Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 VI 27
1645 VI 27
Dienstag Volmar bei W
Vgl. APW [ III C 2,1 S. 384 ] .
. Als er gemäß dem gestrigen Be-
schluß Chigi die zur Sprache gekommenen Kompromisse vortragen wollte,
verwies dieser ihn an Contarini. Diesem hat Volmar zur Wahl gestellt: Ent-
weder bleiben Kurfürstliche und Contarini dem Einzug fern oder jene fah-
ren mit dem Ksl. und er mit Chigi. Contarini blieb dabei, er werde ent-
gegenschicken und, wenn ein Affront vorkäme, Münster verlassen. Lampa-
dius rühmt sich in Osnabrück, die clausula addendi et diminuendi in die
Propositionen der Kronen gebracht zu haben. Von den Calvinisten stammt
der Artikel wegen Wahl eines römischen Königs.
Schreiben an die Mainzer . – Mitteilung des Berichts Volmars an Bayern
und Brandenburger. Letztere regen eine Widerlegung der Argumente
Contarinis bei den Ksl. und eine Besprechung der Kurfürstlichen darüber
an, wie beim Einzug Longuevilles die Präzedenz sich behaupten lasse.
Mitteilung d’Avaux’: Wenn man Longueville nur Exzellenz tituliere,
könne dieser einem oder dem anderen den rucken wenden [...] und hin-
gegen ihme dasjenige auch, waß er praetendiren mögtte, nicht geben [...].
Dabei hat er auch im hochsten vertrawen andeuten laßen daß er woll
wuste, daß man sich auf Venedig und andere reflectiren wurde. Die herrn
churfürstlichen solten sich NB. woll vorsehen, dan sie würden sich betrogen
finden und wurde derienige welche den meisten rumor machte, sich mit
innen Frantzosen wol anders comportiren und den danck haben wollen,
maßen man schon deßen versichert. Auf die Frage, wie Longueville W
titulieren werde, antwortet d’Avaux, W könne von ihme ein mehrers nicht
praetendiren, alß ihro diese ietzige plenipotentiarii, welche weniger dan er,
bißhero gegeben. Haslang könne keine Schwierigkeiten machen, da Witt-
genstein schriftlich schon Altezza gegeben und Exzellenz erhalten habe.
Reck bei Chigi zur Erkundigung wegen des Empfanges. Gegen den Vor-
wurf , W sei an dem Streit schuldig, bringt er vor: 1. Die Sache betrifft
nicht Kurköln allein, sondern das ganze Kurkolleg. 2. Für Kurköln haben
die Beigeordneten mitzusprechen. 3. Beschlüsse erfolgen durch Mehrheit
nach Anhörung aller kurfürstlichen Gesandten und Beigeordneten. 4. Ge-
bühre die direction Churmaintz alß ertzcantzlarn, und seye nur per acci-
dens , daß I. H. G. alß des eltteren, oder in ordine post Moguntinum des
ersten churfürsten gesandter wehre, und den anwehsenden churfürstlichen
vorgienge, und müeste also alles den Churmaintzischen uberschrieben, und
von dehnen, waß vorgehet, biß sie selbsten ankohmmen (maßen mitt
negsten erwahrttet wirdt) parte geben. 5. Wie Contarini sind W und die
übrigen Kurfürstlichen an Instruktionen gebunden. 6. Sie müssen in dieser
Sache, die sie nicht selbst verantworten können, Weisungen einholen.
7. I. H. G. hetten für ihr thaill nichts dabey, dan, wan die Churmaintz-
unnd Trierische ankommen, würden sie iehnen allezeit, und dießen, wie es
im reich gebräuchig, alternatim weichen und 2. et 3. in ordine sein. 8. Weh-
ren die propositiones iedeßmalß den anderen churfürstlichen gesandten
durch den Paderbornischen cantzlarn dergestaldt glimpfflich vorgebracht,
daß man verhüetet, oell zum fewr zu schütten; es könnte aber der herr
nuncius selbst vernünfftig ermeßen, da bey den Kayserlichen der Venetia-
nische alles in petitorio et possessorio sich de iure attribuiren und daß vor-
gehen behaubtten wollen, waß für eine disposition solches bey den chur-
fürstlichen und der gantzen sach sein könne, unnd werde sich er herr nun-
cius noch woll zu besinnen wißen, waß I. H. G. ihme noch unlengst vor-
gesagtt , als es darum ging, daß bei Weggang Contarinis die Franzosen auch
die päpstliche Vermittlung zurückweisen könnten, daß sie solche rationes
ungehrn gehört, sonderlich weyln die Churbrandenburgischen desto mehr
darauff fallen würden, Summum Pontificem, und die catholische gahr auß
der mediation zu bringen, und sehe man dahero wie das werck allerseits
schwerer gemacht worden. 9. Seye von I. H. G. und den übrigen Churcolni-
schen die proposition geschehen, daß man eben auff den thag, wan der
Longeville hereinkombtt, eine conferentz zue Lengrick anstellen mogte; es
hetten aber solches die Churbrandenburgischen obbedeuteter uhrsachen
willen, starck wiedersprochen; 10. gestaldt dan selbige noch erst heutt alß
sie ihnen von ein und anderen parte geben, sich vernehmmen laßen, daß
man sich ex parte der herrn churfürsten manuteniren, unnd des Venetiani-
schen betrohete wegkraiß nicht irren laßen soltte. 11. Seye vom herrn
Volmari erzehllet, daß mitt ihme in hoc passu der graff von Wittgenstein
aldorth zue Oßnabrugk starck gerehdet, und daß ihme im geringsten nicht
zue weichen wehre. Als W vor einem Jahr inkognito in Münster war
Im Juli 1644 (vgl. APW [ III C 1,1 S. 223 ] ); den Vorfall entschuldigend Kurköln an Kur-
bayern 1644 VII 24 ( München II K. schw. 983).
, hat
er deshalb einen Verweis bekommen, alß wan dadurch der Venetianischer
etwas für sich zue allegiren haben würde; inmaßen dan auch 13. durchauß
nicht zugelaßen werden wollen, daß sie sich oder auch andere churfürst-
liche gesandten all’incognito anhero begeben, sondern hetten sie gleich
anderen ihre gebührende ehr haben wollen; warauß dan er herr nuncius
und iedder verstendiger unpaßionirter leicht abzunehmen, daß wedder ihro,
noch anderen churfürstlichen gesandten, ichtswaß mitt fueg konne zuge-
meßen werden. Chigi: Daß ihme solches zu vernehmmen lieb, gleich er
dan, die impressiones dem Veneto zu benehmmen, und daß die guette corre-
spondentz , wie biß dato, gehaltten werde, sich bemühen woltte; wehre
sonsten mitt der bewusten negotiation sonderlich mitt dem Longeville selbst
noch starck in arbeyth, damitt die entgegenschickung underlaßen, unnd
allein jedder gesandtschafft und nationen sich mitteinander begnügen
möchten, gestaldt er, wohin es zu bringen, I. H. G. demnegsten wißen laßen
wollte. Soviell in vertrauwen vermeldet, er vermeine es werde dahin zu
bringen sein, daß der duc de Longeville keine endgegenschickung praeten-
diren , sondern allein mitt seiner Frantzosischer suita herein kohmmen
wolle.
Mitteilung an d’Avaux: W kann, selbst wenn andere es tun, das Prädikat
Altezza auf keinen Fall geben, solange er selbst es von Longueville nicht er-
hält , zumal dieser es anderen Fürsten wie der Landgräfin von Hessen gibt,
Servien und d’Avaux es sogar bei im Rang unter W stehenden Fürsten ge-
brauchen . Dahero I. H. G. sich ihrenthalben gleich anfangs zu beschweren
gehabtt, hettens aber amore boni publici, und damitt durch solche disputat
die tractatus nicht gehindert, unnd die zeitt verlohren, tacite passiren laßen,
zumahln sie durch der frembder titulatur wedder geringer noch größer
würden gemacht, auch nach geendigtten tractaten eben derjenige, der ietzt,
bleiben werde. Er hat, als d’Avaux und Servien Bayern den Exzellenztitel
verweigern wollten und ihn Geringeren wie Venedig und Savoyen gaben,
ihnen auch angedeuthet, wan man dergestaldt alles wollte disputiren, wehrde
man zue den tractaten so baldt noch nicht schreyten konnen. Die Ksl. werden
wohl ohne besonderen Befehl Altezza nicht geben; mit den Bayern will W
sprechen.
Vgl. APW [ III C 2,1 S. 384 ] .
schluß Chigi die zur Sprache gekommenen Kompromisse vortragen wollte,
verwies dieser ihn an Contarini. Diesem hat Volmar zur Wahl gestellt: Ent-
weder bleiben Kurfürstliche und Contarini dem Einzug fern oder jene fah-
ren mit dem Ksl. und er mit Chigi. Contarini blieb dabei, er werde ent-
gegenschicken und, wenn ein Affront vorkäme, Münster verlassen. Lampa-
dius rühmt sich in Osnabrück, die clausula addendi et diminuendi in die
Propositionen der Kronen gebracht zu haben. Von den Calvinisten stammt
der Artikel wegen Wahl eines römischen Königs.
Schreiben an die Mainzer . – Mitteilung des Berichts Volmars an Bayern
und Brandenburger. Letztere regen eine Widerlegung der Argumente
Contarinis bei den Ksl. und eine Besprechung der Kurfürstlichen darüber
an, wie beim Einzug Longuevilles die Präzedenz sich behaupten lasse.
Mitteilung d’Avaux’: Wenn man Longueville nur Exzellenz tituliere,
könne dieser einem oder dem anderen den rucken wenden [...] und hin-
gegen ihme dasjenige auch, waß er praetendiren mögtte, nicht geben [...].
Dabei hat er auch im hochsten vertrawen andeuten laßen daß er woll
wuste, daß man sich auf Venedig und andere reflectiren wurde. Die herrn
churfürstlichen solten sich NB. woll vorsehen, dan sie würden sich betrogen
finden und wurde derienige welche den meisten rumor machte, sich mit
innen Frantzosen wol anders comportiren und den danck haben wollen,
maßen man schon deßen versichert. Auf die Frage, wie Longueville W
titulieren werde, antwortet d’Avaux, W könne von ihme ein mehrers nicht
praetendiren, alß ihro diese ietzige plenipotentiarii, welche weniger dan er,
bißhero gegeben. Haslang könne keine Schwierigkeiten machen, da Witt-
genstein schriftlich schon Altezza gegeben und Exzellenz erhalten habe.
Reck bei Chigi zur Erkundigung wegen des Empfanges. Gegen den Vor-
wurf , W sei an dem Streit schuldig, bringt er vor: 1. Die Sache betrifft
nicht Kurköln allein, sondern das ganze Kurkolleg. 2. Für Kurköln haben
die Beigeordneten mitzusprechen. 3. Beschlüsse erfolgen durch Mehrheit
nach Anhörung aller kurfürstlichen Gesandten und Beigeordneten. 4. Ge-
bühre die direction Churmaintz alß ertzcantzlarn, und seye nur per acci-
dens , daß I. H. G. alß des eltteren, oder in ordine post Moguntinum des
ersten churfürsten gesandter wehre, und den anwehsenden churfürstlichen
vorgienge, und müeste also alles den Churmaintzischen uberschrieben, und
von dehnen, waß vorgehet, biß sie selbsten ankohmmen (maßen mitt
negsten erwahrttet wirdt) parte geben. 5. Wie Contarini sind W und die
übrigen Kurfürstlichen an Instruktionen gebunden. 6. Sie müssen in dieser
Sache, die sie nicht selbst verantworten können, Weisungen einholen.
7. I. H. G. hetten für ihr thaill nichts dabey, dan, wan die Churmaintz-
unnd Trierische ankommen, würden sie iehnen allezeit, und dießen, wie es
im reich gebräuchig, alternatim weichen und 2. et 3. in ordine sein. 8. Weh-
ren die propositiones iedeßmalß den anderen churfürstlichen gesandten
durch den Paderbornischen cantzlarn dergestaldt glimpfflich vorgebracht,
daß man verhüetet, oell zum fewr zu schütten; es könnte aber der herr
nuncius selbst vernünfftig ermeßen, da bey den Kayserlichen der Venetia-
nische alles in petitorio et possessorio sich de iure attribuiren und daß vor-
gehen behaubtten wollen, waß für eine disposition solches bey den chur-
fürstlichen und der gantzen sach sein könne, unnd werde sich er herr nun-
cius noch woll zu besinnen wißen, waß I. H. G. ihme noch unlengst vor-
gesagtt , als es darum ging, daß bei Weggang Contarinis die Franzosen auch
die päpstliche Vermittlung zurückweisen könnten, daß sie solche rationes
ungehrn gehört, sonderlich weyln die Churbrandenburgischen desto mehr
darauff fallen würden, Summum Pontificem, und die catholische gahr auß
der mediation zu bringen, und sehe man dahero wie das werck allerseits
schwerer gemacht worden. 9. Seye von I. H. G. und den übrigen Churcolni-
schen die proposition geschehen, daß man eben auff den thag, wan der
Longeville hereinkombtt, eine conferentz zue Lengrick anstellen mogte; es
hetten aber solches die Churbrandenburgischen obbedeuteter uhrsachen
willen, starck wiedersprochen; 10. gestaldt dan selbige noch erst heutt alß
sie ihnen von ein und anderen parte geben, sich vernehmmen laßen, daß
man sich ex parte der herrn churfürsten manuteniren, unnd des Venetiani-
schen betrohete wegkraiß nicht irren laßen soltte. 11. Seye vom herrn
Volmari erzehllet, daß mitt ihme in hoc passu der graff von Wittgenstein
aldorth zue Oßnabrugk starck gerehdet, und daß ihme im geringsten nicht
zue weichen wehre. Als W vor einem Jahr inkognito in Münster war
Im Juli 1644 (vgl. APW [ III C 1,1 S. 223 ] ); den Vorfall entschuldigend Kurköln an Kur-
bayern 1644 VII 24 ( München II K. schw. 983).
er deshalb einen Verweis bekommen, alß wan dadurch der Venetianischer
etwas für sich zue allegiren haben würde; inmaßen dan auch 13. durchauß
nicht zugelaßen werden wollen, daß sie sich oder auch andere churfürst-
liche gesandten all’incognito anhero begeben, sondern hetten sie gleich
anderen ihre gebührende ehr haben wollen; warauß dan er herr nuncius
und iedder verstendiger unpaßionirter leicht abzunehmen, daß wedder ihro,
noch anderen churfürstlichen gesandten, ichtswaß mitt fueg konne zuge-
meßen werden. Chigi: Daß ihme solches zu vernehmmen lieb, gleich er
dan, die impressiones dem Veneto zu benehmmen, und daß die guette corre-
spondentz , wie biß dato, gehaltten werde, sich bemühen woltte; wehre
sonsten mitt der bewusten negotiation sonderlich mitt dem Longeville selbst
noch starck in arbeyth, damitt die entgegenschickung underlaßen, unnd
allein jedder gesandtschafft und nationen sich mitteinander begnügen
möchten, gestaldt er, wohin es zu bringen, I. H. G. demnegsten wißen laßen
wollte. Soviell in vertrauwen vermeldet, er vermeine es werde dahin zu
bringen sein, daß der duc de Longeville keine endgegenschickung praeten-
diren , sondern allein mitt seiner Frantzosischer suita herein kohmmen
wolle.
Mitteilung an d’Avaux: W kann, selbst wenn andere es tun, das Prädikat
Altezza auf keinen Fall geben, solange er selbst es von Longueville nicht er-
hält , zumal dieser es anderen Fürsten wie der Landgräfin von Hessen gibt,
Servien und d’Avaux es sogar bei im Rang unter W stehenden Fürsten ge-
brauchen . Dahero I. H. G. sich ihrenthalben gleich anfangs zu beschweren
gehabtt, hettens aber amore boni publici, und damitt durch solche disputat
die tractatus nicht gehindert, unnd die zeitt verlohren, tacite passiren laßen,
zumahln sie durch der frembder titulatur wedder geringer noch größer
würden gemacht, auch nach geendigtten tractaten eben derjenige, der ietzt,
bleiben werde. Er hat, als d’Avaux und Servien Bayern den Exzellenztitel
verweigern wollten und ihn Geringeren wie Venedig und Savoyen gaben,
ihnen auch angedeuthet, wan man dergestaldt alles wollte disputiren, wehrde
man zue den tractaten so baldt noch nicht schreyten konnen. Die Ksl. werden
wohl ohne besonderen Befehl Altezza nicht geben; mit den Bayern will W
sprechen.