Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 XI 26

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1645 XI 26
Sonntag W bei Nassau. Admissionsfrage. Nassau: Die
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Magdeburger erklären, lieber den Kongreß verlassen als den Revers in vor-
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liegender
Form annehmen zu wollen. W: Daß doch dieser reverß von
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den uncatholischen selbsten were offerirt und angepotten. Worauf er
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der herr graff, daß, soviel er verstunde, wegen Magdeburg eben nichts
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movirten, nur daß damit andern dergleichen stiffter inhabern sie nicht
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praeiudiciren konden oder wolten. I. H. G.: Dieses möcht seine conside-
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ration zwar haben, vermeinden aber, wan die durch den reverß suchende
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assecuration von den coronen und andern protestirenden stenden gegeben,
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daß man sich eben der Magdeburgischen so hoch nicht zue bekümmeren.
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Werde dahinstehen, was fur eine schrifftliche erklehrung von Oßnabruck
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kommen möge, darauf man sich alßdan diß orts haben vernehmen zu
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laßen. Einmal aber konne weitters von seithen der protestirenden nichts
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begert, weniger aber catholischentheylß bewilliget werden, sie auch andern-
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falß ia nur gar zuviel würden zu verstehen geben, daß einigen rechten lust
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zum frieden und fortsezung der tractaten nicht haben, sondern under die-
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ßem continuierlichen praetendiren was anderß gesucht werde. Nassau:
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Hessen-Kassel zufrieden, auch Durlach unterwirft sich, aus den Äußerun-
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gen
von Salvius aber geht hervor, daß Schweden noch immer nach Pom-
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mern
strebt. Auf den Einwurf, Brandenburg werde sich ohne Entschädi-
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gung
nicht abweisen lassen, also zu wunschen, wan ein land zu finden, wel-
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ches nullius were, habe er Salvius replicirt, daß fur Pommeren Churbran-
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denburg ein stifft eingeraumbt werden muste, deme sich gleichwol die
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Franzosen bißherzu opponiret, und ferner lachend subiungirt, daß woll
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landschafften weren, so niemanden zugehörten, gleich die stiffter, welche
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die catholische praetendirten und nit hetten, darahn aber die catholische
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den uncatholischen nichts gestunden, also diese landen nullius weren. Und
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habe doch auch Churbrandenburg Pomeren biß dato nit gehabt und nur ge-
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dencken muste, alß wan die herzogen von Pomeren noch im leben. [...] Für
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Hessen-Kassel forderte Salvius einige recompensa von geldt und assecuratio
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etlicher plätz im stifft Paderborn und Munster pro pacis securitate sowie die
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Rückgabe von Marburg. Die Pfälzer Erben müßten ihre Länder zurück-
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erhalten
, wegen der Kur werde sich ein mittel per alternativam oder octa-
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vum electoratum finden lassen. Dagegen meint Contarini, daß bei Rück-
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gabe
des Landes die Kur uneingeschränkt bei Bayern bleiben könne. Die
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Franzosen fordern das Elsaß, wie das Haus Österreich es besessen hat. Aus
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den Religionsgravamina ist nach Salvius zu kommen, si catholici indulse-
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rint , uti possidetis, ita possideatis, und daß solches aut nunc aut nunquam
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geschehen muste. Auf den starken Widerspruch der Ksl. hat Salvius geant-
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wortet
, daß man anfangs viel begehren muße, es werde sich bey der hand-
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lung doch schon finden, wie mans in diesem oder jenem miteinander werde
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eins sein und under sich vergleichen konnen. In den Erblanden müsse der
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durch teuer erkaufte Privilegien gesicherte Religionsstand von 1618 wieder-

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hergestellt
werden. Auf die Frage nach Trauttmansdorffs Einzug berichtet
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Nassau, da die Spanier sich keinesfalls davon ausschließen lassen wollen,
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habe man vorgeschlagen, daß er inkognito käme. – [...]

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W bei den Mainzern. Nachdem Brömser die hiesige Resolution und den
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Reversentwurf in Osnabrück mitgeteilt hat, erwarten sie das Ergebnis der
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dortigen Beratungen. Mit W der Meinung, daß bei Weigerung Magdeburgs
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genug sey, wan die cronen und ubrige protestirende die begerte assecuration
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von sich geben. W: Drängen auf eine Deputation zur Zusammenstellung
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der katholischen Gravimina. Die herren Churmainzische aber endt-
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schuldigten sich mit den continuirlichen occupationibus [...], erpotten sich
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aber doch, gegen morgen nachmittag zur abermaligen conferenz bey den
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patribus cappucinis ansagen zu laßen. Da alßdan I. H. G. mainung nach
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diese beyde puncta zu beobachten, 1. waß auf des gegentheylß gravamina, so
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sich hernegst zeigen würde, zu andwortten, 2. wie man sich mit den disseit-
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thigen gravaminibus also [...] gefast zu machen, damit keine mora den ca-
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tholischen konne imputirt werden, wavon man iezo zue reden habe. Die
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herren Churmainzische musten gestehen, daß die notturfft seye, die sachen
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und wie oben gedacht vorzunehmen. Bitte um Unterlagen, da ihr Archiv
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infolge der Kriegsereignisse zerstreut ist. Wegen der Pfälzer Protestation
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haben sie Befehl erhalten, die Verantwortung nicht auf sich allein zu
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nehmen, sondern die Sache im Kurfürstenrat zu proponieren. W: Daß
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dieses certissima occasio sein werde, newe dissension und altercation im
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churfürstlichen collegio zu erwecken und anzurichten, zumalen leicht zu er-
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achten , daß die Churbrandenburgische allen dißseits pro non acceptatione
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dieser protestationschrifft vorpringende rationes werden contradiciren und
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selbige zu refutiren understehen, welches ein groß und weittlauffiges dispu-
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tat veruhrsachen wirdt, und doch Churmainz den undanck, wie sie es nen-
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neten , auff ein oder andern seitthen nicht endfliehen konnen. Denn wenn
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etwa nach Abtritt Bayerns Brandenburg und Trier gegen Köln stehen, müsse
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Mainz den Ausschlag geben und, wenn Brandenburg und Köln auch abtreten,
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mit Trier allein entscheiden. Deshalb besser in alten terminis und bey dem-
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jenigen , so vor diesem ebendergleichen protestation halber fur gutt gehal-
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ten , ex parte des Churmainzischen directorii zue verbleiben. Zumindest die
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Antwort auf das Schreiben Bayern an Mainz in dieser Sache abzuwarten,
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was die Mainzer zusagen. Der Durlacher Gesandte

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Johann Georg von Merkelbach (gest. 1680).
wollte bei ihnen seine
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Vollmacht übergeben, die zurückgewiesen wurde, weil sie nur die Ein-
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ladung
der Kronen und nicht die ksl. Berufung erwähnt. Da man sie auch
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nicht provisorisch akzeptieren konnte, fragen die Mainzer, wie man sich in-
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zwischen
bei den Sitzungen verhalten soll. W: Bis zum Eintreffen rich-
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tiger
Vollmachten der Zutritt nicht zu gestatten, womit zu ihrer Beibrin-
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gung
desto mehrers angetrieben wurde [...].

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W bei den Bayern. Heutige Gespräche. Anregung Kurbayerns, obs nit bey
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den Franzosen und Schweden zu richten, daß des Konigsmarcks und Wran-
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gelß

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Carl Gustav Wrangel (1613–1676), Gf. von Salmis, schwedischer Feldmarschall, als
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Nachfolger Torstensons 1646–1648 Oberkommandierender der schwedischen Armee in
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Deutschland.
vorhabende progressus und vornemblich hinaufmarche, alß welches
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dem frieden verhinderlich, eingestelt pleiben möchten, daruber sie I. H. G.
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gedancken und wie es ahn die ubrige catholische zu pringen, zu vernehmen
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begert. W: Zweifel, wie diese von Churbayern so gutt und wol ge-
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meinte intention (die hochstens zu wunschen were) zu erheben sein werde,
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zumaln man weiß, daß weder die Franzosen noch Schweden biß daher uber
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alle angewendte muhe und vielfaltiges sollicitiren in einigen anstand oder
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moderation der waffen niemalen gehelen wollen und alleweyl auf diesem
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principio bestanden, daß der Kayser und assistirende zum frieden kein lust
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et per continuationem armorum darzu angetrieben werden musten [...].

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Bayern: Longueville hat bei ihnen erklärt, daß auß dieser friedenshand-
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lung ein yedweder etwas muste ziehen, und zwar der Kayser und hauß
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Osterreich das konigreich Boheimb erblich ohne kunfftige bestrittene elec-
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tion behalten kondte, die cron Schweden das herzogthumb Pomern, hin-
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gegen dem churfürsten von Brandenburg ein ander stuck landts, Hessen
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Cassel Marpurg, die Franzosen das Elsaß, wie es und was das Hauß Ost-
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reich vorhin darinnen besessen, Churbayern den electoratum und das land
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ob der Enß etc. Alßdan wan gleich andere recompenz oder erstattung prae-
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tendiren möchten, wurde man doch solche, alß minorum gentium abweisen,
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und derentwegen lenger sich nit auffhalten laßen, sondern einen durch-
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schlag zum frieden machen mußen. 2. Hab er der chur und deßwegen mit
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der alternativ, oder auction des numeri electorum vorseyenden mittelen red
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gefuhret; 3. der protestirender stend suchen wegen anrichtung noch zweyer
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anderer gericht im reich, neben dem iudicio camerae et aulico, beregung
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gethan. Und wie ihme darauf replicirt worden, was der cron Franckreich
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darahn gelegen, wan 2, 4, oder gar 8 tribunalia (womit die exteri nichts zu
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schaffen hetten) wurden angerichtet, und daß solches auf allgemeinem
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reichsconventu von allen stender beliebt und verglichen werden muste, hab
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er solches wahr zu sein vermeldet, und damit von dieser materi abgefallen.
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Ferners hab er Longeville der tractaten selbst dahin gedacht, daß damit so
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gar nit fortzukommen; die Schwedische hetten die Kayserliche responsionem
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hienein nacher Schweden geschickt, und darauff alle tag der erklehrung
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erwartten thetten, demnegst alßdan under sich beyde coronen in loco tertio
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alß zu Lengerich wurden zusamenkommen, die replicam vergleichen, und
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sich damit alspalden vernehmen laßen. – [...]

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