Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1646 I 21

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1646 I 21
Sonntag [...] – W bei Longueville. Nach Gratulation zur
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Geburt von Longuevilles Sohn

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Jean Louis Charles d’Orléans, geb. 1646 I 7, gest. 1694 II 4.
zur Friedensfrage: Vor diesem hette
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Franckreich gegen die reichsstende zum offtern durch gesandten sich
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erklehrt, daß vom reich nichts begehren thetten, jetzt nun werde es mit der
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so hoch gespannenen forderung zu der cron Franckreich versicherung (wie
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es gedeuttet wird) gar zu weit hinaußgesezt, wan darzu dasienige genom-
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men , so die Schweden praetendiren, wurde solches ein großer theyl des
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Romischen reichs sein. Wobey der Longeville zu remonstriren sich
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beflissen, daß ihr der Franzoßen replic und begehren zu befurderung des
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friedens ziehlend, man muste gedencken, was fur große anlagen von ihnen
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ahn geld, gutt und blutt geschehen, und in was gefahr das konigreich und

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deßen status gesetzt worden. Gerade heute hat er Nassau den underschied
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des damahligen status, alß Franckreich keine recompenz begert haben
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möcht, und des iezigen remonstrirt; offtmal geschehe, daß im spiel einer
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seiner parthey geldt lehnete, und gleichwol, was das spiel geb und verspieh-
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let würde, einer den andern contentiren müste. Ahn seitthen des Kaysers
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und Spanien habe man den krieg gar zu lang continuirt, die Franzosen erst
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unbefugter ding angefogten und zu dießer kriegsungelegenheit undt kosten
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genöttiget, dahero eine satisfaction zu erstatten pillich. Umb geldt seye es
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ihnen nicht zue thun, hetten auch auff land und leuth so groß absehen nit,
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alß auff ihr selbsteigene und des reichs stende versicherung, welche in
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ihrem begehren bestünde. Die consilia Hispanica, wavon der iezige Kayser
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sich ganz laße binden und einnehmen, seyen ihn gar zu wol bekandt, die
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würden keine ruhe haben, wan sie die commoditeten und vortheyl gleich
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zuvor mit dem Elsaß behalten solten. Dem reich wurde durch das Elsaß
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nichts endzogen, zumaln Franckreich daßelbe ab imperio cum oneribus,
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gleich andern stenden, zu recognosciren erpiethig. Vom hauß Osterreich
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seye die cron Franckreich bey diesem krieg hart beleidiget, und vor diesem
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durch Carolum V. [...], dahero sie ursach anietzt, da Gott ihre waffen bey
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dieser gerechten sach mit glucklichen progressen segnete, sich deßen gegen
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das hauß Osterreich zu bediehnen, und mangle dem Kayser ahn mitlen
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nicht, den Leopoldischen erben andere satisfaction zue thun. Erschöpfung
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Frankreichs und der Reichsstände durch den Krieg. Wan Ostereich in das
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Elsaß wiederumb gesezt, wurde daßelb mit Spanien, nachdem die waffen
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wieder abgelegt, schon etwas finden, ihren gegen Franckreich gefasten
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wiederwillen außzugießen, durch hinlaßung des Elsaßes, und was von
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Franckreich dabey begert, wurde ihn ihr forze gebrochen und necessirt,
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Franckreich in ruhe und die reichsstende bey ihrer libertet zue laßen.

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Eine Bemerkung Longuevilles, solange die Kaiser nicht von Spanien sich
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abhängig gemacht hätten, seien sie in gutem Verständnis mit Frankreich
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und den Reichsständen gewesen, greift W auf, um die Unschuld der
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leopoldinischen Erben darzulegen. Es hieße allezit, daß vom reich nichts
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begert werde, und diese herrn und das hauß Osterreich ia reichsglieder und
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stend seyen, die also nicht in die außgab zu setzen. Zur versicherung,
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warauff Franckreich meistens deutte, weren noch wol andere mittel, alß die
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hinlaßung des Elsaß, und wurden zwarn ex parte Franckreich rationes vor-
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gepracht , hingegen aber auch ex altera parte wolbegrundete trifftige rationes
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in contrarium, und hab er Longevill diese Osterreichische fürsten offter
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selbst auch noch iezo geruhmbt. Darauff er, Franckreich beklage allein,
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daß sie sich den Spanischen consiliis also selbst underwerffen, und iezo zur
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Kayserlichen gehaimen rhatsbediehnung keiner admittirt würde, welcher
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den Spanischen nicht obligirt, oder ihnen folgen muste. I. H. G.: Wan,
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seinem andeuten nach, das mißtrawen und gar offenbare feindschafft gegen
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Ihre Kayserliche Maiestät undt dero lobliches erzhauß in Teutschland
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daraus endstanden, werd demselben bono modo noch wol vorzukommen

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sein, die extrema aber, mit vorendhaltung land und leuth, wurden zue stiff-
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tung guten vertrawens nicht dienen. Man sey zusammen, einen bestendigen
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frieden zu machen, darzu werde schlechte befurderung pringen, der vorigen
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kriegen beygelegte streittigkeiten von newem zu disputiren. Für die Hand-
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lungen
Karls V. kann nicht das von Ferdinand I. und der steirischen Linie
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abstammende jetzige Haus Österreich verantwortlich gemacht werden, von
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Erzherzog Leopold haben die Franzosen bey seinen lebzeiten selbst
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geruhmbt, daß er mit dem Teutschen krieg nichts zu schaffen gehabt, die
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seine junge fursten seyen auch unschuldig, und kondten sie wegen Caroli V.
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handlungen nicht beschuldiget werden. Longueville: D’Avaux ist im
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Besitz eines Bündnisvertrages der Erzherzogin Claudia mit Spanien,
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wodurch sie sich der consiliorum und des kriegs theylhafft gemacht. Mit
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dem hauß Osterreich sey es nun ein ganz Spanisch weeßen, die Spanische
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begierd uber andere zue herschen und zu regiren sey gar zu groß, dahero sie
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dan den Mantuanischen krieg unrechtfertig angefangen. Der kayser Ferdi-
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nand der ander hette den Bohaimbisch krieg und nachgehendts, welches
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ihme von Franckreich wol gegönnet, das gluck gehabt, deßen mann sich
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aber ubernommen und durch die Spanier, die alles under sich zu pringen
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gedächten, zu einer solchen unpillichen weitterung in Italien, Teutschland
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und gegen Franckreich verlaithen laßen, daß Gott selbst augenscheinlich
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gestraffet. Worauff geandworttet, es taxirten die politien und scriben-
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den nit die Spanier so eigentlich in cupiditate illa dominandi et regendi,
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sondern wurde insgemein dafur gehalten, daß davon alle potentaten etwas
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participirten, welches secundum regentium inclinationes et ministrorum ac
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temporum occasiones, sich dan ahn einem, dan ahn andern orth mehr her-
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furthetten . Einmal muste man den Spaniern zue ihren ewigen glori das
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zeugnus geben, daß sie bey dem Truchseßischen krieg mit großen unkosten
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und hindansezung anderer obgelegener expeditiones getrewe assistenz im
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erzstifft Collen pro religione et imperio erwießen, die eroberten Städte
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ohne Entschädigung dem rechten herrn wiederumb eingeraumbt, Franck-
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reich nehme iezt einen andern modum vor. [...] Den Mantuanischen krieg
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hetten chur-, fursten und stende nicht approbirt, es were aber mit zuziehung
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des churfürstlichen collegii ein fried gemacht, den Franckreich nach-
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gehendts wieder verworffen

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Zum Regensburger Vertrag 1630 vgl. oben S. 4 Anm. 2 .
. Es bezaigten die Franzosen bey ihrer lezt be-
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gehrenden recompens wol recht, que les charitez estrangères sont tousjours
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pour s’emparer de ce qu’elles font mine de secourir. Welches der
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Longeville mit lachen in etwas wahr zu sein bekendte, doch die opinion von
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Franckreich abzuwenden damit gesucht, daß sie das Elsaß nur zu ihrer ver-
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sicherung vorbedeuter ursachen und umbstende halber begerten und solches
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bey dem reich laßen wolten. I. H. G. meldeten, daß sie der Franzosen
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vorgeben und postulata nicht köndten zusammenreymen, sie, wie auch die
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Schweden, sagten, daß sie mit den stenden des reichs keinen krieg fuhrten,

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und doch begerten, dieselbe ihrer landen zue endsezen, gleich sie Franzoßen
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mit Philipspurg und der linea communicationis, welches sine privatione et
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praeiudicio eines und andern standts nit abgehen würde; Schweden beger
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Pommern, ein theyl Mecklenburg, und etliche stiffter. Worauff der duc
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de Longeville: Philippsburg begerten nur in poßeß, dem reich selbst zum
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besten. Die linea communicationis kondte klein genug gemacht werden, daß
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sie deßwegen keines unzimblichen begerens zu beschuldigen. Wolte man,
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wie sie ihres theylß desiderirten, frieden haben, muste man gestalten sachen
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nach recht darzuthun; wolte aber das hauß Osterreich den krieg noch ein
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iahr zwey oder drey continuiren, weren sie damit auch gefast, und würden,
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was die zeit ferners gebe, alßdan abwartten. Alß I. H. G. hierauff, daß
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dergleichen resolutiones schlechte anzeig zum frieden geben. Con-
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testirte der duc de Longevill nachmalß, daß sie einen, aber versicherten frie-
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den begerten. Beym abschied haben I. H. G. ihm der stiffter und
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catholischen religion sach recommendirt, darauff er sich erpotten, dabey zu
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thun, was sie alle thun kondten, mit begehren, was man von ihnen Franzosen
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vermainen und begehren möcht, daß sie den catholischen zu dienst thun
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kondten, solches nit gleich den Kayserlichen gesandten zu offenbaren, dan
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selbe den Spanischen so gar weren ergeben, daß ihnen Franzosischen zu
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nachtheyl, und sie mit den protestirenden fürsten in mißtrawen, haß, und
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feindschafft zu pringen, alßpald denselben davon communication thetten.

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Hierauf replicirten I. H. G., daß diß ein irrig und schadliche suspicion.

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Und der Longevill beym hinaußgehen hinwieder lachendt zu erzehlen
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angefangen, wie die Spanische alhier die Stadische gesandte bey der revisita
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stattlich mit einem banquet empfangen, tractirt und einen süßen mund
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gemacht, damit sie ihren bosen willen gegen Franckreich ferners ohnbehin-
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dert außgießen möchten, es wurde ihnen aber nicht glüecken, sondern sie
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nur ihrem eigenen schaden nachgehen.

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W mit Reck/Buschmann bei Nassau/Volmar. Auf Ws Frage nach dem
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Verlauf in Osnabrück verweisen die Ksl. auf das bereits zugestellte Proto-
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koll
der ksl.-schwedischen Konferenz, das wegen der ksl. Antworten, die in
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der den Ständen sonst mitgeteilten Fassung ausgelassen sind, geheimzu-
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halten
ist. I. H. G. stiffter belangendt, erinnerten sie sich gar wol, was die-
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selbe ihnen vor ihrem verraißen dernthalben zu gemüth geführt, deßen
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weren sie auch bester gestalt eingedenckt geweßen, und würden sowol ihre
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herrn collegae zue Oßnabruck, alß auch sie kunfftig im verfolg allermug-
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lichst dahin trachten, daß I. H. G. solcher ihrer stiffter halber nichts nach-
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theyliges zuewachßen möge, immaßen sich auch dahin der herr graff von
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Trauttmanstorff erklehrt und im besten anerpotten. [...] Die Protestanten
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haben bei Trauttmansdorff umb furderliche componir- und vergleichung
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der gravaminum gar starck und instendig angehalten, der ihnen die ver-
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tröstung geben, daß er seines theylß darumb erinnerung zu thun nicht
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underlaßen wolte, und thetten sie nun auch I. H. G. gebuhrend ersuchen,
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daß sie ahn ihrem orth darahn sein wolten, damit solch werck ehest zu

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1
mehrer facilitir- und befurderung des friedens möge vor die hand genom-
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men werden. W versichert, die katholischen Stände seien eifrig bei der
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Zusammenstellung ihrer Gravamina, weylen aber darahn die befurderung
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des friedens allein nicht, sondern guten theylß [...] ahn dem gelegen, daß
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die replicae coronarum vor die hand genommen und die darin endthaltene
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schwerwichtige puncta nacheinander erorttert würden, so wolle die noht
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erfordern, solche materi dem negotio gravaminum vorzuziehen, oder doch,
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wie mans zum besten befunden wird, eins mit dem andern alternative vor-
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zunehmen . [...] – Auf Anfrage bei den Brandenburgern wird mitgeteilt,
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die staatischen Gesandten beanspruchten alle den Vorrang vor den kur-
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fürstlichen
Sekundargesandten, bei der Revisite auch vor den Haupt-
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gesandten
. – Auf Anregung der Brandenburger findet dazu eine
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Konferenz der kurfürstlichen Sekundargesandten statt .

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Auf Nachfragen der Staatischen entschuldigt W, daß der zu ihnen
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geschickte Kölner Vertreter von sich aus den Exzellenztitel ausgelassen
16
hat.

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Mitteilung der Mainzer: Portmann will morgen wegen der Sekundar-
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gesandten mit den Staatischen verhandeln.

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