und die un-
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muglichkeit den krieg zu continuiren gemacht und contestirt werde, und
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hingegen das Elsaß, wan auch die Franzosen mit andern mittelen sich nit
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contentiren laßen wolten, nicht wolle weggelaßen,

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40–41 auch – werden] am Rande: omittatur ad Bavarum
auch von Churbayern
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electoralis dignitas quovis modo manutenirt und behaubtet werden.

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